Am 16. März 2005
fand im Großen Vortragssaal der Museen Dahlem, Berlin, unter dem Titel „Kunst der
Anmut“ eine Einführung in den Kabuki-Tanz - eine der traditionellen
Bühnenkünste Japans - statt, die von der Japan Foundation veranstaltet wurde.
Vor der Einführung erhielt Neues aus Japan die Gelegenheit, den Kabuki-Schauspieler
Nakamura Kyozo zu interviewen.
NaJ:
Herr Nakamura, welchen Eindruck haben Sie von Berlin?
Nakamura:
Ich bin jetzt zum ersten Mal in Berlin. Da das Flugzeug gestern Verspätung
hatte, kamen wir mitten in der Nacht an und sind sofort zum Hotel gefahren.
Und heute haben wir schon seit dem Morgen Probe, deshalb konnte ich mir die
Stadt noch gar nicht anschauen, was ich sehr schade finde. Im Rahmen der
jetzigen Tournee sind wir bereits in Österreich und Slowenien gewesen. Nach
Stationen in Berlin und Köln werden wir noch Italien besuchen. Diese Reise
hat mich bisher sehr beeindruckt.
NaJ:
Wie denken Sie über Deutschland?
Nakamura:
An deutscher Geschichte, Kultur und Kunst bin ich sehr interessiert. Ich
werde mir einiges ansehen, denke ich. Goethes „Die Leiden des jungen Werther“
mit der intensiven Schilderung des Innenlebens oder die Musik von Bach - ich
kann vieles von Deutschland lernen. Deutscher Expressionismus z.B.
fasziniert mich sehr.
NaJ:
Was macht den besonderen Reiz des Kabuki aus, den Sie den Menschen in
Deutschland vermitteln möchten?
Nakamura:
Auch in Deutschland bringt man Handwerkern traditioneller Techniken große
Wertschätzung entgegen. Man nennt sie, glaube ich, „Meister“, nicht wahr?
Und Kabuki ist ebenfalls eine Welt der Meister. Schauspieler, Kostümmacher,
Perückenmacher, Bühnenbildner und Requisiteure - alle führen traditionelle
Fertigkeiten fort und geben sie an die nächste Generation weiter. Alle, die
mit Kabuki befasst sind, auch die Schauspieler, sind somit auch Handwerker.
So wie bei den Meistern in Deutschland sind auch in der Welt des Kabuki der
Stolz und das Gefühl der Bestimmung als Handwerker sehr ausgeprägt. Mit den
Menschen in Deutschland haben wir gemeinsam, dass wir Traditionen bewahren
und überlieferte Techniken weitergeben. Die beiden ersten Tänze unserer
Einführung, „Shishi no rankyoku“ (Löwentanz) und „Bungo Dojoji“ (Der Tanz
des Mädchens Kiyohime) sind uns als traditionelle Tänze überliefert worden.
Wir haben sie aufgenommen und geben sie nun an die nächste Generation weiter.
Ein weiterer Tanz, den wir zeigen werden, „Aname“ (Der Geist der Dichterin
Ono no Komachi), ist ein Tanz, der auf den traditionellen Techniken des
Kabuki-Tanzes beruht, jedoch neue Sinneseindrücke beinhaltet wie Musik der
Gegenwart, z.B. aus dem „Feuervogel“, die mittels eines Syntheziser
bearbeitet wurde. Darüber hinaus gibt es noch neue Stücke, die als moderne
japanische Musik in traditioneller Weise („Hogaku“) bezeichnet werden, also
ein Zusammenwirken von Tradition und Gegenwart in Form neuer Musik und Tanz
mit neuen Sinneseindrücken. Das gleiche gilt für die Art, wie wir unseren
Körper nutzen. Mit einer verhältnismäßig modernen Körperhaltung unternehmen
wir neue Versuche beim traditionellen Kabuki-Tanz, führen Tänze auf, die
neue Sinneseindrücke vermitteln. Kabuki bewahrt treu die Traditionen - es
kann auf eine 400-jährige Geschichte verweisen - aber wenn es auch die
nächsten 100, 200 oder 300 Jahre bestehen will, müssen wir ein Kabuki für
unsere eigene Zeit entwickeln; allein durch die Wahrung der Tradition würde
Kabuki in 100 Jahren nicht mehr bestehen. Ich denke, dass Kabuki als
traditionelle Kunst diese beiden Wege gleichzeitig beschreiten muss. Aus
diesem Grund möchten wir in der heutigen Einführung diese beiden Aspekte des
Kabuki dem Publikum vorstellen.
NaJ:
Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen Kabuki-Schauspieler zu werden?
Nakamura:
Das geht auf eine sehr frühe Erfahrung zurück. Eine große Anzahl der Kabuki-Schauspieler
führt eine seit vielen Generationen bestehende Familientradition fort. Bei
mir aber war es ganz anders. Meine Großmutter hat mich als Kind oft zu
Kabuki-Vorstellungen mitgenommen. Und so bin ich von Kindesbeinen an mit der
Welt des Kabuki vertraut geworden. Es war also meine Großmutter, die meinen
Lebensweg bestimmt hat, indem sie mir die Liebe zum Kabuki vermittelte.
Nakamura Kyozo, geboren in Tokyo. 1979
Studienabschluss in japanischer Literatur an der Hosei-Universität, Tokyo.
1980 Kurs für Kabuki-Schauspieler am Nationaltheater in Tokyo. Nach
Abschluss der Ausbildung Schüler von Nakamura Jakuemon IV. Seitdem Auftritte
unter dem Namen Nakamura Kyozo in ganz Japan. 1994 wurde ihm als Kabuki-Schauspieler
der Rang „Senior Nadai“ verliehen.
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