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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


15. 05. 2007

 

 

Gesetz über Volksabstimmung in Kraft; rechtlicher Rahmen für Referendum zur Verfassungsänderung bereitet

In einer Plenarsitzung des japanischen Oberhauses am 14. Mai wurde der Gesetzentwurf über ein Referendum, mit dem das Prozedere für eine Änderung der Verfassung bestimmt wird, von der Mehrheit der Abgeordneten der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Neuen Komei-Partei gebilligt und damit in Kraft gesetzt. Die Demokratische Partei Japans (DPJ), die Kommunistische Partei Japans (KPJ), die Sozialdemokratische Partei (SDP) und die Neue Volkspartei (NVP) votierten gegen das Gesetz. Damit sind sechzig Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung im Mai 1947 erstmalig gesetzliche Regelungen für ihre Änderung getroffen worden. Die Vorlage und Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung wird nun drei Jahre lang auf Eis gelegt, gleichwohl werden in der kommenden Sitzungsperiode des Parlaments in beiden Häusern Ausschüsse zur Überprüfung der Verfassung eingerichtet, so dass die Debatte zur Änderung der Verfassung nun an Fahrt gewinnen dürfte. 

Kann der Weg zur Änderung der Verfassung geebnet werden?

Artikel 96 der Verfassung bestimmt, dass eine Verfassungsänderung durch das Parlament beantragt, von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder in jeweils beiden Kammer unterstützt werden und dann der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden muss; schließlich muss die Änderung durch die Stimmenmehrheit in einem Referendum beschlossen werden. Bislang gab es jedoch kein Gesetz, mit dem das konkrete Vorgehen für eine Volksbefragung geregelt ist. Sowohl die regierende LDP und die Neue Komei-Partei als auch die DPJ als größte Oppositionspartei legten im Mai 2006 im Unterhaus Gesetzesentwürfe über ein Referendum vor.

Ursprünglich beabsichtigten die LDP, die Neue Komei-Partei und die DPJ einen gemeinsamen Gesetzentwurf in Form einer Überarbeitung ihrer Vorschläge vorzulegen, doch als Premierminister Shinzo Abe seine Absicht bekannt gab, die Verfassungsänderung zum Wahlkampfthema bei der Oberhauswahl im Juli 2007 zu machen, zog sich die DPJ zurück. Die DPJ zerstritt sich zudem hinsichtlich der Festlegung der Wahlberechtigten für das Referendum mit dem Regierungslager, so dass die Gespräche abgebrochen wurden. Deshalb legten die Regierungsparteien im März dieses Jahres ihren eigenen, überarbeiteten Entwurf vor, der im April das Unterhaus mit den Stimmen der Regierungsparteien passierte. Bei der Annahme des Gesetzes am 11. Mai nahm der Sonderausschuss für die Überprüfung der Verfassung im Oberhaus zugleich 18 ergänzende Beschlüsse auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen den regierenden Parteien und der DPJ an, darunter den Beschluss zur Überprüfung der Vor- und Nachteile der Festsetzung einer Mindestwahlbeteiligung für die Gültigkeit des Referendums. Bei der Abstimmung während der Plenarsitzung des Oberhauses am 14. Mai votierten 122 von 221 anwesenden Abgeordneten dafür und 99 dagegen. Die DPJ und die anderen Oppositionsparteien lehnten das Gesetz mit der Begründung ab, dass die Debatte nicht gründlich genug geführt wurde.

Die grundlegenden Bestimmungen des neuen Gesetzes umfassen u.a.: 1) das Gesetz bezieht sich ausschließlich auf die Verfassungsänderung, 2) das Alter der Stimmberechtigten beträgt mindestens 18 Jahre (allerdings liegt es bis zur Herabsetzung des Wahlalter auf 18 Jahre wie derzeit noch bei mindestens 20 Jahren), 3) die Abstimmung erfolgt in Form von "Ja" oder "Nein" in Bezug auf die vorgeschlagenen Änderungen, 4) die Änderungen gelten als angenommen, wenn sie durch die Mehrheit der gültigen Stimmen befürwortet werden, 5) die Einbeziehung von Beamten und Lehrern in eine Kampagne für ein Referendum ist verboten, 6) zwei Wochen vor der Wahl wird jegliche Fernseh- oder Radiowerbung untersagt sowie 7) das Gesetz tritt drei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft tritt und die Gremien zur Änderung der Verfassung diskutieren bzw. legen während dieses Zeitraums keine Ergänzungen zu diesem Gesetz vor. 

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht nun die Frage, ob in den drei Jahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im Mai 2010 und der möglichen Vorlage eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung im Parlament der Weg für eine tatsächliche Verfassungsänderung geebnet werden kann. Während dieser drei Jahre wird die erste Amtszeit von Premierminister Abe als LDP-Vorsitzender (im September 2009) auslaufen und es wird mit Sicherheit eine neue Regierung gewählt werden. Auf einem Treffen von führenden Politikern der LDP am Abend des 14. Mai machte der Premierminister seine Entschlossenheit deutlich, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Volksabstimmung den Prozess zur Verfassungsänderung zu beschleunigen; dabei unterstrich er: "Ich möchte während  meiner Amtszeit die Verfassungsänderung auf die Agenda setzen."

Im Gegenzug zog sich die DPJ verstärkt auf ihre Position der Ablehnung der von Premierminister Abe angestrebten Verfassungsänderung zurück, so dass es im Moment nicht danach aussieht, als ob die für eine Annahme der Verfassung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments erreicht werden kann. Die Zusammenarbeit zwischen der LDP und der DPJ kam über dem Gesetz über die Volksabstimmung zum Erliegen und kommende Verhandlungen dürften sich schwierig gestalten. Hinzu kommt, dass die Neue Komei-Partei einer Verfassungsänderung an sich positiv gegenüber steht, eine Änderung von Artikel 9 (Verzicht auf Krieg) jedoch ablehnt. Aus diesem Grund erscheinen die Aussichten für eine Änderung der Verfassung noch relativ unklar.

Premierminister Abe: "Oberhauswahl ist eine gute Gelegenheit, um die Debatte über eine Verfassungsänderung voranzutreiben"

In Bezug auf die Verabschiedung des Gesetzes über die Volksabstimmung machte Premierminister Abe erneut seine Absicht deutlich, die Frage der Verfassungsänderung im Vorfeld der kommenden Oberhauswahl als zentrales Thema aufzugreifen. Er betonte: "Nun besteht für das in Artikel 96 der Verfassung festgelegte Änderungsverfahren ein rechtlicher Rahmen. Ich danke der Legislative dafür, dass sie ihrer Verantwortung nachgekommen ist. Das Gesetz wird in drei Jahren in Kraft treten. In dieser Zeit sollten wir dieses Thema angemessen diskutieren. Die LDP hat bereits einen Entwurf [für eine neue Verfassung] vorgelegt, und wir wollen die Diskussion über diesen Entwurf mit den Bürgern vorantreiben. Die Wahl zum Oberhaus bietet eine gute Gelegenheit, die Debatte fortzuführen."

Im Regierungslager meinte LDP-Generalsekretär Hidenao Nakagawa: "Der Prozess der Gestaltung der Verfassung durch die Bevölkerung wird nun in Gang gesetzt. Ich möchte diese Entwicklung gerne weiter vorantreiben. Anlässlich der Oberhauswahl im Sommer sollten alle Parteien und Kandidaten deutlich machen, ob sie für oder gegen eine neue Verfassung sind." Der Vorsitzende der Neuen Komei-Partei, Akihiro Ota, stellte fest: "Meiner Meinung nach lautet die grundsätzliche Frage, wie man eine zukunftsorientierte Nation gestaltet. In diesem Zusammenhang ist das Inkrafttreten des Gesetzes über die Volksabstimmung von großer Wichtigkeit. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir in drei Jahren einen Entwurf für eine gestärkte Verfassung vorlegen können." 

Alle Oppositionsparteien sprachen sich gegen das neue Gesetz aus. Der Generalsekretär der DPJ, Yukio Hatoyama, meinte: "Die DPJ hat sich aktiv an den Beratungen beteiligt, bis die LDP auf Weisung von Premierminister Abe entschied, dass eine weitere Zusammenarbeit überflüssig sei und man nun zur Abstimmung schreiten werde. Die LDP scheint bei Bestimmungen für das Gesetz Fehler gemacht zu haben." Der Vorsitzende der KPJ, Kazuo Shii, bemerkte: "Ich protestiere entschieden gegen die Rücksichtslosigkeit von LDP und Neuer Komei-Partei. Egal, welche Kunstgriffe sich die Revisionisten auch ausdenken, wenn die Mehrheit des Volkes Nein sagt, wird die Verfassung nicht angenommen. Der wahre Kampf steht noch bevor." Die SDP-Vorsitzende Mizuho Fukushima äußerte verärgert: "Dies ist pure Tyrannei der Mehrheit. Wir werden alles tun, um jedwede Revision im Parlament zu verhindern." Der Generalsekretär der NVP, Hisaoki Kamei, kommentierte: "Ich wünschte, die Debatte wäre gründlicher geführt worden, doch bedauerlicherweise entwickelten sich die Dinge im Sinne der Regierungsparteien."

In einem Interview mit der Yomiuri Shimbun (vom 15. Mai) äußerte der ehemalige Premierminister Yasuhiro Nakasone: "Der Verabschiedung des Gesetzes über das Referendum kommt sehr große Bedeutung zu, weil damit das erste Mal die Verfassung in die Hände des Volkes gelegt wird. [...] Die Zusage wurde nun offiziell besiegelt, so dass nun der Wille des Volkes umgesetzt werden kann. [...] Wenn man die Gründungsdokumente der LDP liest, beinhalten diese bereits die Schaffung einer unabhängigen Verfassung. Es hat fünfzig Jahre gedauert, zu diesem Grundsatz zurückzukehren. [...] Es wird keine Revision geben, solange diese nicht von zwei Dritteln des Parlaments gebilligt wird. Aus diesem Grunde wird es - womöglich nach drei Jahren - in einer bestimmten Phase der parlamentarischen Debatte zu Kompromissen kommen. Je nach Lage kann es auch eine große Koalition geben. Es ist auch eine völlige Neugestaltung der politischen Landschaft möglich. Man kann sagen, dass diese Debatte das Potential hat, sich zu einem wichtigen Faktor für den Wandel der politischen Landschaft in Japan zu entwickeln."      

Leitartikel der Tageszeitungen: Yomiuri, Nikkei und Sankei stimmen zu

Japans führende Tageszeitungen kommentierten das Inkrafttreten des Gesetzes über das Referendum am 15. Mai. Während die Yomiuri Shimbun, die Sankei Shimbun und die Nikkei die Bedeutung des Gesetzes hervorhoben, kritisierte die Asahi Shimbun, dass die LDP und die Neue Komei-Partei die Meinung der Oppositionsparteien übergangen haben. Die Leitartikel lauteten wie folgt:

Der Leitartikel der Yomiuri unter der Überschrift "Verfassungsänderung angepackt" bemerkte, dass mit der Verabschiedung des Gesetzes über das Referendum "nach über sechzig Jahren seit der Verabschiedung der Verfassung im Jahre 1946 nun endlich ein Fehler im System der Struktur der Verfassung korrigiert wurde. [...] Mit der Verabschiedung durch das Parlament sind die Bürger nun in die Lage versetzt worden, im Zusammenhang mit der Annahme der Verfassung ihr Recht auszuüben - das wichtigste Recht, das ein mündiger Bürger besitzt." Sie schrieb weiter: "Wir hoffen, dass die [DPJ-Abgeordneten] ihren sinnlosen Widerstand so schnell wie möglich aufgeben. [...] Jetzt, da die Änderungen erfolgen sollen, ist nämlich die Zeit gekommen, darüber zu beraten, welche Teile der Verfassung geändert und wie diese geändert werden sollten." Die Yomiuri fügte hinzu: "Für beide Parteien [die LDP und die Neue Komei-Partei] ist es wichtig, Artikel für Artikel ihre Änderungsvorschläge für die Verfassung aufzustellen und das Vorgehen für die Gestaltung ihrer Grundzüge festzulegen, was wiederum die Grundlage des Entwurfs für eine veränderte Verfassung bilden wird."

Unter der Überschrift "Gesetz über Referendum: Abe muss neue 'Selbstverteidigungsarmee' erläutern" schrieb die Asahi über die Verabschiedung des Gesetzes über den Volksentscheid: "Das Gesetz ist zwar in dem Versuch, einen allgemeinen Konsens zu finden, mit der größten Oppositionspartei, der Minshuto [DPJ], diskutiert worden, doch die regierende LDP und ihr Koalitionspartner, die Neue Komei-Partei, haben die Stimmen der Oppositionsparteien einfach übergangen." Sie fuhr kritisch fort: "Wir sind von der überstürzten Art und Weise, in der dieses äußerst wichtige Gesetz verabschiedet wurde, enttäuscht." Bezugnehmend auf eine 'Selbstverteidigungsarmee', die in dem LDP-Entwurf für eine neue Verfassung klar festgeschrieben ist, folgerte die Asahi: "Mit anderen Worten - die jetzigen Selbstverteidigungsstreitkräfte [Jiei-tai] werden durch eine Armee [Guntai] ersetzt. [...] Abe schuldet den Menschen in Japan eine deutliche Erklärung dafür, was es für unser Land bedeutet, über die vorgeschlagene 'Selbstverteidigungsarmee' zu verfügen und inwiefern sich diese von den jetzigen Selbstverteidigungsstreitkräften unterscheidet." Sie warnte: "Diese Fakten dürfen bei der Wahl im Juli nicht untergehen."

Der Leitartikel der Mainichi unter der Überschrift "Verfassungsdebatte sollte vertieft werden" betonte, dass das Inkrafttreten des Gesetzes über das Referendum bedeutet, dass "die Nachkriegspolitik an einem wichtigen Meilenstein angelangt ist", fügte jedoch hinzu: "Wir gehen nicht davon aus, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes nun unmittelbar zur Änderung der Verfassung führen wird." Sie stellte weiter fest: "Entscheidend ist eine besonnene Debatte, die die Menschen befähigt, eine Entscheidung zu treffen." Die Mainichi unterstrich: "In einem Moment, in dem noch vieles offen ist, kommt es darauf an, die öffentliche Meinung nicht in Befürworter und Gegner zu spalten, sondern einen gemeinsamen Konsens zu finden. In was für einem Land möchten wir leben? Und was wird dies für die Menschen bedeuten? Wir müssen eine sorgfältige Diskussion führen und die Menschen um eine Entscheidung bitten. Das ist die Verfassungsdebatte, die wir vorschlagen." 

Die Nikkei begrüßte die Verabschiedung des Gesetzes über das Referendum und schrieb: "Die endlich erfolgte Umsetzung des Rechts der mündigen Bürger auf Änderung der Verfassung - eine Angelegenheit, die sechzig Jahre liegen blieb - ist ein epochales Ereignis von größter Bedeutung." Sie fuhr fort: "Wir hoffen, dass die Parteien vor dem Hintergrund der öffentlichen Meinung eine ernsthafte Debatte über die Form einer Verfassung führen werden, die dem 21. Jahrhundert Rechnung trägt." Die Nikkei schloss: "Eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Ober- als auch im Unterhaus ist notwendig, um den Menschen im Land die Vorschläge für eine Verfassungsänderung vorlegen zu können. Um eine solche Zweidrittelmehrheit zu erreichen, wird es von nun an zweifelsohne Bemühungen in Richtung einer politischen Neugestaltung geben, z.B. eine große Koalition zwischen LDP und DPJ. Das Entstehen eines neuen Spannungsfelds in der Politik ist eine weiteres wichtiges Ergebnis des Gesetzes über den Volksentscheid."

Unter der Überschrift "Schaffung einer neuen Verfassung als politische Aufgabe" lobte die Sankei das Inkrafttreten des neuen Gesetzes und schrieb: "Die Gesetzeslücke, die seit sechzig Jahren, nämlich seit der Verabschiedung der Verfassung klaffte, und die praktisch jede Verfassungsänderung verhinderte, wurde nun geschlossen. Dies kann als Meilenstein bezeichnet werden, da die Schaffung einer neuen Verfassung nun eine konkrete politische Aufgabe darstellt." Sie fuhr fort: "Im Vorfeld der Durchführung eines Referendums gibt es noch zahlreiche Fragen zu lösen." Die Sankei unterstrich: "Die LDP hat bereits einen neuen Verfassungsentwurf erstellt, doch die Neue Komei-Partei und die DPJ haben noch nicht damit begonnen, eigene Vorschläge aufzustellen. [...] Sie können nun die parteiinterne Debatte nicht länger unter dem Vorwand der Drei-Jahres-Frist hinausschieben."

(Copyright 2007 Foreign Press Center Japan)

 

 

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