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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
26. 01. 2007
Japans Medien kommentieren Rede zur Lage der Nation des US-Präsidenten
Über die Rede zur Lage der Nation von US-Präsident Bush George W. Bush am Abend des 23. Januar berichteten die führenden japanischen Tageszeitungen ausführlich in ihren Abendausgaben vom 24. Januar sowie in den Morgenausgaben vom 25. Januar. Die Berichte beinhalteten sowohl Hintergrundartikel der Washingtoner Korrespondenten als auch Kommentare in den Leitartikeln. Fast alle japanischen Zeitungen meldeten Zweifel an, ob es Bush gelingen werde, die Unterstützung des Kongresses und der Menschen in Amerika für seine neue Irak-Strategie zu gewinnen, in deren Rahmen die Zahl der US-Soldaten im Irak aufgestockt werden soll. Bezüglich seiner innenpolitischen Vorschläge konzentrierte sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die von Bush vorgeschlagene Energiestrategie, mit welcher der Benzinverbrauch innerhalb der nächsten zehn Jahre um 20 % verringert werden soll.
Schlechte Aussichten für neue Irak-Strategie
Die jüngste Rede zur Lage der Nation fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem Bushs Beliebtheit auf den niedrigsten Stand seit seinem Amtsantritt gesunken ist. In ihrer Abendausgabe vom 24. Januar meinte die Mainichi Shimbun: "Die Demokraten, die nun den Kongress kontrollieren, fordern hartnäckig einen raschen Abzug der US-Streitkräfte, und eine wachsende Anzahl von Republikanern schließt sich ihnen an. Angesichts dieses feindlichen Umfelds hat die Rede zur Lage der Nation nur noch einmal mehr die isolierte Stellung des Präsidenten deutlich gemacht und ihn mit seiner Irak-Strategie in die Defensive gedrängt." Bezüglich der Rede insgesamt meinte die Nikkei (neuer Name der Nihon Keizai Shimbun) in ihrer Ausgabe vom 25. Januar, dass sie nur dazu diente, "hervorzuheben, wie sehr die Regierung Bush durch das Irak-Problem in die Enge gedrängt wurde und nun sogar ihre Einigkeit schwindet. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2008 war diese Rede zur Lage der Nation Bushs letzte Chance, seine neue Politik voranzutreiben; jedoch ist es ihm nicht gelungen, Boden gut zu machen."
In ihrer Ausgabe vom 25. Januar kommentierte die Sankei Shimbun: "Die Ablehnung von Bushs Entscheidung, die Zahl der US-Soldaten im Irak zu erhöhen, durch den Kongress geht nicht nur auf die Demokraten zurück, die nun die Mehrheit im Kongress haben, sondern stützt sich auf eine bedeutende Anzahl von Republikanern. Der Präsident dürfte daher auch weiterhin Schwierigkeiten haben, seine neue Strategie umzusetzen." Die Yomiuri Shimbun stimmte dieser Auffassung in ihrer Abendausgabe vom 24. Januar zu und meinte: "Innerhalb seiner eigenen Partei der Republikaner nehmen die Zweifel in Bezug auf Bushs Entscheidung, mehr Truppen in den Irak zu senden, zu, und man kann nicht behaupten, dass er versucht hat, seine Kritiker zu überzeugen. Die Aussichten für Bush, seinen früheren Schwung wiederzuerlangen, sind keineswegs gut."
Die Mainichi kommentierte in ihrer Abendausgabe vom 24. Januar das Ziel von Präsident Bush, den Benzinverbrauch in den Vereinigten Staaten in den kommenden zehn Jahren um 20 % zu verringern: "Viele sagen, dass dies für eine Verhinderung der globalen Erwärmung zu wenig ist. Der Präsident hat zugleich seine Absicht deutlich gemacht, Amerikas strategische Ölreserven zu verdoppeln. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass er mehr Wert auf die Sicherung von Energie als auf den Kampf gegen die globale Erwärmung legt." Die Ausgabe der Nikkei vom 25. Januar schrieb: "Angesichts der Gefahren der globalen Erwärmung hat Bush seine Position ein wenig verändert." Jedoch fuhr die Nikkei fort: "Er ging dabei aber nicht so weit, dass er die Unternehmen verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren." Die Nikkei schloss: "Es bleiben Unsicherheiten in Bezug auf das Erstellen von Zielen, die auf der Anwendung neuer Technologien beruhen, etwa die Entwicklung alternativer Energiequellen."
In seiner Rede machte Bush seine Überzeugung deutlich, das nordkoreanische Atomproblem mittels der Sechs-Parteiengespräche zu lösen. Allerdings meinte die Yomiuri Shimbun in ihrer Ausgabe vom 25. Januar: "Dies bedeutet nur, dass Bush wegen der Entsendung zusätzlicher Truppen in den Irak über kein militärisches Potential mehr verfügt und daher gezwungen ist, sich bei der Lösung anderer Probleme auf internationale Kooperation zu verlassen."
Leitartikel der führenden Tageszeitungen
Vier führende japanische Tageszeitungen kommentierten Bushs Rede zur Lage der Nation in ihren Leitartikeln vom 25. Januar. Die Sankei behandelte die Rede in ihrem Leitartikel vom 26. Januar.
Der Leitartikel der Asahi Shimbun kommentierte die neue Strategie der Regierung zur Entsendung zusätzlicher US-Truppen in den Irak unter der Überschrift "Rede zur Lage der Nation: Bush muss sich der unbequemen Wahrheit stellen." Die Zeitung nahm Bezug auf die Verabschiedung einer Resolution des Kongresses, in der die Verstärkung der Truppen abgelehnt wird sowie auf Meinungsumfragen, denen zufolge sich über 60 % der US-Bürger gegen eine Verstärkung aussprechen: "Wir gehen davon aus, dass die Rufe nach einem raschen Abzug lauter werden." In Bezug auf Bushs Energie-Strategie zur Reduzierung des Benzinverbrauchs um 20 % in den nächsten zehn Jahren fragte die Asahi: "Warum weigerte sich Bush vor sechs Jahren, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, das die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, ihre Emissionen von Kohlendioxyd und anderen Treibhausgasen zu reduzieren?" Ironisch schloss sie: "Es brauchte viele Jahre, bis Bush sich der unbequemen Wahrheit der globalen Klimaerwärmung stellte. Wird es genauso lange dauern, bis er die Realität im Irak erkennt, der keine Einmischung von Seiten der Vereinigten Staaten wünscht?"
Der Leitartikel der Mainichi trug die Überschrift "Keine eindeutigen Aussichten für eine Überwindung der Krise" und meinte: "Die Rede machte den Verfall und die Verwirrung einer Großmacht deutlich; zugleich war sie auch von einem Gefühl der Isolation geprägt, die an solche Begriffe wie ‚unter Belagerung' und ‚umkämpft' erinnerte." Die Zeitung meinte: "Der Präsident hatte bei seinem Ziel, durch Zusammenarbeit mit den Demokraten Unterstützung für seine neue Irak-Strategie zu erlangen, keinen Erfolg." Indem sie Bezug auf die Entscheidung des früheren sowjetischen Parteichefs Gorbatschow nahm, sich aus Afghanistan zurückzuziehen, schrieb die Mainichi: "Wir begrüßen keineswegs die Idee einer lang anhaltenden US-Truppenpräsenz im Irak, wenn die Aussichten weiterhin derart unklar sind. Auf der anderen Seite müssen die Vereinigten Staaten die richtige Entscheidung treffen, um eine überparteiliche Diskussion zu eröffnen. Dafür seht letztendlich das Land in der Verantwortung und Pflicht, das den Irakkrieg begonnen hat."
Die Yomiuri überschrieb ihren Leitartikel mit "Die Bürde des Irakkriegs wirft einen Schatten auf die nordkoreanische Atomproblematik". Sie meinte: "Die Auswirkungen des Fehlschlags im Irak reichen bis nach Ostasien" und wies darauf hin: "Während die Vereinigten Staaten im Irak feststecken, schreitet Nordkorea mit der Entwicklung von Kernwaffen und ballistischen Raketen weiter voran. Es setzt seine Raketen- und Atomtests fort und ignoriert dabei die Warnungen der internationalen Gemeinschaft. Dies stellt eine ernsthafte Bedrohung der Sicherheit Japans dar." Die Yomiuri warnte: "Präsident Bush hat seine Absicht bekräftigt, im Rahmen der Sechs-Parteiengespräche eine diplomatische Lösung anzustreben. Allerdings widmete er dem Nordkorea-Problem nur einen einzigen Satz. Mit der jüngsten Vereinbarung direkter Verhandlungen mit Nordkorea haben die Vereinigten Staaten ihre Haltung gelockert, allerdings darf Nordkorea keine nukleare Bewaffnung zugestanden werden, indem man durch einen einfachen Kompromiss vollendete Tatsachen schafft."
Der Leitartikel der Nikkei meinte, dass die jüngste Rede zur Lage der Nation "gegenüber den Reden der Vorjahre einen leicht veränderten Grundton hatte", sowie dass "in der Rede viel Zeit auf wirtschaftliche und innenpolitische Fragen verwandt wurde, was als Versuch gewertet werden kann, die durch den Irakkrieg gespaltene amerikanische Gesellschaft wieder zu vereinen. Dies zeigt womöglich, wie überdrüssig Amerika dieses Krieges geworden ist." Die Nikkei fuhr fort: "Die nächsten Präsidentschaftswahlen beginnen früher als gewöhnlich., Die Tatsache, dass der Rede zur Lage der Nation des gegenwärtigen Amtsinhabers angesichts dieser Atmosphäre so wenig Bedeutung zukommt, spiegelt die Realität der Politik wider, in der man stets nach vorne schaut."
Der Leitartikel der Sankei unter der Überschrift "Eine überparteiliche Strategie ist möglich" meinte, dass die Rede zur Lage der Nation eine "gebündelte Version der Schwierigkeiten darstellt, denen sich die Vereinigten Staaten, die einzige Großmacht der Welt, gegenübersehen." Die Sankei wies darauf hin, dass die neue Irak-Strategie von "fast 70 % der US-Bürger abgelehnt wird" und dass "Äußerungen gegen die Strategie sogar aus der Republikanischen Partei der Regierung laut werden"; sie schloss daraus: "Das Gefühl der Isolation, das diese Präsidentschaft durchzieht, kann von niemandem geleugnet werden." Während sie "die Entschlossenheit von Präsident Bush, an seinen Überzeugungen festzuhalten", verurteilte, meinte die Sankei: "In der Politik bedeuten Resultate alles", und sie fuhr fort: "Wenn Bush Resultate erreichen will, dann muss er eine flexiblere und realistischere Taktik verfolgen, einschließlich eines überparteilichen Lösungsansatzes."
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