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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):


18. 09. 2008 

 

 

Japan stellt sich angesichts der Verschärfung der US-Finanzkrise auf eine turbulente Wirtschaftsprognose ein

 

Mit dem Untergang bzw. dem Aufkauf von Lehman Brothers und Merrill Lynch, zwei der bedeutendsten US-Unternehmen im Investmentsektor, durch einen Bankgiganten am 15. September haben Japans Behörden und Regulierungsbehörden hektische Versuche unternommen, um zu verhindern, dass die globale Kreditkrise das einheimische Finanzsystem beutelt, und somit den Einfluss der Pleite von Lehman auf japanische Institutionen und Investoren zu minimieren. Die japanische Tochter von Lehman Brothers, Lehman Brothers Japan, beantragte ein Sanierungsverfahren im Rahmen des Zivilsanierungsgesetzes. 

Mit wachsender Sorge beobachtet man, dass eine Rezession in den Vereinigten Staaten, die höchstwahrscheinlich durch die Finanzkrise noch verschlimmert wird, der japanischen Wirtschaft schaden könnte, von der man bereits annimmt, dass sie in eine Rezession geraten ist, da sie während ihrer jahrelangen Aufschwungsphase in beträchtlichem Maße von Exporten in Richtung US-Markt abhängig war. Zusammen mit der augenblicklichen Besorgnis über die Finanzkrise haben die eingetrübten Wirtschaftsaussichten die Börse von Tokyo in den freien Fall versetzt, wobei der Nikkei-Index am 16. September um mehr als 600 Punkte auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren und zwei Monaten fiel. (Nach der Nachricht über die Entscheidung der US-Notenbank Federal Reserve, 85 Mrd. US-Dollar zur Verfügung zu stellen, um das krisengeschüttelte Versicherungsunternehmen American International Group zu retten, erholte sich der Aktienmarkt am 17. September wieder, wodurch in gewissem Maße die Verluste des Vortages wieder wettgemacht wurden.)

Als Teil der international abgestimmten Bemühungen, eine Kontraktion der Kreditmärkte abzuwenden, hat die Bank of Japan am 16. und 17. September insgesamt 4,5 Billionen Yen in den kurzfristigen Geldmarkt gepumpt. Die japanische Finanzaufsichtsbehörde hat mittlerweile einen kurzen Überblick über die Abhängigkeit der japanischen Finanzinstitute von Geschäften mit Lehman Brothers und seiner japanischen Tochter gegeben. Es wird berichtet, dass bis zum 16. September die Kredite der wichtigsten japanischen Banken an die US-Investitionsbank 320 Milliarden Yen erreichten, von denen 140 Milliarden nicht durch Sicherheiten abgedeckt und somit uneinbringlich seien. Die Verbindlichkeiten von Lehman Brothers Japan beliefen sich auf insgesamt 3,4 Billionen Yen.

Als Demonstration der Wachsamkeit und der Bereitschaft, allen Eventualitäten zu trotzen, rief Premierminister Yasuo Fukuda die zuständigen Kabinettsmitglieder und den Präsidenten der Bank of Japan, Masaaki Shirakawa, am Morgen des 16. September zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Finanzminister Bunmei Ibuki meinte gegenüber der Presse: "Das japanische Finanzsystem ist sicher". Auch der Präsident der Bank of Japan, Shirakawa, betonte am 17. September, dass "Japans Finanzsystem nicht in Gefahr sei".

Zu einer Zeit, in der sich Japan als Folge der Entscheidung von Premierminister Fukuda, zurückzutreten, in einem politischen Vakuum befindet, werden die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf weite Bereiche der Wirtschaft sowohl im In- wie im Ausland voraussichtlich die politische Tagesordnung im Land beeinflussen. Im gegenwärtig vorherrschenden Szenario wird die Auflösung des Unterhauses kurz nach der Wahl des neuen Premierministers angenommen, wobei ein Gesetzentwurf über einen Ergänzungshaushalt für ein Konjunkturpaket der Regierung zur Stimulierung der Wirtschaft, das Ende August angekündigt wurde, später diskutiert wird. Wie die Mainichi Shimbun in ihrem Leitartikel vom 18. September formulierte, müssen möglicherweise ein solches Szenario und das Wirtschaftspaket selbst modifiziert werden.

Medien drängen Washington dazu, beherzte Schritte zu unternehmen

Die Kommentare der japanischen Medien riefen die Zeit der ernsten Finanzkrise ins Gedächtnis zurück, die Japan Ende der 90er Jahre erschütterte, wobei sie eine auffallende Ähnlichkeit mit den atemberaubenden Entwicklungen in der US-Finanzbranche feststellten. Beim finanziellen Zusammenbruch der Post-Bubble-Phase erlebte Japan 1997, dass eines der vier größten Wertpapierhäuser, Yamaichi Securities, plötzlich Pleite ging, und zwar kurz nach dem Zusammenbruch der Hokkaido Takushoku Bank, einer der wichtigen Banken. Als Folge dessen gingen zwei weitere größere Banken ebenfalls unter, und in der Banken- und Versicherungsbranche fanden viele Fusionen zur Rettung von Unternehmen sowie Konkurse statt.

Die landesweiten Tageszeitungen argumentierten, dass sich die Finanzkrise aufgrund des Versagens der Behörden so zugespitzt habe, die nicht schnell genug reagierten, um das Finanzsystem zu stützen. Die Verfasser der Leitartikel, denen die US-Regierung nun wie die zaudernde japanische Regierung vor zehn Jahren erscheint, drängten Washington dazu, sich zusammenzureißen und entschlossene Maßnahmen einzuleiten, um öffentliche Gelder fließen zu lassen, damit eine nach unten gerichtete Spirale der Kreditkrise verhindert werden kann. Während die staatliche Intervention bei der AIG durch die US-Notenbank dieses Argument in gewissem Maße rechtfertigt, erwies es sich als weit entfernt davon, die Befürchtungen zu beruhigen, die die US-Finanzbranche erfasst haben, wie der Börsensturz an der New Yorker Börse am 17. September veranschaulichte. (Alle Leitartikel erschienen am 17. September; in alphabetischer Reihenfolge.) 

"Zuerst muss die Kettenreaktion gestoppt werden" (Asahi Shimbun)
"Obwohl die Erfahrungen (in Japan) nicht eins zu eins auf die Ereignisse in den Vereinigten Staaten angewendet werden können, zeigen sie doch deutlich, dass äußerste Vorsicht notwendig ist, um zu verhindern, dass sich die negativen Auswirkungen des Versagens von Broker-Firmen auf den ganzen Bankensektor ausbreiten. An diesem Punkt war es befremdlich zu hören, dass der US-Finanzminister Henry Paulson erklärte, dass er niemals eine öffentliche Intervention für Lehman in Betracht gezogen habe. [...] Washington ist verpflichtet, sich Monate im Voraus auf einen solchen Schritt vorzubereiten." 

"Die USA sind aufgefordert, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um eine Kettenreaktion zu verhindern" (Mainichi Shimbun)
"Es war zum Teil entschuldbar, dass die US-Regierung (die Fannie Mae und Freddie Mac durch Bailout übernahm) Lehman Brothers keine helfende Hand reichte." "Wenn es jedoch in Zukunft eine Kette von Zusammenbrüchen geben oder sich auf den Märkten die Furcht vor einer Panik ausbreiten sollte, dann reicht es nicht, einfach das Prinzip der Eigenverantwortung zu betonen. Während der sich vertiefenden Krise bei den notleidenden Krediten in Japan forderte die US-Regierung Japan damals auf, alle möglichen Maßnahmen zu mobilisieren, um eine Finanzkrise zu verhindern, die von Japan ausgegangen wäre. Das ist genau das, was gegenwärtig die Vereinigten Staaten anstreben müssen."  

"Auf der Suche nach dem entscheidenden Schritt zur Verhinderung einer 'von den USA ausgehenden Finanzkrise'" (Nikkei)
"Die Wurzel des Problems liegt im Zögern der US-Behörden, positive Schritte zu unternehmen, bevor die Krise da ist. [...] Die Ablehnung von staatlichen Interventionen kann dieses Mal dahingehend funktionieren, dass die Finanzinstitute ihr leichtfertiges Denken, dass ‚letztendlich die Rettung durch die Regierung kommen wird', aufgeben müssen, aber es scheint, dass die Grenzen erreicht sind, bis zu denen dieses Problem dem privaten Sektor überlassen werden kann. Man sollte ein System, in dem die Regierung eine Rolle im Vordergrund spielt, wie z. B. durch die Schaffung einer Organisation zum Aufkauf notleidender Kredite, in Betracht ziehen, anstatt die Lösung des Problems zu vertagen."  

"Die USA müssen die Kettenreaktion unterbrechen: Politische Entscheidungen über die Verwendung öffentlicher Mittel sind notwendig" (Sankei Shimbun)
"Im Hintergrund der Finanzkrise wirken die sinkenden Preise für Immobilien, was die Ursache des Subprime-Problems ist." "(Angesichts dessen, dass kein Ende der sinkenden Preise in Sicht ist,) kann Finanzminister Paulson noch so oft betonen, dass ‚die amerikanischen Finanzinstitute sicher und gesund sind', die Finanzinstitute und Investoren in der ganzen Welt werden ihm dies nicht glauben. In Wirklichkeit macht sich Zweifel breit. [...] Eine grundlegende Maßnahme zur Sicherung des Marktes ist es, die Kapitalgrundlage der Finanzinstitute aufzustocken. Wir rufen die US-Regierung auf, eine kühne politische Entscheidung zu treffen, um ihnen öffentliche Gelder zufließen zu lassen." 

"USA in auswegloser Lage beim Lehman-Zusammenbruch" (Yomiuri Shimbun)
"Hatte die US-Regierung keine andere Wahl? Einige Beobachter haben vorgeschlagen, dass die Regierung nicht hätte zögern sollen, öffentliche Gelder einzusetzen. Aus dem Fall Lehman Brothers müssen Lehren dahingehend gezogen werden, welche Politik zu verfolgen ist, um ähnliche Fälle in Zukunft zu handhaben. [...] Der Lehman-Schock kann nicht als ‚Feuer auf der anderen Seite des Ufers' abgetan werden. Eher ist dies ein 'Tsunami' der stärksten Kategorie. Die Politik muss nun sorgfältig handeln, um zu verhindern, dass die nachlassende japanische Wirtschaft sich weiter verschlechtert."

(Copyright 2008 Foreign Press Center / Japan)

 

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