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Neues aus Japan Nr.128 Juli 2015

„Eine dem Frieden verpflichtete Nation begleitet Asien“

Grundsatzrede von Außenminister Fumio Kishida
im Rahmen des Seminars für Friedenskonsolidierung, nationale Aussöhnung
und Demokratisierung in Asien
an der United Nations University, Tokyo,
am 22.06.2015


Foto: Ministry of Foreign Affairs of Japan

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Akashi,
verehrte Gäste,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

für Ihre Teilnahme an diesem hochrangig besetzten Seminar möchte ich Ihnen ganz herzlich danken. Wir haben zu diesem Seminar führende Persönlichkeiten und Experten, die in den Bereichen Friedenskonsolidierung, nationale Aussöhnung und Demokratisierung eine wichtige Rolle spielen, eingeladen. Es ist mir eine große Ehre, dieses Seminar hier an der United Nations University in ihrer Anwesenheit zu veranstalten.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen aufzuzeigen, wie wir Japans derzeitiges Engagement im Bereich Friedenskonsolidierung künftig weiterführen wollen. Gleichzeitig möchte ich noch einmal auf den Weg zurückblicken, den Asien und Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gemeinsam beschritten haben.

 

1. Asiens und Japans Weg seit Kriegsende

Wenn wir siebzig Jahre zurückblicken, dann gab es unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in Asien nur eine Handvoll unabhängiger Staaten. Japan kehrte mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrags von San Francisco 1952 in die Staatengemeinschaft zurück. Etwa zur selben Zeit erlangten auch viele asiatische Nationen ihre Unabhängigkeit.

Als ein Politiker, der aus Hiroshima stammt, befasse ich mich besonders intensiv mit der Frage von Krieg und Frieden.

Vor siebzig Jahren wurde Japan im Zweiten Weltkrieg verwüstet. Darüber hinaus hat Japan den Völkern Asiens durch seine Taten großes Leid zugefügt. Auf der Grundlage dieser Erfahrung haben sich die Menschen in Japan aufrichtig für den Wiederaufbau ihres Landes eingesetzt sowie eine freie und demokratische Nation gestaltet, die die grundlegenden Menschenrechte achtet. Wir haben aus dem Gefühl der Reue heraus den Weg eines dem Frieden verpflichteten Staates beschritten und waren entschlossen, den Frieden zu erhalten und nie wieder Krieg zu führen. An dieser Entschlossenheit, die sich Japan als ein dem Frieden verpflichteter Staat zu eigen gemacht hat, halten wir unverändert fest. Wir dürfen unseren Blick nicht von der Vergangenheit abwenden, und wir müssen als eine dem Frieden verpflichtete Nation nach der Zukunft streben.

Während der Nachkriegszeit dauerten in vielen Teilen Asiens die Konflikte weiter an. Eingedenk der Notlage unseres eigenen Landes vor siebzig Jahren und angesichts der anhaltenden Konflikte überall in Asien streckte Japan daher als ein Freund seine Hände aus und gewährte soviel Unterstützung und Hilfe wie nur möglich. Japan sollte nicht das einzige Land sein, das sich an den Frieden gewöhnt hatte. Denn erst wenn die Wohltaten des Friedens und der freundschaftlichen Beziehungen der Region und der ganzen Welt zugute kommen, können wir echten und dauerhaften Frieden erreichen. Mit diesem starken inneren Willen hat Japan sich aktiv für den Frieden in Kambodscha, Myanmar, Mindanao, Aceh und Timor-Leste, der Heimat des heute anwesenden früheren Präsidenten Dr. José Ramos-Horta, aber auch in Sri Lanka und anderen Teilen Asiens eingesetzt.

Heute verfolgt Japan als Grundlage seiner Sicherheitspolitik das Konzept des „proaktiven Beitrags zum Frieden“, basierend auf dem Prinzip der internationalen Zusammenarbeit. Dieses Konzept gründet sich auf der unerschütterlichen Verpflichtung Japans für den Frieden. Den Kern unseres „proaktiven Beitrags zum Frieden“ bilden die Beiträge, die mein Land für die Konsolidierung des Friedens in Asien geleistet hat. Derzeit wird im japanischen Parlament über die rechtlichen Rahmenbedingungen für unser Engagement für Frieden und Sicherheit beraten, um eine noch effektivere und nahtlose Umsetzung unserer Beiträge zum Frieden zu ermöglichen.

Vor siebzig Jahre konnte sich niemand den Grad der Entwicklung und des Fortschritts vorstellen, der heute in Asien zu sehen ist. Unglücklicherweise sind nach wie vor eine Reihe von Konflikten sowie deren Ursachen ungelöst. Zusammen mit unseren Partnern und Freunden in Asien wird Japan sich auch weiterhin mit Nachdruck für Friedenskonsolidierung, nationale Aussöhnung und Demokratisierung einsetzen.

 

2. Japans drei Prinzipien der Friedenskonsolidierung

Unter welchen Rahmenbedingungen nun engagiert sich Japan für die Friedenskonsolidierung? Wenn man den Blick noch einmal auf die Vergangenheit richtet, dann kann man meines Erachtens die folgenden drei Prinzipien erkennen, die mein Land bei seinem Engagement für die Friedenskonsolidierung umsetzt.

Betonung der „Menschen“ und des Engagements „vor Ort“
Das erste Prinzip ist die Betonung der „Menschen“ und des Engagements „vor Ort“. Japan misst dem Einsatz vor Ort, d.h. der Zusammenarbeit mit den Vertretern der Gemeinschaften und Regionen, in denen das Engagement für Friedenskonsolidierung und Demokratisierung stattfindet, große Bedeutung bei. Dies erlaubt es uns, Hand in Hand mit den Menschen vor Ort den Weg zu beschreiten und gemeinsam über alles nachzudenken. Wir halten es zudem für sehr wichtig, dass Japans technologische Expertise und sein Know-how von den Menschen vor Ort angenommen werden und dort auch Wurzeln schlagen.

Die Japan International Cooperation Agency (JICA) steht gleichsam in der ersten Reihe unseres Engagements im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Und die Japan Overseas Cooperation Volunteers (JOCV) arbeiten unmittelbar mit den Menschen vor Ort auf der Grass-Roots-Ebene zusammen. Darüber hinaus hat Japan auch Personal sowie Einheiten der JSDF entsandt, um Blauhelmmissionen in Postkonfliktregionen wie Kambodscha zu unterstützen, wo Herr Yasushi Akashi, der Vorsitzende des heutigen Seminars, als Sonderbeauftragter des VN-Generalsekretärs wirkte.

Aus dieser Position heraus engagiert sich Japan auch für die Verbesserung der Ausbildung des Personals für Friedenskonsolidierung. In diesem Jahr werden wir unsere bisherigen Anstrengungen ausweiten und das „Program for Global Human Resource Development for Peacebuilding and Development“ starten. Zudem werden wir im Rahmen von „JENESYS 2015“ (Japan-East Asia Network of Exchange for Students and Youths), einem Austauschprogramm zwischen Japan und der Region Asien-Pazifik, ca. 300 junge Menschen nach Hiroshima und Nagasaki einladen, damit sie die realen Folgen der Atombombenabwürfe kennenlernen und mit jungen Menschen aus Japan über den Frieden diskutieren können.

Betonung der wirtschaftlichen Entwicklung
Das zweite Prinzip ist die Betonung der wirtschaftlichen Entwicklung. In Bezug auf diese Grundlage für Frieden und Aussöhnung hat Japan große Anstrengungen unternommen, um die Lebensverhältnisse durch eben diese wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern. Mein Land wurde bei seinem eigenen Weg als ein dem Frieden verpflichtetes Land von seiner erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung unterstützt. Selbst wenn es den Konfliktparteien gelingt, ihre Differenzen beizulegen, bleibt der Frieden solange fragil, wie er nicht durch wirtschaftliche Entwicklung gefestigt wird. Langfristig kann Frieden nur dann Wurzeln schlagen, wenn die sogenannte „Friedensdividende“ ausgezahlt wird und bei den Menschen ankommt. Diese Überlegungen bildeten die Grundlage für die „Tokyo Conference on Reconstruction and Development of Sri Lanka“ von 2003, die sich auf ein Konzept der „positiven Verknüpfungen“ stützte. Mit Hilfe dieses Konzepts wurde die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft in enger Weise mit den Fortschritten beim Friedensprozess in Sri Lanka verknüpft.

Gegenwärtig gibt es in Asien zahlreiche Post-Konfliktstaaten, die ein hohes Wirtschaftswachstum aufweisen. Ich freue mich sehr darüber, dass Kambodscha, Sri Lanka und Myanmar heute das Wachstum in Asien mit jährlichen Wachstumsraten von 7 % anführen. Japan wird sich auch weiterhin für die Konsolidierung des Friedens einsetzen, indem wir das wirtschaftliche Wachstum betonen, um so den Lebensstandard der Menschen zu verbessern.

Toleranz der Vielfalt
Das dritte Prinzip schließlich ist die Toleranz der Vielfalt. Während wir einerseits universelle Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte betonen, agiert Japan angesichts der ethnischen und religiösen Vielfalt in Asien eher umsichtig, was das Erzielen rascher Resultate anbelangt.

Ein gutes Beispiel ist der erfolgreiche Ansatz, den Indonesien verfolgt. Trotz seiner großen ethnischen und religiösen Vielfalt ist es diesem Land gelungen, in großer Einigkeit einen erfolgreichen Übergang zur Demokratie zu gestalten. Der Grund dafür ist die Umsetzung der als „Pancasila“ („Fünf Prinzipien“) bekannten nationalen Grundsätze. Aus diesem Blickwinkel heraus richten wir den Fokus auf den Aufbau von Gesellschaften, die gegen Radikalisierungstendenzen gefeit sind. Wir müssen verhindern, dass sich in Asien extremistische Ideologien von Gruppierungen wie dem Islamischen Staat ausbreiten. Japan fördert den Ausgleich in einer Reihe von Staaten wie Malaysia und Indonesien. Wir werden mit Mitteln des Japan-ASEAN Integration Fund (JAIF) Projekte umsetzen, die sich gegen gewalttätigen Extremismus richten. Dieser Fonds wurde von Japan in Zusammenarbeit mit dem früheren Generalsekretär der ASEAN, Dr. Surin Pitsuwan, eingerichtet.

 

3. Fünf Aufgaben als Japans künftiger Beitrag

Auf der Grundlage dieser drei Prinzipien wird Japan sich weiterhin aktiv für Friedenskonsolidierung, nationale Aussöhnung und Demokratisierung in Asien engagieren. Insbesondere werden wir die folgenden fünf Aufgaben in Angriff nehmen.

Erstens werden wir damit fortfahren, die nationale Aussöhnung zwischen der Regierung Myanmars und den ethnischen Minderheiten im Land zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit Herrn Yohei Sasakawa, dem Sondergesandten der Regierung von Japan für die nationale Aussöhnung in Myanmar, unterstützen wir die Regierung Myanmars dabei, sich mit den Minderheiten im Land auszusöhnen. Hierfür wird Japan in den kommenden fünf Jahren bis zu 10 Mrd. Yen bereitstellen.

Zweitens werden wir unser Engagement für den Frieden auf Mindanao fortsetzen. Auf der Grundlage des Gipfeltreffens zwischen Premierminister Abe und Präsident Aquino in diesem Monat werden wir Schritt für Schritt Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung im Rahmen von J-BIRD 2 und in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der Moro Islamic Liberation Front (MILF), Herrn Murad Ibrahim, umsetzen.

Drittens werden wir damit fortfahren, die nationale Aussöhnung in Sri Lanka zu unterstützen. Wir begrüßen die aufrichtigen Anstrengungen für eine Aussöhnung, die von der neuen Regierung von Präsident Sirisena unternommen werden. In enger Kooperation mit dem Außenminister des Landes, Herrn Mangala Samaraweera, möchten wir unsere Unterstützung für Sri Lanka mit Hilfe von Herrn Akashi weiter ausbauen. Als Bestandteil dieses Engagements wird Japan ein Programm für die Ausbildung von über 1.800 Kommunalbeamten auflegen.

Viertens wird Japan die Erholung und den Wiederaufbau Nepals unterstützen. Mein Land wird den Ko-Vorsitz bei der internationalen Konferenz für den Wiederaufbau Nepals übernehmen, die am 25. Juni in Kathmandu stattfindet. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um einen nahtlosen Übergang von der Phase der Nothilfe zur Phase der Erholung und des Wiederaufbaus zu unterstützen. Es ist wichtig, Nepal in einer Weise Hilfe zu leisten, die den Demokratisierungsprozess im Land nicht gefährdet, damit Nepal sich zu einem dynamischen und demokratischen Staat entwickeln kann.

Und schließlich werden wir den Schutz von Frauen und Kindern unterstützen. In Konfliktsituationen sind sie die am meisten gefährdeten Teile der Bevölkerung. Auf der Grundlage des Konzepts von Human Security wird Japan seine staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) dazu verwenden, die Bildung von Mädchen zu fördern sowie die Opfer von Menschenhandel zu beschützen. Wir werden zudem unsere Zusammenarbeit mit dem Büro der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für sexuelle Gewalt in Konflikten ausbauen. Tatsächlich war Japan im vergangenen Jahr das wichtigste Geberland für diese Einrichtung.

Mit Blick auf die Bootsflüchtlinge im Indischen Ozean, darunter Frauen und Kinder, hat Japan beschlossen, Hilfen im Umfang von 3,5 Mio. Dollar über die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bereitzustellen.

 

4. Schlussbetrachtung

Viele glauben, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Asiens sein wird. Allerdings wird das derzeitige Wirtschaftswachstum ohne beständigen und nachhaltigen Frieden nicht andauern. Wir müssen mit unserem Engagement zur Erhaltung des Friedens fortfahren. Als Außenminister, der aus Hiroshima stammt, verspreche ich an dieser Stelle erneut, mich nachdrücklich für Frieden hier und jetzt einzusetzen. Ich werde die Beiträge für Friedenskonsolidierung, nationale Aussöhnung und Demokratisierung in Asien zu einer neuen Säule meiner „Kishida-Außenpolitik“ machen. Zusammen mit Asien und der ganzen Welt werden wir uns mit ganzer Kraft für eine Zukunft in Frieden und Wohlstand einsetzen.

Ich möchte meine Grundsatzrede mit der aufrichtigen Hoffnung beschließen, dass die Beiträge im Rahmen des heutigen Seminars auf vielfältige Art und Weise Früchte tragen werden.

Vielen Dank.

 

 


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