Dienstreisen führten KOBAYASHI Miai nach Fukushima, wo sie einer fruchtbaren Landschaft und Lebensstilen begegnete, die ihre Wahrnehmung veränderten und sie schließlich zu der Entscheidung führten, als Unternehmerin tätig zu werden. Sie ersann einen Weg zum Vertrieb von sogenanntem nicht normengerechten Obst und entwickelte sodann ein Femtech-Produkt (abgeleitet von Female technology), das die Schalen von Kaki-Früchten (Persimonen) nutzt, die normalerweise entsorgt werden. Auf diese Weise wurden schlummernde lokale Ressourcen mithilfe ihres Erfindergeists zum Leben erweckt. Diese Ressourcen verknüpfen nun Stadt und Land miteinander und verweisen auf eine Zukunft, in der die Gesellschaft ihren Reichtum miteinander teilt.

Bild: Kaki-Schalen sollen Substanzen beinhalten, die über ausgezeichnete desodorierende und feuchtigkeitsspendende Eigenschaften verfügen. Auch wenn sie normalerweise im Verlauf des anpo-gaki-Verarbeitungsprozesses entsorgt werden, nutzt das Unternehmen „Hitobito“ diese Schalen für die Entwicklung von Pflegeprodukten für Frauen.
„Es war ein Gefühl wie ein Kribbeln – die Art von Gefühl, das man bekommt, wenn du jemanden triffst, mit dem du den Rest deines Lebens zusammen sein möchtest. Jedenfalls fühlte es sich wie zuhause an.“ So beschreibt Kobayashi Miai ihre Begegnung mit Kunimi, einer kleinen Stadt mit rund 9.000 Einwohnern in der Präfektur Fukushima, wo sie ihr Start-up-Unternehmen „Hitobito“ gründete – ein Name, der die japanischen Wörter für „Sonne“ hi, „und“ to sowie „Mensch“ hito (in Zusammensetzungen bito ausgesprochen) miteinander kombiniert. Die Stadt Kunimi ist ein Ort, wo die Obstbauern Kobayashi mit offenen Armen aufnahmen und sie dazu anregten, eine Geschäftsidee umzusetzen, die auf einem Agrarprodukt beruht, das normalerweise entsorgt wird.
Kobayashi war früher eine engagierte Karrierefrau in Tokyo. Mit dem ihr eigenen starken Wunsch, sich für die Gesellschaft zu engagieren, war ihr erster Job nach ihrem Universitätsabschluss eine Tätigkeit beim wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses, der für die Recherchen und Vorbereitung der Unterlagen für Gesetzesvorhaben in dieser auch als Unterhaus bekannten Kammer des japanischen Parlaments zuständig ist. Im März 2011, gegen Ende ihres ersten Dienstjahres, traf ein schweres Erdbeben den Nordosten des Landes (offiziell als „Großes Erdbeben im Osten Japans“ bezeichnet). Kobayashi ließ sich beurlauben, um sich als Freiwillige bei den Aufräumarbeiten in der schwer betroffenen Region Tohoku zu engagieren. Allerdings erlitt sie dabei einen Zusammenbruch aufgrund von Erschöpfung, und ihr wurde schmerzlich bewusst, dass der einzige Weg, nützlich zu sein, darin bestand, „etwas zu tun, worin ich wirklich gut bin“, so Kobayashi.

Bild: Die Menschen in Kunimi sagen: „Arbeiten bedeutet arbeiten für die Familie“ und „Kinder sollten nicht erzogen werden; sie wachsen von ganz alleine auf.“ Solche Aussagen motivierten Kobayashi dazu, ihre eigenen Ansichten zur Arbeit und zum Leben zu überdenken.
Vier Jahre später wagte sie eine berufliche Veränderung und begann, für ein Beratungsunternehmen zu arbeiten, bei dem sie Firmen in der Region bei der Suche nach Lösungen unterstützen konnte. Kobayashi engagierte sich aktiv für Tätigkeiten, die mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in der Präfektur Fukushima nach dem Erdbeben zu tun hatten. Während sie die Präfektur regelmäßig besuchte, entschied sie sich schließlich, ein eigenes Unternehmen zu gründen: „So kann ich mehr für Fukushima tun“, so ihre Überzeugung, und: „Ich kann etwas in Angriff nehmen, was die Region wirklich braucht, und zwar auf meine eigene Initiative hin.“ Sie war mit Blick auf ihre Fähigkeiten, die sie im Rahmen ihrer Arbeit für die Regierung und die Beratungsfirma erworben hatte, zuversichtlich.
Den Ort, den Kobayashi dafür aussuchte, war Kunimi, eine Stadt, in der sie sich zuhause fühlte. Sie sprach mit den Bauern, erfuhr von ihren Problemen und begann, sich auf den Vertrieb von Pfirsichen zu konzentrieren, ein Hauptprodukt dieser Region. In der Regel akzeptiert der Handel keine Produkte, die bestimmte Normen nicht erfüllen; in diesem Fall etwa Früchte mit falscher Größe oder Form, aber auch solche, deren Schale hier und da Unregelmäßigkeiten aufweist. Sie kaufte solche Pfirsiche direkt bei den Obstbauern auf und entwickelte ein System, mit dem diese Früchte den Kunden in der Stadt zu günstigen Preisen angeboten wurden. Stets mit dabei waren Grußbotschaften vonseiten der Bauern und weitere nützliche Informationen. Ihren nächsten Fokus richtete sie auf anpo-gaki (saftige halbgetrocknete Persimonen), eine andere bekannte Spezialität aus Kunimi. Die Früchte werden vor dem Trocknen geschält, und die Schalen werden normalerweise weggeworfen. Kobayashi erfuhr jedoch, dass diese Schalen desodorierende und antiseptische Eigenschaften besitzen. Die nächsten drei Jahre konzentrierte sie sich auf die Entwicklung von Hautpflegeprodukten für Frauen im Intimbereich auf der Basis von Kaki-Früchten. Im Januar 2020 schließlich brachte Kobayashi diese Produkte erfolgreich auf den Markt. Die Idee dazu kam ihr, weil sie selbst zu Hautproblemen neigte sowie zu unregelmäßigem Perioden, wenn sie infolge ihres früheren unregelmäßigen Lebensstils unter emotionalem oder körperlichem Stress litt.

Bilder: Als Name für ihre Pflegeproduktserie für Frauen wählte Kobayashi: „Morgen werde ich auf einen Kakibaum klettern“. Er fordert Frauen dazu auf, ihr Leben in ihrem eigenen Tempo zu leben und ihren Weg selbst zu wählen.
Das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) wählte „Hitobito“ zwei Jahre in Folge für eine Förderung im Rahmen der Initiative „Demonstration Projects for Femtech and Similar Support Services“ aus. Im Herbst letzten Jahres startete „Hitobito“ ein Demonstrationsprojekt für „Active-learning“, das sich an Unternehmen wendet und das Ziel verfolgt, unbewusst existierende Vorurteile in Bezug auf Körper und Geist von Frauen zu überwinden. Kobayashi ist überzeugt: „Ich denke, Femtech bildet die Trumpfkarte für die Verwirklichung von Diversität und Inklusion.“

Bild: Kobayashi Miai pendelt nun zwischen ihren beiden Lebensmittelpunkten, Tokyo und Fukushima, und teilt sich die Kinderbetreuung mit ihrem Mann. Sie bewahrt ihre Ausgeglichenheit, indem sie sowohl für Fragen im Umfeld Ressourcen auf dem Land und Bedürfnisse in der Stadt als auch für unterschiedliche Wertvorstellungen offen bleibt.

Bild: Dieses Ehepaar in Kunimi, das sowohl Pfirsiche als auch anpo-gaki anbaut, liefert die Kakischalen für die Produkte von „Hiobito“. Warmherzig und gewissenhaft sind beide unverzichtbare Partner für Kobayashi und „Hitobito“.
Kobayashi erklärt: „Neue Femtech-Produkte bieten den Menschen die Chance, gemeinsam etwas über die Gesundheit von Frauen zu lernen. Wir planen, den Fokus auf die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins zu legen, damit Männer und Frauen mehr über ihre eigene Gesundheit nachdenken.“ Sie fügt hinzu: „Wir wollen ein Umfeld gestalten, in dem Frauen das Gleichgewicht zwischen ihrem Geist und ihrem Körper wertschätzen können und das es ihnen gestattet, ihre eigene Wahl zu treffen.“ Kobayashi glaubte an ihr eigenes Potenzial und machte so den Weg für sich selbst frei. Ihre Energie strahlt wie die Sonne und bescheint den Weg hin zu einer leuchtenden Zukunft für Frauen in Fukushima und in Japan insgesamt.
Das Original dieses Beitrags wurde von KIZUNA, dem offiziellen Online-Magazin der Regierung von Japan, übernommen und für NEUES AUS JAPAN ins Deutsche übersetzt. Den Originalbeitrag (in englischer Sprache) finden Sie hier: https://www.japan.go.jp/kizuna/2022/10/finding_new_value_in_fukushima.html