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Neues aus Japan Nr.133 Dezember 2015

Rede von Premierminister Shinzo Abe anlässlich des ASEAN Business & Investment Gipfeltreffens

in Kuala Lumpur, Malaysia
am 21.11.2015

 
Foto: Cabinet Public Relations Office

 

(Einleitung)

Herr Vorsitzender Tan Sri Munir,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich mit Ihnen gemeinsam meine aufrichtige Anteilnahme angesichts der Opfer der jüngsten Terrorattacken in Paris zum Ausdruck bringen. Wir alle, die Menschen in Asien, stehen Seite an Seite neben den Menschen in Frankreich, die nun großen Herausforderungen entgegensehen. Ich erkläre mich nachdrücklich mit ihnen solidarisch.

Terrorismus ist durch nichts zu rechtfertigen. Dies war ein Angriff auf unsere Werte, die nach Frieden und Wohlstand streben.

Die internationale Gemeinschaft wird im Kampf gegen den Terrorismus nun fest zusammenhalten. Ich bin entschlossen, hier beim Ostasien-Gipfel diese nachdrückliche Botschaft auszusenden und auf diese Weise die Haltung fortzuführen, die bereits beim G20-Gipfel und bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der ASEAN zum Ausdruck gebracht wurde.

Es ist eine große Ehre für mich, heute vor führenden und angehenden Vertretern der Wirtschaft sprechen zu dürfen, die die Wirtschaft Malaysias und auch die Wirtschaft der ASEAN in Zukunft anführen werden.

Kuala Lumpur liegt über 5.000 km von Tokyo entfernt. Für Sie als Wirtschaftsleute, die weltweit agieren, ist das nur ein Steinwurf. Ich jedoch bin am Ende einer langen Reise von 24.000 km zu Ihnen gekommen, die mich von Tokyo aus in die Türkei zum G20-Gipfel und anschließend nach Manila zum APEC-Gipfeltreffen führte.

Allmählich beginne ich mich nach japanischem Essen zu sehnen. Dabei kann man auch hier in Malaysia äußerst schmackhafte japanische Gerichte wie Sushi oder Teppanyaki genießen. Auch ich habe gehört, dass sich Ramen-Nudeln in jüngster Zeit hierzulande außerordentlicher Beliebtheit erfreuen. Die bekanntesten japanischen Ramen-Restaurantketten eröffnen hier eine neue Niederlassung nach der anderen. Wenn jemand unter Ihnen Ramen noch nicht probiert haben sollte, empfehle ich Ihnen nach dieser Veranstaltung einen Besuch der „Tokyo Street“ in Bukit Bintang.

Japans schmackhafte Ramen-Gerichte stellen, wenn sie in ihrer Schale dargereicht werden, eine hervorragend abgestimmte Balance von Brühe, Nudeln und Zutaten dar. Wir Japaner bringen die japanischen Zutaten aber nicht einfach so nach Malaysia mit.

Ein Restaurant ist beispielsweise Halal-zertifiziert. Man verwendet dort eine Brühe auf der Basis von Hühnchen anstelle von Schwein, und auch bei den Zutaten wurden die Scheiben gegrillten Schweinefleischs durch Hühnerfleisch ersetzt. Diejenigen, die diese Gerichte zubereiten, sind Malaysier, die extra dafür ausgebildet wurden. Dank dieser Anstrengungen können eine ganze Reihe von Ramen-Restaurants immer neue Filialen eröffnen.

Japaner drängen sich anderen Menschen nicht auf. Wir betrachten die Dinge lieber auf lange Sicht und streben danach, in einem Land tiefe Wurzeln zu treiben. Wir überlegen gemeinsam mit den Menschen vor Ort und begleiten sie auf ihrem Weg.

Dies ist die Art und Weise, in der Japan agiert. Ich denke, dass Sie alle sich dies besser in Erinnerung rufen können, wenn Sie sich an den großen Erfolg der Hersteller von Elektrogeräten und Autos aus Japan erinnern, den diese in den Staaten der ASEAN bis heute verzeichnen.

(Ausbildung der humanen Ressourcen)

Indem wir junge Menschen hier ausbilden und sie dabei unterstützen, ihre Potenziale zu entfalten, haben japanische Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Industrialisierung der ASEAN-Staaten gespielt.

Vor dreißig Jahren war ein junger Mann namens Yang Cho Leon einer dieser Menschen. Nachdem er acht Jahre lang für den Vertrieb von Matsushita Sales & Services gearbeitet hatte – heute heißt dieses Unternehmen Panasonic Malaysia – nahm er an einem Trainingsprogramm der Association for Overseas Technical Scholarship (AOTS) teil, das von der Regierung von Japan unterstützt wurde. Auf diese Weise konnte er Erfahrungen in einem weltweit führenden Vertriebssystem in der Stadt Yokohama sammeln.

„Diese Zeit ermöglichte mir sehr wertvolle Erfahrungen“, so Herr Yang, der nun hier in Malaysia ein Unternehmen gegründet hat und für den Vertrieb von Meeresprodukten aus Malaysia verantwortlich ist.

Er erzählte auch, wie sehr ihn die ernsthafte und aufrichtige Haltung der Menschen in Japan beeindruckt habe. Derzeit unterhält er ein Programm, das malaysischen Oberschülern die Gelegenheit bietet, das japanische „Kaizen“-System kennenzulernen und zu studieren, mit dessen Hilfe kontinuierliche Verbesserungen angestrebt werden.

Die Erfahrungen und das Know-how japanischer Unternehmen haben mittlerweile in den Staaten der ASEAN feste Wurzeln gefasst, weil sie an Herrn Yang und über ihn an junge Menschen weitergegeben werden, die als nächste Generation die Verantwortung für Malaysias Zukunft tragen werden.

Dies bietet auch japanischen Unternehmen eine riesige Chance.

Der Geschmack der Menschen ist von Land zu Land verschieden. Beispielsweise sind Motorräder, auf denen mehrere Menschen gleichzeitig fahren können, in Vietnam außerordentlich beliebt, während in Thailand Pickup Trucks in einem sportlichen Design ein großer Hit sind. Allein das Designen und Entwickeln höchst marktfähiger Produkte für jedes einzelne Land bietet die Möglichkeit, dass die Jugend dieses Landes, die voller Energie und Fähigkeiten steckt, ihre Stärken entfalten kann.

Ich möchte heute an dieser Stelle bekanntgeben, dass Japan sich dazu verpflichtet, 40.000 junge Menschen aus den ASEAN-Staaten, aus Indien und aus ganz Asien dabei zu unterstützen, ihre technischen Fähigkeiten zu verbessern und sich neues Wissen anzueignen.

Um dieses Ziel zu erreichen, verkünde ich hier unsere Absicht, die nächste Generation junger Menschen zu unterrichten und auszubilden, die bei der weiteren industriellen Entwicklung eine führende Rolle spielen wird. Dafür werden in Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen neue Studiengänge an rund zwanzig Hochschulen in Thailand, Malaysia, Myanmar, Indonesien, Vietnam und anderswo eingerichtet werden.

Darüber hinaus ist die Hälfte aller Verbraucher weiblich. Daher sind auch die einzigartigen Fähigkeiten von Frauen gefragt, um einen Verkaufsschlager zu kreieren. Auch in Japan sind es die Frauen, die mittels der Abenomics das Wachstum antreiben. Ich möchte auch die Chancen für die Frauen in Asien mit ihren vielfältigen Potenzialen verbessern. Zu diesem Zweck wird Japan einen neuen Fonds einrichten.

Asien ist für Japan nicht mehr länger ein Hilfsempfänger. Asien ist vielmehr unser Partner für mehr gemeinsames Wachstum. Japan verpflichtet sich dazu, weitere Anstrengungen im Bereich der Entwicklung humaner Ressourcen zu unternehmen, die dann zur treibenden Kraft für unser gemeinsames Wachstum werden.

(Unsere Partnerschaft im Bereich Infrastruktur)

Unsere Partnerschaft reicht aber über die humanen Ressourcen hinaus. Japan und Asien wachsen auch durch die Bereitstellung von Kapital als gemeinsame Partner. In den kommenden fünf Jahren werden Japan und die Asian Development Bank (ADB) Asien mit einer Finanzierung für innovative Infrastruktur im Umfang von 110 Mrd. US-Dollar ausstatten, das entspricht 13 Billionen Yen.

In den letzten dreißig Jahren hat Japan die Entwicklung einer Industriezone an der Ostküste Thailands durch den Bau eines Hafens und Verkehrsanbindungen in Form von Schienen und Straßen unterstützt. Es waren japanische ODA-Darlehen im Umfang von insgesamt rund 180 Mrd. Yen, die diesem „Detroit des Ostens“ als Zentrum der Automobilproduktion zum Aufstieg verhalf. Diese Darlehen boten langfristiges Kapital zu niedrigen Zinsen.

Wir werden diese Darlehen künftig noch einfacher zugänglich machen und dafür unser System reformieren, um es noch besser an den Bedürfnissen der Menschen in Asien auszurichten.

Asien schreitet kontinuierlich voran, und das Tempo seines Wachstums nimmt von Jahr zu Jahr weiter zu. Japans ODA-Darlehen dürfen daher nicht den Anschluss an diese rasante Entwicklung verlieren. Wir werden die Zeitspanne drastisch reduzieren, die erforderlich ist, um das Genehmigungsverfahren für solche Darlehen zu durchlaufen – im Vergleich zum derzeitigen System um bis zu eineinhalb Jahre.

Wir werden zudem die derzeitig gängige Praxis ändern, ausnahmslos auf Zahlungsgarantien von Seiten der Regierungen zu bestehen. In Fällen, in denen ODA-Darlehen durch die zentralen Regierungen auch kommunalen Behörden, öffentlichen Unternehmen oder anderen öffentlichen Institutionen mit ausreichender Verpflichtung gewährt werden, wird Japan nicht länger unbedingt eine Garantie seitens der Regierung verlangen. Indem wir auf die unterschiedlichen Bedürfnisse im Bereich Infrastruktur eingehen, gestalten wir den Vergabeprozess für ODA-Darlehen schneller und flexibler.

Japan wird darüber hinaus auch seine Zusammenarbeit mit der ADB ausweiten. In den nächsten fünf Jahren werden die Japan International Cooperation Agency (JICA) und die ADB Ko-Finanzierungen im Umfang von 10 Mrd. US-Dollar tätigen. Die JICA wird über einen Treuhandfonds in den kommenden fünf Jahren bis zu 1,5 Mrd. US-Dollar in Investitionen und Darlehen in Projekte des privaten Sektors fließen lassen, der bei der ADB neu eingerichtet wird.

Wir beschränken uns aber keineswegs auf Darlehen, sondern tätigen auch aktiv selbst Investitionen. Japan wird die Japan Bank for International Cooperation (JBIC) ausbauen, einschließlich der Einrichtung neuer Konten, und es der JBIC ermöglichen, einfacher Risikokapital zu vergeben.

Asiens Bedarf an Infrastruktur beläuft sich auf bis zu 100 Bill. Yen im Jahr. Es gibt Pläne für eine Schnellzugverbindung zwischen Malaysia und Singapur, die mehr als 1 Bill. Yen kosten wird. Das geplante Projekt eines großen und sich auf dem neuesten Stand der Technik befindenden Kohlekraftwerks zur Versorgung des Südostens Indiens wird voraussichtlich über 500 Mrd. Yen kosten. Und auch in Indonesien bestehen Pläne für die Erschließung von Flüssiggas-Feldern im Umfang von über 1 Bill. Yen. Alle diese hier genannten wichtigen Projekte sind Bestandteil der Planungen des Economic Research Institute for ASEAN and East Asia (ERIA).

Derart umfangreiche Projekte werden zeitgleich vorangetrieben. Japan wird dafür Asien mit seinem dynamischen Wachstum aktiv mit Risikokapital versorgen.

Das Streben nach kurzfristigen Profiten allein durch den Verkauf ohne irgendwelche Unterstützung ist nicht Japans Art. Vielmehr beteiligt sich mein Land aktiv am laufenden Betrieb; wir bringen das ganze Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss, indem wir dabei unsere reichen Erfahrungen und unser ganzes Wissen nutzen. Japan fühlt sich verpflichtet, nicht nur den Gewinn zu teilen, sondern auch die Verantwortung.

Aus diesem Grund werden wir keine Mühe scheuen, um Japans Spitzentechnologien und Know-how sowie die Zuverlässigkeit der Marke „Made in Japan“ mit anderen zu teilen. Überall in Asien entstehen heute neue Kohlekraftwerke, die die Energiekosten dank japanischer Technologien zur Kohleverflüssigung und durch den Einsatz von Brennstoffzellen um bis zu 40% senken können.

Vor kurzem hat Japan beschlossen, sich mit Kapital an einem Eisenbahnprojekt in den Vereinigten Staaten zu beteiligen in der Annahme, dass hier die „Shinkansen“-Technologie zum Einsatz gelangen wird, auf die mein Land besonders stolz ist. Wir möchten Sie bitten, in Erwägung zu ziehen, diese Technologie im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge auch für ihr eigenes Land zu nutzen.

Die Wasserversorgung der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh konnte bis vor kurzem nur etwa 30% des entnommenen Wassers tatsächlich an die Verbraucher liefern; der Rest ging durch Lecks im Leitungssystem oder z.B. durch Diebstahl verloren. Seit Japan sich am Betrieb der Wasserversorgung beteiligt, erreicht über 90% des Wassers die Verbraucher.

Wir drängen uns anderen Menschen nicht auf. Wir betrachten die Dinge lieber auf lange Sicht und treiben in einem Land tiefe Wurzeln. Wir überlegen gemeinsam mit den Menschen vor Ort und begleiten sie auf ihrem Weg.

Japan fühlt sich verpflichtet, diese Vorgehensweise auch in Zukunft beizubehalten. Infrastruktur mit überlegener wirtschaftlicher Effizienz, in Harmonie mit der Umwelt, ausgestattet mit höchster Energieeffizienz, die darüber hinaus langlebig ist. Dies ist die Art von Infrastruktur, die wir als qualitativ hochwertige Infrastruktur ansehen. Lassen Sie uns gemeinsam diese Infrastruktur höchster Qualität überall in Asien schaffen.

(Schlussbetrachtung)

Sie stehen nun an einem historischen Scheideweg, da in diesem Jahr endlich die ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft ins Leben gerufen wird.

Zusammen mit Ländern wie Malaysia, Vietnam, Brunei und Singapur hat Japan eine Übereinkunft über die Schaffung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) erreicht. In der Region Asien-Pazifik nehmen damit neue Regeln für die Wirtschaft im 21. Jahrhundert Gestalt an.

Darüber hinaus sind auch bei der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), einer ganz Asien umfassenden wirtschaftlichen Integration, Fortschritte zu erkennen. Auch hier sollten wir ein ambitiöses und hochwertiges Abkommen anstreben.

Ich wünsche mir die Verwirklichung eines freien und fairen Marktes, in dem qualitativ hochwertige Dinge als solche Wertschätzung erfahren. Und ich bin davon überzeugt, dass dies der richtige Schlüssel dafür ist, anhaltendes Wachstum in Asien zu erzielen.

Das Wachstum in Asien tritt nun in eine neue Phase. Es ist die neue Herausforderung, anhaltendes Wachstum sicherzustellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass 2015 ein ganz besonderes Jahr innerhalb der Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Asiens sein wird.

Teilen Sie mit mir meine feste Überzeugung: Der beste Partner innerhalb dieser neuen Phase ist Japan.

Ich möchte Sie alle bitten, sich an meine Überzeugungen zu erinnern, wenn sie japanische Ramen-Nudeln essen, die auf malaysische Art und Weise verfeinert wurden. Lassen Sie uns diese Herausforderung in Bezug auf anhaltendes Wachstum gemeinsam anpacken.

Vielen Dank.

 

 


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