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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
08. 12. 2006
Bewertung der Empfehlungen der Irak-Studiengruppe
Am 6. Dezember legte die Irak-Studiengruppe, eine überparteiliche Kommission führender Persönlichkeiten in den Vereinigten Staaten, darunter auch der frühere US-Außenminister James Baker, US-Präsident George W. Bush einen Bericht mit Empfehlungen für neue Maßnahmen im Irak-Krieg vor. Die wichtigsten Punkte des Berichts sind (1) ein möglicher Rückzug der meisten US-Kampftruppen aus dem Irak bis März 2008, (2) die Wiederaufnahme des Dialogs mit Iran und Syrien, die über großen Einfluss im Irak verfügen, und (3) diplomatische Anstrengungen für eine umfassende Friedenslösung im Nahen und Mittleren Osten einschließlich der Lösung des Palästinenserproblems, was auch die Lage im Irak stabilisieren würde.
Der Bericht mit dem Titel "Der Weg nach vorn - ein neuer Ansatz" empfiehlt in umfassender Weise Maßnahmen zur Normalisierung der zunehmend chaotischen Situation im Irak. Abhängig von der Reaktion der Regierung Bush besteht die Möglichkeit, dass dies einen wichtigen Wendepunkt im Irak-Krieg bedeutet. Aus diesem Grund fand der Bericht der Irak-Studiengruppe auch in Japan große Aufmerksamkeit. Alle fünf landesweiten Tageszeitungen behandelten das Thema in ihren Leitartikeln vom 8. Dezember. Sie bewerteten die Bedeutung der Empfehlungen und untersuchten die Möglichkeiten für deren Verwirklichung.
Ungeschminkter Blick auf die Lage im Irak wird begrüßt
Ein gemeinsames Merkmal aller Leitartikel war die positive Bewertung der Tatsache, dass der Bericht die schwierige Situation und die Fehleinschätzungen in der Irakpolitik der Bush-Regierung eindeutig benannte.
Der Leitartikel der Asahi Shimbun führte aus: "Mit der Einschätzung, dass ‚die Situation im Irak schwierig ist und sich weiter verschlechtert' gesteht die Kommission tatsächlich ein, dass die bisherige Strategie fehlgeschlagen ist. Der Titel des Berichts lautet ‚Der Weg nach vorn - ein neuer Ansatz'. Er empfiehlt, dass die Regierung Bush ihre Irakpolitik bei dem Versuch, die Situation unter Kontrolle zu bringen, völlig umkrempelt." Der Leitartikel fuhrt fort: "Wir stimmen mit der Grundlinie überein, die in den Empfehlungen zum Ausdruck kommt. Auch wenn der Bericht keinen eindeutigen Zeitplan für einen Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak nennt, ist es doch von Bedeutung, dass der Bericht Zielvorgaben für einen Zeitrahmen vorschlägt, um den Grossteil der Truppen abzuziehen. Dies fußt auf der zutreffenden Einschätzung, dass die weitere Stationierung von US-Truppen im Irak zu einer Verschlechterung der Situation im Land und keineswegs zu einer Verbesserung führt."
Der Leitartikel der Sankei Shimbun lenkte die Aufmerksamkeit auf die Tendenz des Berichts, die ideologischen Aspekte beiseite zu lassen und die Realität im Irak ungeschminkt zu betrachten. Die Zeitung meinte: "Indem er das Beispiel des Dialogs zwischen Amerika und der Sowjetunion während des Kalten Kriegs anführte, äußerte der frühere Außenminister Baker: ‚Meine Ansicht ist, dass man nicht nur mit seinen Freunden spricht. Man muss auch mit seinen Feinden sprechen [um auf diplomatischem Weg zum Frieden zu gelangen].' Der Bericht enthält keine idealistischen Ausdrücke wie ‚Demokratisierung des Mittleren Ostens', die Präsident Bush als wichtigen Grund für den Irak-Krieg anführte. Vielmehr verfolgt er durchgängig einen realistischen Ansatz, um einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Von dem Standpunkt aus, dass ‚es keine Zauberformel gibt, mit der die Probleme im Irak gelöst werden können' (Baker), ist es wichtig, dass der Bericht deutlich ausführt: ‚Falls die irakische Regierung keine substantiellen Fortschritte auf ihrem Weg in Richtung nationale Versöhnung, Sicherheit und Regierungsführung macht, sollten die Vereinigten Staaten ihre politische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung für die irakische Regierung reduzieren.' Das Problem wird solange nicht gelöst werden, wie der Irak einen Weg auf der Grundlage der Logik religiöser oder ethnischer Gruppierungen einschlägt, durch den das Land in drei Gruppen, nämlich Schiiten, Sunniten und Kurden geteilt wird.
Bedenken wegen destabilisierender Faktoren bei Abzug der US-Truppen
Der Bericht der Irak-Studiengruppe ruft zu einem umfassenden Wandel der Politik der Bush-Regierung auf, die bisher die Stationierung von US-Truppen bis zur Herstellung öffentlicher Sicherheit fordert und Gespräche mit Iran und Syrien ablehnt, die als "staatliche Sponsoren des Terrorismus" bezeichnet werden. Präsident Bush äußerte, er werde "ihn [den Bericht] sehr ernst nehmen", meinte jedoch auch: "Wir werden wahrscheinlich nicht mit jedem Vorschlag übereinstimmen." Vor diesem Hintergrund artikulierten die japanischen Tageszeitungen in ihren Leitartikeln Zweifel in Bezug darauf, dass die Empfehlungen des Berichts ohne Weiteres umgesetzt werden können.
Der Leitartikel der Yomiuri Shimbun kommentierte: "Präsident Bush hat gesagt, die US-Truppen würden solange im Irak bleiben, bis das Land sicher und die Demokratie gefestigt sei. Er hat betont, dass die US-Streitkräfte ihre Aufgabe bis zum Sieg erfüllen werden. Allerdings hat der Bericht seine Politik verworfen und führt aus: ‚Die Vereinigten Staaten sollten keine unbegrenzte Verpflichtung dahingehend eingehen, eine große Zahl von US-Truppen im Irak zu belassen." Stattdessen wird empfohlen, dass die Vereinigten Staaten der irakischen Regierung dabei helfen selbstständig zu werden, indem nun die irakische Regierung die Hauptlast der Aufrechterhaltung der Sicherheit übernimmt." Die Zeitung sieht voraus, dass eine Verwirklichtung des Abzugs der US-Truppen ein schwerwiegendes Problem bedeutet: "Ein allmählicher Abzug der US-Truppen aus dem Irak, wie er vom Bericht empfohlen wird, wäre ideal, allerdings besteht keine Garantie für einen Erfolg, da sich die Situation derzeit außerordentlich schwierig darstellt. Jeden Monat sterben rund 3000 Menschen im Irak aufgrund von Gewalt zwischen den religiösen Gruppierungen. Die Situation hat sich seit dem Amtsantritt der demokratisch gewählten Regierung weiter verschlechtert. In diesem Zusammenhang müssen die Fähigkeiten des irakischen Ministerpräsidenten Nouri al-Maliki, dem es nicht gelungen ist, die militanten Gruppierungen zu kontrollieren, stark in Zweifel gezogen werden. Allerdings hat die US-Regierung keine andere Wahl, als ihn weiter zu unterstützen."
Die Nihon Keizai Shimbun (Nikkei) schrieb in ihrem Leitartikel: "Der Vorschlag, anstatt weiterhin an vorderster Linie im Kampf zu stehen, die Aufgabe der US-Streitkräfte nunmehr in der ‚Unterstützung Iraks' zu sehen, stellt eine politische Botschaft dar, die den Menschen in Amerika einen Weg in Richtung Ausgang aufzeigt." Die Nikkei fuhr fort: "Die Situation im Irak ist schwierig, was dadurch deutlich wird, dass der Bericht nicht in der Lage war, ein Datum für den Beginn des Anzugs [der US-Streitkräfte] zu benennen. Die Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte, die Voraussetzung für den Abzug ist, hinkt ebenfalls hinterher. Es wird nicht einfach werden, Sicherheitskräfte sowohl in ausreichender Qualität als auch Quantität bis zum nächsten Jahr oder so aufzubauen."
Notwendigkeit für Dialog mit den Nachbarn Iraks
Nach wie vor gibt es keine Anzeichen für die Hoffnung, dass sich die innere Lage im Irak stabilisiert. Um das derzeitige Chaos zu beenden, das einen Ausweg versperrt, betont der Bericht die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den Vereinigten Staaten und den Nachbarn Iraks und empfiehlt darüber hinaus, dass die Vereinigten Staaten sich stärker für eine Lösung des Palästinenserproblems engagieren. Alle Leitartikel der japanischen Tageszeitungen forderten nachdrücklich die Umsetzung dieses Vorschlags.
Der Leitartikel der Mainichi Shimbun meinte: "Die jüngsten Empfehlungen schlagen die Wiederaufnahme der ‚Baker-Diplomatie' vor, die den Schwerpunkt auf Dialog und Bereitung der Grundlagen setzt. Die Regierung Bush wird aufgefordert, sich umfassend für den Frieden im Nahen und Mittleren Osten zu engagieren, da die amerikanischen Ziele sonst nicht erreicht werden können. Darüber hinaus unterstützt der Bericht die Lösung des Konflikts durch die Unabhängigkeit Palästinas sowie der Koexistenz Israels und Palästinas. Auch nennt er die Bildung einer ‚Unterstützergruppe' durch die Anrainerstaaten Iraks." Indem sie die Hoffnung ausdrückte, dass der Dialogkurs entschlossen verfolgt wird, fügte die Mainichi hinzu: "Grundsätzlich begrüßen wird den Dialogkurs. Im Vergleich zur Regierung seines Vaters, Ex-Präsident George H. W. Bush, engagiert sich die derzeitige Regierung Bush unter dem Einfluss von Neokonservativen kaum für die Friedensvermittlung im Nahen Osten. Die Vorschläge der Studiengruppe für einen Dialog mit den Anrainerstaaten Iraks und für Anstrengungen zur Lösung des Palästinenserproblems sind genau das, was wir wiederholt gefordert haben."
Der Leitartikel der Asahi merke an: "Die Vorschläge, Iran und Syrien konstruktiv wieder einzubinden, und zugleich einen umfassenden Friedensplan für den Nahen Osten zu erstellen, können wir durchaus unterstützen. Anstrengungen, diese beiden Länder zu isolieren, die von Präsident Bush zuvor als staatliche Sponsoren des Terrors bezeichnet wurden, werden zusammen mit einer überdeutlichen Pro-Israel-Politik den Zorn in den Ländern des Mittleren Ostens nur weiter anheizen. So kann Washington nicht darauf zählen, dass Iraks Nachbarn einen positiven Beitrag für den Wiederaufbau Iraks leisten."
(Copyright 2006 Foreign Press Center, Japan)