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Innovationen aus Origami

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Bild: Buntes Papier in der als miura-ori bekannten Methode gefaltet. (Foto: Masakazu Hirata, Hakuhodo Product’s Inc. / Exponat der Ausstellung „Breathing of ORIGAMI“, TAKEO Co., Ltd.)

Einen Vogel, irgendein anderes Tier, eine Pflanze oder eine geometrische Figur durch das Falten eines einziges Blatts Papier zu kreieren – viele Menschen in Japan üben sich bereits in jungen Jahren in der Kunst des Origami.

In den letzten Jahren erfährt Origami darüber hinaus auch auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technologie verstärkte Aufmerksamkeit. Beim sogenannten „Origami Engineering“ werden Techniken und besondere Charakteristika des Origami für die Herstellung unterschiedlichster Produkte genutzt. Mithilfe von Computern haben Ingenieure als „Computational Origami“ bezeichnete Designverfahren entwickelt, bei denen Origami als mathematisches Werkzeug verwendet wird, um das Potenzial einer Kunst zu erweitern, die bis vor einigen Jahren vor allem als Bastelvergnügen für Kinder galt. Dabei stehen die Originalität und die Methoden des Origami Engineering im Fokus internationaler Aufmerksamkeit, da sie Anwendungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen bieten. Diese reichen von der Weltraum- und Autoindustrie bis hin zu Gebieten wie Medizin oder Mode. Besonders bekannt ist das sogenannte miura-ori, eine Faltmethode, die für das Design von Strukturen auf dem Gebiet der Weltraumforschung entwickelt wurde. Beispiele für die Anwendung dieser Methode sind etwa Faltpläne oder Getränkedosen.

„Das bekannteste Beispiel für die Origami-Faltkunst ist der Kranich. Tatsächlich sieht die gefaltete Figur einem echten Kranich nicht besonders ähnlich, weil sie stark vereinfacht und sehr abstrakt ist. Mit anderen Worten: Wir falten ein Blatt Papier, um eine einfache Form zu kreieren, die uns irgendwie an einen Kranich erinnert oder ihn zumindest darstellen soll. Ich würde sagen, dies ist ein Aspekt der besonderen Sensibilität der Japaner und ihres großen Interesses für dreidimensionale Strukturen“, meint Prof. Ichiro Hagiwara von der Meiji University in Tokyo. In seinen Forschungen sucht er nach Wegen, Origami Engineering für die unterschiedlichsten Zwecke einzusetzen. Bei Platten mit inneren Verstrebungen („Truss core panels“), die er entwickelt hat, ließ sich Prof. Hagiwara von 3D-Origami Konzepten inspirieren. Zwei Platten aus Metall oder Kunststoff, in die Reihen erhabener dreieckiger Pyramiden geprägt werden, bilden aneinandergelegt eine leichte und zugleich sehr bruchfeste Struktur. Dieses Prinzip wird beispielsweise für die Herstellung von Sonnensegeln zur Stromerzeugung genutzt.

Prof. Hagiwara arbeitet zudem an der Entwicklung eines 3D-Druckers nach der Art von Origami. Dabei werden die Daten eines dreidimensionalen Objekts in eine zweidimensionale Figur mit zahlreichen ebenen Flächen konvertiert. Die Figur wird dann auf einem gewöhnlichen Drucker ausgedruckt. Dies geht schneller und auch kostengünstiger als der Druck mit einem konventionellen 3D-Drucker, bei dem die Gegenstände aus zahlreichen Schichten entstehen. Auch kann seine Methode bei sehr großen dreidimensionalen Objekten verwendet werden. Als mögliches Anwendungsgebiet sieht Prof. Hagiwara die Herstellung von Produktmustern oder die Vorproduktion von Prototypen. Dieses Verfahren könnte darüber hinaus auch auf dem Gebiet der Stadtplanung Anwendung finden, indem Modelle von Gebäuden und anderen Strukturen auf der Grundlage von Luftaufnahmen erstellt werden.

Origami besitzt eine ganze Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften, insbesondere mit Blick auf die Falttechniken, mit deren Hilfe ein Objekt entsteht, und je nach dem, ob eine Figur zusammen- oder auseinandergefaltet wird. Alle diese Eigenschaften ermöglichen die Anwendung von Origami-Konzepten etwa bei der Errichtung von Gebäuden. Tomohiro Tachi, Assistenzprofessor an der University of Tokyo, forscht nach Wegen, um Origami-Techniken für die Architektur zu nutzen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nach seinen Worten in der Verwendung von flachen „biegesteifen Origami“-Platten und ihrem Zusammenfügen zu festen und gleichzeitig flexiblen Strukturen. Die strukturellen Komponenten können einfach zusammen- oder auseinandergefaltet werden und bieten sich beispielsweise für den Bau von Faltdächern oder für die Herstellung von Möbeln wie Tischen an. Weil diese Strukturen gleichzeitig leicht und einfach zu transportieren sind, eignen sie sich z.B. als temporäre Ausstellungsgebäude oder auch als Notunterkünfte nach einer Katastrophe.

„Ein auseinandergefalteter Pavillon für eine Ausstellung kann wieder zusammengefaltet und als Notunterkunft in einer Katastrophenregion genutzt werden. Die Materialien sind wiederverwertbar; nichts wird weggeworfen. Das Gebäude würde auf diese Weise über ein eingebautes ‚Gedächtnis‘ für künftige Verwendungen verfügen“, so Prof. Tachi.

Früher spielte Origami auch eine Rolle bei der Etikette in Japan, etwa beim Überreichen eines Geschenks. Heutzutage gibt es nach wie vor den Brauch des Senbazuru, bei dem man tausend Papierkraniche faltet, um für die Genesung eines erkrankten Menschen zu bitten. Jede der vielen Papierfiguren, die nacheinander gefaltet werden, stellt den Wunsch dar, von Nutzen zu sein. Der Wunsch etwas Nützliches zu kreieren, ist auch im Origami Engineering lebendig.

Prof. Tachi erklärt den besonderen Charme von Origami so: „Origami besitzt typisch japanische Eigenschaften, ist gleichzeitig aber auch universell und global. Die Forschungen zu Origami erstrecken sich über zahlreiche Disziplinen, etwa Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin, Bildung oder Design. Ich erkenne daher ein großes Potenzial.“

Dieser traditionelle japanische Zeitvertreib für geschickte Hände wird nun von Forschern aus aller Welt in konkrete Spitzentechnologien transformiert. Origami leistet damit einen Beitrag, Innovationen auf dem Gebiet der Herstellung von Gütern im 21. Jahrhundert zu fördern.

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Bild: Ein Origami-Kranich. Papier zu unterschiedlichsten Formen zu falten, macht einfach Spaß. (Foto: Aflo)

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Bild: Ein kleines Sonnensegel. Demonstrationsobjekt für die erste Weltraum-Yacht IKAROS. Das „Segel“ wurde von Origami inspiriert. (Foto: Japan Aerospace Exploration Agency, JAXA)

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Bild: Bei Landkarten und Stadtplänen wird die miura-ori Falttechnik verwendet. Für das Zusammenfalten wird die Karte an der oberen linken und unteren rechten Ecke gehalten und dann zusammengeschoben. Das Entfalten erfolgt blitzschnell. (Foto: miura-ori-lab)

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Bild: Eine Getränkedose mit „Diamantschliff“ in miura-ori Falttechnik. Die aneinandergereihten Dreiecke machen die Dose stabiler als herkömmliche Dosen; zugleich ist sie aber leichter. (Foto: Toyo Seikan Co., Ltd.)

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Bild: Sogenannte Truss Core-Platten sind sehr stabil und werden zur Herstellung unterschiedlichster Gegenstände verwendet, etwa als Dämmplatten gegen Schall oder Hitze und Feuer. Weitere Anwendungsbeispiele beinhalten strukturelle Komponenten für Bahnwaggons, Flugzeuge oder Gebäude. (Foto: Shiroyama Industry)

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Bild: Ein Hase aus einem 3D-Origami-Drucker. (Foto: Kazuhisa Natori)

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Bild: Biegesteife Origami-Platten verwandeln sich in unterschiedlichste Formen. Von links: Anfangs flach, verwandelt sich die Struktur in einen dreidimensionalen Körper, der sich vertikal und horizontal ausdehnen kann. Selbstverständlich lässt sich der Körper auch wieder ganz klein zusammenfalten. (Grafik: Tomohiro Tachi)

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Bild: Eine mögliche Anwendung biegesteifer Origami-Techniken für Gebäude. (Foto: Tomohiro Tachi)

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