
Interview mit Herrn Takashi Yanase
Direktor der Künstlergemeinschaft Jinenjo Club
Am 5. August fand im Theater Thikwa in Berlin die Aufführung „Dengaku Mai“ („Reisfeldtänze“) des aus Japan stammenden Ensembles Jinenjo Club statt. Die Vorführung der Schauspieler – Personen mit geistigen Behinderungen – war so mitreißend, dass die deutschen Zuschauer schon fast mittanzten. Aus Anlass dieser Aufführung führten wir ein schriftliches Interview mit dem Leiter des Ensembles, Takashi Yanase.
Herr Yanase, können Sie zunächst bitte etwas über den Jinenjo Club und den Anlass zur Gründung dieser Gemeinschaft sagen?
Der Jinenjo Club ist eine kleine Gemeinschaft, deren Mitglieder Menschen mit geistigen Behinderungen sind. Gegründet wurde diese Künstlergemeinschaft 1990 und sie hat ihren Sitz am Südhang des Tsukuba-Berges in der gleichnamigen Stadt in der Präfektur Ibaraki nordöstlich von Tokyo. Dort bewirtschaften wir einen ökologischen Bauernhof und beschäftigen uns zugleich mit verschiedenen künstlerischen Aktivitäten, z.B. Taiko-Trommeln und Butoh-Tanz, Malerei oder auch Plastik.
Im Sommer dieses Jahres hat der Jinenjo Club eine Tournee durch Deutschland unternommen. Was hat Sie nach Deutschland geführt?
Im März 2009 traf ich beim Theaterfestival Creahm (CREAtivité et Handicap Mental), das in der belgischen Stadt Liège stattfindet, Marcel Bugiel von der Organisation Lebenshilfe. Von ihm hörte ich von den Theaterfesten, die im Sommer in Deutschland veranstaltet werden. Das hat uns alle sehr neugierig gemacht. Als wir dann das Einladungsschreiben von Andreas Meder von der Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur erhielten, haben wir uns wirklich sehr gefreut. Es war für uns alle eine große Ehre nach Deutschland kommen zu dürfen. Auch die Aktivitäten des Theaters Thikwa in Berlin haben wir mit großem Interesse verfolgt, und wir haben uns sehr auf diese Chance für einen künstlerischen Austausch gefreut.
Taiko-Trommeln und Butoh-Tanz spielten bei Ihren Aufführungen in Deutschland eine wichtige Rolle. Zugleich erfreuen sich diese beiden Elemente der japanischen Kunst hierzulande großer Beliebtheit. Haben Sie diese Elemente absichtlich für die Aufführungen hier in Deutschland ausgewählt oder geschah das eher zufällig?
Die erste Tournee des Jinenjo Club im Ausland ging 1996 nach Litauen. Die Erfahrungen, die wir beim dortigen internationalen Theaterfestival für Behinderte machten, haben mich in der Überzeugung bestärkt, dass Menschen mit geistigen Behinderungen über ein großes Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten verfügen. Wir hatten dann später auch Gelegenheit, in Dänemark, England, Irland, Belgien und Hongkong aufzutreten. Dadurch entwickelte sich unsere Bühnenkunst in eine mehr universelle Richtung, das heißt, wir strebten nach einer Überwindung der sprachlichen und kulturellen Barrieren. Gleichzeitig wurden wir uns auch des eigenen Ichs bewusst, das wir so in einer noch grundsätzlicheren und wesentlicheren Form zum Ausdruck bringen konnten. Vom Ausgangspunkt des Gemeinsamen aller Menschen und der Arbeit in der Natur ausgehend bildete sich die Form des Theaters heraus, die dann das Thema unserer jetzigen Tournee bildete, nämlich die „Reisfeldtänze“ (Dengaku mai). Die Taiko-Trommeln und Butoh-Tänze als Elemente haben sich im Laufe eines langen Prozesses aus dem Innern der Künstler selbst herausgeschält. Das war also keineswegs eine Nachahmung traditioneller Formen oder bereits bekannter Bühnenkünste. Das Erschaffen von Dingen aus dem eigenen Ich heraus und Improvisation sind es, die das Besondere unserer Bühnenkunst ausmachen. Unsere Aufführungen in diesem Sommer glichen dadurch einem Gebet im religiösen Sinne.

Übersicht über die Deutschlandtournee in diesem Sommer |
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30. Juli – 01. August |
boulevART 8. Internationales Straßentheaterfest in Wismar (vier Aufführungen) |
03. und 04. August | Workshops in Berlin, Theater Thikwa |
05. August | Theater Thikwa in Berlin (eine Aufführung) |
07. und 08. August | Alles muss raus! Theater- und Musikfestival in Kaiserslautern (vier Aufführungen) |