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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
06. 11. 2007
MSDF stellt Betankungsaktionen im Indischen Ozean ein
Das Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, welches die
rechtliche Grundlage für das Betanken von Schiffen anderer Länder im Indischen
Ozean bildet und das von den Japanischen Maritimen
Selbstverteidigungsstreitkräften (MSDF) seit Dezember 2001 ausgeführt wurde,
lief um Mitternacht in der Nacht vom 1. zum 2. November japanischer Zeit (1.
November 19:00 Uhr Ortszeit) aus. Verteidigungsminister Shigeru Ishiba gab aus
diesem Grund einen Rückzugsbefehl an das Versorgungsschiff Tokiwa und das
Begleitschiff Kirisame der MSDF aus, und beide Schiffe nahmen Kurs zurück nach
Japan. Die Betankungsaktionen, die als Beitrag Japans zum internationalen Kampf
gegen den Terrorismus fast sechs Jahre andauerten, wurden somit ohne eine
kurzfristige Aussicht auf Wiederaufnahme eingestellt.
Hinsichtlich des Rückzugs der MSDF-Schiffe gab Premierminister Yasuo Fukuda am 1. November eine Erklärung ab, in der er unterstrich, dass das Hauptaugenmerk der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Terrorismus darin läge, zu gewährleisten, "dass Afghanistan nicht noch einmal zu einem Nährboden des Terrorismus wird". Er fuhr fort: "Um eine verantwortungsvolle Rolle in den gemeinsamen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Ausrottung des Terrorismus zu spielen, ist es für Japan unabdingbar, die Betankungsaktionen fortzusetzen. Die Regierung Japans wird ihr Möglichstes tun, einschließlich aller Bemühungen zur Verbesserung der Transparenz der Betankungsaktionen, um ein frühzeitiges Inkraftsetzen des Gesetzes über Sondermaßnahmen zur logistischen Unterstützung zu erreichen, um somit die Betankungsaktionen so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, und zwar mit dem Verständnis und der Unterstützung des japanischen Volkes."
Operation "Enduring Freedom" und Betankungsaktionen
Das ausgelaufene Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung trat im Oktober 2001 mit dem Ziel in Kraft, der US-Offensive in Afghanistan, die im Oktober jenes Jahres begann, logistische Unterstützung zu gewähren. Diese von den USA geleitete Offensive wurde "Operation Enduring Freedom" (OEF) genannt. Die MSDF-Schiffe, die in den Indischen Ozean entsandt wurden, nahmen an Kontrolloperation auf hoher See (MIO) teil, die Bestandteil der OEF sind. Die MIO umfassen weit reichende Aufgaben, einschließlich der Betankung von Schiffen aus Ländern der "Koalition der Willigen", die am Krieg in Afghanistan beteiligt sind, und der Verhinderung des Zustroms von Waffen und Drogen, welche in die Hände der Terroristen fallen könnten, all das mit dem Ziel, die OEF von See aus zu unterstützen.
Ein Korrespondent der Yomiuri Shimbun an Bord der Tokiwa schickte einen Bericht, der am 2. November in der Zeitung erschien, und analysierte die Auswirkungen der Einstellung der Betankungsaktionen der MSDF auf die MIO als Ganzes. Der Bericht besagt: "Gegenwärtig gibt es angeblich vier Tankschiffe in der MIO, und zwar aus Japan, den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Aus diesem Grund haben leitende Offiziere der Tokiwa am 1. November ihre Bedenken über die Auswirkungen auf die MIO als Ganzes zum Ausdruck gebracht und gesagt, dass nach dem Rückzug der MSDF die Last auf die übrigen Länder übergehen würde." Es wurde außerdem gesagt: "Der Seebereich der MIO ist weit reichend, er umfasst mindestens 4 Millionen Quadratkilometer mit Zentrum im nördlichen Teil des Indischen Ozeans. Der Rückzug der Tokiwa wird sehr bedeutsam sein. [...] Die Kommandeure der MIO untersuchen nunmehr augenscheinlich die Organisation der Betankung nach dem Abzug der Tokiwa, aber das wird kein leichtes Unterfangen sein."
Am 1. November kommentierte US-Verteidigungsminister Robert Gates den Rückzug der MSDF-Schiffe aus dem Indischen Ozean auf einer Pressekonferenz und brachte seine Hoffnung auf eine frühzeitige Wiederaufnahme der Betankungsaktionen zum Ausdruck. Er sagte: "Es ist meine Hoffnung, dass relativ bald, innerhalb von Wochen oder - so hoffe ich - in wenigen Monaten, diese Unterstützung erneuert werden kann." Am 18. Oktober fand eine außerordentliche Zusammenkunft der Botschafter der zwölf Länder in Japan statt, die Kraftstofflieferungen erhalten haben, unter ihnen auch die Vereinigten Staaten, welche für alle Parlamentsabgeordneten Japans offen war. Dort wurde die Notwendigkeit der Fortsetzung der Betankungsaktionen betont. Mehr als 70 Abgeordnete sowohl der regierenden als auch der Oppositionsparteien nahmen an diesem Treffen teil.
Kommentare der Zeitungen zu den Betankungsaktionen sind geteilter Meinung
Von den fünf nationalen Tageszeitungen Japans brachten drei (Yomiuri, Asahi Shimbun und Sankei Shimbun) Leitartikel über die Einstellung der Betankungsaktionen. Diese Leitartikel brachten die unterschiedlichen Meinungen in den japanischen Medien zu den Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung zum Ausdruck.
Der Leitartikel der Yomiuri (vom 2. November) begann: "Die Haltung Japans und seine Entschlossenheit, den Terrorismus zu bekämpfen, werden auf die Probe gestellt; die Situation ist sowohl bedauerlich als auch ernst." Er setzt fort: "Die Regierung sollte keine Bemühungen unterlassen, um das Gesetz [das neue Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung] während der gegenwärtigen Sitzungsperiode des Parlaments zu verabschieden. Sie darf nicht nachgeben und muss gewillt sein, dem Unterhaus eine zweite entscheidende Abstimmung über das Gesetz zu gewähren, wenn es nach der anfänglichen Zustimmung durch das Unterhaus im von der Opposition kontrollierten Oberhaus abgelehnt wird. Wird die Inkraftsetzung des Gesetzes auf die nächste planmäßig Sitzungsperiode des Parlaments verschoben, wird sich die Wiederaufnahme der MSDF-Betankungsmissionen auf lange Zeit verzögern. Die Yomiuri beobachtete außerdem: "Seit der Entsendung von Minensuchbooten in den Persischen Golf im Jahre 1991 war Japan an vielen VN-Friedensmissionen beteiligt, und es hat eine Erfolgsgeschichte der Teilnahme an internationalen Bemühungen zur Erhaltung des Friedens zu verzeichnen. Wenn die Betankungsmission für einen längeren Zeitraum ausgesetzt wird, werden sicherlich dieser hohe Ruf Japans und das Vertrauen, das es sich in der internationalen Gemeinschaft über so viele Jahre erarbeitet hat, in Mitleidenschaft gezogen. Japans diplomatischer Einfluss und sein Wort in der Welt sind gefährdet, und das untergräbt die nationalen Interessen.
Der Leitartikel der Asahi (vom 1. November) kommentierte: "Einen Monat nach dem 11. September richtete sich die von den USA geführte Koalition gegen das Taliban-Regime in Afghanistan aus. [...] Die meisten Länder unterstützten die Aktion und beteiligten sich am Kampf. Die Betankungsoperation Japans war Teil dieser Anstrengungen. Deshalb haben wir in unseren Leitartikeln auch die Entsendung der MSDF unter der Bedingung anerkannt, dass sie nicht den Rahmen der Verfassung sprengen würde." Sie führt jedoch aus, dass seit dem Beginn des Krieges in Afghanistan und seit die Vereinigten Staaten Irak angegriffen haben, sich die Situation im Irak verschlechtert hat und der Verdacht aufgekommen ist, dass der von Japan gelieferte Kraftstoff für die Verwendung im Irak-Krieg zweckentfremdet wurde. Die Asahi fragte: [...] "Können wir ihn [den Irak-Krieg] wirklich einen ‚Krieg gegen den Terror' nennen, der die breite Unterstützung der internationalen Gesellschaft findet?" Aus Anlass der Einstellung der Betankungsaktionen forderte die Asahi außerdem ein Überdenken der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, die Japan ergreifen sollte. Sie merkte an: "Die Landstreitkräfte (GSDF), die nach Samawah im südlichen Irak entsendet wurden, haben es irgendwie geschafft, ohne Verluste nach Hause zu kommen. Die Luftstreitkräfte (ASDF) sind jedoch noch im Irak aktiv. Die ASDF müssen so schnell wie möglich zurückgezogen werden. Wenn dies geschehen ist, muss die Regierung deutlich machen, welche Rolle Japan im ‚Krieg gegen den Terrorismus' spielen soll. Wenn Japan den Wiederaufbau in Afghanistan unterstützen und Anstrengungen zur Verhinderung des Terrorismus unternehmen soll, was wäre dann der wirksamste Weg für Japan, dies zu erreichen?"
Der Leitartikel der Sankei (vom 2. November) forderte Premierminister Fukuda auf, Entschlossenheit zu zeigen. Er führte aus: "Die Demokratische Partei Japans ist gegen das neue Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, weil ‚die Betankungsaktionen den Krieg Amerikas unterstützen'. Aber von diesem Zusammenhang aus betrachtet würde die DPJ auch sagen, dass sie nichts über die Enttäuschung der Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft wüssten? Premierminister Fukuda gab eine Erklärung heraus, die besagt, dass der Kampf gegen den Terrorismus weiter geht, und in der seine Absicht zum Ausdruck kommt, sein Möglichstes zu tun, um das neue Gesetz so schnell wie möglich in Kraft zu setzen und die Betankungsaktionen wieder aufzunehmen. Die einzige Möglichkeit, diesen Willen des Kabinetts umzusetzen, wird es sein, die gegenwärtige Sitzungsperiode des Parlaments zu verlängern und sich nach Kräften zu bemühen, das neue Gesetz in Kraft zu setzen. So lange die DPJ ihre Haltung nicht ändert und das Gesetz im Oberhaus abgewiesen wird, wird es notwendig sein, im Unterhaus nochmals abzustimmen. Wir hoffen, dass der Premierminister begreift, dass die Zeit reif ist, Entschlossenheit zu zeigen, ohne durch Spekulationen sowohl in den regierenden als auch den Oppositionsparteien verwirrt zu werden, dass die Behandlung des neuen Gesetzes zu allgemeinen Wahlen führen könnte."
Parlamentsdebatte zum neuen Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und die politische Situation
Nach der Beendigung der Betankungsaktionen der MSDF kam der Konflikt zwischen den regierenden und den Oppositionsparteien über das neue Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung auf Hochtouren. Wie im Japan-Brief vom 22. Oktober 2007 unter der Überschrift "Aussichten für Parlamentsdebatte zum neuen Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung" erläutert wurde, legte die Regierung in Vorbereitung auf den Ablauf des befristeten Gesetzes über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung dem Parlament am 17. Oktober ein neues Gesetz über Sondermaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung als Ersatz für das alte Gesetz vor. Danach wurden von Premierminister Fukuda und dem DPJ-Vorsitzenden Ichiro Ozawa ein Treffen der Parteiführer an zwei Terminen einberaumt, am 30. Oktober und am 2. November, aber Ozawa wies die Bitte des Premierministers um Unterstützung für das neue Gesetz ab.
Am 3. November traf sich Premierminister Fukuda mit Chefkabinettsekretär Nobutaka Machimura und bekräftigte die Politik der Regierung, die gegenwärtige Sitzungsperiode des Parlaments, die planmäßig am 10. November zu Ende geht, beträchtlich zu verlängern und sich zu bemühen, das neue Gesetz in Kraft zu setzen. Die DPJ hat ihre Position, das neue Gesetz abzulehnen, in der Zwischenzeit nicht geändert. Wenn beide Seiten nicht zu einem Kompromiss gelangen, gilt es als sicher, dass das Gesetz im Unterhaus, wo die regierende Koalition über eine überwältigende Mehrheit verfügt, angenommen, danach aber im von der Opposition beherrschten Oberhaus abgelehnt wird. Wenn das geschieht, wird die Regierung das Gesetz nochmals dem Unterhaus für eine zweite Abstimmung vorlegen. Nach den Verfassungsbestimmungen wird das Gesetz dann in Kraft gesetzt, da die regierende Koalition der Liberaldemokratischen Partei und der Neuen Komeito über eine Mehrheit von über zwei Drittel im Unterhaus verfügt. Die Medien sind sich größtenteils einig, dass die Opposition dann einen Misstrauensantrag gegen Premierminister Fukuda im Oberhaus stellen wird.
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)