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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
06. 11. 2008
Sieg Obamas bei den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten und Kommentare in Japan
Am Abend des 4. Novembers (am Morgen des 5. Novembers japanischer Zeit) stand Barack Obama (47) von der Demokratischen Partei als Sieger der US-Präsidentschaftswahlen fest, nachdem die Auszählung der Stimmen im gesamten Land ergab, dass er den Sieg über den Kandidaten der Republikanischen Partei, Senator John McCain (72) errungen hatte. Bei den gleichzeitigen Wahlen für die beiden Häuser des Kongresses verteidigte die Demokratische Partei sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat ebenfalls ihre Mehrheit. In seiner Siegesrede in Chicago, Illinois, erklärte der zum Präsidenten gewählte Obama in den frühen Morgenstunden des 5. November (am Nachmittag des gleichen Tages japanischer Zeit): "Der Wandel in Amerika hat begonnen." Obama wird als 44. Präsident der Vereinigten Staaten in einer Zeremonie zur Amtseinführung am 20. Januar 2009 in Washington, DC vereidigt werden. Seine Amtszeit dauert vier Jahre und läuft bis zum Januar 2013. Senator Joe Biden (65), Demokratische Partei, wird das Amt des Vizepräsidenten übernehmen. Damit zieht die Demokratische Partei nach acht Jahren - seit der Regierung des damaligen Präsidenten Bill Clinton (1993 - 2001) - wieder ins Weiße Haus ein.
In einer am 5. November veröffentlichten Erklärung meinte Premierminister Taro Aso: "Sowohl Japan als auch die USA teilen gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie, Achtung der grundlegenden Menschenrechte und die Förderung der Marktwirtschaft. Das Bündnis zwischen Japan und den USA ist der Dreh- und Angelpunkt der japanischen Außenpolitik und Grundpfeiler für Frieden und Stabilität im asiatisch-pazifischen Raum. In der Zusammenarbeit mit dem designierten Präsidenten Obama werde ich danach streben, das Bündnis zwischen Japan und den USA weiter zu stärken und die unterschiedlichen Herausforderungen zu meistern, die vor der internationalen Gemeinschaft stehen, wenn wir Probleme wie die internationale Wirtschaft, Terrorismus oder Umwelt angehen."
Kommentare in den Leitartikeln der Zeitungen zu Obamas Sieg
Das große Interesse Japans am Triumph Obamas spiegelte sich in der Tatsache wider, dass sich alle großen Tageszeitungen in ihren Leitartikeln vom 6. November auf dieses Thema konzentrierten.
Unter der Überschrift "Ein Regierungschef für unsere Zeiten: Nicht nur die Amerikaner suchen nach einer Erneuerung", erklärte die Asahi Shimbun: "Obama hat es geschafft, einen überwältigenden Sieg zu erringen, indem er alle rassistischen Vorurteile überwunden hat." Die Zeitung beschreibt seinen Triumph als einen "dramatischen Wandel der Denkweise, der den Hauch einer Revolution verkörpert" und stellt fest, dass die Wähler unzufrieden mit der Regierung von Präsident George W. Bush waren sowie dass die Vereinigten Staaten gegenwärtig unter einem militärischen sowie auch wirtschaftlichen Prestigeverlust leiden. Des Weiteren führte die Asahi an: "Die Ära der globalen Dominanz eines starken Amerikas ist sowohl im militärischen als auch im wirtschaftlichen Bereich zu Ende gegangen." Sie fährt fort: "Obama hat auf die Forderungen der Zeit reagiert, indem er die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit betonte und seine Bereitschaft zum Ausdruck brachte, selbst mit den Ländern, die den Vereinigten Staaten feindlich gesinnt sind, das Gespräch zu suchen. Der internationalen Zusammenarbeit unter der Führung der Vereinigten Staaten kommt ebenfalls entscheidende Bedeutung zu, um die Probleme anzupacken, die von der globalen Erwärmung bis zur Weitergabe von Nuklearwaffen reichen."
Die Mainichi Shimbun kommentierte in ihrem Leitartikel unter der Überschrift "Obamas Sieg weckt Hoffnungen auf einen Wandel in Amerika", dass anscheinend die Ära des Präsidenten George W. Bush (Unilateralismus), die Ära des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan (Neokonservatismus) und das sogenannte US-Jahrhundert (das durch die Universalisierung der Gesellschaft nach der Art Amerikas gekennzeichnet ist) zu Ende gehen. Sie führte zudem an, dass die Ernennung eines schwarzen Präsidenten "eine Überraschung ist, die sogar einer kulturellen Revolution gleichkommt". Die Mainichi schlug des Weiteren vor, dass es eine "gute Gelegenheit für Japan wäre, gemeinsam mit der neuen Regierung Obama neue Beziehungen zwischen Japan und den USA zu gestalten". Sie warnte außerdem: "Wenn sich die Wirtschaftskrise weiter zuspitzt und die Arbeitslosenzahl steigt, besteht die Gefahr, dass sich die Vereinigten Staaten nach innen orientieren und zum Protektionismus tendieren. Wir hoffen, dass Obama dieser Versuchung widerstehen wird und Anstrengungen unternimmt, Amerika weiterhin offen zu gestalten."
Die Yomiuri Shimbun bemerkte in ihrem Leitartikel unter der Überschrift "Obama hat Geschichte geschrieben; die harte Arbeit aber beginnt erst jetzt", dass "die dringendste Aufgabe darin besteht, die von den USA ausgelösten Turbulenzen auf den Finanzmärkten vor einer weiteren Eskalation zu bewahren" und dass es in Bezug auf den internationalen Handel "Bedenken gibt, dass die Vereinigten Staaten zu einer protektionistischen Politik übergehen könnten". Zu den Beziehungen zwischen Japan und den USA führte sie aus: "Was Japan angeht, muss es aus dem Wechsel der US-Regierung Nutzen ziehen, um die Beziehungen des Landes mit den Vereinigten Staaten neu einzustellen, und zwar hinsichtlich einer Stärkung des Bündnisses zwischen den beiden Ländern." Die Yomiuri betonte außerdem: "Es ist für Premierminister Taro Aso enorm wichtig, so bald wie möglich Gespräche mit Obama zu führen, um die Bedeutung der Verbindungen der Zusammenarbeit zwischen Japan und den USA zu bekräftigen."
Unter der Überschrift "Obamas erdrutschartiger Sieg; Vertrauen und Führung müssen wiederhergestellt werden" kommentiert die Sankei Shimbun in ihrem Leitartikel: "Die Wahlergebnisse sind das Urteil des amerikanischen Volkes über die zwei Wahlperioden der Bush-Regierung." Zur kommenden Regierung meinte sie: "Für die Vereinigten Staaten ist es in unmittelbarer Zukunft die größte und dringendste Aufgabe, das Feuer der Finanzkrise zu löschen, das in Amerika seinen Anfang nahm und sich in der ganzen Welt ausbreitet." Die Sankei forderte die neue Regierung außerdem auf, "nicht der Versuchung des Protektionismus zu erliegen". Hinsichtlich der Außenpolitik betonte die Sankei die Notwendigkeit für die Vereinigten Staaten, internationale Probleme durch internationale Zusammenarbeit und nicht einseitig anzugehen und fügte hinzu: "Es ist für Japan von wesentlicher Bedeutung, in den Prozess der Gestaltung der Außenpolitik der neuen US-Regierung in Bezug auf Asien aktiv einbezogen zu werden und sicher zu gehen, dass diese Politik die Ansichten Japans widerspiegelt."
Die Nikkei nannte in ihrem Leitartikel unter der Überschrift "Präsident Obama muss eine historische Wirtschaftskrise bewältigen" Obamas Sieg "historisch", lenkte dann aber die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftlichen Aspekte und meinte, dass "die Überwindung der Finanzkrise und der Wiederaufbau der Wirtschaft für die Regierung Obama oberste Priorität haben müssen". "Der Maßstab für die Einschätzung der neuen Regierung", führte sie weiter aus, "wird höchstwahrscheinlich der Punkt sein, ob es ihr gelingt, wirksame Maßnahmen auszuarbeiten, um aus der Rezession heraus zu gelangen". Die Nikkei fügte hinzu: "Für die Welt und für Japan ist es wichtig, dass Amerika ein Wirtschaftssystem beibehält, das nach außen hin offen ist." Sie führte außerdem an: "Der Präsident muss Entschlossenheit und aktives Handeln an den Tag legen, damit der Kongress nicht mit protektionistischer Gesetzgebung vorauseilt." Des Weiteren drängte die Nikkei: "Japan darf sich nicht tatenlos zurücklehnen und zusehen, wie die neue Regierung ihre Außenwirtschaftspolitik entwickelt. Unter Anderem sollte Japan die Umsetzung eines Freihandelsabkommens zwischen Japan und den USA unterstützen, das die wirtschaftliche Öffnung fördern und Hindernisse für die wirtschaftliche Tätigkeit abbauen würde, sowie Vorschläge zur Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt unterbreiten."
(Copyright 2008 Foreign Press Center)