Neues aus Japan Nr. 142 | September 2016
Wirtschaft
Am 29. August fand in der Residenz des japanischen Botschafters ein Wirtschaftssymposium in englischer Sprache zum Thema „Japan in der ostasiatischen Wirtschaft: Japan als „Knotenpunkt“ in Ostasien und die Vertiefung der Beziehungen mit Deutschland“ statt. In diesem Beitrag werden die Vorträge der vier Redner kurz zusammengefasst.
Bild: Die Redner des Symposiums (von links nach rechts):, Botschafter Yagi, Prof. Schnabl, Prof. Yoshino und Herr Wiesheu. Ganz links der Moderator, Botschaftssekretär Kobayashi (Foto: Botschaft von Japan)
1. Botschafter Takeshi Yagi
Botschafter Yagi gab zunächst einen Überblick über den aktuellen Stand der Abenomics, in deren Verlauf bereits einige Erfolge erzielt wurden, etwa mit Blick auf Unternehmensgewinne, Investitionen, Lohnsteigerungen und die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen.
Allerdings sind noch Schwächen beispielsweise beim privaten Konsum erkennbar. Japan benötigt daher weitere Reformen im Rahmen der Abenomics mit Blick auf die Unterstützung von Unternehmensaktivitäten, die Zunahme der Erwerbsbevölkerung und die Reform verkrusteter Strukturen etwa auf dem Agrarsektor, dem Energiemarkt und im Gesundheitswesen. Auf diese Weise verfolgt die zweite Phase der Abenomics das dynamische Engagement aller Bürgerinnen und Bürger und das Ziel, als Mechanismus eines positiven Kreislaufs von Wachstum und Verteilung zu fungieren.
Botschafter Yagi betonte zudem Japans Rolle als „Knotenpunkt“ in der ostasiatischen Wirtschaft hinsichtlich der Größe des japanischen Marktes, des Zugangs zu den ostasiatischen Volkswirtschaften und seiner weltweit führenden F&E-Finanzierung.
Bild: Botschafter Yagi während seines Redebeitrags (Foto: Botschaft von Japan)
Abschließend wies er auf die Vertiefung der Beziehungen zwischen Japan und Deutschland hin. Neben dem lebhaften Austausch auf höchster Ebene zwischen Premierminister Abe und Bundeskanzlerin Merkel sind auch immer engere Beziehungen beider Länder auf wirtschaftlicher Ebene zu erkennen. Hier sind insbesondere vier Bereiche der Zusammenarbeit zu nennen: Energie, Informationstechnologie/Industrie 4.0, KMU und Innovationen. Zudem wird Japan im nächsten Jahr Partnerland der CeBIT sein, die vom 20. bis 24. März 2017 in Hannover stattfindet. Auch das neue Steuerabkommen zwischen Japan und Deutschland dürfte die gegenseitigen Investitionen weiter fördern.
2. Prof. Dr. Gunther Schnabl, Universität Leipzig
Professor Schnabl gab einen Überblick über die japanische Finanz- und Währungsgeschichte seit dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems. Er betonte die Rolle der expansiven Geldpolitik (in Reaktion auf die Yen-Aufwertung infolge des Plaza-Abkommens) sowie der expansiven Finanzpolitik (Louvre-Akkord) für das Entstehen der japanischen Bubble Economy. Professor Schnabl legte dar, dass in der Rezession nach dem Platzen der Blase persistente Leistungsbilanzüberschüsse sowie beständig wachsende, zumeist in Fremdwährung denominierte Nettoauslandsvermögen Ursachen des anhaltenden Aufwertungsdrucks auf den Yen waren. Dies lag darin begründet, dass die enormen Kapitaleinkommen (Dividenden, Zinsen und andere Einkünfte) aus diesen Auslandsvermögen in Fremdwährung wiederum in Yen getauscht werden müssen, wenn sie nach Japan fließen, was wiederum eine fortlaufende Yen-Nachfrage erzeugt hat. Vor diesem Hintergrund hat die Aufwertung des Yen zu negativen Bilanzeffekten bei Finanzinstituten, Nichtbanken und Haushalten in Japan geführt. Dies hat die japanische Geldpolitik von Wechselkursentwicklungen abhängig gemacht.
Als politische Antwort auf die anhaltende Stagnation legte Japan keynesianische Konjunkturprogramme auf und beschritt den Weg einer unkonventionellen Geldpolitik. Zwar haben diese Maßnahmen laut Professor Schnabl eine tiefere Rezession nach dem Platzen der Blase sowie den Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert; eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung blieb jedoch aus. Professor Schnabel argumentierte, dass die sehr expansive Geld- und Finanzpolitik die anhaltende Stagnation eher verursacht haben dürfte, als nachhaltige Wachstumsimpulse zu schaffen.
Da in der Geld- und Finanzpolitik die Wurzeln für die Übertreibungen auf den Finanzmärkten in Japan (1985-1989), den USA (2003-2007), Süd- und Osteuropa (2003-2007) und gegenwärtig Deutschland (seit 2008) sowie für die dauerhafte Krise nach dem Platzen der Blase liegen, führte Professor Schnabl abschließend aus, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nur durch einen besonnenen globalen Ausstieg aus der Politik extrem niedriger Zinsen im Rahmen einer internationalen Koordinierung erzielt werden kann.
3. Prof. Dr. Naoyuki Yoshino, Leiter der Asian Development Institute, Professor emeritus, Keio Universität, Japan
Japan ist mit strukturellen Problemen wie dem demographischen Wandel und geringer Produktivität konfrontiert. Diese Herausforderungen können nicht durch Geldpolitik und fiskalische Anreize gelöst werden, u.a. wegen der vertikalen IS-Kurve und der Verringerung des Staatsausgabenmultiplikators.
Mit Blick auf den demographischen Wandel sind eine stärkere Teilhabe älterer Arbeitnehmer und Frauen am Arbeitsmarkt sowie ein produktivitätsorientiertes Lohnsystem erforderlich. In der Vergangenheit wies der japanische Bankensektor eine hohe Profitabilität auf und konnte die Risiken mittelständischer Investitionen absorbieren. Heute jedoch kann der Bankensektor infolge der Basel-Regelungen sowie niedriger Wachstumsraten solche Wagnisse nicht mehr eingehen; gleichzeitig ist der Markt für Direktfinanzierung und -kapital noch nicht ausreichend entwickelt.
Professor Yoshino wies auf Reformen für Anreizmechanismen hin, die zur Lösung dieses Problems in vielen Bereichen fehlen, und schlug eine Reihe konkreter Ansätze vor (Kapitalanlagemodelle für KMU und Startup-Unternehmen, Agrarfonds, private Finanzierungsmodelle für Windkraftprojekte, die von Einzelpersonen unterstützt werden, etc.), von denen einige in Japan bereits verwirklicht worden sind.
Das Asset Management in Japan konnte bislang keine hohen Renditen erzielen und liegt hinter Deutschland, Großbritannien, den USA und Frankreich zurück. Gebühren und Provisionen wurden so angesetzt, dass zahlreiche Umschichtungen des Portfolios den Vertrieb („Retail Sellers“) begünstigen. Anleger in Investmentfonds und Retail Sellers sollten dasselbe Ziel verfolgen und einheitliche Gebührenstrukturen schaffen.
4. Gerhard Wiesheu, Mitglied des Partnerkreises, B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG, Frankfurt am Main
Herr Wiesheu analysierte die Geschäftsbeziehungen zwischen Japan und Deutschland unter drei verschiedenen Aspekten. Aus dem Blickwinkel deutscher Unternehmen bestehen Chancen insbesondere in den drei Bereichen Finanzdienstleistungen, erneuerbare Energien und neue Technologien. Im Bereich Finanzdienstleistungen zum Beispiel erweitern japanische Investoren ihre Portfolioallokation auf ausländische Vermögenswerte, wobei deutsche Asset Manager japanische Kunden unterstützen können. Auch erneuerbare Energien haben ein hohes Wachstumspotenzial in Japan. Im Bereich neue Technologien wiederum verfügt Japan über hoch qualifizierte Arbeitskräfte und ist weltweit Spitzenreiter bei F&E-Ausgaben.
Mit Blick auf „Japan als Knotenpunkt auf dem ostasiatischen Markt“ geben 54 Prozent der deutschen Unternehmen mit Präsenz in Japan laut einer Umfrage an, das Land als ein solches Drehkreuz für ihre Geschäftsaktivitäten in Ostasien zu nutzen. Achtzig Prozent der deutschen Unternehmen in Japan bezeichnen ihre dortige Präsenz als Schlüssel zu einer erfolgreichen Kooperation mit japanischen Kunden auf asiatischen Märkten.
Umgekehrt sehen japanische Unternehmen auf den folgenden Gebieten Chancen in Deutschland: Standortverlagerungen infolge des Brexit-Referendums von Großbritannien nach Deutschland, besserer Zugang zum europäischen Binnenmarkt sowie Industrie 4.0. Zusammenfassend führte Herr Wiesheu aus, dass Japan und Deutschland zahlreiche Herausforderungen gemeinsam haben und beide gleichermaßen auf Innovationen angewiesen sind. Die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung bei Industrie 4.0 ist in diesem Zusammenhang somit ein erster Schritt; ein zweiter könnte eine stärkere Kooperation bei erneuerbaren Energien sein.