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Neues aus Japan Nr.103 Juni 2013

Zweite Rede von Premierminister Shinzo Abe zur Wachstumsstrategie

in der Japan Akademeia am 17.05.2013

Foto: Cabinet Office

 

1. Einleitung

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

guten Abend. Ich bin Shinzo Abe. Seit dem Antritt meiner Regierung sind inzwischen mehr als fünf Monate vergangen.

In dieser Woche wurde der Haushalt für das Finanzjahr 2013 verabschiedet. Auch wenn die entsprechenden Arbeiten seit Ende letzten Jahres liefen, erfolgte die Verabschiedung erst jetzt nach Beginn des neuen Finanzjahres. Ich denke, es ist uns dabei gelungen, die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten, während wir gleichzeitig einen weiteren Schritt in Richtung einer Politik gemacht haben, die echte Resultate hervorbringt.
Der Begriff „Abenomics“ galt anfangs als eine Art „Tabuwort“, und auch die Lockerung der Geldpolitik „in einer ganz neuen Dimension“ wurde zu Beginn viel kritisiert.
Nachdem die entsprechenden Maßnahmen aber inzwischen in die Tat umgesetzt wurden, stoßen sie auch international auf Verständnis. Das Wachstum des BIP für das erste Quartal dieses Jahres (Januar bis März) beläuft sich – auf das Jahr hochgerechnet – auf 3,5 Prozent. Dies lässt deutlich erkennen, dass inzwischen etwas in Bewegung gekommen ist.
Mit Blick auf die langanhaltende Deflation und Stagnation ist dies aber nicht mehr als ein „erstes Anzeichen“ für eine Kehrtwende. Daher werde ich mich weiterhin mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass sich diese Tendenz zu einem kraftvollen Wachstumskurs weiterentwickelt.

Anfang Mai hat nun auch die Außenwirtschaftspolitik richtig begonnen, nämlich mit meinen Reisen nach Russland und in den Mittleren Osten.
Nicht nur Vertreter von Großunternehmen, sondern auch von kleinen und mittleren Unternehmen begleiteten mich auf dieser Reise im Rahmen einer Wirtschaftsdelegation, der über 100 Personen angehörten. Beim Anbieten der „Stärken unseres Landes“ wirken öffentlicher und privater Sektor nun eng zusammen. In einer Woche haben wir auf dieser Reise 28.000 km zurückgelegt. Dabei habe ich viele von Ihnen, die heute Abend hier sind, persönlich kennengelernt. Russland und die Staaten des Mittleren Ostens sind Wachstumszentren mit hohen Zuwachsraten. Gemeinsam haben wir zahlreiche Projekte angeschoben, an denen japanische Unternehmen beteiligt sind, etwa in den Bereichen Gesundheit, Esskultur, Energie oder Infrastruktur. Ich denke, wir haben wirklich viel geleistet.

„Herausforderung – Challenge“, „Entfaltung im Ausland – Open“ sowie „Schöpfung – Innovation“. Der Angelpunkt dieser drei Schlüsselbegriffe lautet „Handeln – Action“. Eine noch so gute Wachstumsstrategie ist wertlos, wenn sie nur auf dem Papier besteht. Ohne „Handeln“ gibt es kein „Wachstum“. Ich werde auch künftig, sofern es die Zeit erlaubt, überall auf der Welt hinreisen und als Verkäufer auf höchster Ebene auftreten.

In Kürze werde ich Myanmar besuchen. Dieses Land ist seit langem ein enger Freund Japans und uns sehr zugetan. Ich erinnere mich daran, wie sich bei meinem letzten Besuch im vergangenen Jahr an den Straßenrändern die Kinder versammelten, um mit kleinen japanischen Flaggen in den Händen zu winken. Damit sich Myanmar, das zahlreiche Schwierigkeiten überwunden hat, künftig weiter entwickeln kann, müssen wir dieses Land mit den Stärken, die wir besitzen, unterstützen. Auch hier werden der öffentliche und der private Sektor eng zusammenwirken.

2. Eine Wachstumsstrategie, die private Investitionen hervorbringt

Es ist keineswegs so, dass ich allein das Monopol für eine Strategie zur Öffnung des Landes sowie für eine Außenwirtschaftspolitik besitze. Bereits vor einem halben Jahrhundert gab es in Japan einen Premierminister, der das Ruder in Richtung Öffnung der Wirtschaft herumriss und Japans Stärken im Ausland angepriesen hat – nämlich Premierminister Hayato Ikeda. Noch heute erinnert man sich daran, wie er bei seinem Europabesuch 1962 vom damaligen französischen Präsidenten de Gaulle als „Vertreter für Transistorradios“ bezeichnet wurde.
Der Siegeszug der Transistorradios bedeutete aber für die japanische Elektronindustrie den Beginn ihrer beeindruckenden Entwicklung hin zu einer weltweit agierenden Elektroindustrie. In den Bereichen Elektronik und Automobile hat Japan mit seiner Kultur des „Monozukuri“, der Herstellung qualitativ hochwertiger Güter, damals die Welt erobert und damit die Ära des hohen Wirtschaftswachstums in unserem Land eingeleitet. 1968 hat Japan schließlich Westdeutschland überholt und ist nach den Vereinigten Staaten zur zweitstärksten Wirtschaftsnation der Welt geworden.
Die Quelle für diese Entwicklung bildete die ungebrochene Bereitschaft zu Investitionen im Bereich der produzierenden Industrie. Seit den 1960er Jahren lagen die Ausrüstungsinvestitionen in der produzierenden Industrie stets weit über den Abschreibungen, und eine neue Produktionsstätte nach der anderen schoss aus dem Boden. Die Produktivität erlebte einen sprunghaften Anstieg, und infolgedessen stiegen auch die Löhne und Gehälter. Es war dies die Epoche der „Verdopplung der Einkommen“.
Nach dem Platzen der sogenannten Bubble Economy haben die Unternehmen während der langanhaltenden Deflation ihre Aktivitäten jedoch eingeschränkt, und die Investitionen bewegen sich nunmehr im Bereich der Abschreibungen. Dies hat sich mit Blick auf die Unternehmensführung zu einer Art Standard entwickelt. Auch in Bezug auf den internationalen Wettbewerb hat Japan eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Der Stolz auf Produkte „Made in Japan“ ist heute in hohem Maße verschwunden.
Eine langanhaltende Deflation und der Verlust des Selbstvertrauens – ich betrachte es als meine vordringliche Aufgabe, Japan von diesen Fesseln zu befreien.

(Von Japan aus in die Welt)
Ein Schlüssel für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgabe besteht darin, die von Japan geschaffenen hervorragenden Systeme und Technologien weltweit zu verbreiten.
Gesundheit, Esskultur, Raumfahrt, Katastrophenprävention und ökologische Städte – heute geht es um mehr als nur um die bisher bekannte Infrastruktur. Die Menschen in Japan haben eine Vielzahl von Systemen geschaffen, auf die wir heute stolz sein können. Diese Systeme werden weltweit nachgefragt. Damit bietet sich uns eine ausgezeichnete Gelegenheit, sie anzupreisen und zu verkaufen. Mein Engagement als oberster Verkäufer der japanischen Industrie, strategische Wirtschaftskooperationen und die Erlangung internationaler Standards – wir werden eine neue „Exportstrategie für Infrastruktursysteme“ aufstellen und den Umsatz in diesem Bereich von bislang zehn Billionen Yen bis 2020 auf 30 Billionen Yen verdreifachen.

(Von der Welt aus nach Japan)
Ein weiterer Schlüssel besteht darin, für das Wachstum in Japan Technologien, Menschen und Kapital aus der ganzen Welt in unser Land zu holen.
Wir müssen dafür sorgen, dass in Japan umfangreiche Investitionen getätigt werden. Die Hauptakteure sind dabei die Unternehmen. Heute befinden sich zahlreiche Manager unter uns; daher bitte ich Sie nachdrücklich, sich dieser Herausforderung zu stellen. Auch die Regierung wird sich mit ganzer Kraft in diesem Bereich engagieren. Unser Ziel besteht darin, durch Investitionen die Produktivität der Arbeitskräfte zu erhöhen und so die Einkommen zu steigern. Menschen, die mit vollem Einsatz arbeiten, müssen entsprechend entlohnt werden.
Ich habe die Wirtschaft bereits gebeten, die Löhne und Gehälter anzuheben; und ich denke, dass bei der Lohnrunde in diesem Frühjahr bereits viele Unternehmen dieser Bitte entsprochen haben. Steigende Einkommen führen zu mehr Konsum. Dies wiederum wird die Konjunktur beleben und damit auch den Unternehmen nutzen. Meine Regierung hat bereits damit begonnen, ein günstiges Umfeld für Investitionen zu schaffen und das Gerüst für unsere Wachstumsstrategie aufzustellen. Ich möchte auch die Manager bitten, den arbeitenden Menschen die Früchte in Form von Beschäftigung und Einkommen zugute kommen zu lassen.
Unter den Schlagworten „Bestehen in der Welt und Zuwächse bei den Familieneinkommen“ tritt die Abenomics nun in ihre entscheidende Phase.

 

3. Ein Land, das seine führende Stellung unter Beweis stellt und Innovationen fördert

Mit der Entwicklung des Transistorradios hat sich Sony seinerzeit als weltweiter Marktführer zu einem Großkonzern mit großer Kapitalmacht entwickelt, der unangefochten an der Spitze stand. Als Reaktion auf den Spott, Sony bestehe nur aus „Versuchskaninchen“, ermutigte der Unternehmensgründer Masaru Ibuka seine Angestellten folgendermaßen: „Die vorgegebene Arbeit in der vorgegebenen Art und Weise zu erledigen, ist nicht länger zeitgemäß. Es geht darum, mit unseren Produkten stets Neues zu verbinden. Wenn wir diese ‚Geisteshaltung eines Versuchskaninchens“ geschickt nutzen, dann können wir so viel neue Arbeit erledigen, wie wir wollen.“ Den Unternehmen, die sich stets der Herausforderung der Schaffung von Innovationen stellen und die „Geisteshaltung eines Versuchskaninchens“ bewahren, erschließen sich große Chancen. Diese Chancen zu fördern, sehe ich als Aufgabe meiner Regierung.

(Eine Reform der Regulierungen und Systeme, die zu praktischen Anwendungen führt)
Sie, verehrte Anwesende, sind durch die Bank Vertreter weltweit führender Unternehmen. Und trotzdem gilt auch für Sie: Niemand weiß, was die unmittelbare Zukunft bringt. Das ist in der Politik nicht anders. Ich selbst habe das am eigenen Leib erfahren. Wenn man aufhört vorwärts zu schreiten, ist die Sache gelaufen. Die weltweite Konkurrenz geht mit hohem Tempo voran und dann wird man geschluckt. Es bleibt daher kein anderer Weg, als stets weitere Innovationen hervorzubringen und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein. Ich werde die Unternehmen, die sich der Herausforderung der Schaffung von Innovationen entschlossen stellen, nachdrücklich unterstützen. Den Ansatz für diese Unterstützung bildet die Reform der Regulierungen und Systeme.

Nehmen wir zum Beispiel Autos mit Brennstoffzellen. Dies sind revolutionäre Autos, die kein CO2 ausstoßen und auf diese Weise die Umwelt schonen. Allerdings bestehen in Bezug auf den Wasserstofftank Vorschriften des Wirtschaftsministeriums sowie des Verkehrsministeriums. Und hinsichtlich der Tankstellen für den Wasserstoff zum Betanken der Zellen gibt es neben den Vorschriften des Wirtschaftsministeriums auch solche des Innenministeriums, nämlich im Bereich Brandschutz, sowie solche des Verkehrsministeriums im Bereich Stadtplanung. Sie sehen also, es besteht ein ganzes Dickicht von Vorschriften. Selbst wenn man einige Bestimmungen erfüllt, bestehen immer noch eine ganze Reihe weiterer, die einer praktischen Anwendung entgegenstehen. Dies werden wir nun umfassend ändern.

Als Nächstes die sogenannten „Big Data“. Jeden Tag entsteht im weltweiten Internet eine gewaltige Menge an Daten, die sich auf unvorstellbare 2,5 Trillionen Byte beläuft. Es handelt sich dabei etwa um Bewegungsdaten innerhalb des GPS oder um Informationen über Handelstransaktionen im Internet. Diese Daten bilden einen wahren „Schatz“ an Möglichkeiten für neue Dienstleistungen und Geschäftsfelder mit hohem Mehrwert. Auch hier werden wir entschlossen ansetzen. Wir werden die Daten anonymisieren und so die Privatsphäre schützen sowie gleichzeitig sicherstellen, dass sie aktiv genutzt werden können. Wir werden die Beispiele in anderen Ländern sorgfältig prüfen, und dann als ersten Schritt entsprechende Richtlinien aufstellen.

Sie alle, verehrte Anwesende, wissen, dass sowohl die Diskussion in Bezug auf Automobile mit Brennstoffzellen als auch in Bezug auf „Big Data“ bereits seit einigen Jahren geführt wird. Ich denke, wir haben jetzt genug diskutiert und müssen nun „handeln“. Meine Regierung wird auch weiterhin die erforderliche Reform der Regulierungen und Systeme entschlossen vorantreiben, damit weitere Innovationen entstehen können.

(„Null-Regulierungen“, mit der wir unsere führende Stellung unter Beweis stellen)
Vor uns liegt nun eine Ära, in der Autos endlich automatisch fahren werden. Derzeit läuft in den Vereinigten Staaten ein großartiger Versuch, der wie ein Traum anmutet. Eine Unternehmensgruppe hat bereits einen Sonderantrag gestellt und der Testbetrieb wurde auch schon genehmigt. Was in den USA möglich ist, muss auch in Japan möglich sein. Wir werden daher auch entsprechende Testfahrten auf öffentlichen Straßen in Japan fördern.
Für viele Unternehmer in Japan stellt sich die Situation so dar: Sie wollen ein bestimmtes Produkt als erster auf der Welt testen, sind dazu aber aufgrund hinderlicher Vorschriften nicht in der Lage. Auf der anderen Seite verlieren sie den Anschluss an die weltweite Entwicklung, wenn sie es nicht tut. Ich möchte für Unternehmen unter der Bedingung, dass entsprechende Ausgleichsmaßnahmen erfolgen, ein neues System für Ausnahmen von den Vorschriften ins Leben rufen. Man soll nicht länger warten müssen, bis sich die Vorschriften für alle ändern, sondern man soll etwas ausprobieren dürfen, weil man selbst quasi als „Versuchskaninchen“ fungiert. Den Unternehmen, die diese „Geisteshaltung eines Versuchskaninchens“ kultivieren, möchten wir große Chancen eröffnen.
Dabei geht es nicht nur um japanische Unternehmen. Ich möchte aus der ganzen Welt „Unternehmen für künftiges Wachstum“, die nach Innovationen streben, nach Japan holen.
Es gibt diesen bekannten Werbespruch der Bahngesellschaft JR-Tokai: „Ach ja, Kyoto! Lass uns hinfahren!“ Ich wünsche mir, dass man immer, wenn man etwas Neues ausprobieren will, denkt: „Ach ja, Japan! Lass uns hinfahren!“ und strebe ein Land an, das „seine führende Stellung in der Welt unter Beweis stellt und Innovationen fördert“.

 

4. Eine Reform der Hochschulen, um in der Welt bestehen zu können

Wenn wir nicht ein Japan schaffen, in dem sowohl humane Ressourcen als auch Kapital aus aller Welt zusammenkommen, dann werden wir in der Welt nicht bestehen können.
Wie groß ist wohl die Zahl junger Menschen auf der Welt, die weltweit aktiv sein wollen, und dafür eine Hochschule in Japan wählen? Es gibt ein Ranking der „100 besten Hochschulen der Welt“. Darunter befinden sich zu meinem großen Bedauern gerade einmal zwei Universitäten aus Japan.
Wir wollen keine „japanischen Hochschulen“ mehr, sondern streben „internationale Hochschulen“ an. Die Hochschulen in unserem Land müssen sich international ausrichten. Mein Konzept von einer „Reform der Hochschulen“ besteht darin, sich von der allzu engen Vorstellung zu verabschieden, dass „Hochschulen in Japan dazu da sind, junge Japanerinnen und Japaner auszubilden“.

(Enges Zusammenwirken zwischen Industrie und Hochschulen im wahrsten Sinne des Wortes)
Die ersten beiden Plätze auf der gerade genannten Ranking-Liste nehmen das California Institute of Technology und die Stanford University ein. Einigen von Ihnen dürfte nun sofort ein weiterer Name einfallen – nämlich Silicon Valley. Diese Hochschulen sind eng mit der Wirtschaft verknüpft. Sie haben sogar Einrichtungen, um ihren Absolventen bei der Gründung von Venture-Unternehmen eigenes Kapital zur Verfügung zu stellen. Nicht allein ihr Niveau bei der Forschung, sondern auch ihr hohes Niveau des „Gründergeistes“, der keine Risiken scheut, wird weltweit sehr geschätzt.
Die Vorstellung von der Hochschule als „Elfenbeinturm“ stimmt schon lange nicht mehr. Auch von den Hochschulen in Japan wird nun als Erstes verlangt, einen Neuanfang zu unternehmen. Den Ausgangspunkt dafür bildet der Entschluss, selbst wirtschaftlich aktiv zu werden. Ich bin davon überzeugt, dass daraus ein enges Zusammenwirken zwischen Industrie und Hochschulen im wahrsten Sinne des Wortes entstehen wird. Wir werden die bestehenden Regulierungen und Systeme reformieren, um eine Revolution der Art und Weise, wie Hochschulen agieren, zu erreichen. Damit wollen wir sie in die Lage versetzen, selbst wirtschaftlich tätig zu werden.

(Wandel hin zu internationalen Hochschulen)
Morgen werde ich die Ritsumeikan Asia Pacific University in der Präfektur Oita besuchen. Rund fünfzig Prozent der Lehrkräfte und auch der Studierenden dieser Universität besitzen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Sie kommen keineswegs nur aus den Ländern Südostasiens, sondern auch aus dem Mittleren Osten, aus Botswana oder Usbekistan. Damit kommen sie praktisch aus der ganzen Welt nach Japan. Während ihres Studentenlebens kommen sie mit Kulturen aus aller Welt in Kontakt, und nach ihrem Studienabschluss bilden sie ein Netzwerk, das sich über die ganze Welt erstreckt.
Auf Worte sollen nun Taten folgen: An acht staatlichen Universitäten sollen innerhalb der nächsten drei Jahre etwa 1.500 herausragende Forscherinnen und Forscher aus aller Welt tätig sein. Dadurch wird sich auch die Zahl der Lehrkräfte aus dem Ausland verdoppeln.
Auch die Art und Weise, wie Hochschulen geführt werden, muss sich an globale Standards anpassen. Die Einführung eines Jahresgehaltssystems, die Schaffung eines Umfelds, in dem die Familienangehörigen der Lehrkräfte ihr Alltagsleben in englischer Sprache führen können sowie auch eine Reform des Managements werden nun gefördert werden.
Auch die Verteilung der staatlichen Mittel für die Unterhaltungskosten wird unter „globalen“ Aspekten reformiert, und wir werden die Reformbemühungen der Hochschulen nachdrücklich unterstützen. Die aktive Suche und Anstellung ausländischer Lehrkräfte sowie die Sicherung hervorragender ausländischer Studierender, das enge Zusammenwirken mit Hochschulen in anderen Ländern sowie die Ausweitung der Möglichkeit für Studienabschlüsse, die allein durch englischsprachigen Unterricht erworben werden können, oder schließlich ein bestandenes TOEFL-Examen als Voraussetzung für den Studienabschluss – wir werden die Hochschulen, die sich der Globalisierung entschlossen stellen und sich sowohl qualitativ als auch quantitativ verbessern wollen, sowohl bei der Anpassung der bestehenden Systeme als auch finanziell unterstützen und dafür entsprechende Schwerpunkte bilden. Mein Ziel ist es, dass sich in zehn Jahren unter den100 besten Hochschulen der Welt zehn japanische Hochschulen befinden. Gleichzeitig werden wir auch Oberschulen schaffen, die in der Lage sind, globale Führungskräfte hervorzubringen.

(Stipendien für alle jungen Menschen)
Und dann wünsche ich mir, dass alle jungen Japanerinnen und Japaner die Welt mit eigenen Augen sehen und kennenlernen.
Ich möchte allen jungen Menschen in unserem Land, die den Willen und die entsprechenden Fähigkeiten besitzen, die Chance geben, im Ausland zu studieren. Hierfür werden öffentlicher und privater Sektor zusammenwirken und einen neuen Rahmen schaffen, um die wirtschaftliche Belastung eines Studiums im Ausland zu verringern. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass heute in der Wirtschaft „Ländergrenzen ihre Bedeutung zunehmend verlieren“. Angesichts dieses Zeitalters des heftigen internationalen Wettbewerbs möchte ich humane Ressourcen ausbilden, die „in der Welt bestehen können“.

 

5. Ausweitung der privaten Investitionen

(Umfassende Mobilisierung von Maßnahmen innerhalb einer Phase konzentrierter Investitionen)
Eine seit langem anhaltende Deflation, ein hoher Yen-Kurs, Nachholbedarf auf dem Gebiet der Wirtschaftspartnerschaften und hohe Energiekosten – in den letzten Jahren war Japan ehrlich gesagt kein Land, in dem es sich lohnte, Investitionen zu tätigen. Noch im vergangenen Jahr beliefen sich die privaten Investitionen auf gerade einmal 63 Billionen Yen; das waren rund zehn Prozent weniger als vor dem Lehman-Schock.
Ich habe daher als Erstes damit begonnen, mittels einer entschlossenen Geldpolitik und einer flexiblen Haushaltspolitik einen grundlegenden Wandel des Umfelds zu erreichen. Die Hoffnung, aus der Deflation herauszukommen, hat inzwischen deutlich zugenommen. Darüber hinaus habe ich auch das Tempo beim Abschluss von Wirtschaftspartnerschaften einschließlich der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) erheblich erhöht. Wir werden zudem eine Reform der Stromversorgungssysteme vorantreiben und fördern gleichzeitig Innovationen im Energiebereich. Auch werden wird die Förderung von Brennstoffen z.B. mittels Schiefergas diversifizieren, was eine Senkung der Energiekosten ermöglicht.
Ich denke, dass beim Umfeld für Investitionen in Japan allmählich ein Wandel zu erkennen ist. Ein Pharmaunternehmen überlegte bis vor kurzem, neue Produktionsstandorte in Singapur oder China zu errichten, entschloss sich dann aber doch, in Japan zu investieren, wobei Beihilfen für Ausrüstungsinvestitionen den Ausschlag gaben, die meine Regierung in den Nachtragshaushalt eingestellt hatte. Auch ein Unternehmen, das Druckgussformen produziert, hat sich, obwohl ein verlockendes Angebot aus Südkorea vorlag, ebenfalls für Investitionen in Japan entschieden.
Damit ist es nun an der Zeit, den „dritten Pfeil“ abzuschießen, der die Bereitschaft der Unternehmen zu Investitionen anregen soll. Allerdings wird es nicht möglich sein, diese Bereitschaft, die in den letzten fast zwanzig Jahren stetig abgenommen hat, gleichsam über Nacht neu zu wecken. Wir haben daher die kommenden drei Jahre als eine „Phase zur Förderung konzentrierter Investitionen“ festgelegt und werden, um die Investitionen in unserem Land auszuweiten, eine umfassende Mobilisierung aller möglichen Maßnahmen unternehmen, welche die Bereiche Steuern und Haushalt, Finanzen, Regulierungsreform sowie eine Neugestaltung der bestehenden Systeme umfasst. Die Faktoren, die Investitionen in Japan behindern, werden wir – welche es auch immer sein mögen – entschlossen beseitigen. Dadurch möchte ich zunächst erreichen, dass sich der Umfang der privaten Investitionen bei den Ausrüstungsinvestitionen wieder auf dem Niveau von vor dem Lehman-Schock von 70 Billionen Yen im Jahr erholt.

(Entschlossene Förderung mutiger Investitionen)
Wir müssen Investitionen hervorbringen, mit denen wir im heftigen internationalen Wettbewerb „bestehen“ können.
Die japanische Halbleiterindustrie wird oft als Beispiel für den Niedergang einer Industrie angeführt. Tatsächlich wurde unsere Halbleiterindustrie, früher eine der führenden Industrien unseres Landes, 2002 von Samsung überholt, was die Marktanteile anbelangt. Die Ursache dafür waren Investitionen. Allein zwischen 1999 und 2002 hat Samsung in diesem Bereich mehr als dreimal so viele Investitionen getätigt wie japanische Unternehmen und ist so an Japan vorbeigezogen. Tatsächlich aber ist bei den Halbleitern, die Speicherkarten usw. beinhalten, heute Toshiba der größte Produzent weltweit. Vom Standort Yokkaichi in der Präfektur Mie aus werden diese Halbleiter in die ganze Welt geliefert. Wir dürfen uns nicht von der selbstquälerischen Vorstellung verwirren lassen, die eine Spezialität mancher Kritiker zu sein scheint und die ständig wiederholen, dass es „mit Japan zu Ende geht“. Warum ist Toshiba hier erfolgreich? Die Antwort lautet: Das Unternehmen hat in großem Umfang investiert. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts waren es über zwei Billionen Yen, die an Investitionen in den Standort Yokkaichi geflossen sind. Dank der allerneuesten Ausrüstungen und des Umfangs der Anlagen konnte man Samsung hinter sich lassen.
In jedem Bereich der Wirtschaft ist es so, dass Unternehmen, die „mutig investieren“, gewinnen, während die Unternehmen, die „auf halber Strecke stehenbleiben“, als Verlierer dastehen. Das ist einfach so. Wir haben nicht verloren, weil wir „Japan“ sind, sondern weil es einen „Rückgang bei den Investitionen“ gab und weil wir das „Vertrauen in uns selbst verloren“ haben.
Wir befinden uns heute in einer Zeit, in der wir im heftigen Wettbewerb nicht überleben können, wenn wir nicht weltweit an der Spitze stehen. Wir brauchen daher mutige Investitionen in einem Umfang von hunderten Milliarden Yen, um unsere Konkurrenten überflügeln zu können.
Dies gilt nicht nur für die produzierende Industrie. Auch in den neuen Wachstumsbereichen wie Gesundheit und langes Leben oder Energie müssen wir entschlossene Investitionen in modernste medizinische Geräte oder neueste Anlagen fördern. Allerdings ist es in der Realität sehr schwierig zu erkennen, ob die Auslastung der neuen Anlagen aufrechterhalten werden kann und ob die Investitionen wieder eingefahren werden können. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist ein Rahmen erforderlich, der die Unternehmen dabei unterstützt, sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir werden daher einen neuen Rahmen schaffen, mit dem z.B. verstärkt auf Leasing zurückgegriffen werden kann, indem etwa die Leasingraten je nach Auslastung der Anlagen flexibel gestaltet werden. Angefangen bei der Nutzung dieser Art von finanzieller Unterstützung wird die Regierung mutige Ausrüstungsinvestitionen entschlossen fördern.

(Förderung der Gründung von Venture-Unternehmen)
Auch den Investitionen in Venture-Unternehmen, die für sich genommen zwar klein sind, als Ganzes aber eine wichtige Quelle wirtschaftlicher Vitalität bilden, kommt eine außerordentlich große Bedeutung zu. Was behindert die Gründung von Venture-Unternehmen in Japan? Es ist der Brauch der „persönlichen Haftung“. Einer Untersuchung in Bezug auf diese persönliche Haftung zufolge haften rund neunzig Prozent der Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen persönlich. Je kleiner das Unternehmen ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass eine persönliche Haftung besteht. Siebzig Prozent dieser Unternehmer haften mit ihrem persönlichen Vermögen oder sogar noch darüber hinaus. Wer hier einmal scheitert, verliert alles. Ein zweiter Anlauf ist dann nicht mehr möglich. Tatsächlich aber stellt der Verlust der Erfahrungen und Kenntnisse dieser Menschen durch einen einmaligen Misserfolg auch für Japan als Ganzes einen großen Verlust dar. Um ein Japan zu schaffen, in dem Venture-Unternehmen in großer Zahl gegründet und Investitionen in großem Umfang getätigt werden, müssen wir uns von dem Brauch, sich auf die „persönliche Haftung“ zu konzentrieren, verabschieden. Zwar müssen allzu große Risiken vermieden werden, aber ehrliche Unternehmer, die privates Vermögen und Unternehmensvermögen sorgfältig trennen und verantwortungsvoll wirtschaften, sollten Darlehen auch ohne persönliche Haftung erhalten können. Daher beabsichtige ich, eine neue Institution zu schaffen, die Unternehmer von kleinen und mittleren Unternehmen finanziell unterstützt. Damit möchte ich erreichen, dass sich niemand durch einen ersten oder auch zweiten Misserfolg unterkriegen lässt, sondern vielmehr seine gemachten Erfahrungen dafür einsetzt, ein Unternehmen zu gründen, mit dem neue Bereiche erschlossen werden können.

(Anregung des „Stoffwechsels“)
Um die Produktivität ganz entscheidend zu verbessern, müssen die alten Anlagen verschrottet werden, und es ist – bildlich gesprochen – eine entschlossene Anregung des „Stoffwechsels“ erforderlich.
Heute Abend weilt auch der Berater der Komatsu Ltd., Herr Masahiro Sakane, unter uns. Sein Unternehmen ist gerade dabei, eine vor mehr als vierzig Jahren errichtete Produktionsstätte umfassend zu erneuern. Mit alten Anlagen gestaltet sich das Einsparen von Energie ausgesprochen schwierig. Mit neuen Anlagen hingegen kann der Stromverbrauch um die Hälfte gesenkt werden, während gleichzeitig die Produktivität um bis zu dreißig Prozent gesteigert wird. Die Förderung dieser Anregung des „Stoffwechsels“ wird dazu beitragen, die Worte von Herrn Sakane zu stützen, der fest davon überzeugt ist, dass „die Produktion qualitativ hochwertiger Güter in Japan (Monozukuri) weiterhin möglich ist“.
Innerhalb der Unternehmen ist zudem ein Wechsel, weg von den bisherigen Geschäftsfeldern hin zu neuen Feldern, erforderlich. Strukturen der Überversorgung und Bereiche, die im Inland in einer Art Abnutzungswettbewerb stecken, müssen neu geordnet werden, um die Profitabilität zu erhöhen. Zusätzlich zur Unterstützung der Anregung des „Stoffwechsels“ bei den Ausrüstungen ist meine Regierung auch zu Maßnahmen bereit, um eine umfassende Reform der Unternehmensführung sowie eine Neustrukturierung der Geschäftsfelder zu unterstützen, um auf diese Weise das Ertragspotenzial zu steigern.
Die „Ausweitung der privaten Investitionen“, die „Erschließung neuer Märkte“ und die „Förderung der Neustrukturierung der Geschäftsfelder“ – für diese drei Pfeiler werden wir verschiedenste Maßnahmen in umfassender Weise mobilisieren.

 

6. Eine starke Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

Während meines Besuches in Moskau fand eine große Messe mit japanischen Lebensmitteln statt, die sich regen Zulaufs erfreute. Am Stand des Sushi-Restaurants Kyubey bildete sich eine lange Schlange von Besuchern, die bis zum Ende der Veranstaltung nicht kürzer werden wollte. Hier zeigt sich eben, dass sich der Ruf des „Originals“ auch über Ländergrenzen hinweg verbreitet. Echtes Sushi braucht als Zutat echten japanischen Reis. Und nichts schmeckt besser zu Sushi als Sake aus Japan. All dies geht eine harmonische Verbindung miteinander ein. „Japanische Küche“ ist eben ein „System“, das in Japan kreiert wurde.

(Strategie zur Verdoppelung der Exporte)
Man geht davon aus, dass sich der weltweite Markt für Nahrungsmittel in den kommenden zehn Jahren verdoppeln wird. Damit bieten sich auch uns große Chancen.
Der jetzige globale Nahrungsmittelmarkt hat einen Umfang von 340 Billionen Yen. Der Anteil der japanischen Exporte von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln hat daran gerade einmal einen Anteil von 450 Milliarden Yen. Das darf nicht so bleiben. Bedenkt man die hohe Wertschätzung, die Rindfleisch und Obst aus Japan im Ausland genießen, dann ist hier noch viel Raum für weiteres Wachstum. Und bei den Meeresprodukten gibt es vor allem den Gelbschwanz (Buri) und die Makrele (Saba). Auch hier bietet sich die Möglichkeit, neue Märkte in den Ländern Südostasiens sowie in der EU zu erschließen. Darüber hinaus bietet auch der Export von Reis sowie von Produkten, die aus Reis hergestellt werden, wie etwa Sake, gewiss noch Wachstumspotenzial in den Regionen der Welt, die relativ wohlhabend sind. Mit Hilfe einer Strategie, die genau auf die einzelnen Länder und Produkte abgestimmt ist, wird es uns bestimmt gelingen, die Exporte in diesem Bereich zu verdoppeln und auf einen Umfang von einer Billion Yen zu steigern.

(Steigerung des Mehrwerts)
Als Nächstes der „Geschmack wie bei Muttern“. Am Sonntag habe ich in Sendai einer Familie beim Setzen der Reissetzlinge geholfen. Danach gab es einen Reiskloß. Er war richtig groß und sehr lecker. Der Kloß wurde aus selbst angebautem Reis zubereitet, und die Familie hat in diesem Monat ein eigenes Geschäft für Reisklöße eröffnet. Ob mit Beilagen oder auf andere Weise – wenn man Agrarprodukte nicht nur allein verkauft, sondern irgendwie anrichtet und zubereitet, erhöht sich ihr Mehrwert erheblich. Und wenn man es schafft, diese Produkte direkt an die Verbraucher weiterzugeben, dann spart man sich nicht nur die Kosten für den Vertrieb, sondern kann auch noch unmittelbar auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Dies wiederum ermöglicht das Kreieren neuer Produkte, die sich dann noch besser verkaufen lassen.
Darüber hinaus eröffnet auch die Kooperation mit den unterschiedlichsten Bereichen wie etwa der Tourismusindustrie sowie Gesundheits- und Wohlfahrtseinrichtungen die Möglichkeit, die Einnahmen weiter zu steigern. In der japanischen Landwirtschaft wurde ein solcher Ansatz bislang eher wenig verfolgt. Gerade hier aber bieten sich fast unbegrenzte Möglichkeiten. Ich möchte den Markt für diese sogenannte „sechste Industrialisierung“, der heute einen Umfang von einer Billion Yen hat, in zehn Jahren auf zehn Billionen Yen ausweiten. Hierfür werden wir den Produzenten, die sich für die Schaffung neuer Geschäftsmodelle einsetzen, mit Hilfe eines öffentlichen Fonds finanzielle Unterstützung gewähren. Dies ist sozusagen ein „Fonds zur Erschließung einer profitablen Landwirtschaft“.

(Strukturreformen auf Seiten der Versorger)
Auch auf Seiten der Versorger sind Reformen unerlässlich. Denn die Situation in der Agrarwirtschaft und in den landwirtschaftlichen Gemeinden gestaltet sich zunehmend schwierig.
In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Umfang der Agrarproduktion von vierzehn Billionen Yen auf 10 Billionen Yen gesunken, und das Einkommen der produzierenden Landwirtschaft hat sich von sechs Billionen Yen auf drei Billionen Yen halbiert. Das Durchschnittsalter der hauptberuflich im Agrarbereich Beschäftigten beläuft sich heute auf 66 Jahre. In den letzten zwanzig Jahren ist es um gut zehn Jahre gestiegen. Dies bedeutet, dass immer weniger junge Menschen in der Landwirtschaft tätig sind. Die stillgelegten Anbauflächen haben sich in diesen zwanzig Jahren verdoppelt. Sie haben nun einen Umfang, der der Gesamtfläche der Präfektur Shiga entspricht.
Die rasch voranschreitende Alterung erscheint auf den ersten Blick wie eine „Krise“. Ich denke aber, dass dies auch die Möglichkeit einer „Chance“ zu energischen Strukturreformen bietet, nämlich dann, wenn es gelingt, den Stab an ambitionierte junge Menschen weiterzugeben.
Am letzten Sonntag hatte ich in Sendai Gelegenheit, mit jungen Menschen zu sprechen, die sich mit großem Eifer in der Landwirtschaft engagieren. Ich halte sie für wirklich vertrauenswürdig, und sie haben mir neue Hoffnung gemacht. Es gab auch eine junge Frau, die völlig neu in der Landwirtschaft ist. Sie hat verstreut liegende Anbauflächen gesammelt, die sie zur Grundlage einer gegenläufigen Entwicklung machen will. Da es sich bei dieser zu entwickelnden Region zudem um ein Gebiet handelt, das vor zwei Jahren vom schweren Erdbeben getroffen wurde, erklärte sie mir nachdrücklich, wie sie diese Grundlagen in der Entwicklung der Landwirtschaft für den Wiederaufbau der betroffenen Region nutzen will. Gab es jemals eine Zeit, in der die Landwirtschaft als Industrie so sehr im Mittelpunkt stand wie heute? Ich bin der Ansicht, dass die Landwirtschaft in Japan bereits bislang und gerade auch heute große Aufmerksamkeit erfährt. Daher ist es meine feste Absicht, Strukturreformen in der Landwirtschaft entschlossen zu unterstützen. Dabei geht es vor allem um die Konzentration der Anbauflächen. Ohne eine solche Konzentration ist eine Steigerung der Produktivität nicht möglich. Aus diesem Grund werden wir auf der Ebene der Präfekturen eine Organisation ins Leben rufen, die die Aufgabe hat, als mittelfristige Aufnahmeeinrichtung für Anbauflächen zu fungieren. Man könnte diese Organisation als „Bank zur Konzentration von Anbauflächen“ bezeichnen. Diese öffentliche Institution wird dann von einzelnen Eigentümern Anbauflächen pachten. Nachdem die erforderlichen Grundlagen geschaffen wurden, werden diese Flächen dann neu geordnet und an „Träger“ mit Ambitionen in der Landwirtschaft verpachtet, zu denen auch private Unternehmen gehören können. Um darüber hinaus auch die erneute Nutzung stillgelegter Anbauflächen durch ambitionierte „Träger“ zu fördern, werden wird zudem das dafür notwendige rechtliche Verfahren vereinfachen.

(Ziel der Verdoppelung der Einkommen in der Agrarwirtschaft und in den landwirtschaftlichen Gemeinden)
Indem wir ein breites Spektrum an Maßnahmen umsetzen, das sich auf die gerade erläuterten Säulen stützt, wird es uns ohne Zweifel gelingen, die Einkommen in der Agrarwirtschaft sowie in den landwirtschaftlichen Gemeinden zu verdoppeln. Ich verkünde daher hier und heute offiziell das „Ziel der Verdoppelung der Einkommen in der Agrarwirtschaft sowie in den landwirtschaftlichen Gemeinden“. Auch der unter Premierminister Ikeda seinerzeit aufgestellte Plan zur Verdoppelung der Einkommen war als Zehn-Jahres-Plan angelegt. Ich werde daher in den kommenden zehn Jahren im Rahmen der Förderung der „sechsten Industrialisierung“ eine Strategie für die Verdoppelung der Einkommen in der Agrarwirtschaft sowie in allen landwirtschaftlichen Gemeinden erstellen und umsetzen. Um diese Strategie entschlossen voranzutreiben, wird im Amt des Premierministers der „Stab zur Förderung der Vitalität in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und in den entsprechenden Regionen“ neu eingerichtet, wobei ich die Funktion des Vorsitzenden übernehme. Dieser Stab wird bereits in der nächsten Woche seine Arbeit aufnehmen.
„Alles wird von mir selbst bestimmt. Wenn ich mich in der Landwirtschaft anstrenge, dann steigt auch mein Einkommen. Da bin ich mir sicher.“ Einer der jungen Leute, mit denen ich am letzten Sonntag zusammenkam, hat mir dies mit leuchtenden Augen erzählt. Wenn die Landwirtschaft ihre Vitalität bewahrt, wird dies zweifelsohne auch zur Belebung der Regionen beitragen. Ich werde mich dafür einsetzen, eine „starke Landwirtschaft“ zu schaffen, angesichts der junge Menschen von dem Wunsch erfüllt werden, sich in diesem Bereich zu engagieren.

(Schutz der schönen Heimat)
Das Wunderbare an der Landwirtschaft ist, dass es sich bei ihr um mehr handelt als nur um eine Wachstumsindustrie.
Die Landwirtschaft in den mittleren Gebirgsregionen einschließlich der Terrassenfeldanlagen reguliert die Wasserzufuhr zu den Feldern und erfüllt damit gleichzeitig vielfältige wichtige Funktionen für die Verhütung von Überschwemmungen in den flussabwärts gelegenen Gebieten. Ihr kommt damit ein großer Wert zu, der sich nicht allein nach wirtschaftlichen Maßstäben berechnen lässt. Um diese vielfältigen Funktionen entsprechend zu würdigen, müssen wir ein neues „System für direkte Zahlungen“ schaffen.
Die Schönheit des Anblicks einer Landschaft mit gut eingerichteten und gepflegten Feldern ist atemberaubend. In Japan besteht die Tradition, frühmorgens aufzustehen, auf den Feldern zu arbeiten, das Wasser für die Bewässerung miteinander zu teilen sowie für eine gute Ernte der Korn- und Hülsenfrüchte zu beten. Auf diesen „Charakter“ unseres Landes, bei dem die Landwirtschaft im Zentrum steht, können wir zu Recht stolz sein, und wir werden ihn entschlossen schützen. Wenn die produzierende Industrie die Grundlage für Japans rasches Wachstum bildete, dann bildet die Landwirtschaft den „Kern unseres Landes“, mit anderen Worten: die Grundlage für die Traditionen und die Kultur Japans.

 

7. Cool Japan-Strategie

Vor kurzem habe ich im Kabuki-Theater das Stück „Kanjincho“ gesehen, das zu den achtzehn bekanntesten Kabuki-Stücken gehört. Dieses Stück wurde vor sechs Jahren mit dem inzwischen verstorbenen Ichikawa Danjuro in Paris aufgeführt, wo es vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Die Menschen im Ausland können noch immer viel über Japan lernen. Wie können wir sie für Japan begeistern und die Kultur unseres Landes exportieren? Auch auf diesem Gebiet wird sich meine Regierung nun mit Nachdruck engagieren.

(Japan als bedeutendes Tourismusziel)
Viele Ausländer, die gegen Ende der Edo-Zeit und zu Beginn der Meiji-Zeit (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) nach Japan kamen, haben darüber berichtet, wie tief sie vom Anblick der Landschaft mit ihren Feldern und vom einnehmenden Charakter der Menschen in unserem Land beeindruckt wurden. Damit kann Japan bereits auf eine lange Geschichte als „bedeutendes Tourismusziel“ zurückblicken. Morgen werde ich im Quellbad Beppu übernachten, das inzwischen auch von zahlreichen Touristen aus dem Ausland besucht wird.
Die Zahl der ausländischen Touristen in Japan beläuft sich auf rund acht Millionen Besucher im Jahr. In Südkorea hingegen hat sie sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt und liegt nun bei etwa 11 Millionen Besuchern jährlich. Damit wurde Japan überholt. Zwar mögen auch die unterschiedlichen Wechselkurse eine große Rolle spielen, aber als ein strukturelles Problem wirken die unterschiedlichen Visaregelungen. Touristen aus Thailand oder Malaysia benötigen, um nach Japan einzureisen, ein Visum, während für Südkorea bei Aufenthalten bis zu 90 Tagen kein Visum erforderlich ist.
Wir streben nun zunächst eine Besucherzahl in Japan von zehn Millionen Menschen jährlich an, während als Endziel eine Zahl von zwanzig Millionen Besuchern angepeilt wird. Hierfür werden wird auch die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa in der Weise erleichtern, dass sie einem Land entsprechen, das als bedeutendes Tourismusziel gilt. Bisher wurde der Blick vor allem auf Besucher aus China und Südkorea gerichtet. In diesem Jahr nun feiern wir das vierzigjährige Jubiläum der Freundschaft zwischen Japan und den ASEAN. Um die Zahl der Touristen auch aus diesen Ländern zu erhöhen, werden wir die Visavorschriften vor allem mit Blick auf Besucher aus den ASEAN-Mitgliedsstaaten neu gestalten.

(Verbreitung von Medieninhalten im Ausland)
In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich die Zahl der Besucher aus Taiwan in Hokkaido verfünffacht. Was ist der Grund für diesen beeindruckenden Anstieg? Ganz einfach: ein Fernsehprogramm zur Präsentation Hokkaidos, das in Taiwan ausgestrahlt wurde.
„Kyari Pamyu Pamyu“ - ist Ihnen dieser etwas schwer auszusprechende Name bereits bekannt? Die Popularität dieser sehr bekannten Sängerin – ich versuche mich lieber nicht noch einmal an ihrem Namen – und die Verdoppelung des Umsatzes der Serie „Okayama Momotaro“ im Ausland beruhen darauf, dass beide im Rahmen eines Fernsehprogramms über Japan in Frankreich vorgestellt wurden. „Kyari Pamyu Pamyu“ war, bevor sie auch in Japan einem größeren Publikum bekannt wurde, bereits in Frankreich ein Star.
In Bezug auf Südkorea bot der Export von Fernsehserien und -filmen den Anlass dafür, dass heute weltweit von „Korean Beauty“ gesprochen wird. Das Land hat sein Handelsdefizit im Bereich Kosmetik mittlerweile abgebaut und sich zu einem wichtigen Kosmetikexporteur entwickelt.
Die Verbreitung von Medieninhalten im Ausland birgt somit großes Potenzial. Auf diesem Gebiet ist Japans Engagement noch keineswegs ausreichend. Unser Export liegt bei weniger als der Hälfte des südkoreanischen Exports. Wenn man das große Potenzial der japanischen Kulturindustrie bedenkt, ist das eine Zahl, die eigentlich so nicht stehen bleiben darf. Wir werden daher die Verbreitung von Medieninhalten im Ausland in großem Umfang vorantreiben. Zu diesem Zweck werden wir die Bearbeitung der Medieninhalte an die Bedürfnisse der Zielländer sowie den Verkauf unterstützen. In Indien muss der Held der Baseball-Serie „Star of the Giants“ dann eben Kricket spielen.
Seit diesem Jahr wird in Singapur der Sender „Hello JAPAN“ ausgestrahlt, der ausschließlich japanische Serien und Inhalte verbreitet. Mit Blick darauf kommt auch der Sicherung von Kanälen und Übertragungsmöglichkeiten im Ausland eine große Bedeutung zu. Zu diesem Zweck haben der öffentliche und der private Sektor in Japan gemeinsam den Fonds „Förderorganisation Cool Japan“ ins Leben gerufen und mit fünfzig Milliarden Yen ausgestattet. Eine Ausstrahlung im Ausland macht eine recht komplizierte Abstimmung der Rechte in Bezug auf die einzelnen Schauspieler und Musiktitel erforderlich. Dies ist eine Aufgabe, auf die bereits oft hingewiesen wurde, die aber lange nicht in Angriff genommen wurde. Meine Regierung wird sich dieser Aufgabe nun annehmen. Hierfür werden wir eine Einrichtung schaffen, die die komplizierte Prozedur der Rechteabstimmung in einer Hand erledigt. Für die kommenden fünf Jahre streben wir eine Verdreifachung des Umsatzes im Ausland an. Dies wird sich dann auf 400 Milliarden Yen belaufen. Wir möchten „Cool Japan“ quasi als Vorreiter nutzen und dann auch die produzierende Industrie sowie den Dienstleistungsbereich in einem ganz Japan umfassenden Ansatz verstärkt im Ausland anbieten.

 

8. Schlussbetrachtung

Im letzten Monat habe ich meine erste Rede zur Wachstumsstrategie gehalten, bei der vor allem die Frauen im Mittelpunkt standen. Heute nun habe ich für meine zweite Rede den Schlüsselbegriff „in der Welt bestehen“ gewählt und insbesondere über Maßnahmen zur Ausweitung der Investitionen, u.a. durch eine Reform der Regulierungen und Systeme, sowie über eine starke Landwirtschaft gesprochen. Damit bin ich aber noch nicht am Ende angelangt. Ich werde vielmehr den Willen zu Reformen fortführen und weiter entschlossen voranschreiten.

Nun möchte ich zum Ende auf den geistigen Vater der „Akademeia“ eingehen und mit einem Hinweis auf Platons „Höhlengleichnis“ schließen.
Tief in einer Höhle hält ein Mensch, der seit frühester Kindheit seinen Blick allein auf die gegenüberliegende Wand richten kann, die „Schatten“, die auf dieser Wand auftreten, für die „Wirklichkeit“. Wenn ihm nun erlaubt wird, sich umzuwenden, wird er erstmals erkennen, dass das, was er bislang sah, nur „Schatten“ waren. Wenn er weiterhin aus der Höhle herausgeführt wird und zum ersten Mal das Licht der Sonne sieht, dann erkennt er, dass die Welt, in der er bislang lebte, nur ein winziger Teil der großen Welt war.
Die von mir verfolgte Politik „in einer ganz neuen Dimension“ mag die Menschen, die bislang nur die Höhlenwand gesehen haben, wirklich überrascht haben. Aber werden sie, wenn sie später die Welt draußen gesehen haben, nicht erkennen, dass diese Maßnahmen eigentlich selbstverständlich waren? In einer von der Sonne beschienenen Welt präsentiert sich ein Japan mit starkem Wachstum. Wir müssen endlich aus der Höhle heraustreten und dürfen dabei nicht zögerlich sein. Ohne „Handeln“ gibt es kein „Wachstum“.
Sie, verehrte Mitglieder der „Japan Akademeia“ sind bereits aus Platons Höhle herausgetreten, und ich bitte Sie um Ihre tatkräftige Unterstützung auf unserem gemeinsamen Weg bei der Umsetzung meiner Wachstumsstrategie.

Im nächsten Monat steht die Kommunalwahl in Tokyo an, und im Juli folgt dann die Oberhauswahl. Auch wenn sich das Umfeld inzwischen ein wenig verändert hat, ist unser Kampf dafür, Japan wieder an die Spitze zurückzuführen, noch lange nicht vorbei. Wir möchten wieder eine starke Wirtschaft haben. Dies ist es, was sich die Menschen in Japan wünschen. Eine starke Wirtschaft bedeutet auch eine entsprechende Außenpolitik, eine Sicherheitspolitik und eine robuste soziale Sicherheit. Wir werden den Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik legen und auch weiterhin entsprechende Schritte unternehmen.

Dabei dürfen wird den Wiederaufbau nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans nicht vergessen.
Letzten Sonntag habe ich wieder einmal die Präfektur Miyagi besucht. Seit ich das Amt des Premierministers angetreten habe, bin ich jeden Monat in die vom Erdbeben betroffenen Gebiete gereist. Ich möchte den Wiederaufbau dort so sehr beschleunigen wie nur möglich. Deshalb besuche ich diese Gebiete und lausche den Menschen vor Ort. Auf diese Weise erzielen wir Schritt für Schritt kleine Fortschritte. Ich werde meine monatlichen Besuche in diese Gebiete fortsetzen und bin fest entschlossen, den Wiederaufbau nachdrücklich voranzutreiben.

Damit entsprechende Maßnahmen weiter getroffen werden und diese auch Ergebnisse hervorbringen können, ist politische Stabilität unerlässlich. Eine Politik, die keine Entscheidungen fällt, gefährdet die Zukunft Japans. Haben die Bürgerinnen und Bürger nicht bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie genug von einem Parlament haben, in dem im Ober- und Unterhaus unterschiedliche Mehrheiten bestehen? Bei der anstehenden Wahl zum Oberhaus geht es auch darum, die japanische Politik wieder handlungsfähig zu machen.

Gemeinsam mit Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich den anstehenden heißen Sommer mit großem Schwung meistern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 


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