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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)
09. 05. 2007
Frankreichs Wähler entscheiden sich für Sarkozy als neuen Präsidenten
In der Stichwahl für das Amt des Präsidenten am 6. Mai vertrauten die französischen Wähler die Führung ihres Landes für die nächsten fünf Jahre Nicolas Sarkozy an, dem Führer der konservativen Volksbewegungsunion (UMP) und vorherigen Innenminister. Das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl ist auch in Japan auf großes Interesse gestoßen. Alle fünf landesweiten Tageszeitungen publizierten eine ungewöhnlich große Anzahl von Artikeln auf ihren Titelseiten, Kommentarseiten sowie Auslandsseiten und analysierten die Auswirkungen, die Sarkozys Sieg auf Frankreichs politischen Kurs und die internationale Situation haben könnte.
Das große Interesse der japanischen Medien an der Wahl des französischen Präsidenten war nicht nur durch die Tatsache bedingt, dass eine ausgesprochen individualistische Persönlichkeit zur neuen Führungspersönlichkeit eines der führenden Länder Europas avancierte, sondern auch durch die Frage, wie man auf die fortschreitende Globalisierung reagieren soll, bei der sich die Märkte dem freien Wettbewerb öffnen und die zu einer gemeinsamen Aufgabe aller Industrienationen geworden ist. Hinsichtlich der Bedeutung der französischen Präsidentschaftswahl schrieb ein Leitartikler der Mainichi Shimbun (Abendausgabe vom 7. Mai): "Dies ist dieselbe Phase wie bei den Wahlen 2005 in Japan und Deutschland, bei denen es um die Entscheidung zwischen Wettbewerb oder Sozialpolitik ging."
Wahlergebnis stellt freien Wettbewerb über Gleichheit
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und nach der weltweiten Verbreitung der Marktwirtschaft zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat die politische Auseinandersetzung zwischen den führenden Parteien der wichtigsten Industriestaaten allmählich an Schärfe abgenommen. Inmitten dieser Tendenz stellte sich die französische Präsidentschaftswahl als ein klarer Kampf zwischen Rechts und Links dar. Die regierende konservative Partei stellte Sarkozy auf, der für eine Politik steht, die auf freiem Wettbewerb wie in den Vereinigten Staaten und Großbritannien beruht. Für die Sozialistische Partei, die größte Oppositionspartei, ging Segolene Royal, eine ehemalige Umweltministerin ins Rennen, die eine Politik der konventionellen sozialen Wohlfahrt europäischen Stils propagiert. Das Ergebnis der Wahl bedeutet, dass die französischen Wähler die Zukunft ihres Landes Sarkozy anvertraut haben, der weitere grundlegende Reformen der Innenpolitik und des Wirtschaftssystems fordert.
Die Asahi Shimbun kommentierte in ihrem Leitartikel vom 8. Mai: "Unter den Plagen, die Frankreich in den letzten Jahren heimgesucht haben, sind eine hohe Arbeitslosenrate unter den jungen Menschen und eine Verschlechterung der inneren Sicherheit. Sarkozy forderte schärfere Sicherheitsvorkehrungen und mehr Wettbewerb innerhalb der Markwirtschaft. Seine Botschaft 'Arbeite mehr, um mehr zu verdienen' hat das Herz der Wähler gewonnen. Frankreich spürt die vollen Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung, die mit dem Schwinden der Bedeutung der Ländergrenzen im vereinten Europa weiter voranschreitet. Die französischen Wähler sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Reform des starren französischen Beschäftigungssystems und anderer Aspekte der traditionellen französischen Gesellschaft die einzige Chance für die Gestaltung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist, mit der der Lebensstandard verbessert werden kann."
Indem sie Sarkozys Sieg mit der eigenwilligen Mentalität der Franzosen verknüpfte, stellte die Yomiuri Shimbun in ihrem Leitartikel vom 8. Mai fest: "Während der letzten fünf Jahre fiel Frankreich in Bezug auf das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt vom 12. auf den 16. Rang in der Welt zurück. Es gibt keine Anzeichen für eine Gesundung des französischen Dilemmas, bei dem die Wirtschaft stagnierte und sich die Arbeitslosigkeit bei 8% bis 9% einpendelte. Sarkozy hatte als Innenminister während der gewalttätigen Krawalle jugendlicher Migranten, die im Herbst 2005 ganz Frankreich heimsuchten, eine kompromisslose Haltung eingenommen. Man kann sagen, dass sein entschlossenes Vorgehen die Herzen der Wähler gewonnen hat, die sich einen resoluten Führer wünschen."
Probleme der nationalen Ideologie und nationalen Integration Frankreichs
Zugleich brachten zahlreiche Kommentare ihre Bedenken hinsichtlich des harten und teilweise provokativen politischen Stils des zum neuen Präsidenten gewählten Sarkozy zum Ausdruck. Die Mainichi Shimbun meinte in ihrem Leitartikel vom 8. Mai: "Hinsichtlich der umstrittenen Frage der Einwanderungspolitik forderte Sarkozy die Inhaftierung illegaler Einwanderer und die Schaffung eines Ministeriums für Immigration und nationale Identität. Frankreich verfolgt eine Politik der Integration von Einwanderern, so dass diese in keiner Weise diskriminiert werden, sofern sie die französische Staatsbürgerschaft annehmen und sich in die Gesellschaft eingliedern. Die Unzufriedenheit unter den armen Immigranten nahm jedoch zu, und so kam es zum Ausbruch der Unruhen von 2005. In welchem Maße wird die französische Gesellschaft Menschen als gleichberechtigte Bürger akzeptieren, die sich aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres islamischen Glaubens auf den ersten Blick unterscheiden lassen? Dies ist ein Problem, das die nationale Ideologie betrifft." Unter der Fragestellung, ob Sarkozy seine Wahlversprechen einlösen kann, fügte die Mainichi hinzu: "Soziale Ungleichheit stellt auch in Japan ein Problem dar. Wir sollten gut beobachten, ob die Entscheidung Frankreichs richtig war."
Die Nikkei kommentierte in ihrem Leitartikel vom 8. Mai besorgt: "Unter den Franzosen nehmen die Bedenken zu, dass der Trend der Globalisierung die einzigartige Kultur und Tradition ihres Landes gefährden könnte. Sarkozy hat diese nationale Befindlichkeit, die auf einen sich abschottenden Nationalismus hinweist, klug aufgegriffen. Seine Strategie war erfolgreich, aber jeder Versuch, die internationale Mobilität der Menschen einzuschränken, könnte Auswirkungen auf die Politik der anderen Länder der Europäischen Union und der Industrieländer weltweit haben."
Möglicher Kurswechsel in Bezug auf Frankreichs unabhängige Außenpolitik
Seit der Ära von Präsident Charles de Gaulle hat Frankreich eine sehr unabhängige Außenpolitik verfolgt und zeitweise harte Auseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten als Führungsmacht des Westens geführt. Frankreich lehnte den Krieg im Irak konsequent ab, zu den sich die US-Regierung unter Präsident George W. Bush entschloss. Die japanischen Medien zollten daher der Aussicht auf Veränderungen in der Außenpolitik unter Präsident Sarkozy große Aufmerksamkeit.
Die Sankei Shimbun stellte in ihrem Leitartikel vom 8. Mai fest: "In seiner Siegesrede unterstrich Sarkozy, der als pro-amerikanischer Konservativer gilt, dass 'unsere amerikanischen Freunde [...] auf unsere Freundschaft zählen können. Frankreich wird immer an ihrer Seite sein.' Präsident Bush rief denn auch umgehend Sarkozy an, um ihm zu gratulieren. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich die Beziehungen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten, die sich aufgrund des Irak-Krieges verschlechtert hatten, wieder erholen werden."
Der bereits zitierte Leitartikel der Asahi prognostizierte: "Ein 2005 [in Frankreich] durchgeführtes Referendum lehnte die Ratifizierung des Verfassungsentwurfs der Europäischen Union (EU) ab und stoppte so den Prozess der europäischen Integration. Sarkozy hat angekündigt, die Klauseln der Verfassung zu vereinfachen und diese durch das Parlament ratifizieren zu lassen. In seiner Siegrede hob er die Bedeutung der Einheit Europas hervor. Wir gehen davon aus, dass seine Präsidentschaft die Frage der Ratifizierung der Verfassung neu beleben wird."
Währenddessen gab es auch Vermutungen, dass sich die Beziehungen zwischen Frankreich und Japan unter der neuen Regierung abkühlen könnten, da Präsident Chirac als großer Freund Japans bekannt war.
Der bereits erwähnte Leitartikel der Yomiuri hob hervor: "Die Bande zwischen Frankreich und Japan haben sich unter Präsident Chirac, der als französischer Politiker Japan ungewöhnlich positiv gegenüberstand, vertieft. Frankreich ist geneigt, die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China zu befürworten. Eine Aufhebung des Embargos würde erheblichen Einfluss auf die Sicherheitslage im Umfeld Japans haben."
Andererseits stellte der Leitartikel der Sankei fest: "In seiner Ende Februar angekündigten Strategie für die Außenpolitik stellte Sarkozy die Unterstützung für vier Staaten einschließlich Japan sowie für Afrika in Aussicht, die einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstreben. Auch hinsichtlich der Frage der Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China sagt man ihm nach, zurückhaltender als Chirac zu agieren, der sich für China einsetzte." Die Zeitung fügte trotzdem hinzu: "Wir befürchten, dass sein Interesse an den Beziehungen gegenüber Japan eher gering ist.
(Copyright 2007 Foreign Press Center Japan)