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Japan Brief (Foreign Press Center Japan)


13. 01. 2007

 

 

Einschätzung der neuen Irak-Politik der Regierung Bush

Die neue Irak-Politik, die von US-Präsident George W. Bush in einer in den Vereinigten Staaten landesweit übertragenen Fernsehansprache am 10. Januar angekündigt wurde, sorgte auch in Japan für eingehende Diskussionen. Die bisherige Irak-Politik der US-Regierung ist nun an einem entscheidenden Wendepunkt angelangt. Präsident Bush selbst sprach bei der Beschreibung der derzeitigen Situation im Irak in seiner Rede davon, dass Fehler gemacht worden seien. Er sagte: "Wo Fehler gemacht wurden, übernehme ich die Verantwortung dafür." Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppierungen im Irak spitzen sich weiter zu, so dass in den Vereinigten Staaten die Kritik am Krieg im Irak immer mehr zunahm. Vor diesem Hintergrund verloren die regierende Republikaner bei den Wahlen zur Mitte der Amtszeit des Präsidenten im November letzten Jahres ihre Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat. Darüber hinaus veröffentlichte die überparteiliche Studiengruppe, die vom Kongress eingesetzt wurde und der so einflussreiche Persönlichkeiten wie der frühere US-Außenminister James Baker angehören, jüngst eine Reihe von Empfehlungen und rief zu einem Kurswechsel in der Irak-Politik auf. (Siehe auch Japan Brief vom 08. 12. 2006 "Bewertung der Empfehlungen der Irak-Studiengruppe".) 

In seiner Ansprache am 10. Januar erläuterte Präsident Bush die neue Politik, bei der eine vorübergehende Verstärkung der US-Streitkräfte vor Ort im Mittelpunkt steht. Die neue Politik beinhaltet (1) eine vorübergehende Aufstockung der US-Truppen im Irak um 21.500 Mann, (2) die Bereitstellung von 1,165 Mrd. US-Dollar (etwa 138,5 Billionen Yen) für den Wiederaufbau Iraks, (3) die Unterbindung der Einflussnahme von Seiten Irans und Syriens auf Irak, (4) die verstärkte Unterstützung der Bekämpfung der Aufständischen durch die irakischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der US-Streitkräfte und (5) die Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit auf die irakischen Sicherheitskräfte bis November dieses Jahres. Japans führende Tageszeitungen berichteten über die neue Irak-Politik in großer Aufmachung auf ihren Titel- und internationalen Seiten in ihren Abendausgaben vom 11. Januar. Zudem befassten sich alle fünf landesweiten Tageszeitungen in den Leitartikeln ihrer Morgenausgaben vom 12. Januar mit der Analyse der neuen Politik von Präsident Bush.

Eingreifen der US-Streitkräfte in den Konflikt zwischen den religiösen Gruppierungen

Der wichtigste Aspekt der neuen Politik ist die Entscheidung, die Zahl der US-Soldaten im Irak um über 20.000 Mann zu verstärken. Dies gibt Anlass zu Zweifeln, ob es überhaupt irgendeine Übereinstimmung zwischen der neuen Politik und dem Verständnis der aktuellen Situation gibt, wie sie im Bericht der Irak-Studiengruppe zum Ausdruck kam, in dem ausgeführt wurde, dass es möglich sei, die meisten US-Kampftruppen bis März 2008 aus Irak abzuziehen.

Ein Sonderbericht der Yomiuri Shimbun (12. Januar), für den die Zeitung ihre Korrespondenten in Washington und Kairo mobilisierte, analysierte die Bedeutung dieser umfangreichen Aufstockung der US-Streitkräfte im Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt wie folgt: "Die bemerkenswerteste Tatsache bei der neuen Irak-Politik ist diesmal, dass die US-Streitkräfte gezwungen sind, ihre bisherige Politik der Nichteinmischung in den religiösen Konflikt zu ändern und nun unmittelbar eingreifen sollen. Die US-Streitkräftewerden zusätzliche Kampfbrigaden in der Hauptstadt Bagdad konzentrieren sowie 4000 Marines in die Provinz Anbar entsenden, eine Hochburg der bewaffneten Sunniten. Die Strategie besteht darin, die Situation im Irak, die sich wegen der Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen den religiösen Gruppierungen immer mehr einem Bürgerkrieg annähert, durch die Injektion einer starken Dosis Medizin in Form von zusätzlichen US-Truppen in den Griff zu bekommen." Der Artikel fuhr fort: "Ziel der Säuberungsoperationen sind nicht nur wie bisher die bewaffneten Sunniten, sondern auch die Milizen der Schiiten, welche die Grundlage der Unterstützung für die Regierung des irakischen Premierministers Nouri al-Maliki bilden."

Der Leitartikel der Asahi Shimbun meinte: "Die Kommandeure der US-Streitkräfte, welche die Strategie im Irak bestimmen, haben sich skeptisch dahingehend geäußert, ob es klug ist, mehr Truppen zu schicken. Bush reagierte darauf, indem er sie durch andere handverlesene Generäle ersetzte und mit seinem jüngst vollzogenen Kurswechsel fortfuhr. Wir denken, dass diese Truppenverstärkungen ein großes Wagnis darstellen. Im Rückblick betrachtet hat die Regierung Bush die Truppen im Irak bislang dreimal verstärkt. Aber keine dieser Verstärkungen bewirkte eine nachhaltige Verbesserung." Die Zeitung fuhr fort: "Die vergangenen vier Jahre haben uns gelehrt, dass allein die Präsenz der US-Streitkräfte die Situation dort verschlechtern kann. Will Bush weiterhin die Augen vor dieser Realität verschließen? Wir fürchten, dass mehr Truppen das Blutbad und den Absturz der Region in noch größere Unordnung weiter fördern werden."

Auf der anderen Seite meinte die Sankei Shimbun in ihrem Leitartikel: "Wie bei der neuen Politik betont wird, liegt die oberste Priorität auf der Wiederherstellung der Sicherheit." Die Zeitung brachte ein gewisses Verständnis für die Aufstockung der US-Streitkräfte zum Ausdruck und meinte: "In dem Sinne, dass sie neue Opfer bei der Unterdrückung der bewaffneten Aufständischen in Kauf nimmt, ist die neue Irak-Politik von einem nüchternen Realismus geprägt. Selbst wenn man die Truppenverstärkung ablehnt, muss man der Auffassung [von Präsident Bush] zustimmen, dass ein Rückzug der Vereinigten Staaten zum jetzigen Zeitpunkt zu einem ‚Zusammenbruch der irakischen Regierung [...] und zu einem massenhaften Sterben unvorstellbaren Ausmaßes' führen würde."

Unsicherheit in Bezug auf Aufrechterhaltung der Sicherheit durch irakische Regierung

Die neue Irak-Politik der Regierung Bush nennt zudem einen Zeitrahmen für die Wiederherstellung der Sicherheit im Irak durch die verstärkte Präsenz der US-Streitkräfte und die anschließende Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit in allen irakischen Provinzen auf die irakische Seite bis November dieses Jahres. Allerdings brachten viele Kommentare in den Leitartikeln der landesweiten japanischen Tageszeitungen ihre Zweifel darüber zum Ausdruck, ob sich die Situation wie geplant entwickeln wird. 

Indem er auf die komplexe Situation innerhalb der irakischen Regierung hinwies, meinte der Leitartikel der Yomiuri: "Auf die irakische Regierung, mit denen die Vereinigten Staaten zusammenarbeiten, kann man sich nicht unbedingt verlassen. Iraks Premierminister Nouri al-Maliki, ein Schiit, dringt darauf, die Milizen zu zerschlagen. Die größte dieser Gruppierungen, die Al-Mahdi-Armee, wird jedoch von Muqtada al-Sadr, einem Gegner der Vereinigten Staaten und Unterstützer von Malikis Regierung geführt. Wird Maliki die schiitischen Milizen tatsächlich zerschlagen und so seine eigene politische Basis untergraben?"

Der Leitartikel der Nikkei meinte ganz ähnlich: "Mit Ausnahme einiger weniger Regionen soll die irakische Seite die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit übernehmen. Allerdings ist dies keine Garantie dafür, dass sich die Sicherheitslage verbessern wird. Der Grund dafür ist, dass die Auseinandersetzung immer komplizierter wird. Während früher vor allem sunnitische Aufständische und Extremisten die US-Streitkräfte attackierten, sind nun noch Provokationen der Sunniten gegen die Schiiten sowie Vergeltungsschläge der Schiiten hinzugekommen. Und auch innerhalb der Schiiten nimmt der Streit immer mehr zu. Angesichts der derzeitigen Situation ist es sehr fraglich, ob die Verantwortung für die Sicherheit bis November übergeben werden kann."

Neue Politik verweigert Dialog mit Iraks Nachbarn

Die Irak-Studiengruppe hatte die Aufnahme eines Dialogs mit Iran und Syrien empfohlen, um die Probleme im Irak zu lösen. Allerdings lehnt die neue Politik diese Idee rundheraus ab. Eine ganze Reihe von Leitartikeln brachte ihre Besorgnis über diese Haltung der Regierung Bush zum Ausdruck.

Indem sie den Fokus auf dieses Problem richtete, meinte die Mainichi Shimbun: "Bezüglich der Empfehlung der Irak-Studiengruppe, sich für einen direkten Dialog mit Iran und Syrien einzusetzen und eine internationale Unterstützergruppe ins Leben zu rufen, der vor allem die Nachbarstaaten und Mitgliedsstaaten des VN-Sicherheitsrates angehören, war Präsident Bush nicht nur nicht vorausschauend. In seiner Rede nahm er erkennbar die Haltung ein, Iran und Syrien einzudämmen. [...] Es ist für die Vereinigten Staaten selbst wichtig, den Zustand der Isolation innerhalb der arabisch-islamischen Welt zu beenden. Insbesondere US-Außenministerin Condoleezza Rice sollte die Durchführbarkeit solcher Ideen wie eine internationale Unterstützergruppe während ihrer Reisen im Mittleren Osten und in Europa prüfen."

Bezüglich der Haltung der japanischen Regierung schrieb die Yomiuri Shimbun in einem Artikel (12. Januar): "Auf die Ankündigung der neuen Irak-Politik durch die Vereinigten Staaten hin beabsichtigt die [japanische] Regierung, die Veränderungen in der Sicherheitslage und andere Faktoren aufmerksam zu beobachten und entsprechend über die Dauer des Einsatzes der Luftstreitkräfte der SDF sowie die Form der finanziellen Zusammenarbeit zu entscheiden. Auf einer Pressekonferenz am Abend des 11. Januar machte Chefkabinettsekretär Yasuhisa Shiozaki, nachdem er die Ankündigung der neuen Politik vernommen hatte, deutlich, dass Japan beabsichtige, seine Unterstützung wie bisher fortzusetzen. Er meinte: ‚Wir werden in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft einen  aktiven Beitrag leisten, etwa die Zusammenarbeit im Transportbereich durch die Luftstreitkräfte der SDF sowie Yen-Darlehen, damit Irak die Schwierigkeiten überwindet und sich zu einem stabilen Land entwickelt.' "

(Copyright 2007 Foreign Press Center, Japan)

 

 

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