Botschaft von Japan

Humanitäre Hilfe

World Humanitarian Summit

Am 23. und 24. Mai 2016 fand in Istanbul der „World Humanitarian Summit“ statt, zu dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie Leiter internationaler Organisationen wie VN-Generalsekretär Ban Ki Moon und darüber hinaus Vertreter von NROs, Unternehmen und wissenschaftlichen Organisationen zusammenkamen. Insgesamt wurden über 9.000 Teilnehmer gezählt. Der vorliegende Beitrag stellt diesen allerersten „Nothilfegipfel“ vor und zeigt gleichzeitig die Aufgaben auf, denen sich die Staatengemeinschaft auf dem Gebiet der humanitären Hilfe gegenübersieht. Dabei wird der Blick auch auf Japans Engagement in diesem Bereich gerichtet.

Aktuelle humanitäre Krisen

Konflikte, Naturkatastrophen, bittere Armut oder die Folgen des Klimawandels sind heute überall auf der Welt Auslöser für humanitäre Krisen. Diese Krisen werden zudem immer komplexer und umfangreicher; auch dauern sie immer länger an. 2016 benötigen weltweit rund 125 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. Die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen erreicht mit ca. 65 Mio. den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Hälfte davon sind Kinder. Darüber hinaus waren in den letzten zwanzig Jahren 218 Mio. Menschen von den Auswirkungen von Naturkatastrophen betroffen, und die Kosten, die solche Katastrophen verursachen, erreichen mittlerweile einen Umfang von mehr als 300 Mrd. Dollar jährlich. Und auch was die Akteure im Bereich humanitäre Hilfe anbelangt, ist eine neue Ära mit einer größeren Vielfalt angebrochen. Zu den bislang führenden Akteuren, insbesondere aus den westlichen Staaten und Japan, sind neue Akteure hinzugekommen, etwa aus den Ölstaaten der Golfregion, aus Schwellenländern, die sich aufgrund eigener Erfahrungen mit Naturkatastrophen nun als Helfer engagieren, aber auch immer mehr NROs und private Unternehmen.

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Bild: Flüchtlinge und Vertriebene in (von links nach rechts) Syrien, den Philippinen und Zentralafrika. (Foto: UN World Food Programme)

Ursprünge der humanitären Hilfe

Die Anfänge der humanitären Hilfe reichen bis in die Mitte des 19. Jh. zurück. Berühmt ist das Engagement der britischen Krankenschwester Florence Nightingale, die im Krimkrieg (1854) Soldaten pflegte. Ihr Einsatz hatte große Auswirkungen auf die damaligen Länder des Westens. Der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant, der 1859 Augenzeuge der Schlacht von Solferino in Italien wurde, setzte sich nach der Schlacht zusammen mit Frauen aus der unmittelbaren Nachbarschaft für die Pflege der Verwundeten ein. Dieses Engagement regte ihn schließlich zur Gründung des „Komitees der Hilfsgesellschaften zur Verwundetenpflege“ an, aus dem das heutige Rote Kreuz hervorging. Zugleich wurden die beiden Grundsätze der humanitären Hilfe festgeschrieben, nämlich Verwundeten und Kranken ohne Unterscheidung zwischen Freund und Feind zu helfen („Unparteilichkeit“) sowie der neutrale Status der Helfer („Neutralität“). Zunächst wurden in zehn europäischen Staaten nationale Rotkreuz-Gesellschaften gegründet. 1877 rief man dann auch in Japan die Gesellschaft „Hakuaisha“ ins Leben, die 1887 in „Japanisches Rotes Kreuz“ umbenannt wurde.

Zeitleiste zur humanitären Hilfe

  • 1854 Krimkrieg (Florence Nightingale)
  • 1859 Schlacht von Solferino

→ Henry Dunant ruft zum Schutz von Verwundeten und Kranken im Krieg auf; Gründung von Hilfsgesellschaften

  • 1863 Gründung der Vorgängerorganisation des Roten Kreuzes
  • 1864 1. Genfer Konvention

→ Grundsätze der „Unparteilichkeit“ und „Neutralität“ → Gründung zahlreicher nationaler Rotkreuz-Gesellschaften

  • Erster Weltkrieg (1914-1918)
  • Zweiter Weltkrieg (1939-1945)

  • 1945 Gründung der Vereinten Nationen (UNICEF 1949 und UNHCR 1950)

  • 1949 vier Genfer Konventionen (1. Landkrieg, 2. Seekrieg, 3. Kriegsgefangene, 4. Zivilpersonen in Kriegszeiten)
  • 1951 Genfer Flüchtlingskonvention
  • 1961 Gründung des UN World Food Programme

    Ende des Kalten Kriegs; Golfkrieg; Flüchtlingsströme

  • 1991 Resolution 46/182 der VN-Generalversammlung über humanitäre Hilfe

  • 2004 Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean
  • 2010 Erdbeben in Haiti; Überschwemmungen in Pakistan
  • 2011 Schweres Erdbeben im Osten Japans

Entwicklung der humanitären Hilfe

Nach zwei Weltkriegen wurden 1945 die Vereinten Nationen ins Leben gerufen. In der Folge entstanden zahlreiche Institutionen der humanitären Hilfe wie das VN-Kinderhilfswerk (UNICEF) oder der VN-Flüchtlingskommissar (UNHCR). 1949 wurden die „vier Genfer Konventionen“ beschlossen, die den Schutz von Soldaten zu Land und zu Wasser sowie von Kriegsgefangenen und Zivilpersonen in Kriegszeiten festschreiben. 1961 wurde mit dem Ziel, den Hunger in der Welt auszulöschen, das UN World Food Programme ins Leben gerufen. Das WFP ist die weltweit größte Organisation, die im Bereich der humanitären Hilfe tätig ist. 1991 kam es während des Golfkriegs zu großen Flüchtlingsströmen, als zahlreiche Kurden aus dem Nordirak nach Iran oder in die Türkei fliehen wollten. Da sich die Türkei aufgrund des Kurdenproblems im eigenen Land jedoch weigerte, diese Flüchtlinge aufzunehmen, wurden die Kurden zu Flüchtlingen im eigenen Land. Die Vereinten Nationen sahen sich außerstande, diese Binnenflüchtlinge ausreichend zu versorgen, so dass schließlich auf dem Höhepunkt der humanitären Krise die multinationalen Streitkräfte den Transport von Hilfsgütern an die Bedürftigen übernehmen mussten. Angesichts dieser Situation erarbeiteten die Vereinten Nationen Grundsätze für die humanitäre Hilfe, die 1991 als Resolution 46/182 von der Generalversammlung verabschiedet wurden.

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Bild: Humanitäre Hilfe durch das WFP für Flüchtlinge in Zentralafrika. (Foto: UN World Food Programme)

Japans Engagement im Bereich humanitäre Hilfe

Derzeit ist humanitäre Hilfe als „Rettung von Menschenleben, Linderung menschlichen Leids sowie Hilfe zur Erhaltung und zum Schutz der Menschenwürde in bzw. unmittelbar nach Notlagen“ insbesondere durch die großen internationalen Organisationen definiert. Sie ist zudem eine Form konkreten Engagements im Rahmen des Konzepts von „Human Security“, einem der Pfeiler der japanischen Außenpolitik. Die von Japan geleistete humanitäre Hilfe umfasst nicht nur Hilfe in Notlagen, sondern u.a. auch Katastrophenprävention und -rettung sowie Wiederherstellung und Wiederaufbau nach Katastrophen. Als außenpolitisches Engagement mit dem Ziel des Wiederaufbaus nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans und auch, um der Staatengemeinschaft für die erwiesene Solidarität zu danken, zeigt Japan in Bezug auf die internationale Kooperation ein großes Engagement.

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Bild: Kinder mit Hilfsgütern aus Japan. (Foto: UN WFP (links), IOM (rechts))

World Humanitarian Summit

Aufgrund zahlreicher Konflikte und Naturkatastrophen ergeben sich mit Blick auf die humanitäre Situation weltweit aktuell sehr große Herausforderungen. Daher fand im Mai 2016 nach einem Appell von VN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Istanbul der World Humanitarian Summit statt. Dieser „Nothilfegipfel“ war eine internationale Konferenz, auf der u.a. Vertreter von Staaten, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft über eine effektive und effiziente Zusammenarbeit berieten, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Neben früheren und amtierenden Staats- und Regierungschefs aus 55 Staaten, darunter Bundeskanzlerin Merkel, nahmen auch die Leiter zahlreicher internationaler Organisationen teil. Einschließlich der Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaften sowie der NROs wurden über 9.000 Teilnehmer aus 173 Staaten gezählt. Siebzig Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen war dies die erste Veranstaltung, auf der in einem derart umfassenden Rahmen und unter Beteiligung verschiedenster Akteure über humanitäre Hilfe diskutiert wurde. Ein weiterer Grund für die zahlreichen Teilnehmer lag in dem Konferenzort Istanbul begründet, befindet sich doch die Türkei genau im Schnittpunkt der Regionen Europa, Asien und Mittlerer Osten, die sich in den letzten Jahren beim Thema humanitäre Hilfe besonders aktiv engagieren. Auf dem Gipfel gab es neben einer Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs eine Vollversammlung sowie Sondersitzungen (zu insgesamt fünfzehn verschiedenen Themen).

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Bild: Der World Humanitarian Summit in Istanbul (Mai 2016).

Japans Beiträge

Auf japanischer Seite nahm der frühere Premierminister Yasuo Fukuda als Vertreter der Regierung von Japan am Gipfel teil. Er sprach jeweils im Rahmen des Treffens der Staats- und Regierungschefs sowie der Vollversammlung (Links zum Außenministerium von Japan – in engl. Sprache) und kündigte an, dass Japan die Hand zur Hilfe ausstrecke, damit „kein einziger Mensch zurückbleibt“. Zudem gab er bekannt, dass Japan in den kommenden drei Jahren Hilfen im Umfang von rund 6 Mrd. Dollar bereitstellen wird, darunter Mittel für etwa 20.000 Auszubildende aus der Region Mittlerer Osten und Nordafrika. Darüber hinaus veranstaltete Japan in Zusammenarbeit mit dem UNHCR, dem VN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und der Japan International Cooperation Agency (JICA) ein Side Event zum Thema „Zusammenwirken von Humanität und Entwicklung“. Daran nahmen u.a. internationale Organisationen, NROs, Aufnahmeländer von Flüchtlingen sowie Geberländer für Flüchtlingshilfe teil, um das bisherige Engagement in Bezug auf das sich zunehmend schwierig gestaltende Flüchtlingsproblem zu überprüfen und intensiv über künftige Perspektiven zu diskutieren. Es wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die „fünf Grundsätze zur Förderung des Zusammenwirkens von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe“ beinhaltet. Darüber hinaus gab es weitere Diskussionsbeiträge von Seiten der Regierungsvertreter in den hochrangig vertretenden Arbeitssitzungen zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit, Naturkatastrophen und Klimawandel sowie in den Sondersitzungen Gesundheit, Personen mit Behinderung sowie Innovationen, denen Japan große Bedeutung beimisst.

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Bild: Der frühere Premierminister Yasuo Fukuda bei seinem Redebeitrag im Rahmen des World Humanitarian Summit (Mai 2016).

“Zusammenfassung der Ergebnisse des Gipfels durch den Vorsitzenden“

Auf dem Gipfel wurde über effektive Maßnahmen für die sich weiter verschärfenden humanitären Krisen, wie z.B. die Flüchtlingskrise im Mittleren Osten, diskutiert. Zugleich sagten Staaten und internationale Organisationen konkrete Hilfsmaßnahmen zu. Da mit humanitärer Hilfe allein die Bedürfnisse von 125 Mio. notleidenden Menschen nicht befriedigt werden können, wurde nachdrücklich an die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes erinnert. Zum Abschluss trug Generalsekretär Ban Ki Moon die Zusammenfassung der Ergebnisse des Gipfels vor. Zusammen mit konkreten Maßnahmen zu den fünf Punkten (1) politische Führungsstärke für Prävention und Beendigung von Konflikten, (2) Unterstützung des rechtlichen Rahmens zum Schutz der Menschlichkeit, (3) kein Mensch wird zurückgelassen, (4) Beseitigen der Bedürfnisse, die sich aus humanitärer Hilfe entwickeln sowie (5) Investitionen in die Menschlichkeit gab er bekannt, dass die Fortschritte bei den auf diesem Gipfel gemachten Zusagen bis 2020 bewertet werden sollen.

Was die Welt und was Japan tun können, um die schwierige humanitäre Situation zu verbessern

Die weltweite humanitäre Situation gestaltet sich derzeit außerordentlich schwierig. Die eingangs genannte Zahl von 125 Mio. Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, entspricht ziemlich genau der Bevölkerungszahl Japans. Dabei reicht es nicht allein aus, den Blick auf diese sehr hohe Zahl als Ganzes zu richten, vielmehr müssen wir jeden einzelnen Menschen mit seinen besonderen Umständen und Nöten in den Fokus stellen. Humanitäre Hilfe bedeutet nicht, die Hand einfach ins Dunkel auszustrecken, sondern den Menschen, die sich auf der ganzen Welt in einer schwierigen Lage befinden, Gehör zu schenken sowie ihnen die Mittel in die Hand zu geben, damit sie die Zukunft ihres Landes mit eigenen Händen gestalten können. Wichtig ist somit eine Hilfe, die die Gesellschaft stabilisiert und Wachstum ermöglicht, das allen Menschen zugute kommt. Japan wird auch weiterhin in engem Zusammenwirken mit verschiedenen Partnern in anderen Staaten, internationalen Organisationen, NROs und den Vertretern der Wirtschaft nach einer „japanischen“ Form der Hilfe suchen.

Anmerkung: Der vorliegende Beitrag erschien am 13. 07. 2016 als 147. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ (Wakaru! Kokusai josei) auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.