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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
27. 11. 2007
Erfolg bei der Entwicklung von iPS-Zellen stellt Wendepunkt in der regenerativen Medizin dar
Forschungsteams in Japan und den Vereinigten Staaten haben am 21. November unabhängig voneinander bekannt gegeben, dass sie erfolgreich iPS-Zellen (induced pluripotent stem) aus der menschlichen Haut gewonnen haben. Diese Zellen besitzen die Fähigkeit, sich in unterschiedliche Zellen von Körpergewebe zu entwickeln, einschließlich Herzgewebe und Neuronen.
Das japanische Forschungsteam unter Leitung von Professor Shinya Yamanaka vom Institut für Grenzmedizinische Wissenschaften an der Universität Kyoto veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in der Online-Ausgabe des US-amerikanischen Wissenschaftsjournals "Cell". Das US-amerikanische Team an der Universität von Wisconsin-Madison, in dem der Stammzellenpionier, Professor James Thomson, mitarbeitet, veröffentlichte seinen Erfolg in der Online-Ausgabe von "Science", einem weiteren Wissenschaftsjournal der USA. Die Forschungs- und Testergebnisse, die durch die beiden Teams fast so bekannt gegeben wurden, als ob diese miteinander im Wettbewerb stünden, riefen in Japan ein enormes Interesse als bahnbrechende Entwicklung in der regenerativen Medizin hervor, welche in medizinischen Kreisen ein Feld der Träume ist. Die fünf landesweiten Tageszeitungen räumten der Neuigkeit in ihren Morgenausgaben vom 21. November einen ins Auge springenden Platz auf der ersten Seite ein und brachten dann am 22. und 23. November Leitartikel, die die Bedeutung der Gewinnung von iPS-Zellen sowie die Probleme ihrer zukünftigen medizinischen Anwendung aus einer Vielzahl von Blickwinkeln analysierten.
Bahnbrechende Bedeutung der iPS-Zellen
Künstlich erzeugte pluripotente Stammzellen sind Zellen, die sich in alle Arten von Körpergewebe oder Organen entwickeln können, wie zum Beispiel Muskel- und Herzgewebe. Deshalb ist für die regenerative Medizin, die als innovativer medizinischer Bereich betrachtet wird, die Gewinnung von iPS-Zellen eine Kernvoraussetzung. Forscher aus der ganzen Welt waren angestrengt an der Forschung und an Experimenten beteiligt, die auf die Entwicklung einer solchen Zelle abzielten.
Als eine Methode der Gewinnung pluripotenter Stammzellen mittels körpereigener Zellen des Patienten hat sich die Forschung bisher auf embryonale Stammzellen konzentriert, die aus geklonten Embryos unter Verwendung unbefruchteter menschlicher Eizellen und Körperzellen entnommen wurden. Es wurde jedoch eine fortlaufende Debatte über das Für und Wider dieser Methode geführt, und zwar wegen der Schwierigkeiten, eine große Anzahl an menschlichen Eizellen zu sichern, und den damit verbundenen verschiedenen ethischen Problemen, wie zum Beispiel die Zerstörung befruchteter Eizellen, die den Keim menschlichen Lebens darstellen.
Insbesondere sind konservative Christen und einige andere religiöse Kreise vehement gegen die Gewinnung embryonaler Zellen. Aus diesem Grund wurde in den Vereinigten Staaten das Verhältnis zwischen der religiösen Ethik und der regenerativen Medizin zu einem politischen Hauptthema. Mit dem Argument, dass das menschliche Leben in den Händen des Schöpfers belassen werden sollte, stellte sich US-Präsident George W. Bush vehement gegen die Gewinnung embryonaler Stammzellen und verweigerte Fördermittel des Bundes für eine solche Forschung.
Hinsichtlich der Gewinnung embryonaler Stammzellen gibt es des Weiteren keine Beispiele für einen Erfolg beim Menschen. In den Jahren 2004-2005 veröffentlichten Professor Hwang Woo-suk von der Nationalen Universität von Seoul und andere eine Arbeit, in der sie über ihren Erfolg bei der Gewinnung embryonaler Zellen unter Verwendung menschlicher Körperzellen berichteten, später jedoch erwies sich die Arbeit als Erfindung. Dieser Zwischenfall bewirkte einige Aufregung, da er den erbitterten Konkurrenzkampf aufzeigte, der zwischen den Forschern bei der Entwicklung der pluripotenten Zelle herrschte.
Laut der Ankündigung des Teams der Universität Kyoto unter der Leitung von Professor Yamanaka (Stammzellenbiologie) konzentrierte sich die Forschung auf vier Gene, die eine wichtige Funktion in den embryonaler Stammzellen haben. Sie führten diese Gene mittels eines Virus in eine Hautzelle ein, die vom Kopf einer 30- bis 40-jährigen kaukasischen Frau entnommen wurde. Nach einer Kultivierung über ca. einen Monat entstand eine Zelle, die der einer menschlichen embryonaler Stammzelle gleichzusetzen ist. Professor Yamanaka gab der Hoffnung Ausdruck, dass, da pluripotente Zellen, die aus Hautzellen entstehen, über die gleichen genetischen Informationen verfügen wie der Patient, diese dazu gebracht werden können, zu verschiedenen Organen und Gewebezellen heranzuwachsen, und somit ein bedeutender Fortschritt in Richtung der Transplantationsbehandlung ohne jegliche Abstoßungsreaktionen erreicht wurde. "Die klinische Anwendung sollte in ein paar Jahren möglich sein", fügte er hinzu.
Zeitungen rühmen den Erfolg bei der Gewinnung von iPS-Zellen
Alle landesweiten Zeitungen hießen in ihren Leitartikeln die gute Nachricht auf dem Gebiet der regenerativen Medizin willkommen. In diesem Fall gab es keine Anzeichen gegensätzlicher Meinungen, die oftmals in den Leitartikeln der Zeitungen zu wichtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen zu verzeichnen sind. Das gemeinsame Thema in den Leitartikeln war diesmal das Lob für die Erfolge der japanischen und US-amerikanischen Forschungsteams bei der Gewinnung von iPS-Zellen und ihre Hoffnung, dass diese Ergebnisse zu einem bahnbrechenden Fortschritt in der regenerativen Medizin führen werden.
In ihrem Leitartikel schreibt die Yomiuri Shimbun (vom 22. November) zu Beginn: "Diese Forschungsergebnisse geben uns Anlass zur Hoffnung, dass die regenerative Medizin, die von Krankheiten geschädigtes Gewebe und Organe wieder herstellen kann, definitiv kein Traum ist." Sie fährt fort: "Mittels dieser Technik könnte es zum Beispiel möglich sein, iPS-Zellen aus der Haut eines Patienten mit Rückenmarkverletzungen zu gewinnen, diese zu Nervenzellen zu kultivieren und sie dann in den verletzten Teil zu injizieren, so dass verlorene Funktionen wiedererlangt werden können." Die Yomiuri kommentiert außerdem voller Stolz: "Die regenerative Medizin gilt als die ultimative Medizin, und die japanische Forschung hat große Möglichkeiten für ihre Verwirklichung eröffnet."
Mit hoher Wertschätzung der neuesten Forschungsergebnisse kommentiert die Sankei Shimbun in ihrem Leitartikel (vom 22. November): "Mit einem einzigen Schlag hat die iPS-Zelle das Eizellenproblem sowie die schwierigen Themen der Zerstörung von Embryos und der Abstoßung überwunden. Im letzten Jahr waren Professor Yamanaka und sein Team bei einem Experiment mit einer Maus erfolgreich, und die Forschung, die auf die Gewinnung von iPS-Zellen durch eine Neuprogrammierung menschlicher Zellen abzielte, machte in den Vereinigten Staaten und in Europa ebenfalls Fortschritte. In den Vereinigten Staaten war der ethische Aspekt embryonaler Stammzellen eine Barriere für die regenerative medizinische Forschung, aber die Gewinnung von iPS-Zellen kennzeichnet einen großen Schritt nach vorn. Präsident Bush hieß die Entwicklung ebenfalls willkommen. Die klinische Anwendung erfordert die Bestätigung der Sicherheit usw., aber die Tür wurde aufgestoßen. Es ist ein Wunder auf einer Stufe mit dem Auftreten von Dolly, dem geklonten Schaf."
Zusammen mit Worten des Lobes und der Begrüßung zeigten einige Leitartikel auch auf, dass es notwendig sein wird, auf die neuen Probleme zu reagieren, die aus der Gewinnung der iPS-Zellen entstehen könnten.
In ihrem Leitartikel (vom 22. November) führt die Mainichi Shimbun aus: "Die neuen pluripotenten Zellen, die dieses Mal angekündigt wurden, wurden durch Einführen von Genen von außen gewonnen. Krebsverwandte Gene wurden einbezogen, und auch in der Injektionsmethode selbst ist ein Risiko vorhanden, dass die Zelle krebsartig werden könnte. Darüber hinaus wurde bisher noch kein Verfahren zur Stabilisierung und Gewinnung von Zellen und Gewebe zur Behandlung von diesem Punkt aus begründet." Indem sie zur Vorsicht hinsichtlich ethischer Angelegenheiten aufruft, fährt sie fort: "Theoretisch können Eizellen und Spermien aus diesen Zellen entwickelt werden, somit könnte es sogar möglich sein, daraus ein menschliches Wesen zu erschaffen. Es ist eine gewisse Bremse für die Anwendung der Technik erforderlich."
Die Nikkei beobachtet in ihrem Leitartikel (vom 22. November) in ähnlicher Weise: "Ein Grundgesetz, das Prinzipien der Ethik des Lebens für den Umgang mit reproduktiven Zellen, befruchteten Eizellen und Embryos festlegt, die die Grundlage der Ethik des Lebens bilden, wird immer mehr erforderlich. Wir müssen die Torheit vermeiden, diesen Weg zu beschreiten und zu glauben, dass Forschung und Entwicklung jedes Mal Fortschritt bedeuten. Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben Gesetze über die Ethik des Lebens, und in den Vereinigten Staaten, wo es kein bundesweites Gesetz gibt, hat jeder Bundesstaat seine eigenen Vorschriften. Japan hat ein Gesetz, das die Transplantation geklonter Embryos verbietet, aber es gibt keine Grundprinzipien. Die Schaffung eines rechtlichen Systems ist erforderlich, um von den Forschungsergebnissen, die führend in der Welt sind, vollen Gebrauch machen zu können."
Schaffung eines Rahmens für die weitere Entwicklung der Forschung
Indem sie die Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Forschungsrahmens unterstrich, merkte die Asahi Shimbun in ihrem Leitartikel (vom 23. November) an: "Am gleichen Tag, an dem Yamanaka seine Erkenntnisse veröffentlichte, gab ein Forschungsteam der Universität von Wisconsin bekannt, dass es ähnliche Ergebnisse unter Verwendung von vier Genen in einer unterschiedlichen Kombination erzielt habe. Das Team verlegte das Veröffentlichungsdatum eines Magazins nach vorn, das diese Forschung zum Thema hatte. Dies lässt vermuten, dass die Forschungsanstrengungen angeheizt wurden." Sie bemerkt außerdem: "Um das Potenzial der regenerativen Medizin umzusetzen, ist es für die Forscher verschiedener Gebiete unabdingbar, sich zusammenzuschließen und eng zusammenzuarbeiten. Um dies zu ermöglichen, sollten die vertikal geteilten Strukturen der Universitäten und Forscher aufgebrochen werden."
Laut einem Bericht in der Yomiuri (vom 23. November) hat das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie als Antwort auf den Erfolg des Teams der Universität Kyoto bei der Gewinnung einer iPS-Zelle beschlossen, seine volle Unterstützung für die Erforschung der praktischen Anwendung der regenerativen Medizin, die sich auf die iPS-Zelle konzentriert, zu geben. Zu diesem Zweck, heißt es in dem Bericht, wird das Ministerium "in den kommenden fünf Jahren sieben Mrd. Yen investieren und u.a. den folgenden Punkten Vorrang geben, nämlich (1) der Entwicklung eines Verfahrens zur Massenkultivierung menschlicher iPS-Zellen, (2) der regenerativen medizinischen Forschung unter Verwendung von Affen und anderer Tiere sowie (3) die Einrichtung einer menschlichen iPS-Zellenbank für Forschungszwecke."
(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)