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Neues aus Japan Nr.123 Februar 2015

Bonsai – eine über 800 Jahre alte Kunst der Reproduktion der Natur aus Japan

Japan besteht zu siebzig Prozent aus Wäldern. Damit hat Japan nach Finnland den zweithöchsten Waldanteil unter den Industriestaaten weltweit. Die Menschen in Japan leben seit jeher in unmittelbarer Nähe von Wäldern und ihr Leben ist daher eng mit Bäumen verknüpft. Mit Hilfe von Bonsai haben die Japaner Bäume fest in ihr Alltagsleben integriert. Dieses Hobby könnte man sogar als Kunst bezeichnen, bei der in kleinen Gefäßen beeindruckende Landschaften kreiert werden.

Es heißt, dass ornamentale Pflanzen und Bäume erstmals vor rund 800 Jahren in Gefäße eingepflanzt wurden; heute erfreut sich diese Kunst auch im Ausland großer Beliebtheit. Es gibt sogar eine Art Bonsai-Weltmeisterschaft, die alle vier Jahre stattfindet. Die achte World Bonsai Convention wird 2017 in der japanischen Stadt Saitama veranstaltet werden. Bonsai-Enthusiasten aus aller Welt kommen bei diesen Veranstaltungen zusammen, um ihre Techniken weiter zu verfeinern und die freundschaftlichen Bande untereinander zu vertiefen. Es scheint so, dass sich das Bonsai-Fieber immer weiter ausbreitet, da sich insbesondere auch junge Menschen zunehmend für noch kleinere Mini-Bonsai begeistern.

 


Eine Japanische fünfnadlige Kiefer namens Uzushio. © The Omiya Bonsai Art Museum, Saitama

 

 

In die gewünschte Form bringen

Auf der ganzen Welt haben Menschen Freude daran, Pflanzen in Gefäßen zu züchten. Der Anblick einer Topfpflanze in der Ecke eines Zimmers vermittelt dem Betrachter ein Gefühl des Friedens und der Heilung. Topfpflanzen bringen eine frische Brise in unser Alltagsleben, egal ob am Arbeitsplatz oder Zuhause.

Aber auch wenn gewöhnliche Topfpflanzen und Bonsai einander ähnlich zu sein scheinen, unterscheiden sich beide doch beträchtlich voneinander.

Bonsai bedeutet keineswegs das Züchten von Pflanzen in Töpfen, sondern vielmehr die Reproduktion einer landschaftlichen Szenerie in einem Gefäß. Das bedeutet, dass Bäume, die in der freien Natur mehrere Meter groß werden, so kultiviert werden müssen, dass sie zur Größe des Gefäßes passen. Ihre Größe kann dabei zwischen ein paar Dutzend Zentimetern bis hin zu ca. einem Meter reichen.

Allerdings sind Bäume Lebewesen, so dass selbst dann, wenn man glaubt, man habe sie in die gewünschte Form gebracht, plötzlich Knospen oder Zweige an völlig unerwarteten Stellen auftauchen können. Aus diesem Grund muss man die Form eines Baums stets sorgfältig beobachten und sozusagen mit ihm „sprechen“: Damit ist die Pflege über viele Jahre hinweg gemeint, bei der man den Bonsai immer wieder schneidet und sich um seine verschiedenen Bedürfnisse in Bezug auf Sonnenlicht, Wasser und Dünger kümmert. Auf diese Weise nimmt der Baum letztendlich die Form an, die einem selbst vor Augen schwebt. Dies ist der eigentliche Reiz von Bonsai.

 


Ein Besucher aus dem Ausland beim Betrachten von Bonsai. © KyodoNews

 

 

Der japanische Sinn für Schönheit

Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Arten von Bonsai. Unter anderem werden dafür immergrüne Pflanzen wie Kiefern oder auch traditionelle Eichen verwendet. Daneben gibt es Ahorn und japanische Ulmen, deren Blätter sich mit den vier Jahreszeiten verändern, und auch Pflaumen oder Azaleen (satsuki), an deren Blütenpracht man sich erfreuen kann. Tatsächlich aber denken viele Japaner – wenn sie Bonsai hören – vor allem an Kiefern.

Hinzu kommen verschiedene Stile, in denen die Bäume eingepflanzt und kultiviert werden. Die grundlegende Stilrichtung ist die, bei der der Stamm aufrecht wächst und dabei von den Wurzeln bis zur Spitze immer schmaler wird; dieser Stil wird Chokkan (wörtlich „gerader Stamm“) genannt. Daneben gibt es den Shakan-Stil (wörtlich „schräger Stamm“), bei dem der Stamm nach links oder rechts geneigt ist, ganz so, wie in der Natur windgepeitschte Bäume schräg emporwachsen. Das Strecken des Stamms mit Hilfe von Verdrehen und Biegen in die verschiedenen Richtungen wird Moyogi (wörtlich „gemusterter Baum“) genannt.

 


Links: Eine „Schwarzkiefer“ namens Seiran (wörtlich „Blauer Sturm“) – ein typisches Beispiel für den Chokkan-Stil.
© The Omiya Bonsai Art Museum, Saitama
Rechts: Eine „Japanische fünfnadlige Kiefer“ – ein Beispiel für die wunderschöne Harmonie zwischen dem
geneigten Stamm und den Zweigen. © The Omiya Bonsai Art Museum, Saitama

 

Allerdings bedeutet dies nicht, dass eine feste Definition oder Festlegung dahingehend besteht, wie Bonsai „kultiviert werden sollten.“ In der freien Natur gibt es keine zwei Bäume, die identisch sind. Die Zweige drehen und die Stämme neigen sich entsprechend der Art und Weise, in der sie Wind und Regen ausgesetzt sind, und auch die Wurzeln treiben aus. Das Wesentliche besteht darin, dass die Freude am Nachahmen solcher Elemente sowie an der Reproduktion der Natur in den typisch japanischen Sinn für Schönheit übertragen wird, der als Wabi Sabi (ein Sinn für Schönheit, der aus einer stillen, dezenten Verfeinerung entsteht) bezeichnet wird.

 


Links: Die Japanische Aprikose steht bereits zu Beginn des Frühlings in wunderschöner Blüte.
© The Omiya Bonsai Art Museum, Saitama
Rechts: Eine Quitte, deren Zweigspitzen wie Flammen aufleuchten.
© The Omiya Bonsai Art Museum, Saitama

 

Das weltweit erste Museum für Bonsai-Kunst

Das Omiya Bonsai Art Museum in der Stadt Saitama, in der gleichnamigen Präfektur nicht weit entfernt von Tokyo gelegen, hat sich zu einem Zentrum des Interesses von Bonsai-Enthusiasten entwickelt. Es öffnete im März 2010 seine Pforten als weltweit erstes Museum für Bonsai-Kunst. Hier kann der Besucher nicht nur ausgewählte Meisterwerke betrachten, sondern u.a. auch die Gefäße, in die Bonsai eingepflanzt werden, sowie dekorative Steine finden. Das Museum bietet Audio Guides in englischer, chinesischer und koreanischer Sprache an, so dass auch Besucher aus dem Ausland sich nicht nur am Anblick der Exponate erfreuen können, sondern auch weitere Aspekte der Bonsai-Kunst wie z.B. ihre Geschichte kennenlernen können.

Die Gärten von Happo-En, einer Location für Hochzeitsfeiern im Tokyoter Stadtbezirk Minato, sind ebenfalls ein beliebter Anziehungspunkt für Bonsai-Liebhaber. Hier findet man die sogenannte „Bonsai-Straße“, ein Pfad, der auf seiner ganzen Länge von über 100 Jahre alten Bonsai gesäumt wird.

 


Links: Die Bonsai-Straße in Happo-En.
Rechts: Eine rund 520 Jahre alte traditionelle Eiche, die auf der Bonsai-Straße ausgestellt ist.

 

 

Mini-Bonsai – beliebt bei jungen Menschen

Einerseits trifft es durchaus zu, dass Bonsai in dem Ruf stehen „schwierig zu kultivieren“ zu sein und dass dies eher ein Hobby für die ältere und wohlhabende Generation ist.

Allerdings hat in den letzten Jahren die Zahl junger Menschen, die sich für 10-20 cm hohe Miniatur-Bonsai interessieren, zugenommen. Bäume mit dieser Höhe fallen unter die Kategorie „kleine Bonsai“, und in jüngster Zeit sind sie auch unter dem Begriff „Mini-Bonsai“ bekannt geworden.

 


Ein Mini-Bonsai Kumquat mit zierlichen orangefarbenen Früchten.
(Foto mit freundlicher Unterstützung von Garden x Garden)

 

Genau wie bei normalen Bonsai findet man auch bei Mini-Bonsai verschiedene Arten in Bezug auf Früchte und Blätter. So gibt es z.B. welche, deren Laub sich im Herbst verfärbt oder auch solche, deren Blätter stets frisch und grün sind. Viele Menschen stellen sie auf Tische oder Fensterbretter, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Mini-Bonsai sind vom Preis her recht günstig und kosten gerade einmal einige tausend Yen. Heutzutage kann man sie auch bequem im Internet bestellen. Aus diesen Gründen sind sie inzwischen vor allem bei Studierenden und jungen Büroangestellten beliebt.

 


„Moss Ball“ ist eine Technik, bei der die Wurzeln von Bonsai mit einer Kugel aus Tonerde und Moos umwickelt werden,
die von dünnem Draht zusammengehalten wird. Für diese Kreationen werden neben typisch japanischen Bonsai, deren Laub sich in herbstliche Farben hüllt (siehe die rechte Seite des Fotos), auch andere Arten von ornamentalen Pflanzen verwendet. (Foto mit freundlicher Unterstützung von GreenScape)

 


Ein „Super Mini-Bonsai“, also ein Mini-Bonsai, der noch einmal verkleinert wurde.
Während ein richtiger Bonsai über zwanzig Jahre benötigt, um eine Höhe von 20 cm
zu erreichen, ist ein Super Mini-Bonsai bereits nach gerade einmal drei Jahren drei cm groß.
Dieses Foto zeigt einen „Wintergold“-Zierapfel.
(Mit freundlicher Unterstützung von Teruki Iwai)

 

 

© Web Japan 2014

 


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