Vom 24. bis 26. November fand in Tokyo die Veranstaltung „Cyber Initiative Tokyo 2020“ statt, an der neben zahlreichen Experten auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit auch hochrangige Vertreter der Regierung von Japan teilnahmen. Als Veranstalter fungierte u.a. die Nikkei Inc. in Zusammenarbeit mit dem Japan Cybersecurity Innovation Committee (JCIC) und dem Keio University Global Research Institute.
Angesichts der zunehmenden Konvergenz von digitaler und realer Welt, die durch die aktuelle Corona-Pandemie noch beschleunigt wird, nehmen innerhalb der Staatengemeinschaft die Sorgen in Hinblick auf Cyber-Kriegführung, Cyber-Terrorismus, Cyber-Kriminalität sowie Angriffe auf die Privatsphäre jedes Einzelnen in alarmierendem Umfang immer mehr zu. All dies verschärft die Notwendigkeit, eine nachhaltige, sichere und geschützte „cyber-sichere Gesellschaft“ zu gestalten. Die teilweise als Videokonferenz durchgeführte Veranstaltung „Cyber Initiative Tokyo 2020“ bot Vortragenden und Teilnehmern aus der ganzen Welt ein Forum, um ihre Erfahrungen und ihr Wissen zusammenzuführen. Unter anderem hielt auch Vizeaußenminister UTO Takashi am 24. 11. per Video-Botschaft einen Vortrag, in dem er Japans Engagement auf diesem Gebiet vorstellte.

Bild: Vizeaußenminister Uto (Foto: Außenministerium von Japan)
Vortrag von Vizeaußenminister Uto
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich heiße Uto Takashi und bin Vizeaußenminister von Japan. Es ist mir eine große Ehre, mich im Rahmen der „Cyber Initiative Tokyo 2020“ in dieser Videobotschaft an Sie wenden zu dürfen.
Inmitten der stetig voranschreitenden digitalen Transformation sowie des immer engeren Zusammenwirkens im Rahmen der Staatengemeinschaft erfährt das Engagement meines Landes, das über großes technologisches Potenzial verfügt, gerade auf dem Gebiet des Cyberraums große Aufmerksamkeit vonseiten der internationalen Gemeinschaft. Von daher ist es mir eine große Freude, dass heute renommierte Vertreter aus Wirtschaft, Regierung und Wissenschaft aus aller Welt zu diesem internationalen Event zusammengekommen sind, das von einem japanischen Unternehmen veranstaltet wird. Den Organisatoren wünsche ich viel Erfolg für diese Veranstaltung.
Wachsende Bedeutung des Cyberspace und zunehmende Fragilität der Gesellschaft
Die weltweit voranschreitende Einführung der 5G-Technologie weckt große Erwartungen hinsichtlich ihrer Anwendung in unterschiedlichsten Bereichen wie z.B. die Übertragung hochauflösender Bilder oder die Nutzung zahlreicher Sensoren. All dies wird zur Weiterentwicklung der Grundlagen unserer Gesellschaft beitragen. Was die nächste Generation „Beyond 5G“ – also die 6G-Technologie – anbelangt, besteht die Hoffnung, dass diese den Cyberraum und die wirkliche Welt vereint und eine zentrale Funktion als Rückgrat für die Society 5.0 erfüllen wird.
Aufgrund der aktuellen weltweiten Corona-Pandemie nimmt die Zahl der Online-Events zu und auch Home Office wird zunehmend normaler Berufsalltag, so dass auf diese Weise ein neues Alltagsleben entsteht, das in umfassender Weise von den Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) abhängig ist. Gleichzeitig nehmen Kriminalität und weitere Risiken infolge des Missbrauchs des Cyberraums und der ICT explizit zu. Angesichts der zunehmend sichtbar werdenden Fragilität unserer Gesellschaft gewinnt die Cybersicherheit mit Blick auf sichere und vielfältige Dienstleistungen im Bereich ICT immer mehr an Bedeutung. In den letzten Jahren haben Verbrechen und Vorfälle mittels des Missbrauchs des Cyberraums und der ICT einen außerordentlichen Anstieg erfahren, über den u.a. auch in den Medien ausführlich berichtet wird. So führte etwa eine Cyberattacke mittels sogenannter Ransomeware auf eine Universitätsklinik in Tschechien im März letzten Jahres zu einer Verschiebung bzw. Absage von Operationen und Untersuchungen und schädigte auf diese Weise das Leben und die Gesundheit von Menschen. Zudem wurde berichtet, dass es im August dieses Jahres unberechtigte Zugriffe auf Netzwerke von insgesamt 38 japanischen Unternehmen gab, bei denen möglicherweise Informationen über die für das Home Office erforderliche Ausstattung erlangt wurden. Im kommenden Jahr stehen die Olympischen und Paralympischen Spiele von Tokyo an. Es besteht die Tendenz, dass derartige große Events immer öfter Ziel von Cyberattacken werden. Daher ist es erforderlich, dass auch in Zukunft Wirtschaft, Regierung und Wissenschaft alles unternehmen, damit unsere Staaten als Ganzes entschlossen dagegen vorgehen. Der Cyberraum hat sich somit auch unter sicherheitspolitischen Aspekten zu einem äußerst wichtigen Bereich entwickelt.
Ich war früher als Angehöriger der Japan Air Self-Defense Force mit der Kontrolle militärischer Anlagen zum Schutz unseres Luftraums betraut. 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr wird der Luftraum um Japan herum beobachtet und bewacht. Bei ungenehmigter Annäherung eines unbekannten Flugobjekts wird umgehend ein Alarmstart angeordnet; womöglich kann sogar der Befehl erteilt werden, eine anfliegende Rakete o.Ä. abzuschießen. Heutzutage hat sich der Raum, den wir verteidigen müssen, über Boden, See und Luft hinaus auf den Weltraum und den Cyberraum ausgedehnt, und die Bedeutung der Kontrolle des Cyber-Bereichs nimmt immer mehr zu. Beim Nachdenken über eine cyber-sichere Gesellschaft bilden daher auch Aspekte der Sicherheit und der Verteidigung in Bezug auf den Cyberraum unverzichtbare Elemente.
Heute möchte ich Ihnen in gebotener Kürze die drei Pfeiler der Cyber-Außenpolitik Japans vorstellen, nämlich die „Förderung der Rechtsstaatlichkeit“, die „Förderung vertrauensbildender Maßnahmen“ sowie die „Unterstützung beim Aufbau von Fähigkeiten“, für die sich das Außenministerium meines Landes mit Nachdruck einsetzt.
Japans Cyber-Außenpolitik
Als Erstes möchte ich über die „Förderung der Rechtsstaatlichkeit“ sprechen. Eine Besonderheit der Aktivitäten, die mittels Missbrauchs des Cyberraums durchgeführt werden, also sogenannte Cyberattacken, besteht darin, dass sie im Allgemeinen anonym und grenzüberschreitend erfolgen. Daher ist es für ein einzelnes Land realistisch gesehen nicht einfach, dagegen vorzugehen; vielmehr sind ein Zusammenwirken und die Kooperation aller Staaten erforderlich. Damit der Cyberraum in Zukunft fortwährend Innovationen und Wohlstand generieren kann, ist es unerlässlich, dass er ein freier, fairer sowie sicherer Raum ist. Um dies zu unterstützen, ist eine regelbasierte internationale Ordnung unverzichtbar. Man spricht zwar beim Cyberraum von einem ganz neuen Bereich, aber er darf keine Zone der Gesetzlosigkeit sein. Zugleich darf er kein Ort sein, an dem nur das Recht des Stärkeren gilt.
Es ist Japans Auffassung, dass die Charta der Vereinten Nationen als Ganzes, einschließlich Artikel 51, der das Recht auf individuelle Selbstverteidigung anerkennt, sowie das bereits existierende internationale Recht – z.B. das humanitäre Völkerrecht oder die internationalen Bestimmungen in Bezug auf die Menschenrechte – auch für den Cyberraum gelten. Die Grenzen zwischen Cyberraum und realem Raum verschwinden, und auch im Cyberraum ist – wie in der realen Gesellschaft – der Staat an internationale Gesetze gebunden, und illegale Handlungen müssen entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Das Völkerrecht gibt betroffenen Staaten die Instrumente in die Hand, um Cyberattacken, die von Verstößen gegen internationales Recht wie Angriffe auf die staatliche Souveränität über Einmischung bis hin zu bewaffneten Angriffen reichen können, abzuschrecken und dagegen vorzugehen. Für den Fall, dass eine Cyberattacke gegen internationales Recht verstößt, können verschiedenste Maßnahmen gegen diese Attacke ergriffen werden, um den dafür verantwortlichen Staat zur Beachtung der internationalen Verpflichtungen anzuhalten. Das humanitäre Völkerrecht verbietet Cyberattacken auf nichtmilitärische Ziele.
Japan nimmt seit 2014 an den Zusammenkünften von Regierungsexperten zum Cyberraum im Rahmen der Vereinten Nationen teil, in denen u.a. eine Diskussion über Rechtsstaatlichkeit geführt wird. Mein Land beteiligt sich zudem im Rahmen internationaler Foren aktiv an der Diskussion über die Anwendung des Völkerrechts sowie an der Erstellung von Verhaltensregeln für Staaten im Cyberraum, um auf diese Weise die Rechtsstaatlichkeit zu fördern.
Als Nächstes möchte ich die „Förderung vertrauensbildender Maßnahmen“ vorstellen. Um eine Eskalation von Spannungen im Cyberraum aufgrund von Irrtümern und Missverständnissen zu verhindern, ist es von großer Bedeutung, dass alle Regierungen ihr gegenseitiges Verständnis in Bezug auf die jeweils eigenen Gesetze, Regeln, Maßnahmen, Strategien und Auffassungen vertiefen. Als Engagement zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses führt Japan bislang mit vierzehn Staaten und Regionen Konsultationen sowie einen Dialog über den Cyberraum. Unter der Leitung des für Cyber-Politik zuständigen Botschafters setzt mein Land die Kommunikation mit einzelnen Staaten fort und engagiert sich für die Erhaltung vertrauensvoller Beziehungen. 2019 führte Japan bilaterale Konsultationen mit Australien, der EU, Frankreich, Indien, Russland und den Vereinigten Staaten durch; zudem fand ein trilateraler Dialog mit China und Südkorea statt.
Darüber hinaus misst mein Land der Bildung von Vertrauen, das tief in den jeweiligen Regionen verwurzelt ist, große Bedeutung bei. Beispielsweise hat Japan beim ASEAN Regional Forum (ARF) im Rahmen einer gemeinsamen Initiative mit Singapur und Malaysia regelmäßige Treffen über Cybersicherheit ins Leben gerufen. Als Ko-Vorsitzender hat mein Land im März 2019 bei der damaligen Zusammenkunft über Cybersicherheit die Diskussion angeführt; zudem fand im Januar dieses Jahres ein Expertentreffen statt. Das nächste Expertentreffen sowie die nächste Zusammenkunft über Cybersicherheit sind für Frühjahr kommenden Jahres geplant. Das ARF spielt bei der Bildung von Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle. So haben sich die teilnehmenden Staaten darauf geeinigt, (1) Ansprechpartner auf Arbeitsebene zu benennen, (2) Informationen über innerstaatliche Gesetze, Maßnahmen, Strategien und Regeln auszutauschen, (3) Informationen über die Stärkung des Bewusstseins für Notfallmaßnahmen bei sicherheitsrelevanten Ereignissen miteinander zu teilen sowie (4) Workshops für die Gestaltung von Sicherheitsmaßnahmen bei der Nutzung von ICT zu veranstalten, die nun als konkrete Maßnahmen zur Vertrauensbildung umgesetzt werden.
Schließlich besteht als dritter Pfeiler die „Unterstützung des Aufbaus von Kapazitäten“. Die Möglichkeit, dass innerhalb des weltweit vernetzten Cyberraums Attacken über Staaten ausgeführt werden, deren Bewusstsein und Reaktionsfähigkeiten in Bezug auf Cybersicherheit nicht ausreichend ausgebildet sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Diese Sicherheitslücken im Cyberraum stellen für die ganze Welt einschließlich Japan einen Risikofaktor dar. Um diese Lücken auf internationaler Ebene zu schließen, ist es daher unerlässlich, dass alle Staaten dieselben Standards und ausreichende Reaktionsfähigkeiten besitzen. In diesem Sinne kommt der Unterstützung des Aufbaus von Kapazitäten im Bereich Cybersicherheit sowie der Unterstützung der Ausbildung entsprechender Humanressourcen etwa in den Entwicklungsländern auch mit Blick auf die Gewährleistung der Sicherheit Japans selbst eine große Bedeutung zu.
Mein Land unterstützt insbesondere den Aufbau unterschiedlichster Kapazitäten in den Mitgliedstaaten der ASEAN. Um die vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Beteiligten in Japan und den ASEAN-Staaten zu stärken und die Abstimmung der Maßnahmen untereinander zu fördern, finden Konferenzen über Maßnahmen zur Cybersicherheit zwischen Japan und den ASEAN statt. Dabei werden gemeinsam Simulationen sowie Workshops durchgeführt. Zudem wurde mit dem Ziel, die Fähigkeiten der für Cybersicherheit Zuständigen sowie der wichtigsten Infrastrukturunternehmen in den ASEAN zu stärken, in Thailand das „ASEAN-Japan Cybersecurity Capacity Building Centre“ gegründet. In Japan selbst erhalten im Rahmen der von der Japan International Cooperation Agency (JICA) durchgeführten und nach Regionen getrennten Ausbildungsvorhaben u.a. Verantwortliche und Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden aus Asien, dem Mittleren Osten oder Afrika Gelegenheit zu Vorträgen, Simulationen sowie Besichtigungen entsprechender Einrichtungen. Darüber hinaus wird über den Japan-ASEAN Integration Fund und in Zusammenarbeit mit dem Interpol-Büro in Singapur ein gemeinsames Projekt für die Verfolgung von Cyber-Kriminalität sowie ein Projekt zum Aufbau von Kapazitäten im Cyberraum in den ASEAN-Staaten durchgeführt. Japan wird sich auch künftig unter Einbeziehung aller Ministerien und Behörden für eine strategische und effektive Unterstützung in diesem Bereich engagieren.
Schlussbemerkungen
Schließlich stellen das kontinuierliche Reagieren auf die mit der ständig voranschreitenden technologischen Entwicklung einhergehenden expliziten Risiken sowie die Erhaltung der weiteren gedeihlichen Entwicklung des Cyberraums in der Zukunft für uns die gegenwärtigen Aufgaben dar. Auch im Cyberbereich verwendet man den Begriff Multi-Stakeholder, und so kommt dem Zusammenwirken von Wirtschaft, Regierung und Wissenschaft über ihre jeweiligen Grenzen hinaus in allen Bereichen und auf allen Ebenen eine große Bedeutung zu. Es lässt sich nicht leugnen, dass in den letzten Jahren in einigen Staaten die Tendenz zu beobachten ist, dass der Staat aus einer überlegenen Position heraus den Cyberraum und insbesondere das Internet kontrolliert und reglementiert. Die übermäßige Kontrolle und Regulierung des Internets durch diese Staaten läuft jedoch dem Engagement der Multi-Stakeholder zuwider und stellt nicht das dar, was Japan anstrebt. Es ist wichtig, dass Wirtschaft, Regierung und Wissenschaft ihre Zusammenarbeit ausbauen und dass die einzelnen Staaten sowie letztendlich die Staatengemeinschaft insgesamt sich kontinuierlich in diesem Bereich engagieren.
Auch in diesem Sinne kommt die Durchführung der Veranstaltung „Cyber Initiative Tokyo 2020“ der Nikkei Inc. hier in Japan, an der zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Regierung und Wissenschaft unter Einschluss des Auslands teilnehmen und die auf vielfältige Weise miteinander diskutieren, genau zum richtigen Zeitpunkt. Premierminister Suga machte bei seiner ersten Pressekonferenz unmittelbar nach seinem Amtsantritt seinen Willen deutlich, die Digitalisierung Japans mit Nachdruck voranzutreiben. Unter seiner Führung wird Japan seine Cyber-Außenpolitik zur Verwirklichung eines freien, fairen und sicheren Cyberraums weiter entschlossen fortsetzen.
Vielen Dank.