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Neues aus Japan Nr.128 Juli 2015

Mit Algen die Welt verändern – Erschließung einer neuen Ressource

Die Kultivierung von Algen in Seen und an Meeresküsten rückt angesichts der Sorge um sich erschöpfende Energieressourcen wie Erdöl und Nahrungsmittelkrisen infolge des raschen Bevölkerungswachstums immer mehr ins Zentrum des Interesses der Forschung. Einige Algenarten vermehren sich außerordentlich schnell und sind reich an Nährstoffen; es gibt sogar Arten, die ölige Substanzen produzieren, die Erdöl ähneln. Die Kultivierung dieser Algenarten bringt gegenüber dem Anbau von Landpflanzen höhere Erträge bezogen auf die dafür benötigte Anbaufläche. Ein weiterer großer Reiz besteht darin, dass die Fotosynthese der Algen für den Kampf gegen die Erderwärmung eingesetzt werden kann. Das Interesse richtet sich dabei auch auf Initiativen von Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Japan, die eine Nutzung der Algen als Ressource anstreben.

 


Oben links: Spirulina ist weltweit als natürlicher blauer Farbstoff und als Nahrungsergänzungsmittel beliebt.
(Foto: DIC Corporation)
Oben Mitte: “Enomoto-Algen“ sind eine verbesserte Züchtung von Botryococcus,
die sich sehr rasch vermehren können. (Foto: IHI NeoG Algae LLC)
Oben rechts: Pseudochoricystis Ellipsoidea produziert mit Hilfe der Fotosynthese Öl,
das in seiner Qualität Leichtöl ähnelt. (Foto: DENSO Corporation)
Unten links: Euglena kann sich wie ein Tier fortbewegen. (Foto: euglena Co., Ltd.)
Unten rechts: Aurantiochytrium verwendet keine Fotosynthese, sondern vermehrt sich
durch die Aufnahme von organischem Material; ein charakteristisches Merkmal ist die hohe Geschwindigkeit,
mit der sich diese Algenart vermehrt. (Foto: University of Tsukuba)

 

Spirulina – „Nahrungsmittel der Zukunft“

1981 begann eine Gruppe japanischer Chemieunternehmen in der Wüste von Kalifornien, wo in hohem Maße Sonnenlicht vorhanden ist, mit der künstlichen Zucht der Mikroalge Spirulina. Die Gruppe produziert in den weltweit größten Zuchtbecken für Freiluftpflanzen, die eine Gesamtfläche von 180 Tsd. m² haben, jährlich 500 Tonnen Algen, die zum Verzehr bestimmt sind. Zusammen mit einer Anlage auf der südchinesischen Insel Hainan, die 1997 eröffnet wurde und 100 Tsd. m² umfasst, beträgt die Jahresproduktion von Spirulina 850 Tonnen. Damit ist die Unternehmensgruppe, deren Produkte in dreißig Ländern u.a. vertrieben werden, der größte Lieferant weltweit.

Spirulina wird vor allem als natürlicher blauer Farbstoff in Kaugummis und Eiscreme verwendet sowie in Pillenform auch als Nahrungsergänzungsmittel. Sie gilt als „Nahrungsmittel der Zukunft“, da sie über fünfzig gesunde Nähstoffe enthält, darunter Vitamine, Mineralien und Aminosäuren. Gleichzeitig ist sie in der Lage, Treibhausgase zu reduzieren. Diese Algenart entstand vor über drei Milliarden Jahren auf der Erde und produzierte den ersten Sauerstoff auf unserem Planeten. Das Fotosynthese-Potential ist so groß, dass die Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) sie im Rahmen eines Luftreinigungssystems in der Raumstation einsetzt.

 


Spirulina Zuchtbecken in Kalifornien (Foto: DIC Corporation)

 

Kann man Algen als Treibstoff für Flugzeuge verwenden?

Man schätzt, dass auf der Erde 300 Tsd. bis zehn Millionen Algenarten existieren. Einige davon besitzen in ihren Zellen Chloroplasten, die mehrere Mikrometer oder sogar noch größer sind; andere wiederum können sich wie Tiere fortbewegen. Der Alge Euglena kommt besondere Aufmerksamkeit zu, da sie diese beiden Eigenschaften in sich vereint und darüber hinaus in der Lage ist, Öl als Rohstoff zu produzieren. 2005 gelang es einem Bio-Venture-Unternehmen der Universität Tokyo als erstem Unternehmen weltweit, Euglena erfolgreich in großem Maßstab in Freiluftanlagen zu züchten. Das Unternehmen fördert die Verbreitung von Euglena durch die Produktion von Nahrungsergänzungsmitteln, bei denen die 59 Nährstoffe dieser Alge Verwendung finden. Inzwischen strebt man bis etwa 2018 die Entwicklung und kommerzielle Nutzung der Alge als Treibstoff für Flugzeuge an.

Das Öl, das aus der gereinigten öligen Substanz hergestellt wird, die von Euglena produziert wird, hat große Ähnlichkeit mit Flugbenzin; es ist extrem leicht und hochgradig. Ein weiterer großer Vorteil mit Blick auf die Massenproduktion ist, dass Euglena im Gegensatz zu den meisten anderen Algenarten keine Zellwände besitzt, so dass die ölige Substanz leicht extrahiert werden kann.

 


Links: Pulver aus Euglena, die auf der Insel Ishigakijima
in der Präfektur Okinawa geerntet werden. (Foto: euglena Co., Ltd.)
Rechts: Ein „Euglena Bauernhof-Fahrzeug“, das mit einem Diesel-Öl-Gemisch fährt,
dessen Ölanteil aus Euglena gewonnen wird. (Foto: euglena Co., Ltd.)

 

Neue Energie aus Abwasser

Ein weiteres Projekt stellt ein Recyclingsystem dar, bei dem Mikroalgen zur Abwasserbehandlung eingesetzt werden und dabei Öl produzieren, das dann als Brennstoff für eine Verbrennungsanlage genutzt wird. 2012 hat sich die Stadt Sendai mit den Universitäten Tsukuba und Tohoku für ein gemeinsames Projekt zusammengeschlossen, bei dem zwei Algenarten, darunter die heterotrophe Aurantiochytrium für die Produktion von Kohlenwasserstoffen (Ölen) eingesetzt werden. Es ist geplant, in diesem Jahr eine Pilotanlage auf dem Gelände des Klärwerks von Sendai zu errichten und diese 2016 in Betrieb zu nehmen.

Aurantiochytrium führt keine Fotosynthese durch, sondern nimmt organische Materialien aus dem Abwasserschlamm auf und verwandelt diese in Öle. Die Alge vermehrt sich alle 2-4 Stunden durch Teilung; diese Wachstumsrate ist sehr viel größer als bei fotosynthetischen Organismen. Eine andere Algenart, Botryococcus Braunii, ist in der Lage, Öle mittels Fotosynthese zu produzieren. Dabei verwendet sie anorganischen Stickstoff und Phosphate, die als Nährstoffe im behandelten Abwasser übrigbleiben. Auch die Wärme und das Kohlenstoffdioxid, die von der Verbrennungsanlage abgegeben werden, können wieder genutzt werden. Eine Kombinierung dieser Mechanismen vervollständigt ein revolutionäres Recyclingsystem, das neue Energie aus Abwasser von Haushalten gewinnt.

 


Labor mit Kulturen der Alge Botryococcus Braunii.
(Foto: SENDAI City)

 

Praktische Nutzung von Biotreibstoff

Ein führender Produzent von Autoteilen entwickelt ebenfalls ein Recyclingsystem, welches das Öl verwendet, das aus der Fotosynthese der Algen aus den Kohlestoffdioxid-Emissionen der Fabrik stammt. Dieser Produzent möchte die Massenproduktion von Pseudochoricystis ellipsoidea aufnehmen, die bei der Fotosynthese ein Öl produziert, das Leichtöl ähnelt. Im Rahmen dieses Projekts werden zudem neue Technologien unter Nutzung von Mikrowellen entwickelt, wie sie in Mikrowellenöfen vorkommen, um auf diese Weise das Öl in effizienter Weise in Biotreibstoff umzuwandeln.

Die größte Herausforderung bei der Kommerzialisierung von Biotreibstoffen stellt die Reduzierung der Produktionskosten dar. Eines der besten Mittel, um die Effizienz der Algen zu steigern, ist die Züchtung verbesserter Stämme. Ein Bio-Venture-Unternehmen, das von einem der führenden Maschinenbauer Japans ins Leben gerufen wurde, strebt die Kommerzialisierung der „Enomoto-Algen“ an, ein verbesserter Stamm von Botryococcus, der sich rund tausend Mal schneller vermehrt als die traditionellen Varianten. Selbst wenn die Dichte der Organismen zunimmt, verringert sich das Produktionsvolumen nicht. Und die Tatsache, dass diese Alge gegen unerwünschte Bakterien resistent ist und auch im Freien kultiviert werden kann, bedeutet, dass die Kosten erheblich reduziert werden können.

Biosprit aus Algen schien vor einigen Jahren noch eine Utopie zu sein, aber diese Forschungen für eine praktische Anwendung dürften das Tempo der künftigen Entwicklung weiter beschleunigen.

 


Links: Empirische Experimente in einem 350 m² Zuchttank (Foto: DENSO Corp.).
Rechts: „Enomoto Algen“ – eine verbesserte Züchtung von Botryococcus werden getrocknet und entzündet.
(Foto: IHI NeoG Algae LLC)

 

© Web Japan 2015

 


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