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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
25. 01. 2007
Ausschuss für Umbau des Bildungswesens legt ersten Bericht vor
Der Ausschuss für den Umbau des Bildungswesens, der auf Initiative von Premierminister Shinzo Abe eingerichtet wurde, hat am 24. Januar dem Premierminister seinen ersten Bericht vorgelegt. Der Bericht empfiehlt u.a. eine Revision des "Lernens ohne Druck", das in den letzten Jahren das grundlegende Konzept für die staatliche Bildung in Japan darstellte, eine Reform des Systems für die Einstellung und Entlassung von Lehrkräften sowie eine Reform der Bildungsgremien der Kommunen. Nach Entgegennahme des Berichts machte Premierminister Abe seine Absicht deutlich, während der ordentlichen Sitzungsperiode des Parlaments, die am 25. Januar beginnt, Entwürfe für die Revision von drei Gesetzen im Bildungsbereich (Gesetz über die Zertifizierung von Lehrkräften, Gesetz über die Organisation und Durchführung der Bildungsverwaltung in den Kommunen sowie das Gesetz über die Schulbildung) vorzulegen, um so neben anderen Veränderungen ein System zur Erneuerung der Lizenzen für Lehrkräfte sowie eine Reform der Bildungsgremien zu erreichen.
Gegenüber den Medien äußerte sich Premierminister Abe am Abend des 24. Januar zufrieden über den Bericht: "Er beinhaltet das, was wir nun tun sollten. Der Ausschuss hat mir den bestmöglichen Bericht überreicht. In diesem Sinne gebe ich ihm die Note Eins." Auch die Medien zeigten sich an dem Bericht sehr interessiert, der wegen der großen Entschlossenheit des Premierministers, eine Bildungsreform durchzuführen, einen wichtigen Wendepunkt für das Bildungssystem in Japan darstellen könnte.
Regierung Abe räumt Umbau des Bildungssektors oberste Priorität ein
In seiner ersten Regierungserklärung vor dem Parlament hatte Premierminister Abe am 29. September letzten Jahres betont: "Das Aufziehen der Kinder und jungen Menschen in Japan, damit diese die Verantwortung für die kommende Generation übernehmen, ist für die Verwirklichung meines Ziels eines ‚schönen Japans' wesentlich." Er versprach, der Bildungsreform oberste Priorität einzuräumen: "Ich werde den Bereich staatliche Bildung neu gestalten, um sicherzustellen, dass alle Kinder die Gelegenheit erhalten, akademische Fähigkeiten auf hohem Niveau sowie ein Gespür für Disziplin zu erlangen."
Auf der Grundlage dieser Maßnahmen beschloss das Kabinett im Oktober letzten Jahres die Einrichtung des Ausschusses für den Umbau des Bildungswesens unter dem Vorsitz des Nobelpreisträgers für Chemie, Ryoji Noyori. Dem aus 17 Mitgliedern bestehenden Ausschuss gehören führende Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft an, darunter Pädagogen, Mitarbeiter der Bildungsverwaltung, Unternehmensführer, der Leiter eines Theaterensembles sowie ein früherer Olympia-Teilnehmer.
Die Yomiuri Shimbun berichtete am 25. Januar, dass der erste Bericht des Ausschusses für den Umbau des Bildungswesens die gegenwärtige Situation im Bildungsbereich in Japan kritisierte. Der Bericht führte aus: "Innerhalb der heutigen Schulbildung sind ausgesprochen schwierige Bedingungen zu beobachten. Dazu gehören u.a. ein Rückgang der akademischen Fähigkeiten, das Problem, das Pflichtfächer nicht unterrichtet werden, Schikanieren, Schwänzen, Gewalt in der Schule, fehlende Ordnung in den Klassen, Lehrkräfte ohne ausreichende Fähigkeiten sowie ein zwiespältiges Verhältnis zur Verantwortung bei den Schulen und Bildungsgremien, das nur so beschrieben werden kann, dass man Ärger um jeden Preis vermeiden will, sowie ein Rückgang bei der internationalen Wettbewerbfähigkeit im Bereich höhere Bildung." Der Bericht fügte bitter hinzu: "Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die staatliche Bildung nicht funktioniert."
Laut Berichten in den japanischen Medien war der Startpunkt der Diskussionen innerhalb des Ausschusses für den Umbau des Bildungswesens, die etwa drei Monate lang dauerten, die Revision des derzeit geltenden Konzepts des Lernens ohne Druck. Die Idee des Lernens ohne Druck wurde in Japan als Antwort auf den heftigen Wettbewerb bei den Aufnahmeprüfungen und das bloße Auswendiglernen eingeführt, die ab den siebziger Jahren immer mehr zunahmen. Mit diesem Konzept sollte ein individuelleres und flexibleres Denken der Schüler gefördert werden. Lernen ohne Druck sollte zu einer Bildung führen, welche die Kräfte der Selbsteinschätzung fördert; dafür wurde das Fach Allgemeine Studien eingeführt, das einen Querschnitt durch die konventionellen Fächer darstellt, sowie ein "Abspecken" der Schulen unternommen, einschließlich einer Verkürzung der Zahl der Unterrichtsstunden.
Der Bericht des Ausschusses für den Umbau des Bildungswesens machte klar, dass die negativen Aspekte des Lernens ohne Druck zu dem Durcheinander geführt haben, das heutzutage im Bereich Schulbildung herrscht sowie auch mitverantwortlich sind für den Rückgang der akademischen Leistungen. Als besondere Gegenmaßnahmen empfahl der Bericht u.a. eine 10-prozentige Aufstockung der Zahl der Unterrichtsstunden, den Beginn landesweiter Untersuchungen über Leistungsstandards, verstärktes Vermitteln von Fähigkeiten sowie die strenge Bestrafung von Schülern, die ihre Mitschüler schikanieren oder sich gewalttätig verhalten.
Tageszeitungen bei der Bewertung des Berichts uneinig
Neben einer Reform der Unterrichtsinhalte führte der erste Bericht des Ausschusses auch die vielfältigen Probleme im Bildungsbereich insgesamt an, etwa die Einführung eines Systems zur Erneuerung von Lizenzen für Lehrkräfte sowie eine grundlegende Reform der Bildungsgremien. Darüber hinaus trat als ein Nebenthema auch das Problem zutage, wie die Vorschläge des Ausschusses in Gesetzesform gebracht werden sollen. Aus diesem Grund zeigten die Leitartikel der landesweiten Tageszeitungen bei der Wiedergabe der Ansichten ihrer Zeitungen feine Unterschiede bei der Bewertung des Ausschussberichts.
Der Leitartikel der Yomiuri Shimbun (25. Januar) begrüßte den Inhalt des Berichts: " ... Wir loben die Mitglieder des Ausschusses für die gute Arbeit sowie dafür, dass sie viel Kraft in die Abfassung eines Entwurfs für Diskussionen über die Grundlagen der Bildung innerhalb der kurzen Zeitspanne von drei Monaten gesteckt haben. Nun, da der erste Bericht vorliegt, stehen die Entschlossenheit des Premierministers sowie die Haltung der Abgeordneten zu den Vorschlägen auf dem Prüfstand dahingehend, ob und wie die Vorschläge umgesetzt werden. Das wichtigste Merkmal der Vorschläge ist, dass der Ausschuss die eindeutige Haltung vertritt, das ‚Lernen ohne Druck' auf den Prüfstand zu stellen." Die Zeitung fuhr fort: "Hinter dem weit verbreiteten Unmut über die abnehmenden akademischen Fähigkeiten der Schüler steht das Konzept des ‚Lernens ohne Druck', das zu einem Aufsplittern der zu unterrichtenden Fächerinhalte und zu einer drastischen Reduzierung der Zahl der Unterrichtsstunden führte. Erstmals hat ein Expertengremium der Regierung in Form des Ausschusses einen Abschied vom Konzept des ‚Lernens ohne Druck' verkündet. Dieser Tatsache kommt große Bedeutung zu." Der Leitartikel der Yomiuri schloss: "Wenn man die Empfehlungen des Berichts berücksichtigen will, dann ist jetzt der Zeitpunkt für die Gesellschaft insgesamt gekommen, über die Bildung zu debattieren."
Auf der anderen Seite meinte der Leitartikel der Mainichi Shimbun (25. Januar): "Wir haben nichts dagegen, wenn die jüngste Serie von Problemen und Widersprüchen im Bildungsbereich behutsam in Angriff genommen wird, etwa die Selbstmorde, die durch Schikanieren ausgelöst wurden, oder die unzureichende Zahl der Unterrichtsstunden bei den Pflichtfächern. Allerdings brauchen wir mehr Zeit, um zu einer Übereinkunft zu gelangen und das Verständnis aller Menschen hierzulande in Bezug auf die Inhalte und den Kurs des Berichts sicherzustellen. Eine allzu rasche Umsetzung in Gesetze würde nicht zu fruchtbaren Ergebnissen, sondern nur zu noch mehr Verwirrung führen." Die Zeitung fuhr dann offen fort: "Vo dem Hintergrund der Werte und Ziele der Zeit spiegelt Bildung und insbesondere die Bildung in den Schulen das wider, was die meisten Menschen für ‚richtig' halten. In diesem Sinne stößt man beim Lesen des Berichts auf zahlreiche Probleme, über die man in umfassender Weise Ansichten sammeln und eingehende Diskussionen führen sollte."
Aussichten für Realisierung der Empfehlungen des Berichts
Premierminister Abe äußerte sich zufrieden über den Bericht des Ausschusses für den Umbau des Bildungswesens und sagte zu, die Empfehlungen durch das Vorlegen von Gesetzentwürfen zur Revision dreier Gesetze im Bildungsbereich im Parlament zu realisieren. Dabei sind einige hohe Hürden zu überwinden, darunter auch die Frage, wie die Pflichten und Zuständigkeiten zwischen dem Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie sowie dem Zentralen Ausschuss für Bildung, die bislang die Bildungsverwaltung anführten, und dem Rat für den Umbau des Bildungswesens aufgeteilt werden, und wer bei der Erstellung der Gesetzentwürfe die führende Rolle spielen wird. Aus diesem Grund sind die Aussichten für die Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses noch unsicher.
Ein Kommentar in der Yomiuri (25. Januar) sagte voraus: "[Innerhalb der Regierungsparteien] ist die Auffassung verbreitet, dass die Regierung und die Regierungsparteien nun die Angelegenheit durch Beratungen vorantreiben sollten. Wir müssen die Situation noch ein wenig beobachten um zu erkennen, ob grundlegende Reformen auf Initiative des Kantei [Amt des Premierministers] entsprechend den ursprünglichen Zielen des Premierministers verwirklicht werden können."
Ein Kommentar in der Asahi Shimbun (25. Januar) wies ebenfalls auf das Misstrauen der Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei hin (LDP), die im Bildungsbereich eigene Interessen vertreten, und die sich gern ihrer Kontrolle über die Bildungsverwaltung rühmen. Daneben bestünden zudem die latenten Gegensätze zwischen der LDP und dem Koalitionspartner Neue Komei-Partei sowie der Widerstand von Seiten der Lehrer usw. Die Zeitung schrieb: "Die ordentliche Sitzungsperiode des Parlaments endet am 23. Juni. Angesichts der allgemeinen Kommunalwahlen im April wird die Parlamentsarbeit in hohem Maße zum Stillstand kommen und eine Verlängerung der Sitzungsperiode gestaltet sich aufgrund der Oberhauswahl im Juli schwierig. Sollte es beim Einreichen der Gesetzentwürfe zu Verzögerungen kommen und die Zeit für eine Debatte nicht ausreichen, könnte es laut Aussage eines LDP-Oberen dazu kommen, dass nur ein Gesetz revidiert werden wird, nämlich das Gesetz über die Zertifizierung der Lehrkräfte, für das die vorbereitenden Arbeiten bereits abgeschlossen wurden."
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