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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
20. 01. 2009
Lohnverhandlungen beginnen inmitten einer sich verschlechternden Wirtschaft
Nach Veröffentlichung immer weiterer Kennziffern steht fest, dass sich der Zustand der japanischen Wirtschaft weiter verschlechtert. Die Regierung verkündete am 10. Januar, dass die im Diffusionsindex der Wirtschaft für November zusammengefassten Kennziffern im Vergleich zum Vormonat gefallen sind, wobei es sich um den zweitgrößten Rückgang, der jemals verzeichnet wurde, sowie um den vierten monatlichen Rückgang in Folge handelte. Dem folgte ein Bericht über einen im November erfolgten Einbruch der Aufträge im Maschinenbau auf den tiefsten Stand seit 21 Jahren - eine Schlüsselkennziffer für die Höhe der Kapitalinvestitionen in den kommenden Monaten.
Der Diffusionsindex, bei dem es sich um die umfangreichste Kennziffer über den aktuellen und künftigen Zustand der Wirtschaft handelt, umfasst eine Reihe von elf Kennziffern, die den gegenwärtigen Stand der Wirtschaft anzeigen. Im November fielen sie um 2,8 Punkte auf 94,9 (2005= 100), da jede Kennziffer in Produktion, Konsum und Beschäftigung gefallen war. Bei den führenden Kennziffern, die den Stand der Geschäftstätigkeit für mehrere Monate im Voraus vorhersagen sollen, fehlten ebenfalls ermutigende Anzeichen, wobei sie im November im Vergleich zum Vormonat um 3,7 Punkte auf 81,5 zurückgingen, der niedrigste Stand seit zehn Jahren.
Diese Trends werden die Regierung wahrscheinlich dazu führen, ihre Bewertung im Hinblick auf den Zustand der Wirtschaft in ihrem Monatsbericht Januar weiter nach unten zu korrigieren, da der Rückgang bei Produktion, Export und Konsum deutlich ist. Es wird für die Regierung der vierte Monat in Folge sein, in der sie die Bewertung heruntersetzen muss. Im Dezemberbericht beschrieb die Regierung die Lage als "sich verschlechternd". Die Exporte zeigten im November einen besonders deutlichen Rückgang von 26,7 % gegenüber dem Vorjahr; das ist der größte Rückgang seit 1980, als mit der Erhebung vergleichbarer Statistiken begonnen wurde.
In der Zwischenzeit hat die Bank of Japan am 16. Januar ihren regionalen Wirtschaftsbericht vorgelegt, in dem sie die Bewertung der Wirtschaft aller neun Regionen im Land nach unten korrigierte. Er schloss sich damit dem im Oktober veröffentlichten Bericht an, in dem die Bewertung für sämtliche Regionen bereits herabgestuft worden war. Der durch den Zusammenbruch der Auslandsmärkte verursachte Einbruch bei den Exporten und der rasch steigende Yen wurden als Hauptfaktoren angeführt. Die Regionen Chubu und Kinki mit ihren Zentren Nagoya bzw. Osaka sind davon besonders hart betroffen, da sich dort vor allem exportorientierte Industrien wie Automobil- und Elektrogeräteindustrie konzentrieren.
Die zunehmende Entlassung von Zeitarbeitnehmern, darunter Saison- und Leiharbeiter, durch Autohersteller und andere große Produzenten seit dem letzten Jahr hat sich schnell zu einem sozialen Problem entwickelt. Viele von ihnen wurden obdachlos, weil sie mit Beendigung des Arbeitsvertrages die Firmenwohnungen räumen mussten. Der ungewöhnliche Anblick eines im Hibiya-Park im Stadtzentrum von Tokyo über den Jahreswechsel errichteten Obdachlosendorfes für solche Arbeitslosen machte deren Notlage und die sich verschlechternde Arbeitsplatzsituation sehr deutlich.
Leiharbeitnehmer, deren Arbeitsplätze sich als unsicher erweisen, waren von Gesetz wegen gewöhnlich auf Spezialberufe wie Dolmetscher und andere Angestelltentätigkeiten beschränkt. Durch die 2004 stattgefundene Deregulierung wurde diese Gruppe jedoch auf Tätigkeiten im Bereich der Produktion erweitert. Da Zehntausende von ihnen ihre Arbeitsplätze in den Produktionsfirmen verloren haben, wobei weitere Entlassungen in den kommenden Monaten anstehen, ist das Verleihen von Arbeitnehmern an Unternehmen im Produktionssektor plötzlich zu einer Streitfrage geworden. Ein einfaches Verbot wird jedoch nicht als richtige Antwort gesehen, da dies die Unternehmen dazu verleiten könnte, ihre Produktion von Japan ins Ausland zu verlagern, wodurch der einheimische Arbeitsmarkt noch weiter geschwächt würde.
Führende Unternehmen, die dem Nippon Keidanren (Japan Business Federation), dem größten Unternehmensverband, angehören, haben Schwierigkeiten, Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität aufrechtzuerhalten, wenn sie versuchen, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen und Arbeitsplätze zu erhalten. Während die Idee einer "Teilung von Arbeitsplätzen" von einigen Führungskräften, darunter dem Vorsitzenden des Keidanren, Fujio Mitarai, als Mittel propagiert wird, um die Menschen in Beschäftigung zu halten, ist man sich über konkrete Wege zur Durchführung dieses Mittels keineswegs einig.
Mit Zeitarbeitnehmern, einschließlich Teilzeitarbeitnehmern, Leiharbeitnehmern, Vertragsarbeitern und Tagelöhnern, die zusammen ein Drittel der japanischen Arbeitnehmer ausmachen, hat sich die Arbeitsplatzsicherheit in dieser Zeit einer sich vertiefenden globalen Rezession, die von Japan einen erheblichen Tribut verlangt, als entscheidendes Problem offenbart. Unter diesen Umständen kommen die begonnenen Lohnverhandlungen, insbesondere für die Arbeitnehmer, nur mühsam voran. Die Arbeitgeberseite besteht darauf, dass sie nicht einfach eine Lohnerhöhung anbieten können. (Anders als in den Vereinigten Staaten und anderswo werden die Verhandlungen in Japan zwischen unternehmensinternen Gewerkschaften und dem Management in diesen Unternehmen auf der Grundlage der vom japanischen Gewerkschaftsverband Rengo und dem Nippon Keidanren festgelegten umfassenden Richtlinien geführt.) Sollte der Beschäftigung Vorrang eingeräumt werden, dann wären selbst Kürzungen möglich. Gleichzeitig gewinnt die Rolle der Regierung als Anbieter eines Sicherheitsnetzes für arbeitslose Menschen an Bedeutung. Ihre Politik der Schaffung von Arbeitsplätzen wird ebenfalls wichtiger werden. Premierminister Taro Aso wies am 16. Januar die betreffenden Minister an, Modellprojekte zur Schaffung von Arbeitsplätzen noch in diesem Finanzjahr zu erstellen.
Die Leitartikel der großen Tageszeitungen konzentrierten sich zu Beginn der jährlichen Lohnverhandlungen auf die Arbeitsplatzsicherheit einschließlich Teilung von Arbeitsplätzen als Mittel zur Verringerung von Stellenstreichungen vor allem für Zeitarbeitnehmer. (Sämtliche Leitartikel wurden am 16. Januar veröffentlicht).
Die Asahi Shimbun erklärte: "Eine Förderung der Arbeitsplatzteilung würde den Abstand in den Arbeitsbedingungen zwischen festangestellten Arbeitern und nicht festangestellten Arbeitern verringern. Dies würde dazu beitragen, das Wachstum in den Reihen der atypisch Beschäftigten zu drosseln. [...] Der Verband Rengo gibt traditionell der Sicherung der Arbeitsbedingungen von Vollzeitbeschäftigten, die Gewerkschaftsmitglieder sind, den Vorrang. Er neigte dazu, dem Problem des raschen Wachstums der atypischen Arbeitnehmer keine Aufmerksamkeit zu schenken. Deshalb ist es für Rengo umso wichtiger, diesen Arbeitnehmern, deren Arbeitsplätze weniger sicher sind, zu helfen."
Die Mainichi Shimbun argumentierte: "Wir schlagen die Einführung der Teilung von Arbeitsplätzen als Notmaßnahme vor, bei der die oberste Priorität darin besteht, dass atypische Arbeitskräfte vorerst ihr Beschäftigungsverhältnis behalten. Es müssen jedoch einige Vorbedingungen klar sein: Die Arbeitsstunden müssen ordentlich erfasst werden, der Grundsatz der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit muss innerhalb der Gesellschaft bestätigt werden und unbezahlte Überstunden müssen auf jeden Fall verboten werden."
Die Nikkei erklärte: "Während Unternehmen, deren Überleben gefährdet ist, keine Wahl haben könnten, wenn sie sich gegen Forderungen von Seiten der Arbeitnehmer wenden, wird dies zugleich zu einer weiteren Abkühlung der Wirtschaft führen. Arbeitnehmer und Management in jedem Unternehmen sind daher aufgerufen, mit dem Ziel zu verhandeln, sowohl Beschäftigung als auch Löhne auf angemessenem Niveau zu halten."
Die Yomiuri Shimbun meinte: "Überdies dürfen Beschäftigungsfragen nicht unberücksichtigt bleiben. Nippon Keidanren und Rengo haben gemeinsam zugesagt, bei der Sicherstellung von Beschäftigungsstabilität sowie beim Umgang mit anderen drängenden Problemen zu kooperieren. Im Mittelpunkt ihrer Erklärung stehen Forderungen gegenüber der Regierung wie die Ausweitung des Sicherungsnetzes im Beschäftigungsbereich sowie die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. In dieser Krisenzeit ist es für Arbeitnehmer und Management wichtig, gemeinsam die Regierung zur Durchführung von Beschäftigungsmaßnahmen zu drängen. Die Verantwortung allein auf die Schultern der Regierung zu laden, wird jedoch nicht zur Überwindung der aktuellen Notlage führen."
(Copyright 2008 Foreign Press Center)