Neues aus Japan Nr. 145 | Dezember 2016
Japan und Deutschland
Vom 14. bis 18. November statteten Bundespräsident Joachim Gauck und Frau Daniela Schadt Japan einen offiziellen Arbeitsbesuch ab. Neues aus Japan hat aus diesem Anlass einen Überblick über einige Stationen dieses Besuchs zusammengestellt.
Gesprächspartner des Bundespräsidenten am ersten Tag seines Japanbesuchs war Premierminister Shinzo Abe. Nach einer Begrüßung mit militärischen Ehren führten der Premierminister und der Bundespräsident einen intensiven Meinungsaustausch, an den sich eine gemeinsame Pressekonferenz anschloss.
Bild: Premierminister Abe und Bundespräsident Gauck (Foto: Cabinet Public Relations Office)
Während der Zusammenkunft des Premierministers und des Bundespräsidenten kamen auch Frau Akie Abe und Frau Daniela Schadt zu einem Gespräch zusammen.
Bild: Frau Abe und Frau Schadt bei ihrem Gespräch (Foto: Cabinet Public Relations Office)
Die Unterhaltung fand in einer angeregten Atmosphäre statt. Frau Abe hieß Frau Schadt in Japan herzlich willkommen. Diese bedankte sich ihrerseits für den überaus freundlichen Empfang. Frau Schadt erinnerte an den Besuch von Frau Abe in einer Einrichtung für Flüchtlinge im Mai in Berlin, als sie ihren Mann nach Deutschland begleitet hatte, und würdigte den Beitrag von Frau Abe im Rahmen des japanischen Engagements für Flüchtlinge. Frau Abe brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Welt dafür zusammenwirken werde, die Ursachen der Flüchtlingskrisen zu beseitigen. Darüber hinaus führten beide einen intensiven Gedankenaustausch über Themen, für die beide großes Interesse hegen. Dazu zählen etwa die Alterung der Gesellschaft, die Förderung der Regionen, Bildung, Landwirtschaft und Ernährungserziehung sowie die Harmonie von Moderne und Tradition.
Als letzter Punkt auf der Tagesordnung dieses ersten Tages stand ein Abendessen, das Premierminister Abe und seine Frau für Bundespräsident Gauck und Frau Schadt im Amtssitz des Premierministers gaben. Zu diesem Abendessen waren auch Vertreter aus allen Bereichen der Gesellschaft eingeladen, die sich in besonderer Weise für die Förderung der Beziehungen zwischen Japan und Deutschland einsetzen.
Bild: Premierminister Abe und Bundespräsident Gauck beim Abendessen (Foto: Cabinet Public Relations Office)
In seinem Grußwort zu Beginn des Abendessens führt Premierminister Abe aus:
„Ich möchte Herr Bundespräsidenten Gauck und Frau Daniela Schadt zu ihrem ersten Besuch in Japan ganz herzlich willkommen heißen. Bei unseren Gesprächen vorhin konnten wir einen intensiven Meinungsaustausch führen. Nun aber möchte ich Sie alle bitten, sich zu entspannen und an diesem Abend einmal die japanische Küche zu genießen.
Bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokyo, auf die wir alle uns bereits sehr freuen, werden auch Wettkämpfe im Segeln stattfinden, ein Hobby des Herrn Bundespräsidenten. Tatsächlich treten auf dem Gebiet des Sports Japan und Deutschland häufig als freundschaftlich verbundene Rivalen aufeinander, und beide Seiten geben dabei stets ihr Bestes. So gab es bei den Olympischen Spielen in Rio eine Reihe hartumkämpfter Partien insbesondere im Tischtennis. Zwar konnte das japanische Männerteam das deutsche Team besiegen, jedoch mussten sich unsere Frauen den deutschen Spielerinnen geschlagen geben.
Im Fußball reicht Japan leider noch nicht an Deutschland heran; ich hoffe aber, dass wir dies eines Tages tun werden. Viele Menschen in Japan verfolgen die Spiele in der Bundesliga mit großer Begeisterung. Heute weilt der Fußballspieler Naohiro Takahara unter uns, der wie seine Landsleute Shinji Kagawa und Makoto Hasebe von den Fans in Deutschland vielleicht mehr bewundert wird als von den japanischen Fans, wenn er hier in seiner Heimat spielen würde. Jeder japanische Fußballer träumt davon, in einer der weltweit besten Ligen von den besten Fans der Welt angefeuert zu werden.
Musik aus Deutschland ist etwas, auf das Ihr Land besonders stolz ist, und es gibt ebenfalls eine Reihe von Japanern, die auf diesem Gebiet aktiv sind. Daishin Kashimoto und Sayako Kusaka etwa spielen beide als Erste Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern bzw. beim Konzerthausorchester Berlin.
Zu diesem Abendessen wurden auch Persönlichkeiten eingeladen, die in einer Vielzahl von Bereichen, darunter Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Sport, aktiv sind. Ihnen allen ist es zu verdanken, dass sich die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland so gestaltet haben, wie sie sich uns heute präsentieren. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen allen meine besondere Wertschätzung für Ihre kontinuierliche Unterstützung zum Ausdruck zu bringen und bitte Sie zugleich, sich auch weiterhin für die Vertiefung unserer Beziehungen einzusetzen.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich habe gehört, dass Sie – wie übrigens auch meine Frau – besonders gern trockenen Weißwein trinken. Ich hoffe, dass Ihnen der Sake und der trockene Weißwein aus Japan, den wir Ihnen heute Abend servieren möchten, munden werden.
Ich bitte Sie nun alle, mit mir das Glas zu erheben und gemeinsam auf die Gesundheit von Herrn Bundespräsidenten Gauck, von Frau Schadt und aller hier Anwesenden sowie auf die weitere Festigung der Bande der Freundschaft, durch die die Menschen in unseren beiden Ländern miteinander verbunden sind, zu trinken. Zum Wohl!“
Bild: Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin im Gespräch mit dem Bundespräsidenten und Frau Schadt (Foto: Imperial Household Agency)
Am zweiten Tag stand eine Audienz bei Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin auf dem Programm. Die Unterhaltung verlief in ungezwungener und freundschaftlicher Atmosphäre. Themen waren unter anderem die deutsche Geschichte sowie die Lage in verschiedenen Regionen der Welt.
Im Anschluss wurden Bundespräsident Gauck und Frau Schadt von der Gouverneurin von Tokyo, Yuriko Koike, empfangen. Sie führte die Gäste zunächst zur Aussichtplattform im 45. Stock des Rathauses.
Bild: Bundespräsident Gauck und Gouverneurin Koike (Foto: Tokyo Metropolitan Government)
Beim anschließenden Gespräch erinnerte die Gouverneurin daran, dass beispielsweise Tokyo und Berlin durch eine Städtepartnerschaft miteinander verbunden sind sowie dass beide Länder als wichtige Partner auf einer Vielzahl von Gebieten eng zusammenwirken. Sie sagte u.a.: „Tokyo kann von Deutschland vieles lernen, etwa bei den Themen Umwelt, Frauenförderung oder die Art und Weise des Arbeitens. Umgekehrt gibt es auch vieles, was Tokyo Deutschland vermitteln könnte.“ Für die Olympischen Spiele 2020 wolle sie mit dem Vorsitzenden des IOC, dem Deutschen Thomas Bach, eng zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang nannte sie auch die Rugby-Weltmeisterschaft 2019 und erklärte, sie freue sich darauf, den Austausch im Bereich Sport weiter zu vertiefen.
Bundespräsident Gauck zeigte sich erstaunt über die saubere Luft in einem so großen Ballungsraum wie Tokyo und erklärte, er empfinde nicht nur für das Wirtschaftspotential Japans, sondern auch für das Engagement des Landes im Umweltbereich große Wertschätzung: „Ich weiß, wie schwierig es ist, in einer so großen Stadt die Umwelt zu erhalten. Der Bereich Umwelt ist ein gutes Beispiel für ‚gegenseitiges Lernen‘. Es ist wichtig, nicht nur miteinander zu konkurrieren, sondern auch zusammenzuwirken.“ Dass an der Spitze der Metropolregion Tokyo nun eine Gouverneurin steht, kommentierte der Bundespräsident folgendermaßen: „Sie sind damit für viele Frauen in Japan zu einem Vorbild geworden und zugleich ein Symbol für Frauen, die sich in der Gesellschaft engagieren.“
Für diesen Tag stand ein Besuch der Waseda University in Tokyo mit einem Vortrag vor Lehrenden und Studierenden dieser Hochschule auf dem Programm. Vor seinem Vortrag wurde der Bundespräsident vom Präsidenten der Hochschule, Prof. Kaoru Kamata, mit folgenden Worten begrüßt: „Inmitten der rasch fortschreitenden Globalisierung gestaltet sich die Lösung der Aufgaben, vor denen Japan und Deutschland stehen, nicht einfach. Aber gerade in solchen Zeiten sind unsere beiden Länder, die auf lange freundschaftliche Beziehungen verweisen können, gefordert, sich diesen Aufgaben durch eine Vertiefung des Dialogs sowie durch noch engere Zusammenarbeit gemeinsam zu stellen. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr heutiger Vortrag den jungen Menschen, die als künftige Brückenbauer zwischen Japan und Deutschland wirken werden, den Weg weisen und zur weiteren Förderung der bilateralen Bande der Freundschaft beitragen wird.“
Bild: Bundespräsident Gauck bei seiner Rede vor etwa 400 Zuhörern im vollbesetzten Vortragssaal (Foto: Waseda University)
Zu Beginn seines Vortrags führte der Bundespräsident aus: „Die Waseda University ist nicht nur eine der renommiertesten Hochschulen Japans, sie ist auch international stark vernetzt – 21 Partnerschaften allein mit deutschen Universitäten. Ich hoffe, dass Sie die Kooperation mit Ihren Partnern weiter pflegen und zukünftig vielleicht sogar noch weiter vertiefen können.“ Mit Blick auf die japanisch-deutschen Beziehungen hob er das enge und freundschaftliche Verhältnis hervor. So unterhielten beide Länder heute auf zahlreichen Gebieten einen regen Austausch. Beide hätten aus ihrer Geschichte gelernt und die Beziehungen, die sie während ihrer gemeinsamen Entwicklung hin zu führenden Wirtschaftsnationen gestaltet hätten, seien beeindruckend. Gerade diese guten Beziehungen hätten dazu geführt, dass sich beide Seiten in schwierigen Zeiten, etwa nach Naturkatastrophen, gegenseitig die Hände reichen und das bilaterale Zusammenwirken weiter festigen könnten. Auch mit Blick auf die Aufgaben, vor denen man heute stehe, besäßen beide Länder ein großes Innovationspotential und die gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit für deren Lösung.
Gegen Ende seines Vortrags wandte sich Bundespräsident Gauck direkt an die Zuhörer und insbesondere an die Studierenden: „Gehen Sie hinaus in die Welt, kommen Sie nach Europa und nach Deutschland und lernen Sie unseren Kontinent und auch mein Land kennen. Von solchem Austausch kann es nicht genug geben. Immer ist er auch ein persönlicher Gewinn.“ Er schloss den Vortrag mit einem Zitat des Philosophen Hermann Graf Keyserling: „Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum.“
Im Anschluss an seinen Vortrag richteten Studierende Fragen an den Bundespräsidenten, etwa über die künftigen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland sowie über die internationale Situation, die wirtschaftliche Entwicklung sowie über den Wandel in der Arbeitswelt. Bundespräsident Gauck beantwortete all diese Fragen ausführlich und gelegentlich auch humorvoll, so dass es für alle Anwesenden eine anregende Zeit war.
Nachdem Bundespräsident Gauck und Frau Schadt am Vortag in die alte Hauptstadt Kyoto gereist waren, stand dort neben weiteren Terminen die Überreichung des Siebold-Preises der Alexander von Humboldt-Stiftung an den Politikwissenschaftler Prof. Takeshi Kawasaki auf dem Programm.
Bild: Bundespräsident Gauck und Prof. Kawasaki bei der Überreichung des Siebold-Preises zusammen mit dem Präsidenten der Humboldt-Stiftung, Prof. Schwarz (Foto: Kyoto University)
Prof. Kawasaki, der früher unter anderem an den Universitäten Bonn und Heidelberg geforscht hat und heute an der Sophia University in Tokyo lehrt, beschäftigt sich u.a. mit einem Vergleich der Parteipolitik in Japan und Deutschland.
Der Philipp Franz von Siebold-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung wird jedes Jahr für besondere Verdienste um ein besseres Verständnis von Kultur und Gesellschaft in Deutschland und Japan verliehen. Er wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert und ist mit 50.000 Euro dotiert. Gestiftet wurde der Preis 1978 vom damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel anlässlich seines Staatsbesuchs in Japan.
Als letzte Station ihres Japanbesuchs statteten Bundespräsident Gauck und Frau Schadt Nagasaki auf der Insel Kyushu einen Besuch ab. Neben weiteren Terminen standen hier die Kranzniederlegung des Bundespräsidenten am Denkmal im Friedenspark von Nagasaki und das Gedenken an die Opfer der Atombombe vom 9. August 1945 auf dem Programm. Daran schloss sich ein Besuch des Atombombenmuseums an, bei dem der Bundespräsident auch mit einem Überlebenden der Atombombe sprach.
Bild: Das Denkmal im Friedenspark von Nagasaki (Foto: ja.wikipedia.org)