Seit dem Altertum werden Lackwaren shikki in Japan auch in reparierter Form verwendet. Im letzten Teil unserer losen Folge von Beiträgen über Menschen, die hinter der altehrwürdigen Handwerkskunst der Lackwaren stehen, stellen wir die Restauratoren KAWAI Natsumi und MATSUMOTO Tatsuya vor, die mit ihren besonderen Fähigkeiten Lackwaren für den Alltagsgebrauch ebenso restaurieren wie wertvollstes Kulturerbe.
Verbindungen durch urushi Lack werden bei der Reparatur von Alltagsgegenständen sichtbar

Bild: Die professionelle Restauratorin und urushi-Künstlerin KAWAI Natsumi ist gleich an drei Orten tätig, nämlich in Kyoto, Tokyo und Tottori. Bei ihrer Arbeit verwendet sie vor allem urushi und kintsugi (mit Gold und Silber vermischter urushi). Bislang hat sie mehr als 800 Objekte restauriert – diese reichen von Dingen des Alltags bis hin zu antiken Objekten.
Shikki werden durch eine Schicht von urushi Lack geschützt, so dass sie bei sorgfältigem Gebrauch und mithilfe gelegentlicher Reparaturen über Generationen hinweg verwendet werden können.
KAWAI Natsumi ist fasziniert von den robusten Eigenschaften von urushi. Sie arbeitet als professionelle Restauratorin – insbesondere von urushi Objekten. Gewählt hat sie diesen Weg, weil sie den Wert von Dingen infrage stellte, bei deren Herstellung sehr viel Abfall anfällt. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass – im Gegensatz zur Herstellung von shikki – ihrer Restaurierung ein besonderer Wert zukommt, weil dabei den Gegenständen neues Leben geschenkt wird.
Kawai erklärt: „Shikki sind Objekte, die über einen langen Zeitraum hinweg Wertschätzung erfahren haben. Daher repariere ich sie mit Blick darauf, es ihnen zu ermöglichen, weiterhin viele Jahrzehnte nützlich zu sein.“ Oft bringen Kunden, die sie um eine Reparatur bitten, Gegenstände vorbei, die zwischen dreißig und hundert Jahre alt sind – manche sind sogar über 150 Jahre alt. Dies bedeute, dass die Kunden eine persönliche Beziehung zu diesen Dingen haben, so Kawai. Sie erläutere den Kunden dann ihren Reparaturplan, und manchmal entschieden sie sich gemeinsam dafür, die einzigartige Oberflächentextur älterer Lackwaren zu bewahren. Sie repariert die Gegenstände so, dass die Kunden sie weiter verwenden können.
„Wenn man bereits viele Jahre als Restauratorin arbeitet, weiß man, wie die ‚Gesetze der Beschädigungen‘ funktionieren. Ich versuche, dem vorzubeugen und bearbeite die Stellen, wo ein Schaden wahrscheinlich auftreten wird.“ Dabei veränderten sich die Bedingungen fortwährend, weil sowohl das Holz, aus dem die Objekte hergestellt wurden, als auch der urushi Lack atmen. Aber bei der Tätigkeit des Restaurierens entwickle ein Restaurator besondere Fähigkeiten der Beobachtung und verbessere kontinuierlich seine Technik. Das Restaurieren von urushi sei eine Abfolge von Entdeckungen, so Kawai, und es sei niemals eine Belastung für sie gewesen. Während es schwierig sei, Dinge zu reparieren, die aus Material von geringer Qualität hergestellt wurden, empfinde sie jedes Mal ein Gefühl der Belohnung, wenn sie die Freude der Kunden über ihren wiederhergestellten „Schatz“ sehe.
„Wenn man seine Zeit dafür aufwendet, etwas wiederherzustellen, vermittelt einem dies ein Gefühl von Sicherheit, und das wirkt wie eine Art Therapie. Ich denke, dass ich mir die Technik angeeignet habe, Dinge immer positiv zu betrachten – selbst zerbrochene Dinge.“
Das Restaurieren scheint sowohl bei den Restauratoren als auch bei denjenigen, die die restaurierten Objekte verwenden, zusätzliche Veränderungen zu bewirken. Auch diese werden an die nächsten Generationen weitergegeben, die die shikki nutzen.

Bild: Links: Das Restaurieren erfolgt mithilfe von urushi. Dabei hängt das am besten geeignete Reparaturverfahren in hohem Maße vom jeweiligen Zustand des Objekts ab. Rechts: Eine Schachtel für eine Hängerolle wurde mittels der ware-naoshi-Methode repariert. Hierbei wird urushi dafür verwendet, abgebrochene Teile wieder zusammenzufügen. Zudem dient der Lack auch als eine abschließende Beschichtung, nachdem alle Teile wieder an ihrem Platz sind.
Das Restaurieren von Kulturerbe – die kulturellen und technischen Fertigkeiten an die kommenden Generationen weiterreichen

Bild: Der urushi-Künstler MATSUMOTO Tatsuya ist Mitglied der Japan Kogei Association und arbeitet als Restaurator von Lackwaren, die als Kulturerbe registriert sind. Zudem ist er aktiv in ein Rettungsprogramm für dieses Kulturerbe involviert.
Das Restaurieren von Kulturerbe unterscheidet sich sehr von dem von Alltagsgegenständen. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass diese Objekte nicht „überrestauriert“ oder „übermäßig berührt“ werden dürfen.
„Alltagsgegenstände werden je nach Ausmaß des Schadens restauriert und dann neu mit Lack beschichtet. Aber beim Restaurieren eines Objekts, das ein Kulturerbe darstellt, muss der aktuelle Zustand bewahrt bleiben, so dass etwa Schäden erhalten werden“, so MATSUMOTO Tatsuya, ein urushi Künstler, der seit 25 Jahren Objekte restauriert, die als Kulturerbe klassifiziert wurden. Der Grund dafür sei, dass die Schäden ein Beweis für das Vergehen der Zeit sind. Matsumoto schaut sich an, wie sehr der urushi abgetragen wurde und führt die Restaurierung dann nur in einem Ausmaß durch, den er „derzeit“ für notwendig hält; alles Weitere überlässt er den Restauratoren der kommenden Generationen.
Falls ein Objekt – etwa infolge eines Unglücks wie z.B. ein Erdbeben – schwerer beschädigt wurde, werden Experten für eine chemische Analyse hinzugezogen, damit die Restaurierungsarbeiten auf der Grundlage genauerer Daten vorgenommen werden können. In einem solchen Fall ist das Wichtigste das gegenseitige Verständnis zwischen allen Beteiligten aus verschiedensten Bereichen.
„Selbstverständlich sind Technik und Know-how beim Restaurieren erforderlich, aber wir nehmen unterschiedlichste Informationen über beschädigte Stellen auf, die für die Nachwelt aufbewahrt werden; dies ist wichtig, um zu entscheiden, ob eine angemessene Restauration durchgeführt werden soll oder nicht“, so Matsumoto.
Es sei notwendig, den Hintergrund der Herstellung des Gegenstands und den Kontext, in dem ein Muster aufgetragen wurde, herauszufinden. Auch müsse man seine Vorstellungskraft nutzen und dann die geeignetste Technik für die Restaurierung wählen. Daher dauere es mehrere Jahrzehnte, Experten mit derart hochentwickelten Fähigkeiten heranzubilden. Oft werden die erforderlichen Fertigkeiten durch Erfahrungen beim Restaurieren vor Ort erworben. „Es sind eine Menge Fertigkeiten erforderlich, um mit urushi umzugehen, daher müssen dringend Ausbildungsstätten für die Ausbildung von Fachleuten geschaffen werden; schließlich müssen wir diese Kultur weitergeben“, so Matsumoto voller Leidenschaft. Derzeit erfolgt die Restaurierung von Kulturerbe in einzelnen Einrichtungen und Werkstätten, so dass die Zahl der möglichen Restaurierungen pro Jahr begrenzt ist. Um das wertvolle Erbe von urushi zu bewahren, sollten laut Matsumoto diese unbedingt ausgebaut werden, und sei es auch nur um eine einzige neue Einrichtung.
Das dekorative Kunsthandwerk von urushi umfasst die Kultur und die Techniken der Vergangenheit. Matsumoto setzt sich für die Restaurierung dieses kulturellen Erbes ein, damit es von der Vergangenheit über die Gegenwart an die Zukunft weitergereicht werden kann.

Bild: Links: Maki-e vom Tempel Kodaiji bei der Restaurierung. Die flockig gewordene urushi Beschichtung wird in einer Werkstatt repariert. Dafür wird mit einem Spatel eine urushi Grundierung auf die beschädigte Stelle aufgetragen; anschließend werden alle Unebenheiten geglättet. Rechts: Sorgfältiges Untersuchen des Ausmaßes der Schäden macht die Grundstruktur sichtbar. Das Restaurieren von Kulturerbe bietet eine einmalige Gelegenheit, die ausgeklügelten Techniken unserer Vorfahren kennenzulernen – Techniken, die normalerweise durch urushi verdeckt sind.
Fotograf: KANAI Gen
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