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Neues aus Japan Nr.127 Juni 2015

Selbst Dampf ist „mottainai“ – neueste Trends bei der Energiegewinnung

Erneuerbare Energien, die ohne Erschöpfung der Ressourcen kontinuierlich zur Verfügung stehen, stehen heute weltweit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch in Japan sind bei den Innovationen auf dem Gebiet der Energiegewinnung mittels natürlicher Energiequellen wie Sonne, Wind oder Geothermie zahlreiche Entwicklungen zu beobachten. Dabei wird selbst geringste Energie aus Wärmequellen oder Vibrationen, die überall in unserem Alltag auftreten, in elektrischen Strom umgewandelt. Die vielfältigen Initiativen, mit denen geringste Energiequellen um uns herum auf effektive Weise „eingefangen“ werden, sind Ausdruck des vom Begriff „mottainai“ geprägten Umweltbewusstseins in Japan, auf das die Menschen dort besonders stolz sind („mottainai“ kann man mit „zu schade, um es zu verschwenden“ übersetzen).

 


Heißer Dampf steigt im Thermalbad Beppu in der Präfektur Oita auf.

 

Strom aus der ungenutzten Wärme von Thermalquellen

Als eine der bekanntesten Vulkanregionen der Welt verfügt Japan nach den Vereinigten Staaten und Indonesien über das drittgrößte geothermische Potential weltweit. Bei einer Reise zu den zahlreichen Thermalbädern sieht man allerorten heißen Dampf aufsteigen, und man fragt sich unwillkürlich, ob dieser Dampf nicht für die Gewinnung von Energie genutzt werden könnte. Eine Anlage, die als Antwort auf diese Frage entwickelt wurde, nutzt die überschüssige Wärme – die ansonsten ungenutzt in die Luft entweichen würde – als Antrieb für eine Turbine. Diese Anlage steht in Beppu, einem der bekanntesten Thermalbäder des Landes in der Präfektur Oita auf der Insel Kyushu im Süden Japans.

Das neue System wird yukemuri hatsuden („Stromerzeugung durch Dampf“) genannt. Da die relativ niedrige Temperatur von maximal 120 Celsius für konventionelle geothermische Stromerzeugung ungeeignet ist, wird in dieser Anlage zusätzlich zu einer konventionellen Dampfturbine weltweit zum ersten Mal eine zweite Turbine durch heiße Wasserstrahlen angetrieben. Diese Turbine läuft mittels eines Mechanismus, bei dem heißes Wasser aus einer Düse mit hoher Geschwindigkeit auf die Schaufeln gelenkt wird. Die Heißwasser- und die Dampfturbine erzeugen zusammen bei 3000 Umdrehungen pro Minute elektrischen Strom. Die Leistung beträgt maximal 100 Kilowatt und reicht aus, um ca. 300 Häuser mit Elektrizität zu versorgen.

Der Vorteil dieses Systems liegt in der effizienten Nutzung der Thermalquellen in den einzelnen Badehäusern. Zudem ist diese Anlage im Gegensatz zu Solar- oder Windenergie wetterunabhängig und nimmt gerade einmal so viel Platz wie ein Personenwagen ein. Darüber hinaus kann das heiße Wasser, nachdem es die Turbine angetrieben hat, als eine künstliche Thermalquelle in Häusern oder zum Heizen im Winter verwendet werden, indem es dorthin geleitet wird, wo man es braucht. Dies eröffnet auch die Möglichkeit einer Integration solcher Anlagen in die künftige Stadtplanung.

 

 
Links: Experimentelle Anlage eines yukemuri Dampfgenerators, bei dem Strom durch den Antrieb
einer Turbine mit heißem Wasser und Dampf aus Thermalquellen erzeugt wird. ©TurboBlade
Rechts: Eine Hochgeschwindigkeitsturbine, die durch heißes Wasser angetrieben wird. Auf der rechten Seite
erkennt man die Düse für das Einspritzen des heißen Wasserstrahls.

 

Hydroenergie, die kein Gefälle benötigt

Hydroenergie – diese Form der natürlichen Energie kommt häufig in unauffälliger Weise vor: kleine Bäche, Gräben neben Feldern und selbst Straßengräben, die mit Wasser gefüllt sind, stellen Energiequellen mit großem Potential dar. Hierfür wurden von einem der führenden Unternehmen Japans ultrakleine Wasserkraftwerke entwickelt. Von den herkömmlichen hydroelektrischen Kraftwerken, die die potentielle Energie nutzen, die beim Fließen des Wassers von oben nach unten infolge eines Gefälles frei wird, unterscheiden sich die neuen Anlagen dadurch, dass sie in der Lage sind, selbst geringste Strömungen für die Stromerzeugung zu nutzen. Der größte Vorteil aber ist, dass keine aufwändigen Bauarbeiten wie Dämme oder Kanäle erforderlich sind; vielmehr können diese Anlagen ohne großen Aufwand eingesetzt werden.

Eine innovative Strömungslenkung und Antriebsschrauben in neuem Design bilden die technologischen Grundlagen dafür, dass selbst geringe Strömungen ohne Verlust zur Stromerzeugung genutzt werden können. Der Durchmesser des Strömungseingangs ist größer als der Durchmesser der Antriebsschrauben und sorgt dafür, dass die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers in der Nähe der Schrauben besonders hoch ist. Die Antriebsschrauben haben eine Form, die der von Flugzeugpropellern ähnelt, und diese wandeln den beschleunigten Wasserstrom ohne Verlust in eine hohe Rotation um. Bereits eine geringe Wasserströmung setzt dieses Kraftwerk automatisch in Gang, und bei einer Strömungsstärke von 3 Metern pro Sekunde ergibt sich eine Leistung von 2 Kilowatt. Diese Kraftwerke können nicht nur zur Selbstversorgung eingesetzt werden, sondern eignen sich in größerer Zahl auch für die kommerzielle Stromerzeugung.


 
Links: ΣFlow™ System mit einer ultrakleinen Wasserturbine,
die bereits beim Eintauchen in einen Wasserlauf Strom erzeugt. ©TOSHIBA

 

Umwandeln von Vibrationen in Licht

Bei einem Besuch des Enoshima Aquariums in Fujisawa in der Präfektur Kanagawa kann der Besucher eine LED-Beleuchtung erleben, die ihren Strom aus den eigenen Schritten auf dem Fußboden bezieht. Dieser „Fußboden zur Stromerzeugung“ produziert 2 Milliwatt pro Sekunde Strom, wenn eine 60 kg schwere Person zwei Schritte pro Sekunde macht. Auf LED-Leuchten umgerechnet können dadurch 100-200 Lampen zum Leuchten gebracht werden. Diese Anlage ist ein typisches Beispiel für ökologische Stromerzeugung, da kein Brennstoff benötigt wird und keine Luftverschmutzung entsteht, sondern allein die Vibrationen infolge des Gehens der Besucher genutzt werden. Mittlerweile wurde die Produktion für den Einsatz in Kaufhäusern und Bürogebäuden, aber auch in normalen Wohnhäusern aufgenommen.

In den Fußboden sind spezielle piezoelektrische Vorrichtungen eingebaut, die Strom erzeugen, wenn auf sie Druck von außen einwirkt. Auch wenn die produzierte Strommenge klein ist, sind diese Vorrichtungen in der Lage, elektrische Geräte ohne Stromanschluss oder Batterien zu betreiben. So können etwa LED-Leuchten aktiviert werden, um Korridore, Badezimmer und andere Räume beispielsweise bei einem Stromausfall infolge eines Erdbebens zu finden. Und in den Wohnungen alleinstehender älterer Menschen installierte Sensoren sind so in der Lage, automatisch Informationen über deren Alltagsleben und Wohlbefinden an weit entfernt lebende Familienangehörige zu übermitteln.

Darüber hinaus werden unter Nutzung dieser Technologie derzeit auch Gehstöcke und Schuhe entwickelt, die auf dieselbe Weise Strom erzeugen; diese Entwicklungen werden die Sicherheit von Personen verbessern, die nachts in der Dunkelheit gehen oder laufen. Der Knopf einer Fernbedienung, der bereits nur auf Knopfdruck Strom erzeugt, ist in der Lage, über Funksignale Beleuchtungseinrichtungen zu aktivieren. Die kommerzielle Anwendung dieser Funktion gilt als vielversprechende Neuerung, da so Zeit und Geld bei der Montage von Kabelinstallationen in Wohnhäusern und anderen Gebäuden eingespart werden können.

Die verschiedenen Systeme zur Stromerzeugung, die derzeit in Japan entwickelt werden, dürften sehr wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Transformation des Lebensstils der Menschen in der Zukunft spielen.

 

 
Links: Dieser Teil des Enoshima Aquariums wird von LED-Lampen erleuchtet, die ihren Strom aus dem
Power Generation Floor® System beziehen, das die Vibrationen von Schritten in Elektrizität umwandelt.
©soundpower corporation

Rechts: Das Power Generation Floor® System als leuchtender Wegweiser im Eingangsbereich eines Bürogebäudes. ©soundpower corporation

 

© Web Japan 2015

 


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