Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.47                             Oktober 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

Als deutscher CIR in der Präfektur Tottori

 

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich über 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 15 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Lesen Sie hier den Bericht von unserem CIR in der Präfektur Tottori, Michael Schultz:
 

 

 

 

 

 

Home
  Reisen in Japan: Fuji
  JET in Tottori
  Sake
  Japanisch lernen
  Filme aus Japan
Kalender des Monats

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meinen ersten Japanaufenthalt hatte ich während meines Studiums der Japanologie und Physik (Universität Leipzig) an unserer Partneruniversität Chiba (etwa 45 Minuten von Tokyo entfernt). Für ein Jahr lebte ich im Wohnheim für Austauschstudenten, besuchte Japanischkurse und stand den hiesigen Deutsch-Studenten als Tutor zur Verfügung. Das Jahr verging viel zu schnell und so stand bei der Heimreise fest, möglichst bald wieder nach Japan zurückzukehren.

Mein zweiter längerer Aufenthalt (6 Monate als Praktikant an der Deutschen Botschaft in Tokyo) ließ mich einen ganz anderen Ausschnitt des Lebens in Japan wahrnehmen. Jedoch war ich beide Male in einer Großstadt (Chiba: knapp 1 Mio., Tokyo: gut 8 Mio. Einwohner) und hatte beide Male das Gefühl, mich in einer Blase, einem begrenzten Universum, zu bewegen (der Universitäts- bzw. Diplomatenwelt). Es war mir daher ganz recht, dass das JET-Programm, für das ich mich nach meinem Uni-Abschluss bewarb, für deutsche CIRs (Coordinator for International Relations) überwiegend Stellen in der Provinz anbot.

Seit einem Jahr arbeite ich nun im Rathaus der Stadt Tottori in der gleichnamigen Präfektur im Westen der Hauptinsel Honshu. Ich hatte vorher von der Stadt noch nie etwas gehört, und auch Japaner verfallen auf die Fragen, wo Tottori liege und was ihnen bei Tottori einfalle, in vielsagendes Schweigen. Es ist mit 600.000 Einwohnern (von denen ein Drittel in meiner Stadt wohnt) und nur 4 Städten die bevölkerungsärmste Präfektur Japans, grenzt an das Japanische Meer und ist landeinwärts von Bergen umschlossen. Bekannt ist es vor allem für seine ausgedehnte Sanddüne und den Anbau von Nashi-Birnen. Einem alten Mythos zufolge verhalf ein sprechender weißer Hase einer shintoistischen Gottheit zur Herrschaft über die Provinz.

„Yukkuri, yuttari, Tottori“ (in etwa „gemütliches, entspanntes Tottori“)– so lautet der lautmalerische Wahlspruch der Stadt und in der Tat ist die rechnerische Großstadt Tottori eher eine gefühlte Kleinstadt, in der die Geldautomaten abends um neun abgeschaltet werden und zusammengewachsene Auberginen eine Zeitungsmeldung wert sind. Bis Osaka oder Kyoto ist man drei Stunden mit dem Zug unterwegs, die Autobahnanbindung ist für nächstes Jahr geplant.

Mit Deutschland verbindet Tottori seine Städtepartnerschaft mit der Gebrüder-Grimm-Stadt Hanau. Die Beziehungen zwischen Hanau und Tottori begannen im Jahre 1989, als Tottori anläßlich seines 100-jährigen Geburtstages eine "Weltspielzeug-Ausstellung" organisierte und dabei auch Puppen des Hessischen Puppenmuseums ausstellte. Im Anschluss daran ging das 1995 eröffnete „Museum für Spielzeug aus aller Welt Warabekan“ mit dem Hessischen Puppenmuseum eine Museumspartnerschaft ein.

Ich bin im Rathaus der Stadt mit für die Betreuung der Partnerschaftsbeziehungen zuständig, übersetze die Korrespondenz, helfe mit bei der Organisation der gegenseitigen Besuche und dolmetsche für die Gäste. Es sind dabei nicht nur „offizielle“ Besuche von Vertretern der Partnerstadt sondern auch Besuche, die durch persönliche Freundschaften entstehen. So kamen letztes und dieses Jahr eine befreundete Ballettschule aus Hanau, während Tottorianische Musiker sich auf den Weg nach Hanau begaben. Aus Italien und Deutschland empfingen wir mehrere Musiker und ein deutscher Creative Dance Lehrer aus London machte auf seiner Japan-Tournee einen Zwischenstopp in Tottori.

Nicht nur Hanau, sondern alles, was mit Deutschland zu tun hat, fällt in mein Aufgabengebiet. Ich gebe einmal die Woche Deutschunterricht für interessierte Bürger und in unregelmäßigen Abständen auch Filmabende und Diskussionsrunden. Viele der Teilnehmer hatten zu Studienzeiten bereits ein oder zwei Jahre Deutsch gelernt und sich ein reges Interesse an Deutschland bewahrt. Neben allgemeiner Landeskunde oder der deutsch-deutschen Geschichte werden häufig auch Fragen zum Umweltschutz, zu Gleichstellungsmaßnahmen oder zur Behindertenpolitik Deutschlands gestellt.

Manchmal bekomme ich als Dankeschön für meine Erklärungsversuche dann Gemüse aus heimischem Anbau geschenkt. Bei solchen Gelegenheiten ergeben sich dann oft Gespräche über deutsches Essen, welches zu definieren mir jedoch stets schwer fällt. Wir essen ja schließlich nicht jeden Tag Eisbein mit Kartoffeln und Sauerkraut oder trinken zu jeder Tageszeit Bier. Kochkurse, die ich ab und zu in Gemeindezentren veranstalte, sind da ein willkommener Anlass, einen Blick über den „Bier und Wurst“-Horizont zu werfen.

Sehr lustig sind auch die regelmäßigen Grundschulbesuche, auf denen ich versuche, den Kindern mit Hilfe von Powerpoint-Fotos und Dingen zum Anfassen (Karten, Münzen, Plüschtieren, Comiczeitschriften usw.) etwas über Deutschland zu erzählen. Im Gegenzug erfahre ich z.B. etwas über die heimische Tierwelt (ein Schüler zählte mir sämtliche Hirschkäferarten auf und wollte wissen, ob es die in Deutschland auch gibt) oder über die übersinnlichen Erfahrungen der Schüler („Ich hab’ vorige Woche ein Gespenst gesehen, du auch?“). Solche Besuche beginnen meist mit einem kollektiven Staunen („Du bist aber groß“) und enden im wilden Händeschüttelrausch. Zuvor muss ich dann noch auf allen möglichen Schulutensilien mein Autogramm hinterlassen.

Für Oktober ist eine Posterausstellung des deutschen Generalkonsulats zum Thema Umwelt geplant. Im Dezember wird es einen kleinen Weihnachtsmarkt mit selbstgemachtem Glühwein, Keksen und Stollen geben und dazwischen stehen wieder Vorträge in Gemeindezentren und Schulbesuche an. Durch die Arbeit als CIR sowie durch das Leben in Japan an sich konnte ich wertvolle Erfahrungen sammeln, Einblicke in japanische Lebenswelten gewinnen, neue Interessen entwickeln und viele interessante und liebenswerte Menschen kennenlernen. Ich bin sehr gespannt, was das kommende Jahr bringen wird.


 

Druckversion

5 1 Home | Kalender des Monats

Reisen in Japan: Fuji | JET in Tottori
Sake | Japanisch lernen | Filme aus Japan