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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
19. 03. 2007
Geringer Zuwachs bei Löhnen und Gehältern trotz steigender Unternehmensgewinne
Die diesjährige Runde der Tarifverhandlungen über den Anstieg bei Löhnen und Gehältern in führenden Unternehmen der Schlüsselindustrien wie etwa Automobilbau, Maschinenbau und Elektronik brachte für die Arbeitnehmer - vor dem Hintergrund der Rekordgewinne dieser Unternehmen während der nunmehr seit fünf Jahren anhaltenden Erholung der japanischen Wirtschaft - nur geringe bis magere Steigerungsraten. Die Unternehmensführungen verweigerten großzügigere Zuwächse bei Löhnen und Gehältern aus Furcht vor dem Verlust ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Dies ist nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Regierung eine Enttäuschung, die für eine stabile wirtschaftliche Erholung und für eine Korrektur bei den Einkommensunterschieden auf kräftige Steigerungen gehofft hatte.
In Japan konzentrieren sich die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den meisten führenden Unternehmen traditionell auf den Monat März. Diese Verhandlungen geben den Ton für die Tarifverhandlungen in kleineren Unternehmen und anderen Industriezweigen an und bestimmen so das Einkommensniveau für das ganze Land. Die Arbeitnehmer bezeichnen diese Verhandlungen als "Frühlingskämpfe" (shunto), und dieser Begriff ist zum Synonym für die jährlichen Tarifverhandlungen geworden. Aufgrund des Systems der in Japan weit verbreiteten Unternehmensgewerkschaften finden die Verhandlungen für jedes Unternehmen einzeln statt, während die Gewerkschaftsverbände der einzelnen Industriezweige, z.B. der Rat der Metallarbeitergewerkschaften Japans, vor allem als Einpeitscher und Beobachter fungieren.
Die diesjährigen Steigerungsraten bei Löhnen und Gehältern wurden mit besonderer Spannung erwartet, da sie Einfluss auf die Wirtschaft insgesamt haben, die sich wegen des schwachen privaten Verbrauchs nur frustrierend langsam erholt. Zuwächse bei Löhnen und Gehältern gelten nicht allein als Wohltat für die Arbeitnehmer, sondern beeinflussen wegen ihrer Auswirkungen auf die Ausgaben der Verbraucher auch die Gesundheit der Volkswirtschaft insgesamt. Daher sahen sich die Regierung und Vertreter der Regierungspartei diesmal zu dem ungewöhnlichen Schritt veranlasst, die Unternehmen zu großzügigen Steigerungen bei Löhnen und Gehältern aufzurufen. Allerdings blieben diese Rufe angesichts der Entschlossenheit der Unternehmensführungen, nichts zu unternehmen, was die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz schwächen könnte, ungehört.
Wie sich herausstellte, stiegen die monatlichen Grundlöhne und -gehälter in den meisten großen Unternehmen, darunter Toyota Motor Corporation, Honda Motor Co., Ltd., Matsushita Electric Industrial Co., Ltd., Hitachi, Ltd., Sharp Corporation und Mitsubishi Electric Corporation um ca. 1000 Yen, was nur der Hälfte der Forderung der Arbeitnehmer entsprach. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei diesen Unternehmen bei etwa 300 000 Yen, wobei es jedes Jahr, das der Arbeitnehmer in dem Unternehmen tätig ist, automatisch steigt. Im Falle der Nissan Motor stieg das monatliche Einkommen um 6700 Yen, worin die automatische Steigerung bereits eingeschlossen ist. Daher wird eigentlich nur über den Zuwachs beim Grundeinkommen verhandelt, auf das der jährliche automatische Zuwachs, die verschiedenen Prämien und Bonuszahlungen sowie die Abfindungen und Ruhestandsgehälter aufbauen. Wegen der lang anhaltenden Rezession hatte es bis letztes Jahr für eine ganze Reihe von Jahren überhaupt keine Zuwächse bei den Grundeinkommen gegeben.
Japanische Unternehmen leisten als Bestandteil des Jahreseinkommens Bonuszahlungen (in zwei Zahlungen normalerweise im Juni und Dezember), über die zusammen mit den Monatseinkommen verhandelt wird. Im Falle der Toyota Motor Corporation, des am meisten prosperierenden Unternehmens in Japan, beläuft sich der Bonus für dieses Jahr auf fünf Monatsgehälter plus 790 000 Yen und liegt damit bei durchschnittlich 2,58 Mio. Yen. Bei der Hitachi, Ltd. beträgt er 4,7 Monatsgehälter. Da es unabhängig vom finanziellen Zustand des Unternehmens sehr schwierig ist, das Grundeinkommen zu kürzen, wenn es einmal erhöht wurde, sind die Unternehmensführungen bei den Steigerungen sehr vorsichtig und tendieren zu mehr Entgegenkommen bei den Bonuszahlungen, die - abhängig von der Unternehmenssituation - im kommenden Jahr wieder gekürzt werden können.
Die Steigerungen bei den Löhnen und Gehältern in den Blue Chip-Unternehmen der vier Schlüsselbereiche, die größtenteils am 14. März beschlossen wurden, geben zugleich den Ton für die Tarifverhandlungen in den kleineren Unternehmen an, die in der Regel hinter der Entwicklung zurück bleiben. Die Einkommen in den kleineren Unternehmen sind allgemein niedriger als in den großen Unternehmen, da viele von diesen Subunternehmer von Großunternehmen sind, die unter großem Druck stehen, die Kosten zu reduzieren, oder in Bereichen mit niedriger Effizienz tätig sind.
Als weit gravierenderes Problem gilt allerdings die große Zahl der Teilzeitbeschäftigten und anderen Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen, die in die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften nicht eingebunden sind und sehr viel geringere Einkommen erzielen sowie weniger günstige Arbeitsbedingungen erhalten. Derzeit befindet sich einer von drei Arbeitnehmern in einer derart schwachen Position, und die Gewerkschaften der regulären Arbeitnehmer in den großen Unternehmen können wenig für sie tun.
Auswirkungen auf kleinere Unternehmen und nicht reguläre Arbeitnehmer wahrscheinlich begrenzt
Die Mainichi Shimbun forderte in ihrem Leitartikel vom 15. März, die Arbeitnehmer in kleineren Unternehmen und Teilzeitbeschäftigten nicht zu vergessen. Sie schrieb: "Vom Standpunkt einer ausgewogenen Entwicklung der Wirtschaft aus betrachtet ist es wichtig, dass die kleineren Unternehmen, die den größten Teil unserer Wirtschaft ausmachen, an der Prosperität teilhaben. Im produzierenden Sektor allerdings stehen diese Unternehmen unter enormem Druck von Seiten der Mutterunternehmen, die Kosten zu senken. Unter solchen Umständen bestehen für diese Unternehmen keine rosigen Aussichten. [...] Es sollte ein System gestaltet werden, das es auch den kleineren Unternehmen erlaubt, die von ihnen gezahlten Löhne und Gehälter anzuheben." Der Behauptung der Wirtschaft, dass das Einkommensniveau in Japan im internationalen Vergleich zu hoch sei und dass weitere Kostensenkungen erforderlich seien, um die internationale Wettbewerbstätigkeit zu festigen, hielt die Zeitung entgegen, dass "die Unternehmen nicht lebensfähig bleiben werden, wenn der heimische Verbrauch zurückgeht. [...] Mit anderen Worten: Man kann es als gesellschaftliche Verantwortung bezeichnen, angemessene Steigerungen bei Löhnen und Gehältern zu gewähren."
Die Yomiuri Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 15. März, dass "ein Merkmal der diesjährigen Shunto die Forderung der Gewerkschaften nach einer Abkehr von der ‚sozialen Ungleichheit' war. Dies war ein wichtiges Thema, um die Kluft zwischen den großen und den kleineren Unternehmen sowie zwischen den regulären Arbeitnehmern und den Teilzeitbeschäftigten und anderen befristeten Arbeitnehmern zu verringern und die Löhne und Gehälter für alle Arbeitnehmer anzuheben." Allerdings stellte die Zeitung die Frage, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der jetzigen Einkommensstrukturen "beabsichtigen, für die Stärkung der Unternehmen zusammenzuarbeiten?"
Andererseits schrieb die Nikkei in ihrem Leitartikel vom 15. März, dass die diesjährigen Tarifverhandlungen bei den großen Unternehmen "höheren Stellenwert auf die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu legen schienen als auf das Erzielen von Unternehmensgewinnen." Sie fügte hinzu: "Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer der Unternehmen, die im Rat der Metallarbeitergewerkschaften Japans organisiert sind, sind dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt, da die meisten Unternehmen exportorientierte Firmen sind, die auch im Ausland produzieren. Die Arbeitnehmer in diesen Unternehmen scheinen das Angebot ihrer Unternehmensführungen auf der Grundlage dieses Verständnisses akzeptiert zu haben."
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