
Rede von Premierminister Abe beim CLSA Japan Forum 2015
am 24.02.2015
Fotos: Cabinet Public Relations Office
Am 24. Februar nahm Premierminister Shinzo Abe am Japan Forum der Credit Lyonnais Securities Asia (CLSA) für Investoren teil. In seiner Rede führte er aus:
„Zur Veranstaltung des CLSA Japan Forum beglückwünsche ich Sie ganz herzlich. Im letzten Jahr konnte ich mich nur per Videobotschaft an Sie wenden. Daher ist es mir nun eine große Ehre, in diesem Jahr persönlich zu Ihnen sprechen zu dürfen. In der Videobotschaft im letzten Jahr sagte ich Ihnen, dass die Wirtschaft Japans einen großen Wandel erfahren habe von „Minus“ nach „Plus“, von „Resignation“ nach „Hoffnung“ und von „Abenddämmerung“ nach „Morgendämmerung“. Dieser Wandel hat sich in dem einen Jahr, das seitdem vergangen ist, als unumkehrbar herausgestellt.
Nun befinden wir uns an der Schwelle zu einem neuen Abschnitt. In der letzten Woche kletterte der Nikkei-Index auf mehr als 18.000 Punkte. Es war das erste Mal seit 2007, dass man einen Wert von mehr als 18.000 beobachten konnte; zuletzt hatte es dies während meiner ersten Amtszeit als Premierminister gegeben. Folglich ist dies auch für mich selbst Neuland, für das ich noch keine eigenen Erfahrungen aufweisen kann. Aber gerade deshalb müssen wir die Reformen entschlossen und in umfassender Weise fortführen. Ich bin entschlossen, die sogenannten „drei Pfeile“ der Abenomics mit meiner ganzen Kraft abzuschießen.
Die seit rund fünfzehn Jahren anhaltende Deflation lässt sich nicht so ohne weiteres besiegen. „Man weiß nicht, ob die Abenomics wirklich fortgeführt werden.“ - nachdem ich meine zweite Amtszeit angetreten hatte, waren eine Zeit lang solche sorgenvollen Stimmen in den Unternehmen zu hören. Es stimmt auch, dass das Management in den Unternehmen zunächst zurückhaltend agierte. Allerdings hat man in den Unternehmensführungen dann doch damit begonnen, Kapital in bisher nicht gekanntem Umfang in die Hand zu nehmen und sich aktiv auf den Gebieten Ausrüstungsinvestitionen und Unternehmensakquisitionen zu engagieren. Das Steuer wurde in Richtung eines „vorwärtsstrebenden Managements“ herumgerissen und man hat damit begonnen, in mehr Wachstum zu investieren. Auch bei den Löhnen und Gehältern ist mittlerweile Bewegung zu beobachten, und die Dividenden der Aktionäre legen ebenfalls zu.
Hier darf die Regierung nicht zurückstehen.
Wir werden die effektive Körperschaftssteuer ab April um 2,5 Prozent senken. Für kommendes Jahr ist eine weitere Absenkung geplant, die mindestens 3,3 Prozent betragen soll; allerdings streben wir eine Absenkung noch darüber hinaus an. Wir werden die Reform der Körperschaftssteuer fortsetzen und hoffen, in einigen Jahren ein Niveau im 20-Prozent-Bereich zu erreichen, das einem internationalen Vergleich standhält. Damit wird das Management in den Unternehmen auf Wachstumskurs umgeschaltet.
Wir werden zahlreiche Reformen in Angriff nehmen, die bislang als „undurchführbar“ galten, und damit neue Märkte erschließen.
Dem Parlament liegen derzeit mehr als zwanzig Gesetzentwürfe vor, um Bereiche, die als „harte Brocken“ gelten, im Rahmen unserer Wachstumsstrategie entschlossen zu reformieren. Dazu zählen etwa Gesetzesvorhaben in den Bereichen Landwirtschaft, Gesundheitsversorgung, Energie und Beschäftigung. Es wird keine Rückschritte bei diesen Reformen geben, und sie werden auch nicht aufgeweicht werden. Neue Ideen, die von neuen Akteuren eingeführt werden, wirken so als Katalysatoren für unsere Wirtschaft. Nach der Reform der sogenannten „harten Brocken“ wird es in zehn Jahren, vielleicht sogar schon in fünf Jahren zahlreiche neue Chancen für wirtschaftliche Aktivitäten geben, an die man bislang überhaupt nicht gedacht hat.
Im Energiebereich, in dem rund sechzig Jahre lang ein Monopol herrschte, wurde nun die vollständige Liberalisierung des Strommarktes verwirklicht. Seit dem Antritt meiner Regierung hat sich die Zahl der Unternehmen, die den Handel von Strom aufgenommen haben, etwa verdoppelt.
Auch die Reform der Stromsysteme befindet sich mittlerweile in der letzten Phase. Die Stromnetze, die die grundlegende Infrastruktur des Strommarktes bilden, wurden von der Stromerzeugung und dem Stromhandel getrennt und sind nun für jedermann gleich zugänglich.
Auch auf dem Gasmarkt steht eine vollständige Liberalisierung des Handels an. Verschiedene Hemmnisse, die den Zugang zu diesem Bereich behindern, werden abgebaut. Mit der Teilnahme von Venture-Unternehmen und Unternehmen aus dem Ausland wird der Wettstreit um neue Technologien und Geschäftsmodelle einen von Wettbewerb und Dynamik geprägten Energiemarkt entstehen lassen.
Darüber hinaus strebt Japan eine Rolle als Vorreiter bei der Energierevolution an. Die von meiner Regierung umgesetzten Regulierungen werden den Vorhang für die Vision einer „Wasserstoffgesellschaft“ öffnen. Im vergangenen Jahr erfolgte in Japan weltweit zum ersten Mal die Markteinführung von Autos mit Brennstoffzellen sowie von Wasserstoff-Tankstellen auf kommerzieller Grundlage. Auch ich selbst habe eine Probefahrt unternommen. Diese Autos stoßen keine Abgase aus, sondern nur Wasser. Sie vermitteln ein ruhiges und angenehmes Fahrerlebnis. Man könnte sie als Fahrzeuge wie in einem Traum bezeichnen. Als Nächstes soll durch Regulierungen bei den Wasserstoff-Tankstellen im Selbstbetrieb die Nutzung von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen als alltägliches Verkehrsmittel weiter gefördert werden.
Wir werden auch die Reform der landwirtschaftlichen Kooperativen, die bislang als großes Tabu galt, entschlossen in Angriff nehmen. Es wird die erste Reform in diesem Bereich seit sechzig Jahren sein. Dabei haben wir den Weltmarkt fest im Blick. Der weltweite Markt für Nahrungsmittel hat einen Umfang von 340 Billionen Yen. Mit Reformen im Innern und außen werden wir sichere und schmackhafte Agrar- und Meeresprodukte sowie die Esskultur Japans weltweit exportieren.
Ich muss gestehen, dass es sehr schwer war, diejenigen zu überzeugen, die sich gegen Reformen stellen. Dazu kommt, dass es in vielen Fällen gerade die treuen Anhänger unserer eigenen Partei, der Liberaldemokratischen Partei sind, die sich um die Auswirkungen der Reformen sorgen. Japan hat aber keine Zukunft, wenn sich nicht auch diese Bevölkerungsgruppen dem Wettbewerb stellen. Gerade auch für sie setze ich mich weiterhin unermüdlich für Reformen ein.
Bei wirtschaftlichen Aktivitäten spielen Ländergrenzen heute keine Rolle mehr. Kann ein Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht bestehen, wird es nicht überleben. Wir setzen auf Strukturreformen im Innern und schaffen gleichzeitig mittels Wirtschaftspartnerschaften wie der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) neue riesige Wirtschaftsräume. Die Umsetzung von Reformen sowohl im Innern wie auch nach außen ist für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes unerlässlich. Die japanische Wirtschaft macht sich auf den Weg in die weite Welt, und es sind neue Formen des Wachstums zu erkennen. Das reale BIP wuchs im vierten Quartal 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,2 Prozent. Beim Bruttonationaleinkommen, das auch die Einnahmen aus dem Ausland einbezieht, konnte sogar ein Wachstum von 6,9 Prozent verzeichnet werden.
Die TPP schafft einen einheitlichen Wirtschaftsraum innerhalb der Region Asien-Pazifik, die als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft fungiert. Dabei geht es nicht nur um Zölle, sondern auch um die Reform staatlicher Unternehmen, um Investitionen oder geistiges Eigentum, also um zahlreiche Bereiche, in denen - ausgehend von einer grundlegenden Liberalisierung - neue sowie faire Regeln zur Anwendung gelangen und ein riesiger Markt entsteht.
Die Verhandlungen über die TPP befinden sich derzeit in der Schlussphase.
Bekanntlich sind die letzten Meter auf dem Verhandlungsweg stets die schwierigsten. Wenn es uns aber gelingt, diese Chance in konkrete Inhalte umzuwandeln, dann wird sich uns mit einem Mal ein großes Fenster in eine offene Welt auftun. Von Ihnen, den Vertretern der Unternehmen, erwarte ich, dass sie nicht davor zurückschrecken, sondern mutig in diese neue Welt eintreten.
Auch ich persönlich werde Führungsstärke beweisen und mich mit all meiner Kraft für einen raschen Abschluss der Verhandlungen einsetzen. Dabei werde ich die Interessen Japans wahren und Wachstum sicherstellen.
Es sind nicht nur japanische Unternehmen, die in Japan investieren. Die Attraktivität Japans als Investitionsziel hat vielmehr erheblich zugenommen. Laut einer Untersuchung über das Interesse an Investitionen in Asien von Seiten ausländischer Unternehmen belegte 2011, also noch unter der vorherigen Regierung, China in allen Kategorien den ersten Platz. 2013 hingegen stand Japan in den Kategorien Standort für Forschung und Entwicklung sowie Standort für den Vertrieb auf Platz eins. Auch von weltweiter Warte aus betrachtet lag Japan dem Weltwirtschaftsforum zufolge beim Index, der die Wettbewerbsfähigkeit anzeigt, unter der Vorgängerregierung 2012 auf Platz zehn, während es 2014 auf Platz sechs vorrückte. Die Wettbewerbsfähigkeit Japans als Investitionsziel hat sich somit eindeutig verbessert.
Im April wird im Rahmen des neuen Systems der strategischen Sonderzonen in Tokyo ein sogenannter One-Stop-Center für Unternehmensgründungen und die Eröffnung von Niederlassungen eingerichtet werden. Hier können alle Formalitäten wie Registrierung, Steuern- oder Rentenangelegenheiten in beschleunigten Verfahren erledigt werden. Damit möchten wir ausländischen Unternehmen, die sich in Japan ansiedeln möchten, das konkrete Gefühl einer unternehmensfreundlichen Verwaltung vermitteln.
Auch der Umfang der Direktinvestitionen in Japan verzeichnet einen Anstieg. 2014 haben sich diese Investitionen gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt.
Für ausländische Unternehmen, die überlegen, in Japan zu investieren, werden wir in engem Zusammenwirken mit den Gouverneuren der Präfekturen sowie den Chefs der Kommunen im kommenden März neue Maßnahmen beschließen, um Investitionen aus dem Ausland nach Japan zu fördern.
Diesbezüglich möchten wir den Unternehmen aus dem Ausland, die bedeutende Investitionen in Japan tätigen, einen Staatsminister oder Parlamentarischen Staatssekretär aus meinem Kabinett als Ansprechpartner zur Seite stellen, indem wir ein neues „System der Zuständigkeit für einzelne Unternehmen“ ins Leben rufen. Damit Unternehmen ihren Hauptsitz oder ihre Forschungseinrichtungen leichter in Japan errichten können, werden wir zudem die Möglichkeit schaffen, dass kleinere Flugzeuge für Geschäftsreisende regionale Flughäfen nutzen können. Darüber hinaus denken wir daran, eine neue Richtung in Bezug auf die Steigerung der Bequemlichkeit für ausländische Mitbürger einzuschlagen, damit diese sicher in Japan leben können, etwa durch fremdsprachige Angebote in Geschäften, Restaurants oder Krankenhäusern.
In den zwei Jahren, die ich nun bereits im Amt bin, habe ich bislang 54 Länder und Regionen besucht. Auch die japanischen Unternehmen richten ihre Blicke zunehmend auf die Welt. Durch eine aktive Außenwirtschaftspolitik konnte im vergangenen Jahr der Umfang der Bestellungen von Infrastrukturprojekten im Ausland bei japanischen Unternehmen gegenüber früher auf 9 Billionen Yen verdreifacht werden.
Hier ist die nach innen gerichtete Haltung der Menschen in Japan, wie sie vor den Abenomics zu beobachten war, nicht länger zu spüren. Japan ist nun sowohl nach innen als auch nach außen hin offen.
Die Menschen in Japan bitte ich in diesem Jahr, sich beim Konsum nicht zurückzuhalten, und die hier anwesenden Investoren möchte ich auffordern, diese Gelegenheit zu nutzen und die Energie der sich umfassend erneuernden japanischen Wirtschaft am eigenen Leib zu spüren sowie aussichtsreiche Investitionsmöglichkeiten zu prüfen.“