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Japan Brief (Foreign Press Center Japan):
24. 02. 2009
Im letzten Quartal 2008 größter Rückgang des Bruttoinlandprodukts seit 35
Jahren
Zur Bestürzung der Regierung und der allgemeinen Öffentlichkeit sank das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) Japans im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2008 auf
das Jahr gerechnet um 12,7 %, das schlechteste Ergebnis seit 35 Jahren. Deshalb
sah sich Wirtschaftsminister Kaoru Yosano veranlasst, dies am 16. Februar, als
die Statistik veröffentlicht wurde, "die größte und schlimmste Wirtschaftskrise
der Nachkriegszeit" zu nennen. Das unterstreicht Japans unverkennbare
Empfindlichkeit inmitten eines sich vertiefenden globalen Wirtschaftsabschwungs.
Das Wachstum des BIP für das gesamte Jahr 2008 sank um 0,7 % (1,6 % nominal).
Dies war der größte Rückgang seit dem Schrumpfen um 13,1 % im Zeitraum Januar
bis März 1974, als das Land die Auswirkungen der ersten Ölkrise zu spüren bekam.
Im Quartalsvergleich betrug der Rückgang des BIP 3,3 % im nunmehr dritten
Quartal in Folge. Viele Ökonomen sagen voraus, dass die Wirtschaft im ersten
Quartal 2009 ebenfalls zweistellig schrumpfen wird, was zu einem noch nie da
gewesenen negativen Wachstum in vier aufeinander folgenden Quartalen führen
würde.
Der vorherrschende Faktor, der den Rückgang des BIP erklärt, waren die stark
fallenden Exporte, ein Rückgang um 13,9 % im Vergleich zum vorherigen Quartal,
das schlechteste Ergebnis, das jemals verzeichnet wurde. Japans führende
Exportprodukte, nämlich Autos und Elektronikprodukte, sind besonders stark
betroffen, da in der ganzen Welt die Nachfrage nach diesen Produkten einbricht.
Ein zusätzlicher Schlag wurde der Wirtschaft durch den Höhenflug des Yen
versetzt. Die sinkende Auslandsnachfrage machte 3,0 % des Quartalsrückgangs des
BIP um 3,3 % aus.
Der Zusammenbruch der Exporte wirkte sich zudem rasch auf die Inlandsnachfrage
aus, insbesondere die Kapitalausgaben der Unternehmen sanken um 5,3 %. Viele
Produktionsbetriebe verschoben wegen sinkender Gewinne oder der drohenden
Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung Investitionsprogramme oder stellten
diese ein. Die Verbraucherausgaben, die seit langem stagnierten, schwächten sich
weiter um 0,5 % ab, da die Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes zunahm und
viele Zeitarbeitern entlassen wurden.
Während die meisten Länder der Welt, insbesondere die entwickelten Länder, in
den Strudel einer Rezession geraten, zeichnet sich Japan durch das große Ausmaß
seines Rückgangs aus. Im letzten Quartal 2008 betrug der Rückgang des BIP auf
das Jahr gerechnet 3,8 % in den Vereinigten Staaten und rund 6 % in der
Euro-Zone. Schuld daran ist Japans Wirtschaftsstruktur, die in großem Maße von
der Nachfrage in Übersee abhängig ist. Die offensiven Programme der Unternehmen
für Kapitalinvestitionen setzen ebenfalls starke Exporte voraus.
Die niederschmetternden Ergebnisse des vierten Quartals und die Aussichten einer
Vertiefung der Rezession veranlassen die Regierung und die regierenden Parteien,
weitere Konjunkturmaßnahmen mit einem Umfang von 20 bis 25 Billionen Yen zu
erwägen, und zwar zusätzlich zu den rund 75 Billionen Yen bereits beschlossener
Maßnahmen. Es wurde mehr denn je offensichtlich, dass Japan nicht einfach
abwarten kann, bis sich die Exportmärkte wieder erholen, da die wichtigsten
Länder miteinander wetteifern, ihre schrumpfenden Volkswirtschaften mit einer
großen Dosis an Steuermitteln wiederzubeleben.
Das bevorstehende Paket von Konjunkturmaßnahmen wird sich höchstwahrscheinlich
auf Investitionen zur Stärkung der veralteten Infrastruktur, für den
erdbebensicheren Umbau von Schulen und Krankenhäusern, für den Aufbau von
Glasfasernetzen in dünn besiedelten Gebieten und die Förderung der Verwendung
erneuerbarer Energien, wie zum Beispiel die Erzeugung von Solarenergie,
konzentrieren. Projekte über mehrere Jahre werden im Konjunkturpaket Vorrang
haben, das Teil eines Nachtragshaushalts für das Haushaltsjahr 2009 sein wird.
Mittlerweile hat die Bank of Japan am 19. Februar beschlossen, angesichts der
weiterhin schwierigen finanziellen Situation die Frist für ihren Kauf von
Geldmarktpapieren vom ursprünglich vorgesehenen Termin Ende März bis zum 30.
September zu verlängern. Sie wird außerdem ab März mit dem Kauf von
Unternehmensanleihen im Wert von bis zu 1 Billion Yen beginnen. Die Zentralbank
hat außerdem beschlossen, den Leitzinssatz von 0,1 % beizubehalten, der Satz,
auf den er im Dezember ausgehend von 0,3 % gesenkt wurde.
Bei der Bekämpfung der sich vertiefenden Rezession und der geringen Zustimmung
in der Bevölkerung musste die Regierung von Premierminister Taro Aso mit dem
Rücktritt von Finanzminister Shoichi Nakagawa, der damit die Konsequenzen aus
seinem unangemessenen Verhalten auf einer Pressekonferenz nach dem G7-Treffen
der Finanzminister und Chefs der Zentralbanken am 15. Februar in Rom zog, einen
weiteren schweren Schlag hinnehmen. Der Minister für Wirtschaft und
Finanzpolitik, Kaoru Yosano, löste Nakagawa ab, der damit zusätzlich das Amt des
Finanzministers übernimmt. Yosano amtiert damit in drei wirtschaftlichen
Schlüsselpositionen, wodurch Bedenken über eine mögliche Überlastung und eine
fragliche Machtkonzentration laut werden.
Forderung nach längerfristiger Wachstumsstrategie
In ihren Leitartikeln vom 17. Februar brachten die führenden Tagezeitungen
einstimmig den Ruf nach einer neuen Runde wirksamer Maßnahmen zum Ausdruck, um
der alarmierenden Verschlechterung der heimischen Wirtschaft, insbesondere bei
der Beschäftigung, zu begegnen. Sie betonten allerdings ebenfalls die
Notwendigkeit längerfristiger Strategien, um Japans Wirtschaftsstruktur so
umzuwandeln, dass sie weniger von Exporten und mehr von der Inlandsnachfrage
abhängig ist, und um ein nachhaltiges Wachstum in dieser Richtung zu
gewährleisten.
Asahi Shimbun: "Der wichtigste Grund für eine so schnelle Verschlechterung (der
Wirtschaft) war die Empfindlichkeit der Wirtschaftsstruktur, die übermäßig von
Exporten, insbesondere in die Vereinigten Staaten, abhängig ist. [...] Jetzt, wo
deutlich geworden ist, dass die industrielle Struktur die Krise verschärft hat,
ist eine Vision mit der Zielstellung einer Generalüberholung der japanischen
Wirtschaft erforderlich, nicht nur Maßnahmen, die nach größeren Ausgaben
suchen."
Mainichi Shimbun: "Der Verbraucherindex, der seit dem Frühjahr 2007 einen
Abwärtstrend verzeichnete, verbesserte sich im Januar dank des sinkenden
Rohölpreises und anderer Faktoren. Es werden Strategien zur Unterstützung einer
solchen Tendenz benötigt. Der Anstieg des Yen ist ebenfalls günstig. Es ist
jetzt wichtig, daraus einen Vorteil zu ziehen."
Nikkei: "Wichtig ist, wofür das Geld ausgegeben werden soll, nicht wie man die
Steuereinnahmen sichern kann. Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung,
für Gesundheitswesen, Krankenpflege und Renten, Bildung, Landwirtschaft und
Transportwesen sind Bereiche, in denen die Strategien überdacht werden müssen.
Wird das getan, dann wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
Unternehmen verbessert, und neue Wachstumsquellen werden sich in diesen
Bereichen auftun. [...] Wäre es nicht ein möglicher Ausweg, die Wähler zu diesen
Problemen zu befragen, indem das Parlament nach der Verabschiedung des Haushalts
für 2009 aufgelöst wird?"
Sankei Shimbun: "Trotz der lang andauernden Anstrengungen zur Umwandlung der
Wirtschaft in eine Wirtschaft, die von der Inlandsnachfrage bestimmt wird, ist
Japan noch immer in großem Maße vom Export abhängig. Es ist eine Umwandlung
seiner industriellen Struktur notwendig. Das erfordert eine unerschrockene
Prüfung der Haushaltszuweisungen und Liberalisierungen. Die Politik sollte sich
auf potentielle Wachstumsbranchen konzentrieren, wie zum Beispiel
Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Bildung und Energie, die zum nächsten
wirtschaftlichen Aufschwung hinführen könnten."
Yomiuri Shimbun: "Die japanische Wirtschaft verschlechtert sich in
beträchtlichem und zunehmenden Maße. Die Regierung und die regierenden Parteien
müssen schnell ein Rezept vorlegen, um das Land aus dieser Rezession
herauszuführen."
(Copyright 2009 Foreign Press Center / Japan)