Home > Presse & Publikationen > Japan Brief

Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
05. 01. 2007
Irakische Regierung lässt Ex-Präsidenten Saddam Hussein hinrichten
Am 30. Dezember 2006 ließ die irakische Regierung unter Führung von Premierminister Nouri al-Maliki den früheren Präsidenten Saddam Hussein hinrichten, nachdem das Todesurteil wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen ihn bestätigt worden war. Nach seinem Machtantritt 1979 hatte Saddam Regierungsgegner im Irak brutal unterdrückt und das Land in eine "Republik der Angst" (so der Titel eines Buches des irakischen Dissidenten Kanan Makiya, das er unter dem Pseudonym Samir al-Khalil verfasste) verwandelt. Nach außen hin brach Saddam 1980 einen acht Jahre dauernden Krieg gegen Iran vom Zaun, fiel 1990 in Kuwait ein, was zum Golfkrieg von 1991 führte. Schließlich ignorierte er die Meinung der internationalen Öffentlichkeit, was letztendlich die Ursache für den Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 war. Ohne Zweifel war Saddam seit Beginn der achtziger Jahre für fast ein Vierteljahrhundert ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt im von Gewalt geprägten Mittleren Osten.
Aus diesem Grund zeigten die führenden japanischen Tageszeitungen großes Interesse an Saddam Husseins Hinrichtung. Die fünf überregionalen Tageszeitungen berichteten darüber in dicken Schlagzeilen ganz oben auf ihren Titelseiten und analysierten zugleich in ihren Leitartikeln die Bedeutung der Hinrichtung Saddams und ihre möglichen Auswirkungen auf die Situation im Irak.
Zweifel und Kritik an übereilter Hinrichtung
Am 26. Dezember hatte der Oberste Gerichtshof Iraks die Forderung nach einer Revision des Todesurteils gegen den früheren Präsidenten vom 5. November abgelehnt und damit das Todesurteil bestätigt. Die Hinrichtung fand nur vier Tage später statt. Auch wenn die übereilte Durchführung der Hinrichtung den meisten Prognosen widersprach, brachten die führenden Zeitungen in ihren Leitartikeln doch kein Bedauern über den Tod des berüchtigten Diktators zum Ausdruck. Vielmehr richteten sie den Fokus auf die Hintergründe für die überraschend schnelle Hinrichtung.
Ein Online-Artikel der Asahi Shimbun (vom 30. Dezember) berichtete, dass Premierminister Shinzo Abe am selben Tag eine Erklärung herausgab, in der er ausführte: "Japan hofft, dass Irak die Schwierigkeiten überwindet, denen er sich im Innern gegenübersieht und sich zu einem stabilen Land entwickelt. Wir werden weiterhin in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft unsere Unterstützung anbieten." Bezüglich der Hinrichtung des früheren Präsidenten gab die Zeitung die vorsichtige Haltung der japanischen Regierung zum künftigen Kurs des Irak-Problems wieder und schrieb: "Die Regierung wird die innere Situation im Irak unter dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit weiterhin aufmerksam beobachten."
Der Leitartikel der Yomiuri Shimbun (vom 31. Dezember) schrieb: "Seine [Saddams] Hinrichtung wird das Feuer des Konflikts zwischen den religiösen Gruppierungen anheizen, der weiter zunimmt und das Land in Stücke zu reißen droht. Daher glaubten einige Beobachter, dass es Raum für politische Manöver in Bezug auf den Zeitpunkt geben könnte, zu dem man Saddam unter den Galgen stellt. Allerdings hat die Regierung des irakischen Premierministers Nouri al-Maliki, die von den Schiiten dominiert wird, den ganzen Prozess beschleunigt, der zu Saddams Hinrichtung führte. Wollte Malikis Regierung den Rachedurst der Schiiten und Kurden befriedigen, um angesichts der Tatsache, dass die Sicherheitslage außer Kontrolle zu geraten droht, ihre Autorität im Land zu betonen? Geht die Regierung davon aus, dass die gegenwärtige Situation bereits so schwierig ist, dass sie vom Schicksal Saddams nicht wirklich beeinflusst werden konnte? Wie auch immer, die Hinrichtung muss als ein riskantes Spiel betrachtet werden."
Der Leitartikel der Nikkei (vom 31. Dezember) meinte ähnlich: "Es gab tief verwurzelte Zweifel über die Fairness des Prozesses, und man kann auch nicht sagen, dass das Verfahren zur Durchführung des Todesurteils transparent war. Es bleibt der Eindruck, dass die Gegner der früheren Regierung, welche die jetzige Regierung anführen, die Hinrichtung des früheren Präsidenten übereilten, der im Gerichtssaal die Legitimation der neuen Regierung offen in Frage stellte. Hussein wurde zudem wegen Massaker an den Kurden angeklagt. Es besteht nun die Sorge, dass wegen der frühen Hinrichtung die Untersuchung der dunklen Seiten seiner Diktatur auf halbem Wege stecken bleibt.
Enttäuschung über Schlussstrich unter die Vergangenheit
Man hatte gehofft, dass der Prozess gegen den früheren Präsidenten Saddam Licht auf die dunklen Seiten der modernen Geschichte Iraks werfen würde. Diese Hoffnungen wurden jedoch durch Saddams übereilte Hinrichtung betrogen.
Der Leitartikel der Sankei Shimbun (vom 31. Dezember) brachte seine Enttäuschung über die übereilte Hinrichtung zum Ausdruck: "Von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet ist es bedauerlich, dass aufgrund von Saddams Tod die Untersuchung der Fakten in Bezug auf die dunkle Ära der Diktatur seit seinem Machtantritt im Irak, vom Iranisch-Irakischen Krieg (1980-88) bis zum Golfkrieg (1991) und im Irak-Krieg (2003) nun blockiert sind und ein Schlussstrich gezogen wurde. Die Anklage gegen Saddam, die zum Todesurteil führte, beruhte allein auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegen eines Massakers an 148 Schiiten im Jahr 1982. Aussagen des Diktators zum Massaker an ca. 5000 Kurden durch Giftgas 1988 und zur Invasion Kuwaits 1990 sind nun unmöglich geworden."
Der oben genannte Leitartikel der Yomiuri merkte an: "Saddams Prozess war eine ausgezeichnete Gelegenheit, um Iraks frisch gebackene Demokratie zu überprüfen, aber die Gerechtigkeit des Verfahrens wurde von manchen Beobachtern in Frage gestellt. Auch Anschuldigungen über die Einmischung politischer Führer haben das Gerichtsverfahren beeinträchtigt. Iraks neue Führer, die in demokratischen Wahlen bestimmt wurden, haben womöglich eine große Chance versäumt, ein Beispiel für einen demokratisch geführten Prozess gegen einen Diktator zu geben, der die Rechtsstaatlichkeit regelmäßig missachtete. Wir hegen zudem die Sorge, dass Saddams Hinrichtung es sehr erschweren wird, die Wahrheit über andere Verbrechen seiner Regierung herauszufinden, etwa die Massentötungen von Kurden und die Invasion von Kuwait."
Sorge über Teufelskreis von Hass und Vergeltung
Eine große Sorge, die von allen Leitartikeln zum Ausdruck gebracht wurde, ist, dass durch Saddams Hinrichtung der blutige Konflikt zwischen den religiösen Gruppierungen im Irak weiter angeheizt wird.
Der Leitartikel der Asahi (vom 31. Dezember) meinte: "Größte Priorität sollte jetzt die Beendigung des bewaffneten Konflikts im Irak haben, der bereits als Bürgerkrieg bezeichnet werden kann. Die Versöhnung zwischen den religiösen Gruppierungen muss mit internationaler Unterstützung weiter gefördert werden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die verbleibenden Anhänger Saddams und andere bewaffnete Kräfte ihren Kampfeswillen wegen Saddams Hinrichtung verlieren werden. Tatsächlich steht zu fürchten, dass die Extremisten mit den Sunniten im Mittelpunkt ihre Offensive gegen die irakische Regierung unter schiitischer Führung zur Vergeltung intensivieren werden. Nach der Bestätigung des Todesurteils soll Saddam sich mit seinen Halbbrüdern getroffen und gesagt haben, er sei glücklich darüber, nun ein Märtyrer zu werden. Dies ist sehr beunruhigend." Die Zeitung fügte hinzu: "Die irakische Regierung sollte nicht zu sehr mit der Hinrichtung prahlen. Vielmehr sollte sie rasch Schritte unternehmen, zu einer Stabilisierung der Situation in naher Zukunft führen, etwa die Wiedereinsetzung von führenden Beamten der alten Saddam-Regierung."
Der oben genannte Leitartikel der Nikkei analysierte die derzeitige Situation im Irak in ähnlicher Weise wie folgt: "Die Posten im Regierungskabinett wurden auf verschiedene Gruppierungen verteilt, darunter auch die Sunniten, um auf diese Weise die nationale Aussöhnung zu fördern. Allerdings besteht jetzt das Problem, dass infolge dessen jedes einzelne Ministerium unter dem großen Einfluss einer bestimmten Gruppierung steht. Dadurch setzt sich ein Teufelskreis fort: Da es der Regierung an Einheitlichkeit fehlt, verzögert sich der wirtschaftliche Wiederaufbau. Die vielen Arbeitslosen werden sodann von den Milizen der verschiedenen Gruppierungen absorbiert." Die Zeitung schloss: "Zunächst einmal muss die derzeitige Regierung im Irak die wichtige Aufgabe in Angriff nehmen, überhaupt als Regierung zu funktionieren."
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)