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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
18. 01. 2007
Beziehungen zu China auf höchster Ebene normalisieren sich
Seit Premierminister Shinzo Abe bei einem Gipfeltreffen am 14. Januar mit dem chinesischen Premier Wen Jiaobao und dem südkoreanischen Präsidenten Roh Moohyun auf der philippinischen Insel Cebu zusammentraf, wo sie vom 14. bis 15. Januar an einer Reihe von Zusammenkünften der führenden Politiker asiatisch-pazifischer Staaten teilnahmen, scheinen sich Japans Beziehungen zu China und in diesem Fall auch zu Südkorea auf einem soliden Kurs der Normalisierung zu befinden. Man kam überein, dass Wen als erster hochrangiger Politiker Chinas seit fünfeinhalb Jahren Japan im April besuchen wird.
Nach einer Phase des Stillstands aufgrund der gegen chinesischen Protest erfolgten Besuche des ehemaligen Premierministers Junichiro Koizumi im Yasukuni-Schrein wurde die Normalisierung durch Abes Reise nach Beijing unmittelbar nach seinem Amtsantritt im letzten September eingeleitet. Das jüngste Treffen mit dem chinesischen Premier wurde als Möglichkeit betrachtet, diese Tendenz weiter zu fördern, da beide Seiten ihre Entschlossenheit zur Verbesserung der Beziehungen bekräftigten, die sie als "strategische Beziehungen zu beiderseitigem Nutzen" bezeichneten.
Wens Besuch in Japan wird durch einen Chinabesuch Abes Ende dieses Jahres erwidert werden. Der letzte Besuch eines chinesischen Premierministers in Japan erfolgte im Oktober 2000 durch Premier Zhu Rongji. Man rechnet gleichfalls damit, dass Chinas Präsident Hu Jintao Japan möglicherweise im nächsten Jahr einen Besuch abstatten wird. Nachdem Koizumi 2001 nach China reiste, waren die gegenseitigen Besuche auf höchster Ebene bis zu Abes Besuch in Beijing im letzten Jahr zum Erliegen gekommen.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Treffens zwischen den politischen Führern Japans und Chinas war die Zusage Chinas, die "notwendige Zusammenarbeit" in Bezug auf die Frage der Entführungen japanischer Staatsangehöriger durch Nordkorea zu leisten. In der Vergangenheit war China nicht über die Formulierung, "Verständnis" für die Frage zu haben, hinaus gegangen. Es wurden gleichfalls bilaterale Treffen zu Fragen der Wirtschaft und Energie auf Ministerebene vereinbart. Beide Politiker einigten sich zudem auf eine baldige Beilegung des Streits um Gasvorkommen im Ostchinesischen Meer, z.B. durch eine gemeinsame Erschließung.
Am Rande des Gipfeltreffens zwischen Japan und China fand nach mehr als zwei Jahren Unterbrechung aufgrund des Streits wegen der Besuche im Yasukuni-Schrein auch ein Dreiertreffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Roh Moohyun statt. In der im Anschluss an das Treffen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung wird bei gleichzeitigem Bekenntnis zur "vollen Umsetzung" der im Rahmen der Resolution des VN-Sicherheitsrates verhängten Sanktionen gegen Nordkorea eine friedliche Lösung der nordkoreanischen Atomproblematik auf dem Wege von Verhandlungen bekräftigt. Zur großen Zufriedenheit Japans wird zudem - wenn auch nur indirekt - auf die große Bedeutung der Entführungsfrage verwiesen.
Die versöhnliche Stimmung unter den drei Staaten trug offensichtlich auch zur positiven Diskussion über die regionale Integration im Rahmen der multilateralen Treffen bei, an denen außer den drei genannten Staaten auch die zehn Mitglieder der ASEAN sowie Australien, Neuseeland und Indien teilnahmen. Dies zeigt erneut, dass das Verhältnis zwischen Japan und China einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der regionalen Integration oder die Schaffung einer Gemeinschaft hat.
Vorbehalte hinsichtlich historischer Fragen
Im Zuge der Ergebnisse des Gipfels zwischen Japan und China wurden allerdings auch Bedenken laut, dass das so genannte Geschichtsproblem, Chinas Besetzung durch Japans während des letzten Krieges (einschließlich möglicher Besuche des Premierministers im Yasukuni-Schrein in der Zukunft) für den Moment beiseite geschoben wurde und immer noch auf eine Aufarbeitung wartet. Die Kommentare der Medien waren nichtsdestotrotz durch eine positive Bewertung des offensichtlichen Durchbruchs in den festgefahrenen bilateralen und trilateralen politischen Beziehungen geprägt.
In ihrem Leitartikel vom 15. Januar stellte die Asahi Shimbun fest, dass "die Grundzüge des Neuanfangs der japanischen Asienpolitik endlich Gestalt annehmen." Die Zeitung nannte die Vertiefung der Krise um Nordkorea die größte Herausforderung, der sich die drei Länder gegenüber sehen und schrieb, dass "die drei Nachbarn die Länder sind, die durch das Vorgehen Nordkoreas unmittelbar betroffen sind." Sie fuhr fort: "Alle drei Länder spielen in Asien eine große Rolle und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Nordkorea hingegen bleibt ein Problem. Es gibt weitere regionale Fragen, die regionale Lösungen erfordern - einschließlich Infektionskrankheiten wie Vogelgrippe und Umweltprobleme. Es ist unbedingt notwendig, dass diese drei asiatischen Staaten kooperieren. Es gibt keinen Weg zurück."
Die Nihon Keizai Shimbun rief in ihrem Leitartikel vom 15. Januar die Führung der drei Länder auf, "an der Schaffung langfristig stabiler Beziehungen zwischen Japan, China und Südkorea zu arbeiten, die nicht von Auseinandersetzungen über einzelne Themen erschüttert werden können." "Das Wichtigste", so die Zeitung, "ist es, die Möglichkeit für einen Dialog und für Verhandlungen zur friedlichen Lösung jedweden Problems nie zu verstellen." Sie begrüßte zudem das Übereinkommen über die trilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Umwelt sowie auf dem Gebiet Soziales und Kultur, die durch die Verschlechterung der politischen Beziehungen zum Erliegen gekommen war.
Die Mainichi Shimbun nahm in ihrem Leitartikel vom 14. Januar Bezug auf historische Tatsachen: "Dieses Jahr markiert den 35. Jahrestag der Normalisierung der Beziehungen zwischen Japan und China sowie gleichzeitig den 70. Jahrestag des Zwischenfalls an der Marco-Polo-Brücke, der den Sino-Japanischen Krieg auslöste. Selbst wenn die Verbesserung der Beziehungen auf gutem Wege ist, bedeutet das nicht, dass die Meinungsverschiedenheiten beider Länder hinsichtlich historischer Fragen bereits der Vergangenheit angehören. Die Wiederaufnahme gegenseitiger Besuche auf höchster Ebene wird die nationalen Befindlichkeiten auf beiden Seiten jedoch mit Sicherheit zum Besseren wenden."
Die Sankei Shimbun hob in ihrem Leitartikel vom 16. Januar die Bezugnahme auf das Entführungsproblem in der gemeinsamen Erklärung hervor, die das wichtigste Ergebnis des trilateralen Treffens darstelle: "In der gemeinsam von Japan, China und Südkorea herausgegeben Erklärung wurde zum ersten Mal auch die Frage der Menschenrechte in Nordkorea einschließlich der Entführungen aufgeführt, indem die ‚Bedeutung der Behandlung dieser Frage, die Gegenstand der Besorgnis der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Menschenrechte ist', hervorgehoben wurde." Auch die Yomiuri Shimbun betonte in ihrem Leitartikel vom 15. Januar, dass das wichtigste Problem für alle drei Länder darin bestehe, zusammenzuarbeiten, um "Nordkoreas Streben nach Kernwaffen zu vereiteln."
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