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Neues aus Japan Nr.106 September 2013

Der Haager Verhaltenskodex (HCOC) und das Engagement gegen die Verbreitung ballistischer Raketen

Im Mai 2013 übernahm Japan den Vorsitz des Rahmenwerkes „The Hague Code of Conduct Against Ballistic Missile Proliferation“ (HCOC), mit dem sich die Staatengemeinschaft für eine Verhinderung der Verbreitung von ballistischen Raketen einsetzt. Mit nuklearen, biologischen oder chemischen Sprengköpfen bestückte Raketen stellen für die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft eine große Bedrohung dar, sodass dem Engagement der Staatengemeinschaft gegen die Verbreitung dieser Raketen große Bedeutung zukommt. In diesem Beitrag wird das Engagement der internationalen Gemeinschaft sowie von Seiten Japans für die Sicherung von Frieden und Stabilität weltweit vorgestellt, wobei die Gründung des HCOC und seine Aufgaben im Mittelpunkt stehen.

 

Die Verbreitung von Raketentechnologie als Bedrohung der globalen Sicherheit

Die Verbreitung von Raketentechnologie, z.B. ballistische Raketen oder Marschflugkörper als Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen wie etwa Kernwaffen, erfüllt die internationale Gemeinschaft mit großer Sorge. Insbesondere ballistische Raketen sind nach ihrem Start innerhalb kürzester Zeit in der Lage, ihr Ziel zu erreichen. Auch ist ein Raketensprengkopf sehr viel kleiner als etwa ein Bombenflugzeug, sodass sich seine Entdeckung und Verfolgung mit konventionellen Radarsystemen schwierig gestaltet. Sind ballistische Raketen mit nuklearen, biologischen oder chemischen Sprengköpfen bestückt, können sie selbst bei geringer Zielgenauigkeit außerordentlich großen Schaden verursachen. Gegenwärtig sind 38 Staaten bzw. Regionen im Besitz der Technologie für ballistische Raketen, darunter Nordkorea, Indien, Pakistan und Iran.

 

 

 

Start nordkoreanischer Raketen stellt für Japan eine große Bedrohung dar

Gegenwärtig stellen nordkoreanische Raketen eine ernste Bedrohung für die Sicherheit Japans und der angrenzenden Region dar. Neben der Stationierung ballistischer Raketen vom Typ „Nodong“, deren Reichweite fast das gesamte japanische Territorium abdeckt, existiert noch die „Taepodong 1“, die 1998 Japan überflog und dann in den Pazifik stürzte. Schließlich verfügt Nordkorea noch über die „Taepodong 2“, die seit 2006 getestet wird und deren Reichweite bis zur Pazifikinsel Guam mit ihren US-Militärbasen sowie bis zum amerikanischen Festland reichen soll. Im April und Dezember 2012 hat Nordkorea Raketenstarts unternommen, obwohl die Staatengemeinschaft das Land nachdrücklich dazu aufgefordert hatte, diese Starts zu unterlassen. Dies stellt einen eindeutigen Verstoß gegen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen dar und ist gleichzeitig eine schwerwiegende Provokation mit Blick auf den Frieden und die Stabilität in der Region unter Einschluss Japans. Japan hat dementsprechend mit großem Nachdruck gegen Nordkoreas Vorgehen protestiert. Im Januar 2013 hat der Sicherheitsrat zudem den Raketenstart Nordkoreas vom Dezember 2012 verurteilt und einstimmig die Resolution Nr. 2087 verabschiedet, mit dem die gegen Nordkorea verhängten Sanktionen weiter verschärft wurden.

 

Engagement der internationalen Gemeinschaft gegen die Verbreitung von Raketen

1987 wurde unter Federführung der G7 (der führenden Industriestaaten Japan, USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Kanada) zur Verhinderung der Proliferation von Raketen, die als Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen wie Kernwaffen dienen können, das „Missile Technology Control Regime“ (MTCR) ins Leben gerufen, mit dem der Export von Raketen sowie der für ihre Entwicklung erforderlichen Güter und Technologien eingeschränkt werden sollte. Übrigens bestehen nicht nur in Bezug auf Raketen, sondern auch in Bezug auf Kernwaffen, biologische und chemische Waffen sowie konventionelle Waffen insgesamt vier Rahmenwerke zur Exportkontrolle, um durch ein Zusammenwirken auf internationaler Ebene in diesem Bereich das Nichtverbreitungsregime zu verstärken. Allerdings schritt die Entwicklung von Raketen durch Staaten, die nicht Mitglieder im MTCR sind, weiter voran, sodass in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die globale Verbreitung von Raketentechnologie immer offensichtlicher wurde. Dadurch gelangte man zu der Überzeugung, dass man es nicht bei einer Kooperation für die Exportkontrolle belassen kann, sondern vielmehr ein neuer politischer Rahmen notwendig ist, um die Proliferation von Raketen zu verhindern.

 

Der Haager Verhaltenskodex (HCOC) wird ins Leben gerufen

Angesichts der wachsenden Besorgnis in Bezug auf die Verbreitung ballistischer Raketen auf internationaler Ebene begann zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Prüfung der Gestaltung eines Rahmens zur Verhinderung der Verbreitung ballistischer Raketen auf globaler Ebene, bei dem das MTCR im Mittelpunkt stand. Nachdem die bei der Generalversammlung der MTCR-Mitgliedsstaaten in Ottawa im September 2001 für alle Staaten offene Diskussion eingeleitet wurde, wurde schließlich 2002 im niederländischen Den Haag der „Haager Verhaltenskodex gegen die Verbreitung ballistischer Raketen“ (HCOC) als erste internationale Übereinkunft zur Verhinderung der Proliferation solcher Raketen von insgesamt 93 teilnehmenden Staaten verabschiedet. Seit der Verabschiedung gab es bis heute insgesamt fünf Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die auf den HCOC Bezug nehmen (u.a. Begrüßung der Verabschiedung sowie Aufforderung zur Teilnahme). Dies spiegelt die allgemeine positive Bewertung wider, die diesem Rahmen als internationaler Übereinkunft gegen die Verbreitung von Raketen durch die internationale Gemeinschaft zuteilwird.

 

Mitgliedsstaaten des HCOC und die Umsetzung des Kodex

Der HCOC stellt kein internationales rechtsverbindliches Übereinkommen dar; vielmehr ist er ein Dokument, in dem die Mitgliedsstaaten ihre politische Absicht bekunden, die dort angeführten Prinzipien und Maßnahmen zu beachten. Das Abkommen ist für alle Staaten offen. Ende Juni 2013 zählte das HCOC insgesamt 135 Mitgliedsstaaten. Um die Zahl der Mitglieder weiter auszuweiten, sind die Staaten, die bisher nicht Mitglied des HCOC sind, nachdrücklich aufgefordert, dem Kodex beizutreten. Japan ist eines der Gründungsmitglieder des HCOC, während die Rolle des Sekretariats von der Regierung Österreichs übernommen wird, die als zentraler Ansprechpartner fungiert. Der Vorsitz in der Generalversammlung wechselt jährlich; seit Mai 2013 hat nun Japan erstmals diese Funktion inne.

 

 

Inhalte des HCOC (1): Verhinderung der Proliferation von Raketen, Beschränkungen in Bezug auf Erprobung, Entwicklung und Stationierung

Die Aktivitäten des Haager Verhaltenskodex umfassen insgesamt fünf Punkte. (1) Die Verhinderung der Verbreitung ballistischer Raketen, (2) die Verhinderung der Nutzung ziviler Weltraumraketen als Tarnung für ballistische Raketen, (3) eine möglichst umfassende Beschränkung in Bezug auf Erprobung, Entwicklung und Stationierung von ballistischen Raketen (dies beinhaltet nach Möglichkeit auch die Reduzierung solcher Raketen), (4) die Nichtunterstützung ballistischer Raketenprogramme von Staaten, die entgegen den Verpflichtungen des Nichtverbreitungsvertrags möglicherweise die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen anstreben sowie (5) vertrauensbildende Maßnahmen. Punkt (2) wurde bei der Abfassung des HCOC von Japan vorgeschlagen. Die vertrauensbildenden Maßnahmen umfassen u.a. Maßnahmen für Staaten im Besitz ballistischer Raketen bzw. von Raketen, die im Rahmen friedlicher Weltraumforschung genutzt werden, wie z.B. die Offenlegung von Informationen, um innerhalb der internationalen Gemeinschaft möglichen Missverständnissen vorzubeugen sowie bestehendes Misstrauen abzubauen.

 

 

Inhalte des HCOC (2): Vertrauensbildende Maßnahmen

Als sogenannte vertrauensbildende Maßnahmen werden den Mitgliedsstaaten eine Reihe konkreter Schritte empfohlen. Diese umfassen u.a. „Vorstartnotifikationen“ bei Starts von ballistischen Raketen sowie Weltraumraketen, das „Vorlegen eines Jahresberichtes in Bezug auf erfolgte Raketenstarts und entsprechende Maßnahmen“ sowie die „Erlaubnis zur Besichtigung von Startanlagen“. Die Vorstartnotifikationen und der Jahresbericht werden von Japan stets zeitnah umgesetzt. Zudem fand 2005 eine internationale Besichtigung der Startanlagen für die von Japan gebaute Weltraumrakete H-II im Weltraumzentrum Tanegashima statt.

 

Japans Engagement für die Nichtverbreitung von Raketen im Rahmen des HCOC

Japan, das im Mai 2013 den Vorsitz des HCOC übernommen hat, hat bei der 12. Generalversammlung am 30. und 31. Mai in Wien als eine vordringliche Aufgabe die Umsetzung des Verhaltenskodex durch die Mitgliedsstaaten angeführt. Dies beinhaltet u.a. auch ein verstärktes Einwirken auf die Staaten, die dem HCOC bislang nicht beigetreten sind, eine Mitgliedschaft anzustreben (sogenannte „Outreach-Aktivitäten“). Darüber hinaus ist Japan der Auffassung, dass die Bedeutung des Engagements für den HCOC den Menschen in Japan und in den Ländern weltweit noch deutlicher vor Augen geführt werden sollte sowie dass die Stärkung des Bewusstseins in Bezug auf die Nichtverbreitung von Raketen im In- und Ausland eine wichtige Aufgabe darstellt. Japan wird auch in Zukunft mit anderen Staaten eng zusammenwirken und einen Beitrag dafür leisten, dass der Haager Verhaltenskodex künftig als universeller und effektiver Kodex für die Verhinderung der Verbreitung ballistischer Raketen wirken kann.

 

 

 

Anmerkung: Der vorliegende Beitrag erschien am 27.06.2013 als 102. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ auf der Webseite des Außenministeriums von Japan. Er wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.

 

 


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