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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
06. 05. 2007
Premierminister Abes Reise in den Mittleren Osten und die Ressourcen-Außenpolitik
Premierminister Shinzo Abe besuchte vom 28. April bis 2. Mai fünf Länder des
Mittleren Ostens. Mit Ausnahme Ägyptens waren dies Öl fördernde Staaten am
Persischen Golf, die für ihre großen Ölvorkommen bekannt sind. Die Menge an
Rohöl, die Japan von diesen vier Ländern - Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische
Emirate, Kuwait und Katar - bezieht, macht ca. 75 % der gesamten Rohölimporte
des Landes aus. Aus diesem Grund erregte die Reise von Premierminister Abe auch
Aufmerksamkeit als Versuch, Japans Außenpolitik zur Sicherung der
Energieressourcen wiederzubeleben.
Premierminister Abe wurde bei seiner Reise von einer 180-köpfigen Delegation des Unternehmensverbandes Nippon Keidanren unter Führung seines Vorsitzenden Fujio Mitarai begleitet. Spitzenvertreter der Wirtschaft aus verschiedenen Bereichen - nicht allein petrochemische Industrie, sondern auch Spitzentechnologie, produzierendes Gewerbe, Bau, Finanzen und Wertpapiere - beteiligten sich an der Delegation. Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine derart große Delegation aus Vertretern der Privatwirtschaft einen japanischen Premierminister bei einer Auslandsreise begleitet, so dass die japanischen Medien dies als den Beginn einer neuen Ressourcen-Außenpolitik bezeichneten, bei der Regierung und Privatsektor zusammenwirken.
Wettlauf der Staaten zur Sicherung von Rohstoffen und Japans Antwort
Von den fünf landesweit erscheinenden Tageszeitungen in Japan untersuchten zwei die Reise in ihren Leitartikeln, während die drei anderen ausführliche Kommentare veröffentlichten. Allen Beiträgen gemeinsam waren zwei Punkte: der Hinweis auf Japans langsamen Start beim Wettlauf der Staaten zur Sicherung von Rohstoffen sowie die derzeitige Suche der Regierung nach einer neuen Strategie zur Sicherung von Rohstoffen durch die Förderung der Zusammenarbeit mit den Ölförderländern auf unterschiedlichen Ebenen.
Der Leitartikel der Yomiuri Shimbun (4. Mai) meinte: "Aufgrund der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und weiterer Faktoren hat die Nachfrage nach Öl erheblich zugenommen und der Ölpreis steigt kontinuierlich. Der Nationalismus in Bezug auf Rohstoffe nimmt immer mehr zu und auch der Wettlauf nach Ölressourcen gewinnt zunehmend an Intensität. In Ländern wie Russland nimmt die Tendenz zu, die Ressourcen sowohl zur Entwicklung nationaler Strategien als auch als Mittel der Außenpolitik zu nutzen. Man kann nicht gerade sagen, dass Japan auf diesen Wandel der Umstände in Bezug auf die Ölressourcen strategisch reagiert hat. Japans Vorgehen im Mittleren Osten und in anderen Regionen ist im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa China langsam." Die Zeitung fuhr fort: "Auf einer Pressekonferenz in Ägypten, der letzten Station seiner Reise, sagte der Premierminister, Ziel seiner Reise sei es gewesen, über die konventionellen, allein auf das Öl gerichteten Bande hinauszugehen und auf unterschiedlichen Ebenen Beziehungen zwischen Japan und dem Mittleren Osten zu gestalten, die eine neue Ära einleiten, indem Japans aktive Beteiligung an den Vorgängen in dieser Region sowie die Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses gefördert werde. Die Regierung ist zu dem Schluss gekommen, dass die Stärkung der bilateralen Beziehungen in einer Vielzahl von Bereichen außerhalb des Öls zur stabilen Versorgung Japans mit Öl beiträgt."
Ein Sonderkorrespondent der Mainichi Shimbun, der Premierminister Abe auf seiner Reise begleitete, schrieb aus Doha (2. Mai), dass die Reise des Premierministers "seine Position deutlich machte, die Beziehungen zu den Öl fördernden Staaten auf unterschiedlichen Ebenen auszubauen." Der Korrespondent meinte: "Bei der Serie der Zusammenkünfte kann die Betonung, die der Premierminister auf solche Bereiche wie Umwelt und Bildung legte, als Versuch gewertet werden, den Erwartungen der Öl fördernden Staaten gerecht zu werden, die nach Mitteln und Wegen suchen, aus ihrer Abhängigkeit vom Öl loszukommen und - wenn auch verspätet - eine weiche "Ressourcen-Außenpolitik einzuleiten mit dem Ziel, die sichere Versorgung mit Rohstoffen durch die Gestaltung engerer Beziehungen zu sichern."
Erwartungen an Japan in den Ölförderländern
Eine beträchtliche Zahl der Kommentare in den japanischen Tageszeitungen richtete die Aufmerksamkeit auch auf die großen Erwartungen, die die Öl fördernden Länder gegenüber Japan hegen.
Der Leitartikel der Nikkei (4. Mai) merkte an: "Es gab eine gewisse Unzufriedenheit unter den Staaten des Mittleren Ostens, dass die Beziehungen mit Japan sich auf den Handel beschränken, wobei Japan Rohöl und Erdgas importiert und Konsumgüter sowie Fertigungsanlagen exportiert. Als Gegenleistung für eine sichere Versorgung mit Rohstoffen wünschen sich viele Menschen im Mittleren Osten eine breiter angelegte Zusammenarbeit mit Japan in solchen Bereichen wie Diversifizierung der Industrie und Schaffung von Arbeitsplätzen; sie wünschen sich wirtschaftlich sichere Beziehungen in beide Richtungen." Die Zeitung fuhr mit ihrer positiven Einschätzung fort: "Zusätzlich zur Fortsetzung des Dialogs und der Zusammenarbeit in Bezug auf die politischen Themen im Mittleren Osten, etwa die Stabilisierung Iraks sowie die sichere Versorgung mit Öl, betonten die gemeinsamen Erklärungen, die zusammen mit den Regierungen der besuchten Staaten herausgegeben wurden, auch die Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen unter Einschluss einer Verbesserung des Investitionsumfelds. Japan teilt mit den Staaten des Mittleren Ostens die Erkenntnis, dass Bildung für den Aufbau eines Staates von entscheidender Bedeutung ist. Die gemeinsamen Erklärungen beinhalteten daher auch den Ausbau der japanischen Kooperation in den Bereichen Bildung und Berufsausbildung. Dies war ein erster Schritt auf dem Weg zu multidimensionalen kooperativen Beziehungen."
Bei seiner Zusammenkunft mit dem saudischen König Abdullah Bin Abdulaziz Al-Saud am 28. April schlug Premierminister Abe vor, dass Japan Saudi-Arabien Öllager auf der Insel Henza in der Stadt Uruma, Präfektur Okinawa, bereitstellt, die wirtschaftlich genutzt werden können. Beide Seiten vereinbarten, die Diskussion über diese Angelegenheit zu beginnen. Dieser Vorschlag ist von Bedeutung, weil damit Saudi-Arabien erstmals Öllagerstätten in Ostasien zur Verfügung gestellt würden. Vom Standpunkt aus betrachtet, dass dies zu einer Stärkung der bilateralen Beziehungen führen würde, berichteten sowohl die Asahi Shimbun als auch die Yomiuri über diese Angelegenheit auf den Titelseiten ihrer Ausgaben vom 30. April.
In einem am 30. April gedruckten Beitrag aus Riyadh schrieb ein Sonderkorrespondent der Yomiuri über die Bedeutung der Tatsache, dass der Premierminister von einer Delegation des Nippon Keidanren begleitet wurde: "Die staatliche Entwicklungshilfe [ODA], die normalerweise Japans Trumpfkarte darstellt, kann in diesen Ländern [mit ihren reichen Ölvorkommen] nicht ausgespielt werden. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar sind reiche Nationen, die für ODA nicht empfänglich sind, und Saudi-Arabien, wo die Löhne rasch steigen, dürfte 2008 von der Liste der ODA-Empfängerländer gestrichen werden." Der Yomiuri-Korrespondent fuhr fort: "Die Trumpfkarte, die an die Stelle der ODA treten soll, ist die Ausweitung der Zusammenarbeit durch die Unternehmen des Privatsektors. Mit Blick auf ihr hohes Bevölkerungswachstum und die zur Neige gehenden Ölvorkommen bildet die Abkehr von einer auf das Öl konzentrierten Industriestruktur für die Ölförderländer des Mittleren Ostens ein wichtiges Thema, und sie sind bestrebt, Technologie und Investitionen aus Japan zu erhalten. Auch für japanische Unternehmen erscheint die Ausweitung der kooperativen Beziehungen mit diesen Ländern als eine gute Gelegenheit, einiges von dem Geld, das durch den Anstieg der Ölpreise in diese Länder gespült wurde, zu bekommen."
Verbindung zwischen Ressourcensicherheit und Stabilität im Mittleren Osten
Als wichtiger Faktor, der die Antwort auf die Frage beeinflusst, ob die Reise von Premierminister Abe in den Mittleren Osten Früchte trug, zeigten sich die japanischen Tageszeitungen sehr an den politischen und sozialen Entwicklungen in der Region einschließlich der Situation im Irak interessiert.
Der oben angeführte Leitartikel der Yomiuri wies auf die Notwendigkeit für Japan hin, sich ganz allgemein aktiv im Mittleren Osten zu engagieren: "Die stabile Versorgung mit Öl ist von der Stabilität im Mittleren Osten abhängig. Die verzweifelte Situation im Irak, der stagnierende Nahost-Friedensprozess, Irans Nuklearprogramm ... Japan kann hier nur wenig tun, aber es sind Anstrengungen erforderlich, um Japans Präsenz deutlich zu machen."
Ein führender Leitartikler der Mainichi (2. Mai) warnte, dass die Konflikte und Spannungen im Mittleren Osten auch einen Schatten auf die Beziehungen zwischen Japan und den Öl fördernden Staaten werfen könnte. Er schrieb: "Nun, da deutlich geworden ist, dass die Politik der Vereinigten Staaten im Mittleren Osten in eine Sackgasse geraten ist, ist es für Japan notwendig, eine Außenpolitik zu betreiben, die auf seinen eigenen Werten basiert, und sein unparteiisches Image wiederherzustellen. Selbst das pro-amerikanische Saudi-Arabien gerät von Zeit zu Zeit mit den Vereinigten Staaten über Palästina und die Situation im Irak in Streit, weil dies Probleme sind, die die Stabilität in der Golf-Region beeinträchtigen."
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)