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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
09. 03. 2007
Nationaler Volkskongress Chinas setzt auf innere und äußere Stabilität
Beherrschendes Thema der am 5. März eröffneten jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses (Parlament) Chinas ist die Gestaltung einer bei den Einkommen, der Bildung und den Chancen ausgewogenen Gesellschaft vor dem Hintergrund eines anhaltend hohen Wirtschaftswachstums. Im Rechenschaftsbericht der Regierung an den Nationalkongress hob Premierminister Wen Jiaobao sowohl Maßnahmen zur Erhöhung des Einkommens der Bauern und zur Verringerung der Lohnunterschiede als auch Maßnahmen im Rahmen des Kampfes gegen die Korruption hervor - zwei Probleme, die die soziale Stabilität gefährden könnten. Weitere Punkte auf der Tagesordnung waren die ständig wachsenden Verteidigungsausgaben, die Neuregelung des Eigentumsrechts und die schrittweise Abschaffung von Steuervergünstigungen für ausländische Unternehmen.
Neben den Maßnahmen zur Korrektur der Ungleichheiten innerhalb der chinesischen Gesellschaft widmete sich Wens Bericht auch Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und der Förderung des Umweltschutzes. Chinas gelang es nicht, die in Wens Bericht vom letzten Jahr aufgestellten Ziele zur Schadstoffreduzierung und zum Energiesparen zu erreichen. Hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen als Grundlage sozialer Stabilität kündigte Wen die Schaffung von jährlich mehr als 9 Millionen Jobs und die Verringerung der Arbeitslosigkeit in den Städten auf unter 4,6% an. Diese Ziele sollen durch ein anhaltendes Wirtschaftswachstum von ca. 8% erreicht werden.
Die chinesische Führung strebt zudem eine Außenpolitik an, die auf "eine harmonische Welt" ausgerichtet ist, in der China in Frieden mit der internationalen Gemeinschaft lebt. In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2005 hatte Präsident Hu Jintao sich verpflichtet, sich für eine Welt einzusetzen, die gemeinsam in Frieden gedeiht. Wens Rede vor dem Volkskongress bekräftigte diese Politik und forderte "energische Bemühungen" für ihre Umsetzung. Eine solche Außenpolitik ist typisch für die Kommunistische Partei Chinas, die darauf bedacht ist, sich zur Gewährleistung des ihre Macht erhaltenden Wirtschaftswachstums natürliche und Energieressourcen in aller Welt zu sichern.
In offensichtlichem Widerspruch zu einer solchen Außenpolitik wächst jedoch Chinas Militärhaushalt in beunruhigender Geschwindigkeit weiter: 2007 um 17,8% - das neunzehnte Jahr in Folge mit einer zweistelligen Wachstumsrate. Selbst wenn die chinesische Führung betont, dass die Militärausgaben keine Bedrohung für andere Staaten darstellen, brachten Japan, die Vereinigten Staaten und andere ihre Besorgnis über Chinas militärische Aufrüstung zum Ausdruck. Die angekündigte Summe des diesjährigen Haushalts von 350,9 Mrd. Yuan (ca. 5,3 Billionen Yen) übersteigt erstmals Japans Verteidigungsausgaben (4,8 Billionen Yen im Finanzjahr 2007). Das US-Verteidigungsministerium schätzt, dass die tatsächliche Höhe der Militärausgaben Chinas das Zwei- oder Dreifache der genannten Summe beträgt. Die mangelnde Transparenz bei den Rüstungsausgaben Chinas wird international kritisiert.
Zwei weitere Punkte, die vom Volkskongresses behandelt wurden und die das Interesse der ausländischen Wirtschaftkreise fanden, waren die "Revision des Eigentumsrecht" und die Aufhebung von Steuervergünstigungen für ausländische Unternehmen. Das Eigentumsrecht, das seit mehr als zehn Jahren einer Überarbeitung harrt, soll privates Eigentum wie Boden und Immobilien in gleicher Weise schützen wie staatliches Eigentum. Im Rahmen des Gesetzes soll die Frist zur Pacht von Land und Immobilien verlängert und damit praktisch unbegrenzt werden. Diese Änderung soll auch ausländischen Unternehmen zugute kommen, da das Gesetz sie damit berechtigt, möglichen unberechtigten Forderungen der Regierung zur Verlagerung entgegen zu treten. Was die Steuervergünstigungen für ausländische Unternehmen betrifft, so soll die aktuelle Gewerbesteuer für fünf Jahre von 10% auf 25% angehoben werden - d.h. auf dasselbe Niveau wie für einheimische Unternehmen. Sowohl einheimische als auch ausländische High-Tech-Unternehmen kommen dagegen weiterhin in den Genuss eines Sondersteuersatzes von 15%.
Medien besorgt über innere Stabilität Chinas
Die Kommentare in den Leitartikeln der führenden japanischen Zeitungen forderten die chinesische Regierung auf, zum Wohle der nationalen Stabilität und internationalen Integrität Zusagen für innere Reformen einzulösen. Sie brachten zudem ihre tiefe Besorgnis über Chinas stetig anwachsende Militärausgaben und deren mangelnde Transparenz zum Ausdruck.
Die Asahi Shimbun widmete sich in ihrem Leitartikel vom 6. März der Umweltverschmutzung in China und hinterfragte den Zusammenhang zwischen seinen "hohen Militärausgaben" und Präsident Hus Absicht zur Schaffung einer "harmonischen Gesellschaft". Die Zeitung schrieb: "Es ist schwer vorstellbar, dass China mit seinem massiven militärischen Potential von einem potentiellen Feind bedroht wird. Anstatt derart in die Rüstung zu investieren, sollte sich China der Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung annehmen. In diesem Rahmen sollten auch Fragen der grassierenden Umweltverschmutzung und der damit in Verbindung stehenden gesundheitlichen Probleme schnellstmöglich in Angriff genommen werden."
Die Mainichi Shimbun griff eine Reihe von ernsten Problemen auf, die aus Chinas raschem Wirtschaftswachstum resultieren. Der Leitartikel vom 5. März legte nahe, dass sich das Wachstum des Landes "einer Mauer gegenübersieht" und verwies auf die Notwendigkeit, diese zu überwinden, indem "die Grundlagen für soziale Gerechtigkeit durch eine Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich, die sich in einem die Regierungsfähigkeit des Landes gefährdenden Ausmaß vertieft hat, wieder hergestellt werden." Die Zeitung betonte zudem, dass China seine Militärausgaben einschränken und einheimischen Entwicklungsprogrammen Vorrang einräumen sollte: "Dies ist gleichzeitig der Weg für das Land, um seiner internationalen Verantwortung als Wirtschaftsmacht nachzukommen." In Bezug auf den Schutz privaten Eigentums fuhr sie fort: "Was als nächstes kommt, ist der Schutz privaten geistigen Eigentums." Die Zeitung fügte hinzu: "Neben wirtschaftlichen Reformen dürfen auch die politischen Reformen nicht vergessen werden."
Die Yomiuri Shimbun betonte in ihrem Leitartikel vom 6. März: "Der Bericht des chinesischen Premiers Wen Jiabao vom Montag kann als Ausdruck seiner Befürchtungen interpretiert werden, die er aufgrund der Tatsache, dass die chinesische Gesellschaft durch Unfairness und Ungerechtigkeit untergraben wird, hegt. [...] Die Frage ist jedoch, ob die von Wen beschriebenen Maßnahmen - im Kleinen wie im Großen - effektiv sein werden." Die Zeitung fügte hinzu: "Die Regierung Hu sollte sich erneut darüber bewusst werden, dass es unmöglich ist, eine langfristige Stabilität der Regierung ohne angemessene politische Reformen in enger Verbindung mit wirtschaftlichen Reformen sicherstellen zu können."
Die Nikkei äußerte scharfe Kritik an Chinas mangelndem Willen zu politischen Reformen. Bezüglich der Rede von Premier Wen schrieb die Zeitung in ihrem Leitartikel vom 6. März: "China entwickelt sich in rasantem Tempo zu einer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Weltmacht. Wenn das Land sowohl innen- als auch außenpolitisch harmonische Verhältnisse sicherstellen will, muss es sich durch wachsende politische Demokratie und Meinungsfreiheit schnellstmöglich zu einer Gesellschaft wandeln, die durch Fairness, Gerechtigkeit und hoher Transparenz geprägt ist. Wens Bericht ließ erneut konkrete Maßnahmen in dieser Richtung vermissen und ist letztendlich nicht mehr als eine Absichtserklärung der Regierung. Dies ist bei weitem nicht genug, um das wachsende Gefühl der Bedrohung durch China zu mildern."
Die Sankei Shimbun widmete sich insbesondere dem expandierenden Militärhaushalt Chinas. Ihr Leitartikel vom 6. März betonte: "Es ist offensichtlich, dass eine Bedrohung durch China nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn China dieses Gefühl der Bedrohung zerstreuen möchte, sollte es dementsprechend handeln und nicht nur reden. Eine militärische Bedrohung bedarf eines militärischen Potentials und Vorsatzes. Japan muss Chinas militärisches Potential und seine Absichten durchschauen, um sich langfristig darauf einzustellen."
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)