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Neues aus Japan Nr.58 September 2009

Filme aus Japan

Ai no mukidashi - Love Exposure

(Japan, 2008, 237 Minuten, FSK 16)

Ai no mukidashi

Sion SONOs diesjähriger Berlinale –Knüller läuft dank Rapid Eye Movies seit dem 13. August in unseren Programmkinos; und ich möchte in diesem Falle mein Fazit ausnahmsweise vorweg nehmen. Es lautet: HINGEHEN! UNBEDINGT!

Es war keine Liebe auf den ersten Blick, wenn es um Sion SONO geht. Als SONOs Werk „Strange Circus“ vor drei Jahren auf der Berlinale seine Europapremiere feierte, war ich eine derer, die das Kino vor Ende des Films verstört verließen. Was die Pressemitteilung wohlwollend als „infernalischen Horrortrip“ beschrieb, der permanent die Erwartungen der Zuschauer zu durchkreuzen versuchte,  empfand ich als Provokation um ihrer selbst willen und mutwilliges, grenzüberschreitendes Zurschaustellen von Gewalt und sexuellen Obsessionen. Nicht von ungefähr ahnte ich Schlimmes, als nun SONOs Neuling anlief – noch dazu in einer biblischen Länge von 237 Minuten, sprich fast vier Stunden.

Die Sorge war unbegründet. Und mehr als das – der Film war ein Erweckungserlebnis, unvergesslich mit seinen Bildern, seiner Kraft, seiner  Tiefgründigkeit und seinen entfesselt aufspielenden Darstellern. Liebe auf den ersten Blick ist es nämlich,Ai no mukidashi als der 17jährige Yu (überwältigend: Takahiro NISHIJIMA) auf Yoko (Hikari MITSUSHIMA) trifft. Der entwurzelte und einsame Teenager, der früh seine Mutter verloren hat, sucht die ihm verheißene  Maria und findet sie unerwarteter Weise in Ausübung seines Hobbys als Upskirt-Fotograf. Um auf dem Wege der Beichte die Liebe und Anerkennung seines Vaters, eines katholischen Priesters, zu erringen, gibt er Ai no mukidashisich lustvoll der Sünde hin, ahnungslosen Mädchen unter Vollbringens akrobatischer Übungen unter den Rock zu fotografieren. Seine Liebe wird jedoch nicht erwidert. Yoko, für die alle Männer außer Kurt Cobain und später Jesus Christus hentai (Perverse) sind, ist nicht willens, sich auf den von seinen Gefühlen übermannten und verunsicherten Yu, der noch dazu in Folge der unglücklichen Liaison ihrer Stiefmutter mit seinem Vater, ihr Halbbruder zu werden droht, einzulassen. 

Dies ist sozusagen die erste Hälfte der Geschichte – famos vorgetragen und mit Maurice Ravels „Bolero“ fulminant unterlegt. Dann jedoch kippt die Geschichte, die bis dahin eine übliche von unerwiderter Liebe unter missbrauchten und verstörten, sich aber umso cooler gebenden, Teenagern ist.  Nun entfaltet SONO seine spirituelle Seite. Yus Familie wird von der Sekte „Zero Church“ indoktriniert und letzten Endes entführt. Yu macht sich somit auf zu seinem letzten Kampf, den um Erlösung seiner Liebsten und seiner selbst. Dies vollzieht sich unter zum Teil verstörenden Umständen, die durch Kung-Fu-, Slapstick-, Kastrations- und derben Splatterelementen illustriert werden, die Quentin Tarantino glatt zu „Kill Bill Volume 3“ zu animieren wüssten.  Was sagt der Meister, der dieses Monstrum von einem Film in glatten drei Wochen abgedreht hat: „Es war mir wichtig, dass der Zuschauer nicht mehr weinen muss als absolut nötig. Auch im Drehbuch habe ich festgehalten, dass auf eine übermäßig emotionale Darstellung unbedingt verzichtet werden soll.“ (Sion SONO in der Pressemitteilung zum Film). Das löst er tatsächlich auf den letzten Metern ein. Nie war ich für ein Happy End so dankbar, wie in diesem Fall.

 
 
Fazit:
Schockästhet SONO lässt unterdrückte Aggressionen, Schuldgefühle und sexuelle Begierden einer von Leistungs- und Anpassungsdruck dominierten Gesellschaft in einer Eruption von Sex, Gewalt und herzzerreißendem und völlig ernst gemeintem Pathos münden. Sagte ich es schon? Unbedingt hingehen!

 

*J.G. (Diese Rezension stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht die offizielle Haltung der Botschaft von Japan)

 


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