Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.48                           November 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

„Nmyâchi Kagizuma“
 – Willkommen in Miyakojima

 

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich fast 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 15 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Lesen Sie hier den Bericht von unserem CIR, David Fehrmann, aus der südlichsten Präfektur Japans, Okinawa:
 

 

 

 

 

 

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Seit August 2007 arbeite ich in Miyakojima als Koordinator fuer internationale Beziehungen im Rahmen des JET (Japan Exchange and Teaching) Programms. Ich wurde, wie alle meine Kollegen auch, nach Japan entsandt, um interkulturelle Arbeit zu leisten, um die Deutsch-Japanische Freundschaft zu fördern und zu pflegen, um eine kleine bescheidene Brücke zwischen diesen beiden zum Teil sehr unterschiedlichen Kulturen zu schlagen.

Als ich im Juni 2007 davon unterrichtet wurde, dass ich in Miyakojima meine „Mission“ ausüben wuerde, ahnte ich noch nicht, dass ich einen Teil Japans kennen lernen sollte, der den Vorstellungen, welche die Deutschen üblicherweise vom „Land der aufgehenden Sonne“ pflegen, nicht ganz entspricht. Miyakojima ist eine Insel, die etwa 320 km südlich von der Hauptinsel Okinawas entfernt liegt und leichter auf der Landkarte zu entdecken ist, wenn man sein Augenmerk auf Taiwan richtet, als auf Japan selbst.

Anstatt waldbedeckter Berghänge, an die sich Reisfeld-Terassen schmiegen, erblickt man hier hauptsächlich Zuckerrohrfelder und keinen einzigen Berg – die Insel ist flach wie eine Flunder. Das Meer, welches die Hauptinseln Hokkaido, Honshu, Shikoku und Kyushu umgibt, wirkt dunkel und mysterioes, das Meer in Miyakojima schillert einladend in azurblau und smaragdgrün. Die Bauernhäuser im „Naichi“ (Innere Region - so nennen die Leute auf der Insel die japanischen Hauptinseln) sind mit Schilf bedeckt und aus Holz, hier in Okinawa sind die Dächer traditionell mit roten Ziegeln gedeckt und das Mauerwerk aus Stein. Aus gutem Grund: Anstatt der Erdbeben, die in Zentraljapan häufig vorkommen, fürchtet man hier nämlich eher die jährlichen Taifune. In Tokio und Osaka stösst man am Feierabend mit Sake an, in Miyakojima mit Awamori (Reisschnaps). Statt monströser Grossstadthektik, gelassene Inselatmosphäre. Während der Geschäftsmann einen Anzug trägt, ist auf der Insel der Business-Dress der Wahl das „Kariyushi“-Shirt (eine Art Hawaii-Hemd). Während man am Flughafen Narita in Hochjapanisch mit „Yokoso“ begrüsst wird, schallt es einem in Miyakojima „Nmyâchi“ entgegen.

Die kulturellen Unterschiede sind nicht allzu verwunderlich, wurde das Königreich Ryukyu (die heutige Präfektur Okinawa) erst Ende des 18. Jahrhunderts an Japan angegliedert. Als ein wichtiger Warenumschlagplatz in Südostasien war der Einfluss anderer südostasiatischer Kulturen auf die Inseln des Ryukyu-Archipels gross.

Natürlich ist Miyakojima trotz aller Unterschiede immer noch sehr japanisch. Die Alltagssprache, Feiertage, Umgangsformen und vieles mehr sind identisch mit jenen Dingen, die man in anderen Teilen Japans auch vorfindet. Aber hier wurde mir erst wirklich bewusst, wie viele Facetten Japan eigentlich von Nord nach Sued bietet. Miyakojima ist Japan, nur mit einem etwas anderen „Gesicht“.

Was verbindet eigentlich diese kleine Insel mit Deutschland? Die freundschaftliche Beziehung zwischen Miyakojima und Deutschland nahm vor ca.135 Jahren ihren Anfang, als ein deutscher Handelsschoner Opfer eines Taifuns wurde und auf eines der zahlreichen Riffe auflief, die das Eiland umgeben. Die Inselbewohner entdeckten das in Seenot geratene Schiff und retteten die Besatzung vor dem sicheren Tod. Nachdem die Einwohner Miyakojimas die Besatzung gesund gepflegt und ihnen die Heimreise ermöglicht hatten, kam die Geschichte von der mutigen Rettungsaktion Kaiser Wilhelm I zu Ohren. Dieser liess zum Dank einen Gedenkstein anfertigen, der noch heute auf der Insel zu besichtigen ist. Diese Begebenheit geriet jedoch lange Zeit in Vergessenheit und wurde erst 1929 von einem geschichtsinteressierten Bankangestellten wiederentdeckt und publik gemacht. Man taufte die Geschichte „Hakuai“ (jap. Brüderlichkeit) und fügte sie 1937 sogar einem Lehrbuch bei, dass im ganzen Land gelesen wurde. 1996 wurde der Beschluss gefasst ein deutsches Kulturdorf an der Stelle, an der die Seeleute gerettet wurden, zu errichten. Im Zentrum dieses Kulturdorfs sollte ein Wahrzeichen deutscher Kultur entstehen. Man entschloss sich eine exakte Kopie der rheinischen Marksburg zu erbauen und in ihr ein Museum einzurichten, dass der deutschen Lebensart gewidmet ist. Stellen Sie sich mal eine deutsche Ritterburg in einem tropischen Setting vor - ein höchst ungewöhnlicher und erstaunlicher Anblick! Ein weiterer Höhepunkt stellte schliesslich der Besuch von Ex-Bundeskanzler Schröder dar, der sich abseits des G7 Gipfels in Okinawa die Zeit nahm, diese kleine Insel zu besuchen. Zum Dank wurde auch sogleich die Strasse, welche zum Deutschen Kulturdorf führt, mit seinem Namen versehen.

Ein paar Worte zu meiner Arbeit hier auf der Insel. Generell habe ich viele Freiheiten in meiner Arbeitsgestaltung und meine Aufgaben sind vielfältig und interessant. Sie reichen von rein kommunikativen Aufgaben wie Übersetzer- und Dolmetscher-Tätigkeiten, über Funktionen als Gastgeber und Inselguide, bis hin zu Eventplanung, -vorbereitung und -durchführung.

Dreh- und Angelpunkt vieler meiner Aktivitäten stellt selbstverständlich eben jenes deutsche Dorf in Ueno dar. Letztes Jahr z.B. veranstaltete ich hier das Sankt Martins Laternenfest. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Schulen aller Art bastelten wir über 650 Laternen und schmückten das Gelände des Kulturdorfs mit ihnen. In diesem Jahr soll es einen richtigen Sankt Martins Laternenumzug geben.

Mein letztes, grösseres Projekt war die Implementierung einer neuen Attraktion für das deutsche Kulturdorf: ein Mittelalter-Kostüm-Verleih. Wir bestellten 37 Kostüme und etwa noch einmal so viele Accessoires in Deutschland, die die Mode vom Mittelalter bis in die Klassik in Europa widerspiegeln und den Besuchern die Möglichkeit bieten soll, mal so richtig in eine andere Zeit einzutauchen. Wahlweise können sie dann auch, beispielsweise verkleidet als Graf oder Gräfin, einen einfachen mittelalterlichen Tanz erlernen oder an einer Weinprobe teilnehmen und dabei natürlich nach Herzenslust Erinnerungsfotos machen.

Eine Herausforderung grösseren Masstabs, die ich gerne bis zum Ende meines Aufenthaltes in Miyakojima noch meistern wuerde, ist die Einführung einer Städtepartnerschaft. Kann es etwas reizvolleres geben, als einer Tätigkeit nachzugehen, die das Potential hat, eine ganze Stadt auf Dauer zu beeinflussen und etwas zu schaffen, dass eventuell Jahrzehnte währt?

CIR zu sein bietet einem zahllose Möglichkeiten, kreativ und aktiv eine Gemeinschaft mitzugestalten und dabei kulturelle Grenzen zu überwinden. Gerade als frisch gebackener Universitätsabsolvent mit soliden Japanisch-Kenntnissen bietet das JET-Programm eine ideale Basis, um sich in der Arbeitswelt einzufinden und sich Fähigkeiten anzueignen, die man gewöhnlich nicht an der Universität gelehrt bekommt.

 

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