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Außenpolitik


 

Regierungserklärung von Premierminister Naoto Kan in der 174. Sitzungsperiode des Parlaments am 11. 06 2010
 




1. Einleitung

Verehrte Bürgerinnen und Bürger,
verehrte Abgeordnete,
mein Name ist Naoto Kan. Ich wurde vor kurzem vom Parlament gewählt und habe nun die große Verantwortung für das Amt des Premierministers von Japan übernommen. Ich bin entschlossen, mich mit meiner ganzen Kraft dafür einzusetzen, den Erwartungen der Menschen in diesem Land gerecht zu werden.

Neustart durch zurückgewonnenes Vertrauen
Dank des innigen Wunsches vieler Menschen, den lang andauernden Stillstand endlich zu beenden, fand im Sommer letzten Jahres ein Regierungswechsel statt. Allerdings wurden in der Folge die Hoffnungen, die anfangs auf die Regierung gesetzt wurden, infolge des Problems in Bezug auf „Politik und Geld“ sowie infolge des Durcheinanders mit Blick auf die Verlegung des Flugplatzes Futenma erheblich erschüttert. Auch ich empfinde als Mitglied der vorherigen Regierung die schmerzliche Verantwortung, diese Situation nicht verhindert zu haben. Der vorherige Premierminister Yukio Hatoyama hat seine Verantwortung für das Problem hinsichtlich „Politik und Geld“ in Bezug auf seine eigene Person sowie in Bezug auf den vorherigen Generalsekretär Ozawa sowie für das Problem der Verlegung des Flugplatzes Futenma offen zugegeben und mittels seines Rücktritts selbst die Konsequenzen gezogen.

Angesichts dieser mutigen Entscheidung meines Vorgängers besteht meine Pflicht als Nachfolger bei der Führung der Regierung vor allem darin, zum Ausgangspunkt des historischen Regierungswechsels zurückzukehren, diesen Misserfolg zu überwinden und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederzuerlangen.

Engagement „von der Basis“ her
Mein politisches Wirken nahm seinen Anfang vor mehr als 30 Jahren, als ich die Wahl der Abgeordneten Fusae Ichikawa ins Oberhaus unterstützte. Bei ihrem damaligen Wahlkampf, der sich vor allem auf die Bürgerinitiativen stützte, fungierte ich als Leiter ihres Wahlkampfbüros. Unter anderem fuhren damals junge Freiwillige in einem Jeep-Konvoi durch das ganze Land, und es war wirklich ein Wahlkampf, der von der Basis ausging. Unmittelbar nach ihrer Wahl besuchte Frau Ichikawa zusammen mit dem Abgeordneten Yukio Aoshima den damaligen Präsidenten des Unternehmerverbandes Keidanren, Toshio Doko, und erwirkte von diesem die Zusage, die Vermittlung von Unternehmensspenden durch den Keidanren zu beenden. Diese Zusage wurde später zwar wieder abgeschwächt, aber in diesem Jahr nun hat der Keidanren beschlossen, seine organisatorische Mitwirkung an Unternehmensspenden aufzugeben. „Die Kraft einer einzigen Stimme bei der Wahl verändert die Politik.“ Die eindringlichen Erfahrungen, die ich damals gemacht habe, bilden den Ursprung meines politischen Engagements. Politik kann durch die Kraft der Menschen verändert werden. Mit dieser Überzeugung, die ich ganz verinnerlicht habe, werde ich mich dafür einsetzen, der mir zuteilgewordenen Verantwortung gerecht zu werden.

Teilnahme an der Politik mit vollem Einsatz
Ich bin in der Stadt Ube in der Präfektur Yamaguchi geboren und kam als Oberschüler im Rahmen eines Arbeitsplatzwechsels meines Vaters, der als Techniker in einem Unternehmen arbeitete, nach Tokyo. In Tokyo kann sich ein Angestellter ohne ein großes Darlehen kein Eigenheim leisten. Die großen Mühen meines Vaters, die ich damals miterlebte, waren der Anlass für mein Engagement im Bereich Bauland in Stadtregionen. Nach dem Studienabschluss arbeitete ich zunächst im Büro eines Patentanwalts und engagierte mich gleichzeitig in Bürgerinitiativen. Zwei Jahre nach dem Wahlkampf von Frau Ichikawa stellte ich mich bei der sogenannten Lockheed-Wahl (von 1976) erstmals den Herausforderungen der Politik auf landesweiter Ebene. Bei meiner ersten Kandidatur überschrieb ich meine Aufsätze mit „Aus einer Ethik der Verneinung kann nichts entstehen“ sowie mit „Nicht aufgeben für das Ziel einer Demokratie der Teilnahme“. Mittels einer Demokratie der Teilnahme warb ich für die Notwendigkeit, das Gefühl und das Bewusstsein der Menschen in Bezug auf die Politik wiederherzustellen. Nach drei vergeblichen Versuchen wurde ich 1980 erstmals ins Parlament gewählt, wobei mein Leben als Abgeordneter seinen Ausgang von einer sogenannten Kleinpartei nahm. Unter den Abgeordneten der Demokratischen Partei Japans sind heute viele, die sich wie ich in jungen Jahren ohne Unterstützerbasis und ohne Geld mit großem Elan in die Welt der Politik gestürzt haben. Wenn man den Willen hat und sich anstrengt, dann kann jeder an der Politik teilnehmen. Ist es nicht gerade eine solche Politik, die wir anstreben sollten?

Verwirklichung einer wahren Souveränität der Bürgerinnen und Bürger
Meine grundlegende politische Überzeugung besteht in der Verwirklichung einer wahren Souveränität, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger des Landes an der Politik beteiligen. Diesen Ausgangspunkt habe ich von der „Idee der Autonomie der Bürgerinnen und Bürger“ des Politikwissenschaftlers Prof. Keiichi Matsushita gelernt. In Japan herrschte bislang die Vorstellung vom „System des Beamtenkabinetts“ vor, bei dem die Politik von Beamten angeführt wird. Jedoch bestimmt die japanische Verfassung, dass die Bürgerinnen und Bürger die Parlamentsabgeordneten wählen sowie dass der vom Parlament gewählte Premierminister ein Kabinett zusammenstellt. Wie Prof. Matsushita lehrt, besteht in Japan eigentlich ein „System des Parlamentskabinetts“. Demnach bedeutet politische Führung, dass die Partei, die von der Mehrheit der Menschen unterstützt wird, zusammen mit dem Kabinett die Politik des Landes leitet. Daher muss die von Beamten angeführte Politik abgelöst werden. Durch Parteien, die sich den Menschen in unserem Land weit öffnen, beteiligen sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv, und auf diese Weise wird eine Politik mittels einer Regierung des Volkes verwirklicht. Ich werde entschlossen auf dieses Ziel hinwirken.

Aufgaben der neuen Regierung
Als Aufgaben für die neue Regierung führe ich die folgenden drei Bereiche an: „Gründliches Aufräumen mit der Nachkriegspolitik“, „Einheitliche Neuordnung von Wirtschaft, Finanzen und sozialer Sicherheit“ sowie eine „Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einem Gefühl der Verantwortung beruht“.

2. Fortsetzen der Reformen – Gründliches Aufräumen mit der Nachkriegspolitik

Fortsetzen der Reformen
Die wichtigste Herausforderung im Bereich der Politik ist die Fortführung der Reformen, die mit dem Regierungswechsel im letzten Jahr eingeleitet wurden. Das Kabinett Hatoyama setzte sich unbeirrbar für eine Überprüfung der Regierungsprogramme (auf Japanisch: jigyou shiwake) sowie für eine Reform des Systems der Beamten ein; keines dieser Vorhaben war von den bisherigen Regierungen als ein gründliches Aufräumen mit der Nachkriegspolitik erfolgreich in Angriff genommen worden. Allerdings haben wir erst die Hälfte des Wegs geschafft. Wir müssen die Reformen fortführen, die wir den Menschen im Land versprochen haben, und sie gründlich umsetzen. Die Reformen werden Einwände und Widerstand hervorrufen. Wenn wir jedoch in unseren Anstrengungen nachließen, würden die Reformen abgeschwächt und wir würden sogar einen Rückschritt erleben. Wir werden die Reformen vorantreiben, wobei die Vertreter der Politik die Initiative innehaben werden, und wir werden die Uhren nicht zurückdrehen.

Ausmerzen von Verschwendung und Neugestaltung der öffentlichen Verwaltung
Als Erstes werden wir unsere bisherigen Anstrengungen weiter verstärken, um der Verschwendung entgegenzutreten. Unter der Regierung Hatoyama wurde eine zweimalige Überprüfung der Regierungsprogramme durchgeführt, einmal im letzten Jahr und dann erneut in diesem Jahr. Der Prozess der Aufstellung des Haushalts und die Operationen der unabhängigen Verwaltungsgesellschaften sowie weiterer Unternehmen im öffentlichen Bereich, die bislang außerhalb des Blicks der Öffentlichkeit standen, wurden Schritt für Schritt und im Licht der Öffentlichkeit bestätigt. Dies hat die Transparenz der öffentlichen Verwaltung in hohem Maße verbessert. Wir werden diese Anstrengungen fortführen, damit die begrenzten humanen Ressourcen und der Haushalt der Regierung in effektiver Weise genutzt werden.

Wir werden auch die Überprüfung der Regierungsorganisationen sowie des Systems der Beamten fortsetzen. Wir werden die vertikale Trennung innerhalb der Ministerien und Behörden aufheben und die Funktionen der Regierung erweitern, während wir uns mit ganzer Kraft in solchen Bereichen wie ein Verbot von amakudari („Goldener Fallschirm“) von Beamten einsetzen werden.

Ich werde zudem darauf hinwirken, den Charakter der Abgeschlossenheit der Regierung zu überwinden. 1996 habe ich mich als Minister für Gesundheit und Soziales für die Aufklärung des AIDS-Skandals durch verseuchte Blutprodukte eingesetzt. Damals behaupteten die Mitarbeiter des Ministeriums für Gesundheit und Soziales zunächst, die entsprechenden Dokumente seien nicht auffindbar. Ich gab die nachdrückliche Anweisung, danach zu suchen, und als Ergebnis kam die Existenz der Dokumente ans Licht. Diese Veröffentlichung von Informationen führte zur Aufklärung des Skandals und auch zur Hilfe für die Opfer. Ich bin mir daher mehr als jeder andere der großen Bedeutung der Veröffentlichung von Informationen bewusst. Als Finanzminister im Kabinett Hatoyama arbeitete ich mit dem Außenminister dabei zusammen, die Existenz der geheimen Abkommen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten ans Licht zu bringen. Ich werde diese Haltung – unter Einschluss der Überlegungen hinsichtlich einer Überarbeitung des Gesetzes zur Veröffentlichung von Informationen – auch in Zukunft beibehalten.

Förderung der Souveränität der Regionen und Reform des Postwesens
Darüber hinaus werde ich mich auch für die Gestaltung der regionalen Souveränität einsetzen. Eine standardisierte Politik im Rahmen eines zentralisierten Staats schränkt die Fähigkeiten zur Gestaltung von Maßnahmen ein, die auf die große Vielfalt im lokalen Bereich passgenau zugeschnitten sind. Eine gründliche Gestaltung der Souveränität der Regionen ist die wesentliche Voraussetzung, wenn wir eine Regierung formen wollen, die sich der aktiven Beteiligung der Menschen vor Ort erfreut. Wir stehen nun an dem Punkt, an dem wir innerhalb der Debatte von den Grundzügen zu den Einzelheiten übergehen. Meine Absicht ist es, mit der Übergabe der rechtlichen Zuständigkeiten und der finanziellen Mittel in einer wohl überlegten Weise fortzufahren, nachdem wir mit den Menschen in den Regionen von Angesicht zu Angesicht gesprochen und die Wünsche der einzelnen Bereiche berücksichtigt haben. Auf dieser Grundlage werde ich konkrete Schlussfolgerungen für jeden Bereich der öffentlichen Verwaltung in den einzelnen Regionen ziehen und dabei auch ein System von Sonderverwaltungszonen nutzen.

Mit Blick auf das Postwesen wollen wir auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung zwischen der Demokratischen Partei Japans und der Neuen Volkspartei rasch einen Gesetzentwurf über Reformen im Postwesen verabschieden, damit die grundlegenden Dienstleitungen in den Postämtern im ganzen Land in einer integrierten Weise angeboten werden, während wir gleichzeitig die derzeitigen Strukturen des Managements neu gestalten.

3. Beenden des Stillstands im Land: Einheitliche Neuordnung von Wirtschaft, Finanzen und sozialer Sicherheit

Als zweite Herausforderung für die Politik werden wir die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, die Staatsfinanzen in Ordnung bringen und auch das System der sozialen Sicherheit neu gestalten, damit wir eine Gesellschaft aufbauen, in der die Menschen Hoffnungen in Bezug auf ihre Zukunft hegen können. Die japanische Wirtschaft verharrt seit dem Zusammenbruch der Bubble Economy zu Beginn der 1990er Jahre seit nunmehr fast 20 Jahren in einem Zustand der Stagnation. Dies hat dazu geführt, dass die Menschen ihr früheres Selbstvertrauen verloren haben und dass sie sich Sorgen um die Zukunft machen. Es ist die Aufgabe des neuen Kabinetts, die Hoffnungen der Menschen zu erfüllen, die möchten, dass wir das Land aus dem Stillstand herausführen. Dieses Unterfangen werden wir auf der Grundlage einer neuen Blaupause in Angriff nehmen, die man als „Dritten Weg“ bezeichnen könnte.

Der Wirtschaft durch einen „Dritten Weg“ neuen Schwung verleihen
Die Wirtschaftspolitik der letzten zwei Jahrzehnte wurde auf der Grundlage von Überlegungen gestaltet, die ich den „Ersten Weg“ und „Zweiten Weg“ nennen möchte. Der „Erste Weg“ bezeichnet eine Wirtschaftspolitik, die öffentliche Arbeiten in den Mittelpunkt rückt. Während der Periode des raschen Wirtschaftswachstums in den 1960er und 1970er Jahren führte der Ausbau von Straßen, See- und Flughäfen sowie weiterer Einrichtungen zu einer größeren Produktivität und zur Steigerung des Wirtschaftswachstums. In den 1980er Jahren hingegen, als die grundlegende Infrastruktur bereits stand, ging die Verbindung zwischen diesen Investitionen im Bereich öffentliche Arbeiten und den wirtschaftlichen Auswirkungen verloren, und in den 1990er Jahren ergab sich ein völlig anderes Bild. Die meisten öffentlichen Arbeiten, für die in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Bubble Economy gewaltige Summen aufgewendet wurden, brachten keine effektiven Resultate hervor.

Dann, im ersten Jahrzehnt des 21. Jh., wurde Wirtschaftspolitik mit dem Schwerpunkt auf die Produktivität betrieben; dies gründete sich auf einem exzessiven Marktfundamentalismus sowie auf einer allzu großen Berücksichtigung der Angebotsseite. Dies ist der „Zweite Weg“. Diese Art der Politik kann man aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens für angemessen halten. Wenn ein Unternehmen entschlossene Maßnahmen zu seiner Umstrukturierung durchführt und auf diese Weise seine Performance wiederherstellt, dürfte die Unternehmensführung als erfolgreich gelobt werden. Wenn wir jedoch den Blick auf das ganze Land richten, dann stellen wir fest, dass diese Politik vielen Menschen ihre Arbeitsplätze genommen hat, den Lebensunterhalt der Menschen noch schwieriger gestaltet sowie zur Deflation geführt hat. Der Punkt ist, dass sich ein Unternehmen neu strukturieren und Mitarbeiter entlassen kann; ein ganzes Land aber kann dies nicht. Wir müssen die Verbesserung der Produktivität unterstützen, aber gleichzeitig ist es noch wichtiger, Nachfrage und Beschäftigung auszuweiten. Weil dies nicht geschehen ist, sind sich die Menschen heute in hohem Maße der sich weiter verbreitenden Kluft bewusst geworden, was zur weiten Verbreitung eines Gefühls des Unbehagens in der Gesellschaft geführt hat. Zum Sinnbild dafür mögen die haken-mura gelten, die improvisierten Zeltstädte im Hibiya-Park im Zentrum Tokyos, die vor zwei Jahren entstanden.

Die Wirtschaft stagniert weiter, weil die Ziele der wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht mehr mit den geänderten industriellen und gesellschaftlichen Strukturen übereinstimmen. Wir haben aus diesen Fehlern der Vergangenheit gelernt und nehmen nun den „Dritten Weg“ in Angriff als einen Prozess, der den gegenwärtigen Bedingungen entspricht. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Probleme, die in Wirtschaft und Gesellschaft bestehen, in Chancen für neue Nachfrage und Beschäftigung zu verwandeln und sie mit neuen Formen von Wachstum zu verknüpfen. Die wichtigsten Ursachen für den Stillstand, der bis heute weiter besteht, sind die wirtschaftliche Stagnation, das weiter zunehmende Defizit des Staatshaushalts sowie der Verlust des Vertrauens in die sozialen Sicherungssysteme. Das neue Kabinett ist fest entschlossen, politische Führung zu zeigen, um eine „starke Wirtschaft“, „gesunde öffentliche Finanzen“ sowie „ein starkes soziales Sicherungssystem“ in einer integrierten Weise zu gestalten.

Verwirklichung einer „starken Wirtschaft“
Die erste Aufgabe ist die Verwirklichung einer „starken Wirtschaft“. Die Finanzkrise von 2008 hat die japanische Wirtschaft unmittelbar getroffen, die allzu sehr von der Nachfrage aus dem Ausland abhängig war, und größere Auswirkungen als in anderen Staaten erfuhr. Das Realisieren einer starken Wirtschaft erfordert die Schaffung einer stabilen Nachfrage – und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland – sowie die Gestaltung von Wirtschaftsstrukturen, die dazu beitragen, den Wohlstand allgemein zu verbreiten.

Wie soll nun Nachfrage erzeugt werden? Den Schlüssel hierfür bildet die Existenz einer „problemlösenden“ nationalen Strategie. In der heutigen Wirtschaft und in der modernen Gesellschaft sind viele neue Probleme aufgetreten. Wir müssen jedes dieser Probleme direkt in Angriff nehmen und Lösungsrezepte präsentieren, die neue Nachfrage und neue Arbeitsplätze schaffen. Basierend auf diesen Überlegungen hat die Neue Wachstumsstrategie, die unter meiner Verantwortung seit dem letzten Jahr erarbeitet wurde, Wachstumsfelder wie „Grüne Innovationen“, „Innovationen im Bereich Lebenswissenschaften“, die „Wirtschaft Asiens“ sowie „Tourismus und die Regionen“ identifiziert. Als unterstützende Plattformen werden wir zudem Strategien für „Wissenschaft und Technologie“ sowie für „Beschäftigung und humane Ressourcen“ umsetzen.

Der frühere Premierminister Yukio Hatoyama hat sich mit Nachdruck im ersten Feld, den „Grünen Innovationen“, engagiert. Dies beinhaltet Maßnahmen im Kampf gegen die globale Erwärmung, wie etwa das Ziel der Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2020. Es bestehen zahlreiche weitere viel versprechende Bereiche, darunter solche im Zusammenhang mit der Bewahrung der biologischen Vielfalt und der Wasserversorgung, die für das Überleben der Menschen unerlässlich ist. Auch auf diesen Gebieten besteht ein enormes Potential für Nachfrage. Wir setzen unsere Hoffnungen zudem in die Entwicklung neuer Technologien und Wirtschaftsaktivitäten in Bereichen wie Transport, alltagsbezogene Bereiche, Energie – einschließlich Kernenergie – sowie auch Stadtentwicklung.

Wir werden Japan mittels des zweiten Wachstumsfeldes „Innovationen im Bereich Lebenswissenschaften“ zu einem führenden Land in Bezug auf die Gesundheit seiner Menschen machen. Das sichere Aufziehen von Kindern und das Führen eines gesunden Lebens im Alter wünschen sich alle Menschen. Das Präsentieren von Lösungsrezepten, damit diese Wünsche erfüllt werden können, wird neue ökonomische Werte und neue Arbeitsplätze schaffen.

Das dritte Feld ist eine „Wirtschaftsstrategie für Asien“. Viele Regionen in Asien, das weiterhin ein rasantes Wachstum verzeichnet, sehen sich vor Herausforderungen in Bezug auf Urbanisierung und Industrialisierung gestellt, die von Umweltproblemen begleitet werden. Zudem bestehen Sorgen mit Blick auf sinkende Geburtenraten und alternde Gesellschaften. Diese Länder müssen ihre soziale Infrastruktur wie Eisenbahnen, Straßen, Energieversorgung und Wasserleitungen ausbauen, also Bereiche, in denen Japan bereits ein mehr oder weniger ausreichendes Niveau erreicht hat. Japan ist in der Lage, den neu entstehenden Bedarf auf den Märkten Asiens zu befriedigen, indem es Modelle dafür präsentiert, wie die Herausforderungen bewältigt werden können, bevor andere Länder dies tun. Um diesen Bedarf zu erfassen, werden wir den Austausch mit den Menschen im Ausland ausweiten, die Infrastruktur zur Stärkung der Transportfunktionen von Flughäfen verbessern, Reformen im Bereich Regulierungen umsetzen sowie das Engagement von kleinen und mittleren Unternehmen im Ausland unterstützen.

Auf dem vierten Feld der „Strategien, die Japan zu einem Tourismusland machen und die Regionen beleben werden“, kann die Förderung des Tourismus unter Nutzung des kulturellen Erbes Japans und seiner natürlichen Schönheit zur wirtschaftlichen Belebung der Regionen beitragen. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa wurden unter der Regierung Hatoyama bereits erheblich gelockert, um auf diese Weise die Zahl der Besucher aus China zu steigern.

Wenn die landwirtschaftlich geprägten Dörfer sowie die Berg- und Fischerdörfer in der Lage sind, die Produktion, Verarbeitung und Distribution ihrer Güter in einer integrierten Art und Weise selbst zu übernehmen und auf diese Weise neue Werte zu schaffen, wird dies zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort sowie zu vitalen Gemeinwesen führen, in denen die jungen Familien Kinder haben und aufziehen wollen. Die Entwicklung von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei als Kernindustrien in den Regionen wird zudem dazu beitragen, Japans Selbstversorgungsrate bei Nahrungsmitteln zu verbessern. Insbesondere die Forstwirtschaft wird in einer Niedrig-Karbon-Gesellschaft eine neue wichtige Rolle spielen. Die Bäume, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gepflanzt wurden, sind nun zu großer Höhe herangewachsen. Es besteht daher nun die gute Gelegenheit, die Forstindustrie durch die Schaffung neuer Netzwerke von Transportwegen sowie durch weitere Maßnahmen zu beleben. Die Einführung des Unterstützungssystems für die Einzelhaushalte und andere Schritte für die Land- und Forstwirtschaft sowie für das Fischereiwesen sollten unter diesem Aspekt weiterentwickelt werden. Gerade in diesem Moment, während ich zu Ihnen spreche, schauen die Viehzüchter in der Präfektur Miyazaki voller Sorge nach ihren Rindern und Schweinen, die sie mit großer Fürsorge wie ihre eigenen Kinder aufgezogen haben. Die Menschen vor Ort kämpfen mit großem Engagement, um die Maul- und Klauenseuche zu stoppen. Die Regierung wird alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um die Ausbreitung der Infektionen zu verhindern, und sie wird alle erdenklichen Schritte ergreifen, um den Lebensunterhalt der betroffenen Bauern zu sichern und ihnen zu helfen, ihre Betriebe wieder aufzubauen.

Um die Regionen mit neuem Schwung zu erfüllen, werden wir einen strategischen Ansatz verfolgen, der das Know-how und die Ressourcen des privaten Sektors nutzt, um die soziale Infrastruktur zu entwickeln, die die Menschen wirklich benötigen. Wir werden zudem kleine und mittlere Unternehmen mit großen Ambitionen unterstützen.

Um diese Wachstumsfelder zu fördern, werden die Stärken im Bereich Wissenschaft und Technologie, die Japan über die Jahre hinweg entwickelt hat, in Übereinstimmung mit den „Strategien für Wissenschaft und Technologie“, dem fünften Feld, weiter ausgebaut werden. Wir werden die Regulierungen überarbeiten und die Unterstützungsmechanismen prüfen, um eine effektive und zugleich effiziente technologische Entwicklung anzuregen. Das Bildungsumfeld wird verbessert, damit die jungen Leute, die in der Zukunft die Führer unseres Landes sein werden, ihre Träume verfolgen und den Weg der Wissenschaft beschreiten können. Auch das Umfeld für Forschungen werden wir verbessern, damit hervorragende Forscher aus der ganzen Welt nach Japan kommen. Die Nutzung des geistigen Eigentums sowie auch der Informations- und Kommunikationstechnologien, die als Sprungbrett für neue Innovationen dienen können, wird ebenfalls weiter entwickelt werden.

Im Rahmen des sechsten Feldes der Strategien für „Beschäftigung und humane Ressourcen“ werden wir die Entwicklung der humanen Ressourcen in neuen Wachstumsbereichen fördern. Um die Beschränkungen einer schrumpfenden Arbeitspopulation zu überwinden, die durch den Geburtenrückgang und die alternde Bevölkerung verursacht werden, streben wir an, den Anteil von jungen Menschen, Frauen und Älteren an der arbeitenden Bevölkerung zu steigern. Unser Ziel ist es zudem, stabile Arbeitsplätze zu sichern und dabei die Veränderungen innerhalb der industriellen Strukturen zu berücksichtigen. Dadurch soll allen eine „ordentliche Arbeit“ ermöglicht werden, die ein Leben in Würde und ein gutes Auskommen ermöglicht. Wir werden eine Gesellschaft fördern, in der Geschlechtergerechtigkeit herrscht, indem wir entschlossen ein Umfeld gestalten, in dem Frauen mehr Gelegenheiten haben, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Humane Ressourcen sind die treibende Kraft für Wachstum. Ein großes Reservoir von humanen Ressourcen entsteht mittels der Ausweitung der Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen in unserem Land durch Bildung, Sport, Kultur und andere Bereiche.

Die „Neue Wachstumsstrategie“, die konkrete Schritte in den gerade genannten Bereichen beinhaltet, wird noch diesen Monat fertig gestellt und veröffentlicht werden. Durch das Zusammenwirken zwischen Regierung und Privatsektor werden Anstrengungen unternommen, um eine „starke Wirtschaft“ zu verwirklichen, die in der Lage ist, bis 2020 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 3 Prozent nominell sowie 2 Prozent real zu erzielen. Das vordringlichste Ziel besteht jetzt darin, aus der Deflation herauszukommen, und die Regierung wird mit der Bank of Japan zusammenwirken, um entschlossene und umfassende Maßnahmen hierfür einzuleiten.

„Gesunde öffentliche Finanzen“ durch Wiederherstellung der fiskalischen Gesundung
Als Nächstes müssen wir gesunde öffentliche Finanzen verwirklichen. Angesichts eines wirtschaftlichen Klimas, in dem der Konsum des privaten Sektors stagniert, erscheint es bis zu einem gewissen Grad durchaus logisch, durch die Herausgabe von Staatsanleihen die Sparguthaben der Menschen zu absorbieren und die schwindende private Nachfrage durch öffentliche Ausgaben zu kompensieren. In Japan allerdings befinden sich die öffentlichen Finanzen aufgrund einer Vielzahl aufwändiger Projekte für öffentliche Arbeiten sowie aufgrund von Steuerentlastungen, die vor allem in den 1990er Jahren umgesetzt wurden, sowie auch durch den steilen Anstieg bei den Kosten für soziale Sicherheit aufgrund unserer alternden Gesellschaft in einem schlimmen Zustand. Tatsächlich gestaltet sich die Situation so schlecht wie in keinem anderen Industrieland. Eine Fiskalpolitik, die sich in hohem Maße auf die Ausgabe von Staatsanleihen stützt, ist nicht länger tragbar. Wie die Instabilität innerhalb der Eurozone zeigt, die ihren Ursprung in Griechenland hat, riskieren wir einen fiskalischen Zusammenbruch, wenn wir die steigenden öffentlichen Schulden ignorieren und das Vertrauen der Wertpapiermärkte verlieren.

Der Umfang von Japans Schuldenberg ist enorm und er wird nicht über Nacht verschwinden. Aus diesem Grund ist es außerordentlich wichtig, umgehend mit grundlegenden Reformen zu beginnen, die zu einer fiskalischen Gesundung führen. Konkret besteht der erste Schritt in der nachdrücklichen Förderung von Maßnahmen, um der Verschwendung zu begegnen. Als Nächstes werden wir eine Wachstumsstrategie umsetzen. Bei der Aufstellung der Haushalte werden wir unsere Prioritäten an Maßstäben ausrichten, die berücksichtigen, inwieweit die Ausgaben zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen beitragen. Dies wird es uns erlauben, Ziele für wirtschaftliches Wachstum zu erreichen sowie gesunde öffentliche Finanzen durch vermehrte Steuereinnahmen zu gestalten.

Zusätzlich zur Ausmerzung von Verschwendung und zum Aufstellen von Hauhalten, die Wirtschaftswachstum fördern, muss das Steuersystem einer eingehenden Reform unterzogen werden, um die kritische Lage, in der sich Japans öffentliche Finanzen heute befinden, zu verbessern. Wenn wir damit fortfahren, Staatsanleihen im bisherigen Umfang auszugeben, werden sich die öffentlichen Schulden – gemessen am BIP – in einigen Jahren auf mehr als 200 Prozent belaufen. Um dies zu verhindern, müssen wir dringend ein Gesamtbild für das künftige Steuersystem herstellen.

Unter diesem Blickwinkel und den Blick unverwandt auf künftige wirtschaftliche Vorhaben gerichtet, hat das Kabinett Hatoyama den mittelfristigen Rahmen für den Haushalt sowie eine Strategie für das haushaltspolitische Management geprüft, die den Weg zu einer mittel- und langfristigen haushaltspolitischen Disziplin aufzeigen. Auch ich habe mich an diesen Prüfungen beteiligt, die bis Ende des Monats abgeschlossen sein werden. Inzwischen hat die Liberaldemokratische Partei während der jetzigen Sitzungsperiode des Parlaments einen Gesetzentwurf über die Verantwortung zur Wiederherstellung der fiskalischen Gesundheit eingebracht. Ich möchte an dieser Stelle einen Vorschlag machen. Ich glaube, dass wir zu dieser lebenswichtigen Frage, die die Zukunft unseres Landes betrifft, eine das ganze Land umfassende Debatte brauchen, bei der die Grenzen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien überwunden werden. Wir sollten eine unparteiische „Konferenz für Überlegungen zur Wiederherstellung der fiskalischen Gesundheit“ einrichten, der Abgeordnete dieses Parlaments angehören, die sich der großen Bedeutung der Gestaltung gesunder öffentlicher Finanzen bewusst sind, und für eine konstruktive Debatte zusammenwirken.

Gestaltung eines „starken sozialen Sicherungssystems“
Zusätzlich zu einer starken Wirtschaft und gesunden öffentlichen Finanzen, die ich gerade angeführt habe, werden wir uns auch für die Gestaltung eines starken sozialen Sicherungssystems einsetzen.

In der Vergangenheit haben die Menschen die belastenden Aspekte der sozialen Sicherheit im Kontext der sinkenden Geburtenrate und einer alternden Gesellschaft hervorgehoben, und es bestand die Tendenz, soziale Sicherheit als etwas anzusehen, das wirtschaftliches Wachstum behindert. Ich teile diese Auffassung nicht. Wenn sich die Menschen Sorgen über das soziale System machen oder gar Misstrauen gegen dieses System hegen – seien es die medizinische Behandlung, die Renten oder das Großziehen von Kindern – dann mangelt es ihnen an Vertrauen, ihr Geld für den Konsum auszugeben. Zusätzlich können viele Aspekte der sozialen Sicherheit zu Wachstum führen, indem sie neue Arbeitsplätze schaffen. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die Ausweitung der sozialen Sicherheit zu neuer Beschäftigung führen und gleichzeitig zu Wachstum führen kann.

Um eine starke soziale Sicherheit entlang dieser Vorgaben zu gewährleisten und um ein Modell für ein Japan zu präsentieren, das die Probleme einer sinkenden Geburtenrate und einer alternden Gesellschaft überwinden kann, werden wir Reformen umsetzen, um verschiedene Bereiche des Systems der sozialen Sicherheit neu zu gestalten. In Bezug auf das Rentensystem ist es dringend erforderlich, dass wir uns mit ganzer Kraft der Frage der nicht zuzuordnenden Rentennachweise annehmen und ein System gestalten, das einer modernen Gesellschaft angemessen ist. Um eine das ganze Land umfassende und überparteiliche Debatte über dieses Thema einzuleiten, werden wir die Grundzüge für ein neues Rentensystem vorlegen. Wir werden zudem das Gesundheitssystem umgestalten und eine medizinische Versorgung sicherstellen, der die Menschen vertrauen können. In gleicher Weise werden wir uns für die Einrichtung von Pflegediensten einsetzen, die die Menschen vertrauensvoll in Anspruch nehmen können. Die Ausweitung des Systems der Kinderbetreuung ist ein weiterer Punkt, der keinen weiteren Aufschub duldet. Zusätzlich zum Kindergeld wird sich die Regierung geschlossen dafür einsetzen, das ganze Spektrum an Dienstleistungen im Bereich Kinderbetreuung anzubieten, indem wir sicherstellen, dass kein Kind auf einen Betreuungsplatz warten muss und indem wir die beiden Bereiche der bisherigen Kinderbetreuung, nämlich die Kindergärten und die Tageseinrichtungen für Kinder, zusammenführen.

Zusätzlich müssen wir, um das Niveau der Dienstleistungen im Bereich der sozialen Sicherheit und in anderen Bereichen zu verbessern sowie um denjenigen, die der Leistungen der sozialen Sicherheit am dringendsten bedürfen, diese zukommen zu lassen, die Grundlagen dieses Systems besser ausstatten; dies schließt auch die Einführung eines Systems von Sozialversicherungsnummern ein. In naher Zukunft werden wir den Bürgerinnen und Bürgern in Japan konkrete Optionen mit Blick auf die Einführung eines Nummernsystems für die soziale Sicherheit und die Besteuerung aufzeigen.

Eine Gesellschaft, die jeden Einzelnen einschließt
Neben den gerade angeführten Maßnahmen hat für mich auch der Kampf gegen das neue gesellschaftliche Risiko der Vereinsamung höchste Priorität. Seit vorletztem Jahr setze ich mich zusammen mit dem Generalsekretär der gemeinnützigen Organisation Antiarmuts-Netzwerk, Makoto Yuasa, für die Unterstützung von Menschen ein, die an Orten wie dem haken-mura von Armut und Not bedroht sind. Dieses Engagement hat mich daran erinnert, dass der Begriff „obdachlos“ zwei Bedeutungen hat. Die erste Bedeutung ist eine Person, die „ohne Unterkunft“ ist, also ohne einen Platz zum Leben im physischen Sinne. Aber die zweite und wichtigere Bedeutung dieses Begriffs bezeichnet den Zustand eines Menschen, der keinerlei Familienangehörige hat, die ihm in Zeiten der Not beistehen könnten. Niemand kann allein durch das Leben schreiten. Wenn jemand Ärger hat, Rückschläge oder einen Zusammenbruch erleidet, ist man nur dank der Unterstützung der Menschen um einen herum in der Lage, wieder auf die Füße zu kommen. In Japan waren es bislang die Familien, die Kommunen und die Unternehmen, die diese Funktion ausübten. Aber diese traditionellen Quellen der Hilfe sind in hohem Maße verloren gegangen, und heute nehmen gesellschaftliche Ausgrenzung und Ungleichheiten immer mehr zu. Ob nun jüngere Menschen in Internetcafés übernachten oder ältere Menschen, die allein leben und von ihrer Gemeinschaft getrennt sind: Einsamkeit ist ein Problem, das immer mehr Menschen betrifft: Junge und Alte, Männer und Frauen. Für die Starken mag diese Befreiung von alten Fesseln mehr Freiheit bedeuten, für die Schwachen aber birgt dies das Risiko, die letzten Lebenstage allein verbringen zu müssen.

Ich identifiziere mich stark mit dem Ethos der „persönlichen Hilfe“, die Herr Yuasa und seine Mitstreiter gewähren. Bei diesem Ansatz steht ein fachkundiger persönlicher Helfer bereit, der den Menschen Rat erteilt, wenn sie aus den unterschiedlichsten Gründen in Not geraten sind. Auf diese Weise erhalten sie die notwendige Unterstützung in einer persönlichen und kontinuierlichen Art und Weise, die über die vertikale Aufteilung der verschiedenen Systeme und Rahmen hinaus wirkt. Während noch mehr getan werden muss, um die staatlichen Stellen, die soziale Dienstleistungen anbieten, zu Einrichtungen umzugestalten, die alle denkbaren Dienstleistungen aus einer Hand anbietet, bestehen andererseits doch auch Grenzen in Bezug auf Zeit und Raum. Persönliche Hilfen, die Dienste in der Art eines „An die Hand-Nehmens und Begleitens“ anbieten, können über diese Grenzen hinweg agieren, indem sie Dienstleistungen aus einer Hand anbieten, die von einer einzigen Person gewährt werden. Mittels solcher Anstrengungen, die mit einer Vielzahl von entsprechenden Organisationen und sozialen Ressourcen verknüpft sind, streben wir eine Gesellschaft an, die jeden Einzelnen einschließt und in der keiner von den Netzwerken zur gegenseitigen Unterstützung ausgeschlossen ist – nicht nur in Bezug auf die Beschäftigung, sondern auch in Bezug auf die Fürsorge für Behinderte und Ältere, in Bezug auf die Wahrung der Menschenrechte sowie als Bestandteil unserer Anstrengungen, etwas gegen die über 30.000 Selbstmorde zu unternehmen, die jedes Jahr in unserem Land geschehen. Das Neue Konzept des Öffentlichen Dienstes, an dem der vorherige Premierminister Hatoyama mit Nachdruck gearbeitet hat, wird ebenfalls dazu beitragen, das Potential solcher Aktivitäten weiter zu verbessern. Regierungsbehörden und Angestellte des öffentlichen Dienstes können nicht länger allein die Verantwortung für das Anbieten sozialer Dienstleistungen tragen, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden das Engagement der Menschen vor Ort unterstützen, die sich im Geist der gegenseitigen Hilfe an Aktivitäten wie Bildung und Kindererziehung, Gestalten von Gemeinschaften, Verbrechens- und Katastrophenprävention, medizinische Behandlung und Pflege sowie Verbraucherschutz beteiligen.

4. Eine Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einem Gefühl der Verantwortung beruht

Eine Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einem Gefühl der Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger beruht
Die dritte Herausforderung für die Politik ist eine Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einem Gefühl der Verantwortung beruht.

In meinen jungen Jahren diskutierte ich über internationale Politik nicht auf der Grundlage von Ideologien, sondern von Pragmatismus. Ich nahm an zahlreichen Lehrveranstaltungen unter der Leitung von Prof. Younosuke Nagai teil, der das berühmte Werk Heiwa no Daishou („Der Preis des Friedens“) schrieb. Wie soll unsere Außenpolitik gestaltet werden, damit Japan einen „ehrenvollen Platz in … der internationalen Gesellschaft einnimmt“, wie es in der Präambel unserer Verfassung heißt? Im Rahmen der Diskussionen mit Prof. Nagai lernte ich, dass Außenpolitik nicht allein darauf beruhen kann, passiv auf andere Länder zu reagieren. Wie wollen wir Japan formen? Sind wir darauf vorbereitet, auch einen Preis zum Wohle unseres Landes zu zahlen? Ich glaube, dass jeder Einzelne in unserem Land sich dieser Verantwortung bewusst sein muss und dass unsere Außenpolitik vor diesem Hintergrund gestaltet werden sollte.

Heutzutage sieht sich die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen gestellt, die einer tektonischen Verschiebung gleich kommen. Diese Veränderungen erstrecken sich nicht allein auf die Wirtschaft, sondern auch auf die Außenpolitik und den militärischen Bereich. In dieser Situation müssen wir unseren Standpunkt innerhalb der Staatengemeinschaft deutlich machen und eine Außenpolitik verfolgen, die sich auf einem „ausgewogenen Pragmatismus“ gründet.

Grundlegende Vorstellungen in Bezug auf die Außen- und Sicherheitspolitik
Japan ist ein maritimer Staat am Rand des Pazifischen Ozeans und gleichzeitig auch ein asiatisches Land. Bei der Gestaltung von Japans Außenpolitik werde ich diesen doppelten Charakter ausreichend berücksichtigen. Konkret wird die Japanisch-Amerikanische Allianz der Eckstein unserer Außenpolitik bleiben, während ich zur selben Zeit unsere Partnerschaft mit den Ländern Asiens verstärken werde.

Die Japanisch-Amerikanische Allianz kann als ein Vermögen bezeichnet werden, das auf internationaler Ebene miteinander geteilt wird. Denn es trägt nicht nur zur Verteidigung Japans bei, sondern darüber hinaus auch zu Stabilität und Wohlstand in der Region Asien-Pazifik. Ich werde dabei fortfahren, unser Bündnis kontinuierlich auszubauen.

In Bezug auf unsere Nachbarländer, die größtenteils in Asien liegen, werden wir unsere Beziehungen zu ihnen auf den unterschiedlichsten Gebieten, wie etwa Politik, Wirtschaft und Kultur, stärken, und in Zukunft streben wir die Gestaltung einer ostasiatischen Gemeinschaft ein. Mit China werden wir unsere Beziehungen auf der Grundlage eines gegenseitigen Nutzens, die sich auf gemeinsamen strategischen Interessen gründen, weiter vertiefen, während wir mit der Republik Korea eine zukunftsorientierte Partnerschaft anstreben. Mit Blick auf die japanisch-russischen Beziehungen werden wir fortgeschrittene Beziehungen anstreben, indem wir Politik und Wirtschaft als zwei Räder derselben Achse ansehen. In diesem Zusammenhang werde ich mich mit ganzer Kraft für die Lösung des Problems der Nördlichen Territorien einsetzen – die größte noch ausstehende Frage in den Beziehungen zwischen Japan und Russland – um auf diese Weise den Abschluss eines Friedensvertrags zu erreichen. Wir werden unsere Partnerschaft mit den Mitgliedern der ASEAN, Indien und anderen Ländern ausweiten. Im kommenden Herbst werde ich als Vorsitzender eine aktive Rolle beim APEC-Gipfel in Yokohama übernehmen. Wir werden damit fortfahren, Economic Partnership Agreements (EPAs) sowie wirtschaftliche Partnerschaften auf regionaler Ebene im Einklang mit institutionellen Reformen im Inland zu vereinbaren.

Japan wird zudem eine aktive Rolle bei globalen Fragen spielen. Wir werden bei den internationalen Verhandlungen zum Klimawandel in engem Zusammenwirken mit den Vereinigten, der EU und den Vereinten Nationen eine führende Rolle beim Engagement für die COP16 einnehmen, damit ein fairer und effektiver internationaler Rahmen geschaffen wird, an dem sich alle führenden Emittenten beteiligen. Im Herbst dieses Jahres werden wir bei der COP10, die in Nagoya stattfindet, das internationale Engagement zum Schutz der biologischen Vielfalt voranbringen. Japan wird sich an vorderster Stelle für die Schaffung einer „Welt ohne Kernwaffen“ einsetzen. Wir werden unsere Hilfe für den Wiederaufbau Afghanistans und unsere Unterstützung für Afrika in Übereinstimmung mit den Zusagen, die wir bei der TICAD IV gemacht haben, fortsetzen, während wir uns gleichzeitig mit ganzer Kraft für das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele einsetzen werden.

In Bezug auf Nordkorea kann der Vorfall der Versenkung einer Korvette der Republik Korea keineswegs hingenommen werden. Es ist notwendig, die Republik Korea in jedweder Form zu unterstützen und auf den Vorfall entschlossen und vereint mit der ganzen Staatengemeinschaft zu reagieren. Japan strebt mittels einer umfassenden Lösung der ausstehenden Probleme in Bezug auf Nordkorea einschließlich der Entführungen, der Nuklear- und Raketenfrage sowie einer Bereinigung der „unglücklichen Vergangenheit“ eine Normalisierung der Beziehungen zu Nordkorea an. In Bezug auf die Entführungsproblematik werden wir eingedenk unserer Verantwortung als Regierung alles in unserer Macht stehende tun, damit alle Opfer so rasch wie möglich nach Japan zurückkehren können. Japan setzt sich für eine friedliche und diplomatische Lösung mit Iran ein, der weiterhin Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verletzt.

Mit Blick darauf, auf das internationale Umfeld im Bereich der Sicherheit zu reagieren, werde ich den Stand der Verteidigungsfähigkeiten Japans überprüfen lassen und noch in diesem Jahr die Planungen zur Überprüfung der Richtlinien für das Verteidigungsprogramm und das nächste mittelfristige Verteidigungsprogramm ankündigen.

Verlegung des Flugplatzes Futenma
Die US-Militärstützpunkte konzentrieren sich auf Okinawa, und die Menschen von Okinawa haben erhebliche Lasten getragen. Wir müssen die Verlegung und Rückgabe des Stützpunktes Futenma sowie die Verlegung eines Teils der Truppen der US-Marineinfanterie nach Guam auf jeden Fall verwirklichen.

Mit Blick auf die Verlegung des Flugplatzes Futenma bin ich fest entschlossen, in Übereinstimmung mit dem japanisch-amerikanischen Abkommen, das Ende Mai vereinbart wurde, und auch in Übereinstimmung mit der entsprechenden Entscheidung des Kabinetts, eine Reduzierung der Lasten Okinawas zu erreichen.

Okinawa ist eine Region, die eine einzigartige Kultur entwickelt hat, sowie eine Region, auf die Japan stolz sein kann. Okinawa hat während des letzten Weltkriegs die schwersten Bodenkämpfe in Japan erfahren, bei denen viele Menschen ihr Leben verloren. Am 23. Juni finden zum 65. Jahrestag des Endes der Schlacht von Okinawa die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Gefallenen und Getöteten statt. Ich möchte mein Engagement für die Zukunft von Okinawa mit meiner Teilnahme an dieser Feier beginnen, in der daran erinnert wird, welch große Tragödie Okinawa erlebt hat.

5. Schlussbetrachtungen

Wie ich eingangs ausgeführt habe, besteht die Aufgabe meiner Regierung darin, den Stillstand zu beenden, der seit fast 20 Jahren andauert und Japan wieder zu einem Land voller Vitalität zu machen. In dieser Regierungserklärung habe ich den Weg vorgegeben, den wir beschreiten werden. Es bleibt die Frage, ob wir in der Lage sind, unsere Vorhaben auszuführen.

Der Mangel an politischer Führung war der Hauptgrund dafür, dass in der Vergangenheit in Japan Reformen, die auch Ziele auf gesamtstaatlicher Ebene beinhalteten, fehlschlugen. Auch wenn es Maßnahmen gab, die den Interessen einzelner Gruppierungen und bestimmter Regionen dienten, bestand ein Mangel an politischer Führung, die die Zukunft des Landes als Ganzes im Blick hat und Reformen vorantreibt. Führung dieser Art kann nicht ausschließlich aus einzelnen Politkern oder Parteien entstehen. Ob es mir gelingen wird, diese Art von Führung zu zeigen, hängt davon ab, dass ich meinen Landsleuten eine deutliche Vision von Japan aufzeige, sowie dass sie mir ihr Vertrauen schenken und mir das Startsignal für die Verwirklichung dieser Vision erteilen.

Meine heutige Rede war die erste einer ganzen Reihe von Gelegenheiten, bei denen ich meine Vision präsentieren werde. Ich hoffe sehr, dass Sie dieser von mir aufgezeigten Vision beipflichten und mir Ihr Vertrauen schenken werden. Ich möchte diese Regierungserklärung mit der aufrichtigen Bitte an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes schließen, mir ihre Unterstützung zuteil werden zu lassen, während ich mich darum bemühen werde, als Premierminister mit entschlossener Führung zu wirken.
 

 

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