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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


25. 04. 2007

 

Der Tod des ehemaligen russischen Präsidenten Jelzin
 

Der Tod des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin am 23. April war für die japanischen Medien ein wichtiges Thema. Alle fünf nationalen Tageszeitungen brachten die Nachricht an erster oder zweiter Stelle auf der Titelseite und publizierten auf ihren Auslandsseiten lange Biografien von Jelzins turbulenter politischer Karriere. Am 25. April folgten Leitartikel zu Jelzins Tod, die sich mit dem Vermächtnis des ehemaligen Präsidenten befassten.

Anlässlich der Nachricht von Jelzins Tod meinte Japans Außenminister Taro Aso am 23. April: "Es mag in Russland unterschiedliche Meinungen geben, Tatsache aber ist, dass Gorbatschow und Jelzin aufgrund ihrer Rolle bei der Öffnung Russlands in die Geschichte eingehen werden. Das ist eine wichtige Errungenschaft. Möge er in Frieden ruhen." (Asahi Shimbun vom 24. April)

Auf einer Pressekonferenz am 24. April unterstrich Chefkabinettsekretär Yasuhisa Shiozaki: "Er hat sich mit ganzer Kraft für Reformen eingesetzt und die Grundlage für die Geburt eines neuen Russlands geschaffen. In Bezug auf das Verhältnis zu Japan schuf Jelzin die Basis für einen Neubeginn in den japanisch-russischen Beziehungen, eingeschlossen die Bemühungen zur Lösung der Frage der Nördlichen Territorien."

Veränderung der Gegenwartsgeschichte durch Auflösung des sowjetischen Sozialismus

Alle Leitartikel und biografischen Artikel der japanischen Zeitungen brachten ihre Hochachtung für Jelzins Charakterstärke und seine Unerschrockenheit zum Ausdruck, mit der er den sowjetischen Sozialismus auflöste und damit dem Kalten Krieg ein Ende bereitete.

Die Asahi publizierte am 24. April einen Artikel über Jelzin, geschrieben vom Leiter des Moskauer Büros der Zeitung unter der Überschrift "Russlands Wiedergeburt - Licht und Schatten". In dem Beitrag erinnerte der Journalist an den raschen Wechsel von Licht und Schatten, der Jelzins politische Ära charakterisierte: "Er bekannte sich standhaft zur Demokratie und bekämpfte gleichzeitig die Redefreiheit so despotisch wie ein Zar. Er räumte den regionalen Regierungen Autonomie ein und erhob die Waffen gegen die Republik Tschetschenien." Der Artikel betonte: "Es ist klar, dass sein Name in die Geschichte eingehen wird als derjenige, der das große Experiment des 20. Jahrhunderts, den sowjetischen Sozialismus, beerdigte." Er fuhr fort: "Im Unterschied zu seinem Rivalen, dem ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, der - abgesehen von seiner westeuropäischen Intelligenz und Eloquenz - oft unentschlossen wirkte, war Jelzin frei von Dogmen und geübt in der Erzielung pragmatischer Lösungen."

Die Yomiuri überschrieb ihren Leitartikel vom 25. April mit: "Jelzin - wichtiger Akteur beim  Zusammenbruch der UdSSR" und meinte, dass Russlands erster Präsident "die Sowjetunion in ihre Auflösung führte und dadurch die Weltpolitik erschütterte. Die Rolle, die er in den letzten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts spielte, sichert ihm einen Platz in den Annalen der Weltgeschichte." Der Artikel fuhr fort: "Der Kalte Krieg, der die internationale Politik viele Jahrzehnte lang bestimmte, wurde 1989 von US-Präsident George Bush und seinem sowjetischen Gegenspieler Michail Gorbatschow für beendet erklärt. Doch das wahre Ende der Konfrontation zwischen Ost und West kam erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Bildung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten unter der Führung Jelzins."

Widerspruch zwischen demokratischer Organisation und autoritären Mitteln

Als Jelzin im Juli 1991 sein Amt als Präsident der Russischen Föderation antrat, legte er den Grundstein für die Demokratie, indem er ein System freier Wahlen zum Wechsel der Regierung einführte, die Pressefreiheit gewährte und von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft überging. Doch den Reformen mangelte es an ausreichender Vorbereitung und sie erfolgten überstürzt, so dass die daraufhin einsetzende Unsicherheit immer mehr zunahm, als Jelzin 1995 einen Herzanfall erlitt und wachsende Sorgen in Bezug auf seinen Gesundheitszustand die Führungsstärke seiner Regierung beeinträchtigten.

Am 24. April schrieb ein leitender Journalist der Mainichi Shimbun: "1993 glaubte er die gegen den Präsidenten gerichteten Kräfte zu bezwingen, indem er das Parlamentsgebäude mit Panzern beschießen ließ, und 1994 begann er einen Krieg gegen die nach Unabhängigkeit strebende Republik Tschetschenien. Mit diesem brutalen und diktatorischen Vorgehen brachte Jelzin die russische Öffentlichkeit gegen sich auf, die sich einst um ihn geschart und ihn als 'Bannerträger der Demokratie' bezeichnet hatte. Mauscheleien unter Jelzins Vertrauten führten zu politischer Korruption. Zur selben Zeit wurden Staatsbetriebe zu extrem niedrigen Preisen an einige wenige, neu entstandene Finanzkonglomerate verkauft, was zu einem Chaos in der neu eingeführten Marktwirtschaft führte."

Kritik an Putins autoritären Maßnahmen

Jelzins Tod bietet auch Gelegenheit, sich an die Ursprünge der bemerkenswerten Demokratisierung Russlands zu erinnern. So kritisierten denn auch zahlreiche japanische Zeitungen den auffallend autoritären Stil der Regierung des jetzigen russischen Präsidenten Wladimir Putin.

In ihrem Leitartikel vom 25. April schrieb die Nikkei: "Präsident Putin stellte in seinem Nachruf auf Jelzin fest: '[Es ist Jelzin zu verdanken], dass wir die Geburt eines neuen demokratischen Russlands erlebt haben, das sich der Welt öffnet.' Jelzins demokratische Ansätze haben unter Putin erheblich andere Züge angenommen. Das brutale Vorgehen gegen regierungskritische Demonstranten in Moskau und St. Petersburg lässt glauben, dass der Prozess der Demokratisierung momentan rückläufig ist."

Der Leitartikel der Asahi vom 25. April brachte seine Sorge hinsichtlich Putins aktueller Politik zum Ausdruck und stellte fest: "Die zweite Präsidentschaft Putins nähert sich ihrem Ende und dank der sehr hohen Rohölpreise floriert die Wirtschaft. Doch der Regierungsstil wird zusehends autoritär, wie die zunehmend härter werdende staatliche Kontrolle der Medien und die Inhaftierung regimekritischer Unternehmer belegen. Die Turbulenzen der Ära Jelzins haben sich gelegt, doch die Freiheit wird zusehends eingeschränkt." 

Jelzins positive Haltung in Bezug auf die Verbesserung der japanisch-russischen Beziehungen

Es gibt nach wie vor ein Hindernis auf dem Wege zur Verbesserung des beiderseitigen Vertrauens, der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Japan und Russland: die Tatsache, dass Russland noch immer vier Inseln besetzt hält, die japanisches Territorium sind. Alle Artikel der japanischen Zeitungen würdigten in diesem Zusammenhang die aufrichtigen Bemühungen Jelzins zur Lösung dieser Frage.

Der oben zitierte Leitartikel der Nikkei schloss: "Jelzin unternahm positive Anstrengungen zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Japan und Russland. Als er Japan im Oktober 1993 besuchte, unterzeichneten Jelzin und der damalige japanische Premierminister Morihiro Hosokawa die Erklärung von Tokyo über die Frage der Nördlichen Territorien. Dies war ein epochales Ereignis. Die Erklärung nannte insbesondere die vier Inseln mit ihren Namen, nämlich Habomai, Shikotan, Kunashiri und Etorofu und stellte Verhandlungen zur Lösung der Territorialfrage und zum Abschluss eines Friedensvertrags in Aussicht. Diese wichtige Übereinkunft bildete die Grundlage für die gegenwärtigen japanisch-russischen Verhandlungen. Später entwickelte Jelzin eine persönliche Freundschaft zum ehemaligen Premierminister Ryutaro Hashimoto, und die Bestrebungen zur Lösung der Frage der nördlichen Territorien schienen endlich voranzukommen. Letztendlich aber erfüllten sich diese Hoffnungen nicht. Beide Seiten konnten sich nicht auf einen Kompromiss einigen, und das Problem ist bis heute ungelöst. Präsident Putins Amtszeit wird im nächsten Frühling enden. Es wird notwendig sein, mit einem neuen Präsidenten ganz von vorn anzufangen."

Die Sankei Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 25. April in ähnlicher Weise, dass Jelzins Regierung "das genaue Gegenteil der Regierung Putin war, die hartnäckig darauf besteht, dass 'Russland die alleinige Souveränität über die vier Inseln besitzt' und hinsichtlich solcher Fragen wie der Internierung [japanischer Kriegsgefangener Ende des 2. Weltkriegs] in Sibirien jedes Interesse vermissen lässt."

(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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