
„Die Zukunft Asiens –
Seien wir innovativ!“
Rede von Premierminister Shinzo Abe
anlässlich der 21. Internationalen Konferenz über die Zukunft Asiens
in Tokyo am 21.05.2015
Foto: Cabinet Public Relations Office
Einleitung
Jedes Jahr im Frühling kommen führende Vertreter aus ganz Asien hier in Tokyo zusammen, um über die Zukunft unseres Kontinents zu diskutieren. Seit dem Beginn dieser beeindruckenden Reihe von Symposien sind bereits zwanzig Jahre vergangen.
Die erste Konferenz über die Zukunft Asiens war ein Meilenstein und führte bedeutende Persönlichkeiten, darunter auch den damaligen Premierminister Malaysias, Dr. Mahathir bin Mohamad, zusammen, der uns dankenswerterweise in diesem Jahr erneut mit seiner Anwesenheit beehrt. Der frühere Premierminister von Singapur, Lee Kuan Yew, einer der Gründer dieses Symposiums, ist bedauerlicherweise in diesem Jahr verstorben. Sein Nachfolger, der frühere Premierminister Goh Chok Tong, weilt heute ebenfalls unter uns. Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich gemeinsam mit Ihnen des verstorbenen Premierministers Lee gedenken. Trotz meiner Verpflichtungen im Rahmen der Parlamentssitzung habe ich mir die Zeit genommen, an den Trauerfeierlichkeiten für ihn teilzunehmen.
Als ich aus dem Flugzeug in Singapur stieg, fiel ein heftiger Regen, und ich hatte das Gefühl, als seien diese Ströme von Regen Tränen der Trauer, die die Menschen in Singapur und Asien über den Verlust dieses großen Mannes vergießen.
Nach der Beendigung der Feierlichkeiten gingen wir wieder nach draußen und siehe da: der Regen hatte aufgehört. Es war ein gutes Beispiel für das launische Wetter, wie es für die Tropen so typisch ist.
Ich erinnerte mich aber auch an die Freude, die mir eine Zusammenkunft mit Herrn Lee im vergangenen Jahr bereitet hat. Japan wird sich noch mehr als bislang bereits aktiv für Frieden und Wohlstand in Asien und in der Welt einsetzen. Herr Lee lobte meinen Ansatz des „proaktiven Beitrags für den Frieden“ in hohem Maße und ließ mir seine warmherzige Aufmunterung zuteil werden. Er war jemand, der stets den Blick in die Zukunft richtete.
Als ich wieder draußen vor dem Gebäude stand, in dem die Trauerfeierlichkeiten stattgefunden hatten, war es mir, als hörte ich aus dem strahlend blauen Himmel über Singapur seine Worte: „Nun, Kopf hoch und vorwärts in die Zukunft!“
2015
Das Jahr 2015 – ich bin mir sicher, dass dieses Jahr einen wichtigen Wendepunkt für die Zukunft Asiens bilden wird. Denn in diesem Jahr wird die Wirtschaftsgemeinschaft der ASEAN-Staaten ins Leben gerufen.
Die Länder Asiens zeichnen sich durch eine große Vielfalt in Bezug auf politische Systeme, Kulturen, Menschen und Religionen aus. Und es ist gerade diese Vielfalt, die Asiens Dynamik bewirkt hat.
Dieses Asien wird nun damit fortfahren, seine Volkswirtschaften weiter zu integrieren, während es sich gleichzeitig der genannten Vielfalt bewusst ist. Dies stellt eine große Herausforderung dar.
Ich denke, dass Dr. Mahathir vor einem Vierteljahrhundert eine solche Zukunft bereits vorausgesehen hat. Vor sieben Jahren gründeten die asiatischen Staaten das Economic Research Institute of ASEAN and East Asia (ERIA). Diese Institution hat sich seitdem für die Vertiefung der wirtschaftlichen Bande über die Ländergrenzen hinaus eingesetzt. Aufbauend auf den gewaltigen Anstrengungen unserer Vorfahren steht Asien nun bereit, den großen Schritt in Richtung einer einzigen gemeinsamen Wirtschaftszone zu unternehmen.
Ich erinnere mich an die Worte des früheren Präsidenten Soekarno, des Vaters der Unabhängigkeit Indonesiens: „Was spricht gegen die Vielfalt, wenn Einigkeit im Streben besteht?“
Viele asiatische Staaten haben ihre Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlangt. Sie haben zudem eine wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen, die man durchaus als Wunder bezeichnen kann.
Wenn wir auf die vergangenen siebzig Jahre zurückblicken, dann bildete Wohlstand das Saatbeet für Frieden, und es war der Frieden, der dem Wohlstand zum Durchbruch verhalf. Dies sind die Lehren, die wir miteinander teilen sollten.
Um Frieden und Wohlstand in Asien auf lange Sicht zu bewahren, müssen wir eine Wirtschaftszone schaffen, die frei, fair und dynamisch ist. Wir teilen dieses Ziel miteinander, indem wir den Blick auf die Zukunft richten.
Aus diesem Grund liegt nun vor uns eine sehr viel umfangreichere wirtschaftliche Integration der RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) und der FTAAP (Free Trade Area of the Asia-Pacific), die über Südostasien hinausreicht.
So gesehen ist die ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft, die in diesem Jahr ins Leben gerufen wird, durchaus ein Meilenstein. Auch mit Blick auf das TPP-Übereinkommen (Trans-Pacific Partnership) stehen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss.
Ich bin zuversichtlich, dass 2015 ein Jahr sein wird, dem innerhalb der Geschichte der wirtschaftlichen Integration Asiens eine besondere Bedeutung zukommt.
Seien wir innovativ
Wir stehen nun an einem historischen Scheideweg. Welche Zukunft erwartet uns jenseits des Wachstums in Asien?
Unglücklicherweise gibt es nicht nur gute Nachrichten.
Fehler bei der Sicherung der stetig zunehmenden Nachfrage nach Energie bremsen unsere hohen Wachstumsraten. Und selbst in Asien stehen wir nun vor einer Welle der Alterung unserer Bevölkerungen.
Aufgrund dessen besteht für Asien die Notwendigkeit innovativ zu sein. Wir müssen Innovationen dafür nutzen, die vor uns liegenden Aufgaben zu lösen. Darüber möchte ich heute zu Ihnen sprechen.
Sei es nun ein Segen oder ein Fluch – jedenfalls befasst Japan sich seit vielen Jahren mit dem Problem der Beschränkungen hinsichtlich der Energie, da mein Land als Inselstaat nur über wenige natürliche Ressourcen verfügt. Und angesichts des bereits früh auftretenden Problems der Überalterung der Bevölkerung haben wir ebenfalls unsere Gesundheitsdienste ausgebaut.
Japan beabsichtigt, diese Technologien und Erfahrungen ohne Einschränkung mit anderen Nationen in Asien zu teilen. Darüber hinaus möchten wir weitere Innovationen hervorbringen, indem wir mittels der Verschmelzung unseres Denkens in ganz Asien zusammenwirken.
Gesundheitsdienstleistungen
Lassen Sie mich Ihnen dies näher erläutern.
Es ist die „Jugendlichkeit“, die die Essenz Asiens ausmacht.
Und trotzdem wird in dreißig Jahren die Bevölkerung in vielen unserer Länder einen Anteil der über Sechzigjährigen von über zwanzig Prozent haben. Auch auf diesem Kontinent stehen wir nun unmittelbar vor der Realität alternder Gesellschaften.
In einer ganzen Reihe von asiatischen Staaten sind Infektionskrankheiten, die dort bis vor wenigen Jahren noch grassierten, inzwischen verschwunden, und die Gesellschaften sind wohlhabender geworden. Dies wiederum hat zu einer Zunahme von Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder anderer Krankheiten geführt, die auf den Lebenswandel zurückzuführen sind.
Ich denke, dass Dr. Mahathir als erfahrener Arzt diese gesellschaftlichen Veränderungen sehr deutlich wahrnimmt. Damit ist auch bei den Gesundheitsdienstleistungen, die die Menschen verlangen, ein Wandel erforderlich.
Ich persönlich lasse regelmäßig eine Endoskopie vornehmen, um meine inneren Organe zu untersuchen. Der beste Weg, um diesen sogenannten Zivilisationskrankheiten zu begegnen, sind Früherkennung und Prävention.
Die Technologie der Medizintechnik wie Diagnose-Bildschirme und Ionenstrahlen macht stetig Fortschritte. Darüber hinaus müssen auch die Fähigkeiten der Ärzte kontinuierlich verbessert werden, damit sie diese neuesten Techniken richtig anwenden.
Aus diesem Grund sage ich: „Seien wir innovativ!“ Warum können wir dies nicht gemeinsam sein?
Japan hat bereits Zentren für gastrointestinale Endoskopie mit allerneuester Technologie in Hanoi und Jakarta eingerichtet und unterstützt die Ausbildung junger Ärzte. Und in Mandalay haben wir ein Screening-Zentrum für Brustkrebs aufgebaut, um Frauen zu helfen.
2013 habe ich das Nationale Gesundheitszentrum für Mütter und Kinder in Phnom Penh besucht. In diesem Krankenhaus, das von meinem Land errichtet wurde und von den Menschen in Kambodscha „Japanisches Krankenhaus“ genannt wird, arbeiten auch heute noch Ärztinnen aus Japan mit kambodschanischen Kollegen eng zusammen. Dank fast zwanzig Jahre währender harter Arbeit ist es dieser Einrichtung gelungen, die Sterblichkeit bei Müttern und Kleinkindern um die Hälfte zu senken.
Japan wird alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um die Standards im Gesundheitswesen in Asien auch in Zukunft weiter anzuheben, indem wir unsere bisher gesammelten Erfahrungen mit den von uns entwickelten Technologien zusammenführen. In den kommenden fünf Jahren plant Japan, die Fähigkeiten von 80.000 Mitarbeitern des Gesundheitsbereichs in den ASEAN-Staaten auszubauen und zu fördern.
Innovationen im Bereich Energie
Auch im Bereich Energie sind Innovationen notwendig.
In den kommenden Jahren werden rund drei Milliarden Menschen in den Genuss immer größeren Wohlstands gelangen. Die Energiemenge, die sie verbrauchen werden, wird mit Sicherheit gewaltig sein. Laut Prognosen der IEA wird der Energieverbrauch Asiens im Jahr 2040 gegenüber dem derzeitigen Verbrauch um über sechzig Prozent zulegen.
Sollte diese Nachfrage ausschließlich durch Energieimporte gedeckt werden, würde sich die internationale Zahlungsbilanz selbst bei den aktuellen niedrigen Energiekosten um mehr als 400 Mrd. Dollar verschlechtern. Und auch wenn Erdgas derzeit ein wichtiges Exportgut der ASEAN-Staaten ist, wird bis 2040 der Import von Erdgas über dem Export liegen.
Aus diesem Grund sage ich erneut: „Seien wir innovativ!“
Japan hat seine fortschrittlichen Technologien nach den Erfahrungen der Ölkrisen und der Umweltverschmutzung über Jahrzehnte hinweg entwickelt. Auch hier sind wir bereit, unsere Erfahrungen und Technologien mit Asien zu teilen. Wir werden den Ländern Asiens dabei helfen, ihre Energiestrategien zu verwirklichen und einen Beitrag zur technologischen Entwicklung dieses Kontinents leisten. Dabei werden wir bei unserer Zusammenarbeit keine Mühen scheuen.
Im Bereich Energie wird Japan daher in den kommenden fünf Jahren die Entwicklung der humanen Ressourcen fördern und 5000 Mitarbeiter weiterbilden, die überall in Asien in diesem Bereich tätig sind.
Auf dem Gebiet der Energieeinsparung, einer der Bereiche, in denen Japan über besondere Fähigkeiten verfügt, sind bereits eine ganze Reihe von gemeinsamen Projekten in Angriff genommen worden.
In Bangkok wurde z.B. neueste Technologie Made in Japan in Hotels eingeführt. In diesen Hotels hat die Umstellung auf LED-Leuchten zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs um neunzig Prozent geführt, während die Ausstattung der Klimaanlagen mit Wechselrichtern den Energieverbrauch dieser Systeme um vierzig Prozent gesenkt hat.
In der malaysischen Stadt Putrajaya haben wir eine Umstellung des öffentlichen Busverkehrs auf Elektroantrieb demonstriert. Sollte dieses Projekt Erfolg haben, werden die Städte von den Abgasen befreit werden, die derzeit noch die Luft verschmutzen.
Und wie steht es mit einer effizienteren Nutzung von Kohle, die wir zu recht als die Ressource Asiens bezeichnen?
Auch wenn fossile Kraftwerke rund vierzig Prozent des weltweit produzierten Stroms erzeugen, gelten sie als Hauptverursacher des Klimawandels und daher nicht länger als empfehlenswert. Aber auch hierfür gibt es Lösungen mittels Innovation.
Japan hat bereits eine Effizienz erreicht, die deutlich über dem weltweiten Durchschnitt liegt, indem Kohle bei hohen Temperaturen verbrannt wird. Die japanische Technologie würde die Treibhausgasemissionen bereits um 1,5 Mrd. Tonnen jährlich verringern, wenn sie allein in den Vereinigten Staaten, China und Indien eingeführt würde. Dies wäre ein noch größerer Rückgang, als wenn Japan in die Zeit vor der Industriellen Revolution zurückkehren und Null Emissionen ausstoßen würde. Darüber hinaus verzeichnet die Effizienz einen sprunghaften Anstieg, wenn man neueste Technologien zur Kohlevergasung einführt. Zusätzlich zur entsprechenden technologischen Entwicklung wie dem Ausstatten mit Brennstoffzellen besteht so eine große Chance, die Menge an Kohlstoffdioxyd-Emissionen aus Kohle auf das selbe Niveau wie bei Erdgas zu senken.
Und das ist noch nicht alles. Durch die Nutzung innovativer Technologien wird auch die Braunkohle, die bislang als eher ungeeignet für den Einsatz in kohlebetriebenen Kraftwerken galt, zu einer vielversprechenden Ressource.
Präsident Elbegdorj, mit dem ich in den letzten zwei Jahren mehr als fünf Mal im Rahmen von Gipfeltreffen zusammengekommen bin, ist ein enger Freund von mir. Daher möchte ich ihm hier ganz offen sagen: Durch die Einführung von Technologien Made in Japan bei der Kohlevergasung in der Mongolei werden sich die riesigen Braunkohlevorkommen, die im Boden Ihres Landes schlummern, zu einem wertvollen Schatz entwickeln.
Das Abkommen über die Wirtschaftspartnerschaft (EPA) zwischen Japan und der Mongolei, über das wir beide im Grundsatz bereits eine Einigung erzielt haben, legt fest, dass keinerlei Beschränkungen bei Lizensierungsvereinbarungen im Privatsektor bestehen. Ein rasches Inkrafttreten dieses EPA wird den Technologietransfer und Investitionen aus Japan in die Mongolei mit Sicherheit beschleunigen.
Neben der Mongolei verfügen auch Thailand und Indonesien über bedeutende Braunkohlvorkommen.
Ich möchte die steigende Nachfrage nach Energie durch weitere Innovationen auf dem Gebiet der fossilen Kraftwerkstechnologie decken, die für Asien von großer Bedeutung ist.
Finanzierung als solide Grundlage für Innovationen
Unser Streben nach Innovation beschränkt sich aber keineswegs auf die Bereiche Energie und Gesundheit. Sichere und zuverlässige Hochgeschwindigkeitszüge besitzen das Potential, den Strom von Menschen und Gütern in dramatischer Weise neu zu gestalten. Und fortschrittliche Technologien zur Wasserbehandlung verändern das alltägliche Umfeld der Menschen entscheidend.
Es stimmt – es sind Innovationen, die unsere Zukunft hervorbringen. Japan ist in hohem Maße bestrebt, weltweit solche Technologien und Systeme miteinander zu teilen, die einer fortgesetzten Entwicklung unterzogen werden.
Damit diese Innovationen in jeden Winkel Asiens gelangen, streben wir heute nicht länger nach einer „billigen, sondern nach einer einfachen“ Lösung.
Um in Asien eine Vorstellung davon, wie innovative Dinge ausgewählt werden, fest zu verwurzeln, ist Japan entschlossen, auch bei der Finanzierung eine wichtige Rolle zu übernehmen.
„Sparsam im Kleinen, doch im Großen verschwenderisch.“
Seit über 400 Jahren wird diese Redensart in Japan von Generation zu Generation weitergegeben – von den Eltern an die Kinder und von den Kindern weiter an die Enkel. Es ist eine Art des Denkens, die uns veranlasst, lieber langlebige und qualitativ hochwertige Dinge zu kaufen, selbst wenn sie in der Anschaffung teurer sind. Wir haben dabei den Gewinn im Blick, der sich aus der gesamten Lebensdauer ergibt.
Selbstverständlich stimmt es auch anders herum: Wenn man nach qualitativ hochwertigen Gütern verlangt, wird der Preis hoch sein und man braucht eine Weile, bis man den Nutzen für sich selbst erkennt.
Bislang war es auf dem Gebiet der Finanzierung von Infrastrukturprojekten üblich, den Blick allzu sehr auf staatliche Bürgschaften für kurzfristige Risiken zu richten.
Die Regierung von Japan stellt dies nun in Frage.
Wir werden über die Japan Bank for International Cooperation (JBIC) einen neuen Mechanismus ins Leben rufen, der Finanzmittel für Projekte mit einem relativ hohen Risikoprofil bereitstellt. JBIC wird aktiv kurzfristige Profitrisiken übernehmen, um auf diese Weise die Praxis zu verändern, von den Regierungen vor Ort Bürgschaften zu verlangen.
Wir beabsichtigen, diese Mittel dafür zu verwenden, qualitativ hochwertige und innovative Infrastrukturprojekte überall in Asien zu verbreiten und verfolgen dabei einen langfristigen Ansatz.
Ich habe nicht die Absicht, dazu aufzurufen „Qualität über Quantität“ zu stellen. In Asien besteht bei der Nachfrage nach Infrastruktur ein regelrechter Heißhunger, der einen Umfang von 100 Billionen Yen im Jahr hat. Wir sollten daher „sowohl nach Qualität als auch nach Quantität“ streben. Denn im Falle Asiens ist das ambitionierte und gleichzeitige Verfolgen beider Ziele genau das Richtige.
Allerdings reichen öffentliche Mittel allein nicht aus, um eine derart große Nachfrage zu befriedigen. Um diese Nachfrage decken zu können, müssen wir uns Strukturen überlegen, um verstärkt Finanzmitteln aus dem privaten Sektor nach Asien zu lenken.
Die Asian Development Bank (ADB) hat unlängst ihre Kreditkapazitäten um fünfzig Prozent aufgestockt, und sie denkt zurzeit über eine weitere Kapitalausweitung nach. Insbesondere hat sie dabei Kredite an den Privatsektor im Sinn. Japan begrüßt diese Entscheidungen nachdrücklich.
Wir sollten darüber hinaus nicht nur Finanzierungen, sondern auch Investitionen für den privaten Sektor anbieten. Die Japan International Cooperation Agency (JICA) wird in Zusammenarbeit mit der ADB einen neuen Finanzierungsmechanismus für Infrastrukturprojekte im privaten Sektor ins Leben rufen. Die Kapazitäten der ADB für die Mobilisierung von Kapital des Privatsektors werden sich dadurch gegenüber dem aktuellen Niveau verdreifachen.
Die Regierung von Japan wird zudem ihre Unterstützung für asiatische Länder ausweiten, die sich verstärkt für den Ausbau der Infrastruktur in Partnerschaft mit dem privaten Sektor engagieren. Hierfür werden wir in den kommenden fünf Jahren mehr als 4 Billionen Yen bereitstellen.
Mit dieser neuen Initiative wird Japan im Zusammenwirken mit der ADB innovative Finanzierungsmodelle für Infrastrukturprojekte in Asien bereitstellen, die im Zeitraum der nächsten fünf Jahre einen Gesamtumfang von 110 Mrd. Dollar haben werden. Darüber hinaus sollten wir uns dafür einsetzen, zusätzliches Kapital aus der ganzen Welt nach Asien zu holen, um diesen Kontinent in eine Region zu verwandeln, in der dynamische Innovationen zur vollen Blüte gelangen.
Wirtschaftliche Integration fördert Innovationen
Ich bin davon überzeugt, dass die Art der wirtschaftlichen Integration, die wir anstreben sollten – sei es im Rahmen der RCEP oder des FTAAP – dergestalt sein muss, dass sie den privaten Sektor mit einer Vitalität erfüllt, die Innovationen vielfältigster Art hervorbringt. In naher Zukunft, wenn die RCEP Wirklichkeit geworden ist, wird dadurch selbstverständlich das Handelsvolumen zunehmen.
Darüber hinaus wird aber mit Blick auf die Bevölkerungszahl auch die weltweit größte Wirtschaftszone entstehen, in der dann gut die Hälfte aller Menschen weltweit leben.
Eine große Bevölkerung bedeutet, dass dort auch viel Intellekt versammelt ist. Und dies wiederum bedeutet, dass daraus ohne weiteres eine große Vielfalt an Innovationen hervorgehen wird.
Dieses Potential darf auf dem asiatischen Markt nicht im Keim erstickt werden. Exzessive wirtschaftliche Aktivitäten des staatlichen Sektors dürfen sich gegenüber den vielfältigen Ideen des privaten Sektors nicht durchsetzen. Wir dürfen nicht einen Markt schaffen, auf dem „das schlechte Geld das gute herausdrängt“ und auf dem Fälschungen und Produktpiraterie fortschrittliche Technologien verdrängen. Der Grund dafür ist, dass wir hier in Asien Innovationen respektieren und fördern.
Wir sollten unsere gemeinsamen Ziele verwirklichen, um eine Wirtschaftszone voller Dynamik zu schaffen – egal, ob dies die RCEP oder das FTAAP ist – in der verbesserte Produkte und Dienstleistungen in angemessener Weise Wertschätzung erfahren und zu weiteren Innovationen führen. Dafür sollten wir uns zusammenschließen. Wir sollten hier in Asien einen fairen und nachhaltigen Markt schaffen, der nicht von den egoistischen Erwartungen irgendeines Landes beeinflusst wird.
Schlussbetrachtung
Dieses Jahr markiert den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Zusammen mit tiefem Bedauern über den letzten Krieg hat Japan sich in der Nachkriegszeit immer wieder gesagt, dass es alles in seiner Macht Stehende unternehmen wird, um Frieden und Wohlstand in Asien zu verwirklichen. Zudem haben wir bereits wenige Jahre nach Kriegsende, als die Narben unserer Niederlage innerhalb Japans noch nicht richtig verheilt waren, damit begonnen, den gerade unabhängig gewordenen Staaten Asiens unsere Unterstützung zu gewähren.
In Myanmar haben wir vor sechzig Jahren ein Wasserkraftwerk gebaut. Das Wasserkraftwerk Baluchaung, das dank der Hartnäckigkeit der japanischen Ingenieure errichtet wurde, die sich im dichten Urwald mit riesigen Schlangen, Elefanten und Tigern herumschlagen mussten, wurde wiederholt erweitert und repariert und leistet bis heute hervorragende Arbeit, indem es fast zwanzig Prozent des Strombedarfs Myanmars deckt.
Qualität schaffen – das ist die japanische Vorgehensweise. Vor mehr als einem halben Jahrhundert gab es in Indonesien ein Projekt für Hochwasserschutz, für die Abzweigung von Wasser auf landwirtschaftliche Flächen sowie für die Stromerzeugung mittels Wasserkraft. Japan hat die Erschließung des Brantas-Flusses mehr als dreißig Jahre lang unterstützt. „Es war damals nicht klar, was das wichtigste Ziel ist: Dämme aufzubauen oder Menschen aufzubauen.“ Dies sagte der erste Generalmanager des Brantas River Basin Entwicklungsprojekts, Suryono. Unterstützung aus Japan ist keine einseitige Angelegenheit. Die Japaner leben unter demselben Dach wie ihre indonesischen Kollegen, sie denken zusammen und schreiten gemeinsam voran. Es geht nicht so sehr darum, Technologie Made in Japan in ein Land zu bringen; vielmehr geht es darum, die Menschen dort auszubilden und die Technologien dort richtig zu etablieren. Das ist die Vorgehensweise meines Landes.
Ich denke, dass Sie, Dr. Mahathir, dies besser verstehen können, wenn Sie an unsere Erfolgsbilanz seit den 1980er Jahren denken, als japanische Hersteller von elektrischen Haushaltsgeräten und Autos damit begannen, gemeinsam mit Malaysia den Weg des Erfolgs zu beschreiten.
Seitdem sind viele Jahre vergangen. Asien mit seinem anhaltenden dynamischen Wachstum ist nicht länger ein Empfänger von Hilfe. Es ist stattdessen unser Partner für mehr Wachstum. Dieses Asien ist darüber hinaus ein Partner, der Innovationen hervorbringt. Dies ist genau der Grund, warum ich glaube, dass die japanische Vorgehensweise heute besser denn je zu Asien passt.
Wir schaffen Qualität. Und wir denken zusammen mit den Menschen in Asien und schreiten gemeinsam mit ihnen voran.
Aus diesem Grund bin ich ziemlich sicher, dass es uns gelingen wird, ganz wunderbare Innovationen hervorzubringen, die uns in die Lage versetzen werden, die verschiedenen Herausforderungen zu meistern, denen sich unser Kontinent auf seinem weiteren Weg voraussichtlich stellen muss.
Es gibt nur einen Slogan, um die Zukunft Asiens zu gestalten: „Seien wir innovativ.“ Vor diesem Hintergrund steht Japan bereit, seine ganze Kraft für dieses Ziel
Vielen Dank.