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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):


03. 04. 2008 

 

 

 

Verwirrung um Benzinsteuer überschattet Beginn des neuen Haushaltsjahres; politische Lähmung gilt als Ursache

 

Der 1. April ist in Japan ein wichtiges Datum, da dann in den meisten Einrichtungen, wie z. B. Unternehmen und Schulen, ein neues Jahr beginnt. Auch für die Regierung beginnt das Haushaltsjahr an diesem Tag, der damit sogar wichtiger ist als Neujahr. In diesem Jahr wurde der Beginn des neuen Haushaltsjahres jedoch durch die Verwirrung um die Benzinsteuer überschattet, die aus der politischen Pattsituation resultierte, welche die Arbeit des Parlaments lähmt.  

Der Kern des Problems lag darin, dass es der Regierung nicht gelang, das Gesetz über steuerliche Sondermaßnahmen über dessen Ablauf am 31. März hinaus zu verlängern, um den zeitweiligen zusätzlichen Steuersatz für Benzin beizubehalten, dessen Einnahmen ausschließlich in Straßenbauprogramme fließen. Da das Gesetz über Sondermaßnahmen ausgelaufen ist, wurde die zeitweilige zusätzliche Benzinsteuer abgeschafft und die Steuer wieder beim Basissatz belassen. Das Ergebnis war, dass der bislang geltende Benzinpreis an den Zapfsäulen von 153 Yen um 25 Yen pro Liter sank.      

Während dies eigentlich ein Glücksfall für die Verbraucher ist, möchte die Regierung in einem Monat den zeitweiligen zusätzlichen Satz wieder einführen, da seine Abschaffung zu einem Einnahmeverlust von 2,6 Billionen Yen im Jahr führt. Zur Verwirrung der Verbraucher und der Ölindustrie trägt außerdem die Tatsache bei, dass die Benzinsteuer auf die Lieferungen der Raffinerien und nicht an den Zapfsäulen erhoben wird. Das bedeutet, dass die Handelspreise an den Tankstellen unterschiedlich sind, je nachdem, ob die Belieferung vor oder nach dem 31. März erfolgte.

Die ungewöhnliche Situation entstand, als das von der Opposition kontrollierte Oberhaus des Parlaments es ablehnte, das Gesetz über Sondermaßnahmen zu billigen, das im Unterhaus, das von der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Neuen Komei-Partei kontrolliert wird, verabschiedet wurde. Die Oppositionsparteien, angeführt von der Demokratischen Partei Japans (DPJ), lehnen die Verlängerung des zeitweiligen zusätzlichen Steuersatzes für Benzin ab. Im Grunde genommen fordert die DPJ die Abschaffung des derzeitigen Systems für Einnahmen im Bereich Straßenbau aus der Benzinsteuer, die ausschließlich für diese Ausgaben zweckgebunden sind. Einschließlich des Anteils an der Benzinsteuer durch den zeitweiligen zusätzlichen Steuersatz belaufen sich die für den Straßenbau bestimmten Einnahmen auf 5,4 Billionen Yen pro Jahr.     

Dieses System wurde 1954 vom damaligen Premierminister Kakuei Tanaka eingeführt. Es war das Ergebnis seines politischen Talents, mit dem bis heute das riesige Straßenbauprogramm, das sich über das gesamte Land erstreckt, gestützt wird. Es begann zunächst mit der Benzinsteuer (später kamen die Steuern auf das Fahrzeuggewicht und den Fahrzeugerwerb dazu) als Finanzierungsquelle. Um noch mehr Geld aufzubringen, wurde schließlich 1974 ein Zuschlag als eine "zeitweilige zusätzliche" Steuer für zwei Jahre erhoben. Diese Steuer wurde allerdings für über 30 Jahre bis zum 31. März dieses Jahres beibehalten. Am 31. März setzte sich die Benzinsteuer aus 28,7 Yen als Basissteuersatz und 25,1 Yen als zeitweilige zusätzliche Steuer zusammen, was 53,8 Yen pro Liter ausmacht.   

So nützlich dieses System war, als Japan den Bau eines Autobahnnetzes und weiterer Straßenprojekte benötigte, ist das Straßenbauprogramm in den letzten Jahren als Inbegriff der sog. "Pork-Barrel-Politik", mit der streng geschützte Sonderinteressen und unnötige Ausgaben für öffentliche Bauarbeiten bezeichnet wird, in die Kritik geraten. Stattdessen wird nun zunehmend ein Überdenken der massiven Ausgaben für den Straßenbau und eine Neusetzung von Prioritäten zugunsten anderer dringenderer Bereiche gefordert, wie z. B. Gesundheitsversorgung, Pflege, Bildung, Maßnahmen angesichts der alternden Bevölkerung oder gegen die globale Erwärmung.  

Das System, die Einnahmen aus der Benzinsteuer ausschließlich und automatisch in den Straßenbau zu lenken, wird als Ursache für einen Mangel an Disziplin bei Ausgaben für den Straßenbau, frei von aller Haushaltskontrolle, angesehen. Die Erkenntnis führte den früheren Premierminister Junichiro Koizumi dazu, die Freigabe der für den Straßenbau gebundenen Mittel vorzuschlagen und diese als allgemeine Einnahmequelle zu verwenden. Der Vorschlag geriet aber bei seinem Rücktritt in Vergessenheit, ein Beweis für den erheblichen Einfluss der Vertreter der Straßenbau-Lobby bei den Abgeordneten und Kommunen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Opposition vehement gegen die Fortsetzung des zeitweiligen zusätzlichen Benzinsteuersatzes ausgesprochen, und zwar in der Hoffnung, das straßenbauspezifische Einnahmesystem zu kippen. Inmitten der Sackgasse, in die die Parlamentverhandlungen geraten sind, und bei Ablauf des Gesetzes über Sondermaßnahmen machte Premierminister Yasuo Fukuda die überraschende Ankündigung, dass er ab dem Haushaltsjahr 2009 das straßenbauspezifische Einnahmesystem abschaffen wird, was in seiner eigenen Partei wie eine Bombe einschlug. Er versprach zudem, das mittelfristige 10-Jahres-Straßenbauprogramm zu kürzen und nach fünf Jahren zu überprüfen. Dieses Programm sah Ausgaben von 59 Billionen Yen für den Straßenbau vor.

Fukuda ist jedoch unnachgiebig in Bezug auf die Wiederinkraftsetzung der zeitweiligen zusätzlichen Benzinsteuer und stützt sich dabei auf die Überlegenheit des Unterhauses gegenüber dem Oberhaus. Denn mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kann das Unterhaus eine Entscheidung des Oberhauses 60 Tage nach seiner ersten Abstimmung überstimmen (in diesem Fall galt das Nichtabstimmen des Oberhauses über den Gesetzentwurf als Ablehnung). Somit kann die zeitweilige zusätzliche Benzinsteuer frühestens am 29. April wieder in Kraft treten, obwohl die Reaktion der Öffentlichkeit auf die höheren Benzinpreise ungewiss ist.

Das ganze Chaos und die Unsicherheiten, die sich um die Benzinsteuer und die Zukunft des Straßenbauprogramms ranken, werden von den Wählern mit einem Gefühl des Misstrauens und der Abneigung gegenüber den politischen Parteien, sowohl der regierenden als auch der Oppositionsparteien, aufgenommen. Diese werden als in taktlosen, kurzsichtigen Konfrontationen befangen angesehen, während sie eine weiterführende, langfristige Perspektive verloren haben und das Land nur in Aufregung versetzen. Ein weiteres Opfer dieser politischen Pattsituation ist die Ernennung des Gouverneurs der Bank von Japan, so dass dieser Posten in einer noch nie da gewesenen Entwicklung vakant blieb.    

Kommentare der Medien (in alphabetischer Reihenfolge der wichtigsten Tageszeitungen, die in ihren Leitartikeln Kommentare zu dem Thema brachten).

[Nicht funktionierende Parteien: Öffentliches Misstrauen konzentriert sich sowohl auf die LDP als auch auf die DPJ] (Asahi Shimbun vom 1. April) "Idealerweise sollten das Unterhaus aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen werden, um die Wähler entscheiden zu lassen. Angesichts des Ausmaßes des Vertrauensverlusts der Öffentlichkeit gegenüber beiden Parteien erscheint es jedoch unfair, die Menschen zu einer Entscheidung zu zwingen. [...] Letztendlich bleibt der LDP und der DPJ wahrscheinlich keine andere Wahl, als ihre entsprechende politische Strategie offen zu legen, um die Politik weiter voran zu treiben."

[Wähler müssen die Politik antreiben: Premierminister darf Auflösung des Parlaments nicht ausschließen] (Mainichi Shimbun vom 1. April) "Die nächste Unterhauswahl wird sich zu einem umfassenden Wettbewerb um die Macht gestalten. Der Premierminister sollte nicht vor der Auflösung des Parlaments zurückschrecken, weder für die Partei noch für die Abgeordneten. Jetzt ist seine Entschlossenheit gefragt, um die nächsten Schritte in der Politik für das Land zu unternehmen." 

[Neuabstimmung und Versprechen, die Umstellung auf eine allgemeine Einnahmequelle vorzunehmen] (Nikkei vom 1. April) "Die Abschaffung des zeitweiligen zusätzlichen Benzinsteuersatzes, die eine Ermunterung zu höherem Benzinverbrauch darstellt, kann zu einem Zeitpunkt, da die Besorgnis über die globale Erwärmung wächst, international nicht unterstützt werden. Obwohl der Verbraucher dagegen protestieren wird, sollten die Regierung und die Regierungsparteien nicht zögern, über die Gesetzesvorlage neu abzustimmen, um den zeitweiligen zusätzlichen Satz wieder in Kraft zu setzen. Das Problem ist, dass, sollte das Gesetz durch eine Neuabstimmung ohne Änderung bestätigt werden, das straßenbauspezifische Einnahmensystem intakt bliebe. [...] Nur der Premierminister kann erreichen, dass der Weg für ein Rahmenwerk der allgemeinen Einnahmen geebnet wird, wobei er den Widerstand innerhalb der regierenden Parteien überwinden muss." 

[Chaotischer April: Vernunft in der Politik muss wiederhergestellt werden] (Sankei Shimbun vom 1. April) "Was die ungewöhnliche Situation verursacht hat, dass wesentliche Entscheidungen unmöglich gemacht wurden, ist, dass die Politik wegen der sinnlosen Konfrontation zwischen Regierung und Opposition in einem gespaltenen Parlament nicht länger funktioniert. Die Schuld für diese traurige Situation ist der DPJ unter der Führung von Ichiro Ozawa zuzuschreiben, einem Politiker ohne Philosophie, der nur darauf aus ist, eine politische Krise herbeizuführen." 

[Keine Verzögerung der zweiten Abstimmung über Straßenbausteuern] (Yomiuri Shimbun vom 1. April) "Um das tägliche Leben der Menschen und die finanzielle Situation der Kommunen zu stabilisieren, müssen die zeitweilige höhere Benzinsteuer und andere Straßenbausteuern wieder in Kraft gesetzt werden. [...] Die DPJ ist gut beraten, mit der Regierung zu verhandeln, um die Gesetzesvorlagen so abzuändern, dass die straßenbaubezogenen Steuern in für allgemeine Zwecke verwendbare Steuern umgewandelt werden, und über die Verwendung der Einnahmen aus diesen Steuern zu diskutieren."   

 
(Copyright 2008 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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