Home > Presse & Publikationen > Japan Brief

Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
09. 10. 2008
Vier japanische Wissenschaftler erhalten Nobelpreis
Am 7. Oktober gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt, dass die Nobelpreise für Physik 2008 an drei Wissenschaftler verliehen werden: Yoichiro Nambu (87), emeritierter Professor an der University of Chicago, Makoto Kobayashi (64), ein emeritierter Professor von der High Energy Accelerator Research Organization mit Sitz in Tsukuba, Präfektur Ibaraki, und Toshihide Masukawa (68), Professor an der Kyoto Sangyo University. Am darauf folgenden Tag, dem 8. Oktober, gab die Akademie des Weiteren bekannt, dass der Nobelpreis für Chemie 2008 an Osamu Shimomura (80), einem emeritierten Professor an der Boston University, sowie an zwei weitere amerikanische Forscher vergeben wird. Das bedeutet, dass vier Japanern (Nambu ist eingebürgerter US-Bürger, wurde aber in Japan geboren und wuchs dort auf) in diesem Jahr der Nobelpreis verliehen wird und dass Japaner sowohl im Bereich Physik als auch Chemie geehrt werden, wie dies bereits im Jahr 2002 der Fall war. Inmitten der düsteren Überschriften, die vom Einbruch der Aktienkurse und einer Folge von abscheulichen Verbrechen dominiert werden, begrüßte das japanische Volk die Errungenschaften dieser vier Wissenschaftler als seit langem die ersten guten Nachrichten.
Nunmehr insgesamt 16 japanische Nobelpreisträger
Die mit dem Nobelpreis für Physik bedachten drei Wissenschaftler wurden dafür geehrt, dass sie führende Theorien in der Forschung zu Elementarteilchen, die der Materie Form geben, vorgeschlagen haben und damit die Grundlagen der modernen Teilchenphysik legten. Nambu erhielt den Preis "für die Entdeckung des Mechanismus der spontan gebrochenen Symmetrie in der subatomaren Physik", und Kobayashi und Masukawa erhielten den Preis "für die Entdeckung des Ursprungs der gebrochenen Symmetrie, die die Existenz von mindestens drei Familien [sechs Arten] von Quarks in der Natur vorhersagt". Es ist das erste Mal, dass zwei Japaner für gemeinsame Forschungen den Nobelpreis erhalten.
Seit Dr. Hideki Yukawa 1949 als erster Japaner den Nobelpreis erhielt, nahm die japanische Teilchenforschung einen führenden Platz in der Welt ein, aber die gleichzeitige Vergabe des Preises an drei japanische Wissenschaftler in diesem Jahr schlägt ein weiteres Kapitel in der Geschichte auf. Nach Yukawa, Shinichiro Tomonaga (1965), Reona Esaki (1973) und Masatoshi Koshiba (2002) erhöht sich die Anzahl der Japaner, denen der Nobelpreis in Physik verliehen wurde, auf nunmehr sieben.
Shimomura erhält gemeinsam mit zwei amerikanischen Forschern den Nobelpreis für Chemie für seine Entdeckung des grün-fluoreszierenden Proteins (GFP) in einer im Meer leuchtenden Quallenart, die Aequorea victoria genannt wird und ebenfalls als Kristallqualle bekannt ist. In der heutigen Medizin spielt GFP eine wesentliche Rolle bei der Erforschung der Entwicklung von Nervenzellen im Gehirn und der Ausbreitung von Krebszellen; es wird als revolutionierend für die moderne Wissenschaftsforschung angesehen. Shimomura ist der fünfte Japaner, der nach dem verstorbenen Kenichi Fukui (1981), nach Hideki Shirakawa (2000), Ryoji Noyori (2001) und Koichi Tanaka (2002) den Nobelpreis für Chemie erhält.
Demzufolge gibt es nunmehr im Bereich der Naturwissenschaften 12 japanische Nobelpreisträger; die Gesamtanzahl beträgt 16. Die weiteren Preisträger sind der früherer Premierminister Eisaku Sato (1974, Friedensnobelpreis), Yasunari Kawabata (1968, Literatur), Kenzaburo Oe (1994, Literatur) und Susumu Tonegawa (1987, Physiologie und Medizin).
In ihrem Basisplan für Wissenschaft und Technologie hat die japanische Regierung als zahlenmäßiges Ziel festgelegt, dass in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Anzahl von Nobelpreisträgern im Bereich Naturwissenschaften auf 30 steigen soll. In einem Kommentar zu den Preisen sagte der Minister für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, Ryu Shionoya: "Das hohe Niveau der japanischen Forschung wurde sowohl national als auch international deutlich. Ich hoffe, dass gemeinsam mit der Förderung der Wissenschaften von nun an die Wirkung der Verleihung der Nobelpreise in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Bereiche einschließlich der Bildung genutzt werden kann, wo eine Abkehr von den Wissenschaften festzustellen ist."
Jubel der Zeitungen über die Preisverleihung
Alle führenden Tageszeitungen Japans brachten Leitartikel über die Vergabe der Preise für Physik in ihren Ausgaben vom 8. Oktober und berichteten auch über die Preisverleihung an Shimomura im Bereich Chemie in ihren Ausgaben vom 9. Oktober.
Unter Bezugnahme auf die Vergabe des Nobelpreises für Physik beschrieb die Asahi Shimbun Japans Tradition der theoretischen Physik, wie sie durch Yukawa und Tomonaga symbolisiert wird, als "'Papier-und-Bleistift'-Wissenschaft” und meinte, dass "Nambu, Kobayashi und Masukawa ihre ‚Erben' genannt werden können." "Wir freuen uns über die Tatsache, dass die drei diesjährigen Nobelpreisträger für Physik aus dem grundlegendsten Bereich der Wissenschaft stammen", führte die Asahi aus und schlussfolgerte: "Eine große Perspektive und Geduld sind für Wissenschaftler unabdingbar. Dies ist die Botschaft, die laut und deutlich aus dem Erfolg der drei diesjährigen Nobelpreisträger für Physik zu vernehmen ist." Die Yomiuri Shimbun kommentierte in ähnlicher Weise, dass die japanische Teilchenforschung "die geistigen Traditionen" genutzt habe, die von den drei Nobelpreisträgern Yukawa, Tomonaga und Koshiba weitergegeben wurden. Sie brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass sich die Jugend von der Physik und anderen wissenschaftlichen und technischen Themen in den letzten Jahren fern gehalten habe, und drängte, dass "die Regierung und Universitäten eine Reform des Systems zur Heranbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren in Angriff nehmen sollten."
Die Mainichi Shimbun meinte: "Die Preisverleihung hat nicht nur die fundamentale Stärke der japanischen Grundlagenwissenschaften neu bestätigt, sondern auch die wissenschaftliche Vorstellungskraft bei Kindern angeregt, da die Forschung Hinweise auf die Entstehung des Universums lieferte." Andererseits brachte die Mainichi auch ihre Bedenken zum Ausdruck, dass in einer Zeit, in der Grundlagenforschung betont wird, die nicht an sofortige Ergebnisse gebunden ist, Japans Politik im Bereich Wissenschaft und Technik sich auf den wirtschaftlichem Nutzen konzentriert. Die Sankei Shimbun kommentierte: "Da es tatsächlich ‚Papier-und-Bleistift'-Forschung war, die einen Eckpfeiler der Standardtheorie aufbaute, die den Rahmen für die moderne Teilchenphysik bildet, ist deren Kreativität wahrlich ehrfurchtgebietend." Die Sankei drängte: "Wir hoffen, dass junge Forscher auf dem Gebiet der Naturwissenschaften durch diese Errungenschaften ermutigt werden und sich in Zukunft mehr der ursprünglichen Forschung widmen." Die Nikkei meinte: "Japan demonstrierte seine Stärke auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Die Teilchentheorie wird nunmehr mit der Kosmologie verbunden, und seine Gesamtstärke wird dadurch in Frage gestellt. Wir hoffen, dass, inspiriert durch diese Preise, die Wissenschaftler ihre Forschungen weiter vorantreiben und Ergebnisse erzielen werden, die einen Beitrag für die ganze Welt leisten."
Hinsichtlich des Nobelpreises für Chemie meinte die Asahi mit dem Hinweis, dass es jugendliche Kreativität war, die zum Nobelpreis führte: "Was muss Japan tun, um fachkundige junge Forscher auszubilden und ein Umfeld zu gestalten, in der sie ihre Fähigkeiten voll unter Beweis stellen können? Wie viel ist das Land gewillt, für die Finanzierung von bahnbrechender Forschung auszugeben, die ein unbegrenztes Potential aufweist? Diese Faktoren werden die Zukunft von Japans Position in der wissenschaftlichen Forschung bestimmen." Die Nikkei beobachtete in ähnlicher Weise, dass "die Preisträger die Ergebnisse in ihrer Jugendzeit erzielten" und fügte hinzu: "Dies lehrt uns, wie wichtig es ist, eine Umgebung zu schaffen, in der junge Forscher überschäumend von Neugier und Leidenschaft sich in einer nicht einengenden Atmosphäre der Forschung widmen können. Die wissenschaftliche und technische Stärke entwickelt sich proportional zur Tiefe der in der Forschung tätigen Bevölkerung. Anstatt sich einfach im Ruhm der Nobelpreisverleihung zu sonnen, ist es wichtig, Anstrengungen zur Förderung junger Forscher zu bündeln." Die Yomiuri führte aus, dass sowohl Shimomura als auch Nambu "ausgewanderte, hochqualifizierte Forscher sind, die Japan verließen, als sie noch jung waren, an der Seite von Amerikanern arbeiteten und großartige Erfolge erreichten." Sie ermutigte junge japanische Forscher, "von diesen Senioren zu lernen, die ihre Flügel in Übersee ausbreiteten".
Die Mainichi beschrieb die intellektuelle Neugier und den Enthusiasmus Shimomuras für die Forschung als außerordentlich, von dem es heißt, dass er mehrere Hunderttausende Quallen gefangen hätte, und bemerkte, dass "diese Grundlagenforschung mit der Gentechnik verbunden und in Anwendungen weiterentwickelt wurde." Sie führte weiter aus: "Möglicherweise wurde die Preisvergabe [an Shimomura] durch die Tatsache unterstützt, dass es seit kurzem eine Tendenz bei der Nobelpreisvergabe gibt, dem Gebiet der Anwendung Aufmerksamkeit zu schenken." Die Sankei verwies in ähnlicher Weise auf Shimomuras "außerordentliche Beharrlichkeit" bei der Fortsetzung seiner Sammlung von Quallen über mehr als 15 Jahre und bei der Feststellung eines Mechanismus der leuchtenden Substanzen, der anders ist, als das, was bis dahin bekannt war. Um die Entwicklung von nun an voranzutreiben "ist es für Japan wichtig, dass sich die gesamte Nation für Wissenschaft interessiert", meinte sie. Wir hoffen, dass Shimomuras Nobelpreis, das Ergebnis seiner unermüdlichen Forschung, dafür einen Impuls gibt."
(Copyright 2008 Foreign Press Center / Japan)