In Theatern, in Städten und auf öffentlichen Plätzen …
In Schulen, zuhause und in den sozialen Medien …
Wie kommt es, dass die Menschen in Japan so gerne tanzen?
Der Grund liegt in einer langen Geschichte verborgen.
Bugaku

Bild: Dieses Bild zeigt einen Bugaku-Tanz, der unter dem Namen Seigaiha
(„Wellen des blauen Meeres“) bekannt ist, aufgeführt am Kaiserhof, ca. 11. Jh. Aus: Genji Monogatari Gacho („Bildalbum der Geschichte vom Prinzen Genji“), Tosa-Schule, Momiji no Ga („Feier anlässlich des herbstlichen Laubs“, Ausschnitt). Sammlung des Sakai City Museum
Es ist schwierig, den genauen Beginn des japanischen Tanzes zu bestimmen, jedoch gilt Kagura als einer seiner Ursprünge. Kagura entstand als religiöser Tanz und war gedacht als Opfergabe für die Kami („Gottheiten“). Die Einführung verschiedenster Musikinstrumente von außerhalb Japans im 7. Jh. führte zum Aufkommen von Bugaku, einer Form des Tanzes, die sich aus dem früheren japanischen Kagura entwickelte. Bugaku-Tänze, die u.a. von Instrumenten wie der Mundorgel Sho begleitet werden, standen unter der Schirmherrschaft des Kaiserhofs und des Adels. Die bei Bugaku verwendeten Bewegungen, bei denen die Tänzer sich mit ausgestreckten Armen langsam drehen, können als Prototyp der leichten und anmutigen Bewegungen betrachtet werden, die sich später zum allgemeinen Merkmal japanischer Tänze entwickelten.
Kagura

Bild: Der Takachiho no Yo-Kagura („Nacht-Kagura“) in der Stadt Takachiho, Präfektur Miyazaki, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die Tanzdarbietungen dauern die ganze Nacht und stellen eine Opfergabe an die Kami („Gottheiten“) dar, die zu diesem Ereignis eingeladen werden.
Noh, das sich im 14. Jh. aus dem Bugaku herleitete, ist eine Form des Theaters auf der Grundlage von Gesang und Tanz. Im Noh-Theater führt der als Shite bekannte Hauptdarsteller zusammen mit den anderen Schauspielern getragene und fast asketisch wirkende Tänze auf. Die Bewegungen werden von gesprochenen Zeilen begleitet, Szenen werden mithilfe von Liedern beschrieben, und das ganze wird von Musikinstrumenten begleitet. Verschiedene Noh-Schulen, die sich unter der Schirmherrschaft führender Persönlichkeiten vor rund 600 Jahren entwickelten, sind bis heute aktiv. Als Erben einer Tradition einzigartiger formalisierter Schönheit verwenden sie Masken, glanzvolle Kostüme sowie eine eigene Form der Bühne.
Um das 15. Jh. herum wurde eine Form des Tanzes, die als Furyu-odori bezeichnet wird, sehr populär. Dieser Tanz hat seinen Ursprung in Festen und Kostüm-Umzügen. Der Stil dieses von Gruppen aufgeführten Tanzes, bei dem sich die Tänzerinnen sowie Tänzer in bunte Kostüme kleiden und von Instrumenten wie kleinen scheibenförmigen Glocken (Kane) und Trommeln (Taiko) begleitet werden, verbreitete sich in ganz Japan. Furyu-odori ist eine Form der Folklore, die besonders für ihr breites Spektrum an eigenständigen lokalen Traditionen bekannt ist
Kabuki-Tanz

Bild: IZUMO no Okuni, die Begründerin des Kabuki-Tanzes, genoss unter den einfachen Menschen ihrer Zeit große Popularität. Aus Okuni Kabuki Zu Byobu („Okuni Kabuki Stellschirm“, Ausschnitt). Sammlung des Kyoto National Museum
Nihon-buyo

Bild: In dem Tanzdrama Kyoganoko Musume Dojo-ji („Das Mädchen am Tempel Dojo-ji“) kommen die unterschiedlichsten Emotionen eines verliebten jungen Mädchens zum Ausdruck. Begleitet wird dies von einem häufigen Wechsel der aufwändigen Kostüme und Bühnenrequisiten. Hier führt FUJIMA Murasaki III. einen Tanz im Rahmen dieses bekannten Nihon-buyo-Programms auf. (Foto mit freundlicher Genehmigung des Murasakiha-Fujimaryu Fujima Office)
Furyu-odori entwickelte sich später zu zwei eigenständigen Formen weiter: auf der einen Seite die Bon-odori-Tänze, an denen die Menschen zu ihrer eigenen Unterhaltung teilnehmen, und anderseits die Kabuki-Bühnenstücke, die von professionellen Schauspielern aufgeführt werden. Die Ursprünge von Kabuki reichen ins Kyoto des 17. Jh. zurück, als beliebte Kabuki-odori von IZUMO no Okuni aufgeführt wurden, einer Schauspielerin, die sich in Männerkostüme kleidete und in ihre Vorführungen seinerzeit beliebte Lieder integrierte. Später verlagerte sich das Zentrum der Kabuki-Vorführungen nach Edo (das heutige Tokyo), wo es durch eigenständige Bewegungen und einen besonderen Stil charakterisiert wird, z.B. in Gestalt buchstäblich augenblicklicher Kostümwechsel und durch das Zum-Ausdruck-Bringen von Gefühlen mittels kleiner Requisiten wie Faltfächer oder Handtücher. Gleichzeitig entwickelte sich in Kyoto und Osaka aus dem Kabuki der Kamigata-mai als Tanzvorführung im Rahmen von Banketten. Diese Traditionen entwickelten sich schließlich weiter zum Nihon-buyo („Japanischer Tanz“), der in Theatern und bei Banketten aufgeführt wird. Hier bestehen mehr als hundert Schulen, die jeweils auf einen eigenen Iemoto („Gründer“) zurückgehen.
Heute, im 21. Jh., zählen Noh und Kabuki zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Eine große Zahl japanischer Künstler ist weltweit aktiv in Genres wie Ballett und zeitgenössischem Tanz. Tänze sind heutzutage zudem im Leben der Menschen in Japan allgegenwärtig. So zählt Tanzunterricht zu den Schulfächern an Mittelschulen, und Tänze haben bei unterschiedlichsten Gelegenheiten einen wichtigen Platz im Schulalltag. Auch Erwachsene tanzen, um ihre Unterstützung für eine bestimmte Sportmannschaft, ein Idol oder andere Künstler zum Ausdruck zu bringen. In den sozialen Medien inspirieren Videos von Tänzern in Anime-Kostümen die Leute dazu, ihre eigenen Versionen zu posten und bieten so jungen Menschen Gelegenheit, mit vielen anderen Menschen gemeinsam zu tanzen.
Mithilfe all dieser Formen haben die Menschen in Japan über die Jahrhunderte hinweg eine reiche Kultur des Tanzens als ein Mittel zur Förderung der Verbundenheit geschaffen.
Bon-odori

Bild: Die Tänze der Bon-odori-Feste, bei denen Menschen jeden Alters und Geschlechts gemeinsam um ein Yagura (eine Art Gerüst) herum tanzen, ist ein typischer Brauch während der Sommerzeit in Japan. (Foto: Aflo)
Zeitgenössischer Tanz

Bild: Natsubatake („Erinnerung an ein Sommerfeld“) von DANCE ARCHIVES in Japan 2023 beinhaltet zeitgenössische japanische Tanzchoreografie von ORITA Katsuko. Ausführende: HIRAYAMA Motoko und SHIMAJI Yasutake. Foto: SHIKAMA Takeshi (Foto mit freundlicher Genehmigung des New National Theatre, Tokyo)
Das Original dieses Beitrags wurde von niponica, dem Web-Magazin von Web Japan (Außenministerium von Japan), übernommen und für NEUES AUS JAPAN ins Deutsche übersetzt. Den Originalbeitrag (in englischer Sprache) finden Sie hier: https://web-japan.org/niponica/niponica35/en/feature/index.html