Neues aus Japan Nr. 150 | Mai 2017
Serie Sake (1)
Ende des letzten Jahres haben sich führende Sake-Importeure Deutschlands in Zusammenarbeit mit der Botschaft von Japan entschlossen, die Wahrnehmung von Sake und anderen japanischen alkoholischen Getränken zu verbessern. Hierzu wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt, bei denen unter anderem Sake verkostet und erklärt wurde. Es wurde viel Wissen weitergegeben und somit auch die Neugier bei den teilnehmenden Genießern geweckt. In dieser und den beiden nächsten Ausgaben wird Neues aus Japan in Zusammenarbeit mit den drei hinter diesem Projekt stehenden Persönlichkeiten einen tiefen Einblick in den Genuss von Sake und die Kultur dahinter geben. Die erste Folge unserer Sake-Serie stammt aus der Feder von Susanne Rost-Aoki vom Sake Kontor Berlin. Viel Spaß bei der Lektüre!
Bild: Ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Angebot des Sake Kontors (Foto: Sake Kontor Berlin)
In unserem Sake-Laden mache ich regelmäßig die Erfahrung, dass Menschen mit großen Augen und in Sicherheitsabstand vor der Wand mit über einhundert japanischen Flaschen stehen. Und nach angemessener Bedenkzeit die Frage stellen: Entschuldigung, aber welches davon ist denn jetzt der Sake?
Die Antwort lautet dann natürlich: Alle!
Es ist eine lustige Erfahrung und ich möchte sie nicht missen. Trotzdem möchte ich heute an dieser Stelle einige Geheimnisse zur Vielfalt des Sake - zumindest ein wenig - lüften.
Das alkoholische Getränk, das wir als „Sake“ bezeichnen, kommt aus Japan und wird ursprünglich nur in Japan produziert. In Japan selber lautet die korrekte Bezeichnung Nihonshu, was „japanischer Alkohol“ bedeutet.
Nihonshu gibt es seit mehreren Tausend Jahren. Seine Herstellung ist eine Braukunst, die im Wesentlichen gleich geblieben ist, aber über die Jahrhunderte verfeinert wurde, so dass wir heute eine Blütezeit hoher Sake-Qualität erleben.
Japanischer Sake wird aus Wasser und Reis gebraut. Dabei übernimmt der Edelschimmel Koji die Verzuckerung der Stärke - also das, was beim Bier das Mälzen ist - und Brauhefe die alkoholische Gärung.
Wenn Sie zwei Flaschen aus unserem Regal herausgreifen, wird der Sake darin unterschiedlich schmecken. Vielleicht ist der erste besonders weich und vollmundig mit gemütlichem, leicht karamelligem Geschmack. Und der zweite hat ein elegantes, fein fruchtiges Aroma mit einem Trinkgefühl wie frisches Quellwasser. Diese Unterschiede ergeben sich zunächst aus der Qualität der Basiszutaten Wasser und Reis und der gewählten Reissorte. Dazu kommt die Auswahl einer von vielen Sake-Hefen, die sehr maßgeblich für das Endergebnis ist. Und ca. 80 Prozent der Gesamtqualität eines Sake macht schließlich die handwerkliche Umsetzung des Brauprozesses aus.
Sake-Genießer finden Eigenschaften des Brauwassers in der Textur eines Sake, also dem Tastgefühl am Gaumen wieder, sei es rau, weich, glatt oder sämig. Die Reissorte hingegen spiegelt sich nicht so leicht erkennbar im Sake wider, wie man es in Analogie zur Rebsorte beim Wein vielleicht erwarten würde.
In Japan gibt es derzeit ca. 1.300 Brauereien, die über das ganze Land verteilt Sake herstellen. Wenn es nicht die Reissorte ist, wonach können wir dann diese vielen Sakes sortieren? Nach Qualitäten!
Bei der Standardsake-Qualität dürfen Zusatzstoffe verwendet werden, unter anderem Zucker und große Mengen destillierten Alkohols. Dieser Sake-Typ macht ca. 70 Prozent der gesamten Sake-Produktion in Japan aus. Innerhalb des Standardsake gibt es wiederum verschiedene Graduierungen der Qualität.
Ich empfehle, Standardsake von kleinen, anspruchsvollen Sake-Brauereien zu probieren, die sonst Premium Sake herstellen. Dieser ist meist ehrlich gebraut und enthält zwar destillierten Alkohol, aber keine weiteren Zusatzstoffe. Er kann einen schönen Einblick in die jeweilige Region geben, weil er als der Sake, der dort jeden Tag getrunken wird, den alltäglichen Geschmack widerspiegelt.
Das Gegenstück zu Standardsake ist Premium Sake. Er stellt die oberen 30 Prozent der Sake-Qualität dar. Die zentralen Geheimnisse der Premium Sake-Produktion sind der Verzicht auf Zusatzstoffe, die Verwendung von ca. 50 speziellen Sake-Reissorten, das starke Polieren der Reiskörner und ein in allen Schritten besonders sorgfältig und meist von Hand ausgeführtes Brauverfahren.
Bei Premium Sake gibt es drei Qualitätsstufen mit jeweils zwei Qualitätstypen. Um diese auf die Flasche schreiben zu dürfen, muss die Brauerei die Qualitätsvorschriften einhalten.
Die Kernvorschrift: Je höher die Stufe, umso stärker muss der Reis poliert sein. Für die untere dürfen nur noch maximal 70 Prozent vom Reiskorn übrig sein, für die mittlere 60 Prozent und für die obere 50 Prozent.
Das hat folgenden Sinn: Bei Sake-Reis ist die Stärke in der Mitte der Reiskörner konzentriert. Die anderen Stoffe wie Fette, Mineralstoffe und Proteine befinden sich in den Außenschichten. Sie beeinflussen den Geschmack und lassen sich durch Wegpolieren regulieren. Bei den höchsten Qualitäten werden nur noch kleine weiße Stärkekügelchen zu Sake verarbeitet. Der Sake wird dadurch feiner und subtiler; blumige und fruchtige Aromen, die von den Brauhefen kommen, treten in den Vordergrund.
Im Regal stehen unsere Premium-Flaschen nach diesen 6 Premium-Qualitätstypen sortiert:
Die Alltagsqualität unter den Premium-Typen. Enthält die bei Premium Sake einzig erlaubte Art von Zusatzalkohol: Eine geringe und reglementierte Menge, die vor dem Auspressen aus der Maische zugegeben wird. Sie dient nicht zum Strecken des Sake, sondern als technischer Alkohol, der den Sake geschmeidiger, glatter und duftiger macht. Honjozos sind meist schlank, unkompliziert und süffig.
Der Sake aller Sakes, klassisch. Junmai bedeutet „purer Reis“ und es sind keinerlei Zusatzstoffe erlaubt. Der Sake-Typ, der geschmacklich am meisten mit Reis zu tun hat, weniger duftig, dafür mit vollerem Körper und Reisgeschmack.
Hier hebt der Sake ab und wird zu einer kristallklaren, seidig weichen und frisch aromatischen Flüssigkeit im Glas, von der man gar nicht sagen kann, wo sie herkommt, weil sie wie überirdisch wirkt. Dieser Effekt entsteht durch eine höhere Polierrate, sehr präzises Arbeiten beim Brauvorgang sowie langsame Gärung bei niedrigen Temperaturen.
Ginjo enthält Zusatzalkohol und ist glatter und ätherischer, Junmai Ginjo enthält keinen Zusatzalkohol und hat etwas mehr Körper und Reisgefühl. Blumige und fruchtige Aromenprofile.
Das absolute High End ist der „Große Ginjo“ (dai bedeutet „groß“). Hier ist mindestens die Hälfte der Reiskörner wegpoliert und Gärung und Brauvorgang werden noch feiner geführt. Daiginjo enthält Zusatzalkohol, Junmai Daiginjo nicht, Effekte wie bei Ginjo und Junmai Ginjo.
Zum Abschluss ziehen noch einige besonders auffällige Flaschen im Regal den Blick auf sich:
Milchig weißer Sake?
Sake mit Reisteilchen, Nigorizake genannt, der mit einem groben Sieb aus der Maische ausgepresst wird.
Rosa oder pastellfarbene Flasche?
Low Alcohol-Sake, ein moderner Sake-Typ mit wenig Alkohol, meist süß.
Der Sake prickelt!
Sparkling Sake in Qualitäten von zugesetzter Kohlensäure bis zu zweiter Gärung in der Flasche nach traditioneller Methode.
Bernsteinfarbener Sake?
Gelagerter Sake, Koshu, Jukuseishu oder auch Vintage Sake genannt. Von 3 Jahren bis zu 25 oder mehr Jahren. Aromen von Honig, Nüssen, Schokolade, getrockneten Früchten.
Der Sake duftet nach Holz?
Taruzake, der kurz in einem Sake-Fass aus dem Holz der Sicheltanne Sugi gelagert wurde.
Ich überlasse Sie unserer Wand und wünsche viel Spaß beim Entdecken der Sake-Vielfalt.
Kanpai!
SAKE KONTOR
Markgrafendamm 34
10245 Berlin
www.sake-kontor.de
Bild: Susanne Rost-Aoki (Foto: Sake Kontor Berlin)
Zur Autorin:
Susanne Rost-Aoki ist mit ihrem SAKE KONTOR seit 2004 Importeurin von Premium Sake aus Japan und beliefert deutschlandweit Gastronomie und Verbraucher mit einer persönlich in Japan kuratierten Sake-Auswahl. Exquisite High End-Sakes, Geheimtipps und saisonale Sakes von kleinen Brauereien sowie solide Basisqualitäten sind darin gleichermaßen vertreten. Seit 2010 ist das SAKE KONTOR zusätzlich zum Online-Shop auch ein Ladengeschäft in Berlin-Friedrichshain. Susanne Rost-Aoki ist geprüfte Sake Expert Level I and II (Sake Education Council Tokyo). Ihr Buch "Sake - Das Getränk der Götter", das im Hamburger 99pages-Verlag erschien, war National Winner beim Gourmand Cookbook Award in Paris und gewann Silbermedaillen beim World Cookbook Award und beim Literarischen Wettbewerb der GAD. 2013 erhielt Susanne Rost-Aoki für ihre Arbeit den Sake Contributor Award der International Wine Challenge London und der japanischen Sake Samurai Association.