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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
22. 03. 2007
Beginn des Irak-Krieges jährt sich zum vierten Mal - wachsende Instabilität im Mittleren Osten
Genau vor vier Jahren, am 20. März 2003, begann die Regierung von US-Präsident George W. Bush den Krieg im Irak. Die Offensive der US-Streitkräfte führte unter Einsatz modernster Waffen nach nur drei Wochen zum Sturz des Regimes des Diktators Saddam Hussein. Der Krieg brachte jedoch gleichzeitig die latenten und das Land entzweienden Faktoren an den Tag, und dadurch nahm eine Tragödie ihren Lauf, in deren Rahmen der blutige Konflikt immer weiter eskalierte.
Das Ziel der Erneuerung und Demokratisierung Iraks, das die Bush-Regierung als eigentliches Anliegen des Krieges bezeichnet hatte, ist inzwischen längst aus dem Blickfeld gerückt und Irak ist in eine Spirale von Massakern und Zerstörung geraten, die man durchaus als Bürgerkrieg bezeichnen kann. Darüber hinaus breitet sich infolge des Krieges im Irak Instabilität und Chaos - bedingt durch den Konflikt zwischen den religiösen Gruppierungen - im ganzen Nahen und Mittleren Osten aus. Daher nahmen die japanischen Tageszeitungen am 20. März den vierten Jahrestag des Beginns des Irak-Kriegs zum Anlass, Leitartikel und ausführliche Berichte zu veröffentlichen, die sich erneut mit der Bedeutung des Krieges auseinandersetzten und versuchten, Prognosen zur weiteren Entwicklung im von Spannungen und Unbeständigkeiten geprägten Mittleren Osten zu treffen.
Durch Irak-Krieg ausgelöste Konflikte zwischen den religiösen Gruppierungen weiten sich in der ganzen Region aus
Die Mainichi Shimbun veröffentlichte am 20. März einen langen Kommentar ihres Sonderkorrespondenten in Kairo, Michiro Okamoto, der die neuen Umstände der Instabilität analysierte, die sich auf die gesamte Region ausgebreitet hat. Der Artikel lässt Revue passieren, wie "nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten die US-Streitkräfte im Herbst desselben Jahres in Afghanistan und 2003 dann in den Irak einmarschierten." Unter Hervorhebung der Tatsache, dass der Mittlere Osten in eine neue Phase der Unruhen eingetreten sei, hob die Zeitung hervor: "Nachdem die missliche Lage der US-Streitkräfte 2005 offensichtlich geworden ist, hat sich der Terrorismus im Irak weiter verschärft - die islamistischen Extremisten leiteten ihre große Gegenoffensive ein, die Taliban verstärkten in Afghanistan erneut ihren Einfluss, der Hardliner Mahmoud Ahmadinejad wurde Präsident Irans und die Muslimische Bruderschaft legte bei den Wahlen in Ägypten zu. Mit der Amtseinführung der Hamas-Regierung in den Palästinensergebieten und dem Erstarken der schiitischen Hisbollah im Libanon intensivierten 2006 die islamistischen Kräfte auf der Basis der anti-amerikanischen Stimmung ihren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten." Der Yomiuri-Korrespondent war der Meinung, dass der Krieg im Irak die zentrale Achse der eskalierenden Lage im Mittleren Osten ist. Er betonte: "Die Hauptursache besteht in dem anhaltenden Chaos im Irak, den die Vereinigten Staaten zu einem Beispiel für die Demokratisierung des Mittleren Ostens machen wollten; und noch immer ist kein Hoffnungsschimmer in Sicht."
In der Sankei Shimbun vom 20. März berichtete Sonderkorrespondent Daisuke Murakami aus Kairo, die Wahrscheinlichkeit, dass die Unruhen im Irak einen wachsenden Einfluss auf den Nachbarn Iran ausüben und die Befürchtungen der sunnitischen Regierungen in der arabischen Welt, dass die Präsenz der schiitischen Regierung Irans in der Region zunehmen könnten, werde immer größer. Er schrieb: "Würde Irak im Zuge des Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten in drei Teile geteilt - wobei der Süden den Schiiten, die Mitte den Sunniten und der Norden den Kurden zufallen würde - könnte dies zu einer weiteren Zunahme des Einflusses Irans auf den südlichen Irak führen, wo sich große Ölvorkommen befinden. Gleichzeitig könnten die Bestrebungen der Kurden im Norden nach mehr Unabhängigkeit zu einem Eingreifen der Türkei und Irans führen. Dies könnte die Saat für weitreichende regionale Konflikte in noch größeren Dimensionen legen. Die arabische Seite, die einen wachsenden Einfluss Irans auf die Golf-Region befürchtet, sucht nach einer Form der Zusammenarbeit zur Lösung der Probleme Iraks und versucht dabei, Iran genau im Auge zu behalten. Die großen geopolitischen Veränderungen in der Golf-Region, die auch das Problem des iranischen Nuklearprogramms einschließt, werden weiter fortbestehen und sind zu einem neuen destabilisierenden Faktor für die arabischen Länder geworden."
Warum ist der Irak-Krieg gescheitert?
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Saddam-Regimes im Irak erklärte die Bush-Regierung optimistisch, dass der Krieg im Irak der erste Schritt zu einer Demokratisierung des Nahen Ostens sein werde. Diese Hoffnung wurde indes enttäuscht, da sich die Sicherheitslage im Irak ständig verschlechterte. Die Yomiuri und die Asahi Shimbun warfen daher die Frage auf, welche Fehler zu dem Versagen im Irak geführt haben.
Unter Verweis auf die Verantwortung der Führer der religiösen Gruppierungen im Irak und der Bush-Regierung meinte die Yomiuri in ihren Leitartikel vom 21. März: "In erster Linie tragen die Führer der irakischen Gruppierungen die Verantwortung für das gegenwärtig herrschende Chaos. Das gestürzte Regime Saddam Husseins war ein Viertel Jahrhundert an der Macht, so dass eine gewisse Unsicherheit unvermeidlich war. Doch der unerwartet heftige Machtkampf zwischen den Glaubensgemeinschaften, die ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen, hat die Situation weiter verschärft. Die Verantwortung der von den Schiiten dominierten Regierung unter Premierminister Nouri al-Maliki ist besonders groß. Das erste Anliegen des Premierministers sollte die nationale Versöhnung sein. Doch in den vergangenen zehn Monaten ließ er nicht nur jegliche effektiven Maßnahmen vermissen, sondern führte seine Regierung in einer Art und Weise, die man nur als voreingenommen im Sinne schiitischer Interessen bezeichnen kann." Der Artikel führte weiter aus: "Die Vereinigten Staaten, welche die internationale Koalition anführen, haben ebenfalls Fehler gemacht. Historisch bedingt gibt es im Irak eine tief verwurzelte Zwietracht zwischen den wichtigsten religiösen Gruppierungen, die verschiedene Interessen hegen. Die Vereinigten Staaten scheinen diese Tatsache schlicht vernachlässigt zu haben. Und durch den Skandal wegen der Misshandlung irakischer Gefangener durch US-Soldaten wurde zudem das Problem von Washingtons fehlerhaftem Nachkriegsmanagement deutlich."
Der Leitartikel der Asahi vom 20. März stellte fest, dass es die Entscheidung der Bush-Regierung war, den Krieg zu beginnen, die zu der aktuellen miserablen Lage im Irak geführt hat und hinterfragte nachdrücklich die Verantwortung der US-Regierung. Sie schrieb: "Nicht alle diplomatischen Möglichkeiten wurden vor Beginn des Krieges ausgeschöpft. Der Plan der Besetzung Iraks nach dem Ende des Krieges beruhte auf allzu optimistischen Annahmen. Zudem scheiterten die Vereinigten Staaten bei der Bildung einer einheitlichen internationalen Front unter Einbeziehung der islamischen Staaten in Bezug auf diesen Krieg. Es ist wichtig, die bitteren Lehren aus diesem Krieg zu ziehen, ohne sie im Nachhinein zu beschönigen. Der größte Fehler der Regierungen der USA und Großbritanniens aber bestand darin, dass die Massenvernichtungswaffen, die den Anlass für den Krieg gaben, gar nicht existierten. Beide Regierungen manipulierten ihre Geheimdienste, um die Welt Glauben zu machen, dass ihre Sicherheit gefährdet sei. Die Manipulierung der Geheimdienste ist durch die Ermittlungen des US-Kongresses und anderer Institutionen über die Ursachen des Debakels offenbart worden." Die Asahi fügte hinzu: "Das Bündnis mit den Vereinigten Staaten ist für Japans Verteidigung lebenswichtig. Dies darf jedoch nicht bedeuten, dass die Regierung aufhört eigenständig zu denken und lediglich der Politik der USA folgt. Es ist durchaus möglich, dass die Interessen zweier enger Verbündeter nicht zwangsläufig übereinstimmen."
Ruf nach einer Atmosphäre für den Dialog im Mittleren Osten
Hinsichtlich der aktuellen Lage Iraks beklagte die Mainichi Shimbun am 20. März: "Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sich das infernalische Szenario, das sich auf die Hauptstadt Bagdad konzentriert, weiter ausbreitet." Gleichzeitig betonte sie die Tatsache, dass sich - wenngleich zaghaft - eine Atmosphäre des Dialogs zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien entwickelt. Unter Verweis auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung der fundamentalistischen Hamas mit der moderaten Fatah in den Palästinensergebieten brachte die Mainichi ihren Wunsch zum Ausdruck, Japan möge sein Engagement für eine Stabilisierung der Region verstärken: "Die geplante Durchführung einer internationalen Konferenz der ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrats und der wichtigsten Anrainerstaaten Iraks sowie die Schaffung eines Systems für einen Dialog sind gute Nachrichten. Auch Japan wird sich an dem Treffen auf Ministerebene Ende April beteiligen. Zudem ist ein Besuch des irakischen Premierministers al-Maliki in Japan vorgesehen. Wir hoffen, dass Japan eine aktive Außenpolitik betreibt, um den Rahmen für den Dialog zu erweitern und zu vertiefen."
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)