
APEC im Wandel – die Wirtschaftskrise und eine neue Wachstumsstrategie
Das 17. Gipfeltreffen der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) fand im November 2009 in Singapur statt. An ihm nahmen die Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedsstaaten und -regionen teil, darunter Premierminister Hatoyama, US-Präsident Obama, der chinesische Präsident Hu Jintao und der russische Präsident Medwedew. Mit Blick auf die Herausforderungen der weltweiten Wirtschaftskrise gewinnt die Zusammenarbeit in dieser wichtigen Region weiter an Bedeutung; zugleich wird 2010 Japan als Gastgeber des APEC-Gipfeltreffens auftreten. Dies bietet den Anlass, einmal über die Bedeutung und die Aufgaben dieses Forums nachzudenken.
„Wachstumsstrategie“ als wichtigstes Thema auf der Agenda
Der APEC-Gipfel 2009 in Singapur befasste sich u.a. mit den Themen nachhaltiges Wachstum in der Region sowie Förderung des gemeinsamen Wohlstands. Wichtigster Punkt auf der Agenda war daher eine „Wachstumsstrategie“, mit der auf die weltweite Wirtschaftskrise reagiert werden soll. Bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs stimmte man überein, dass es wichtig sei, dem „umfassenden Wachstum“ auf der Grundlage der Überlegung, den sozialen Aspekten größere Bedeutung zukommen zu lassen sowie die Früchte des Wachstums breiter zu verteilen, sowie dem „nachhaltigen Wachstum“ unter Berücksichtigung der Umwelt einschließlich Klimawandel und Energie einen hohen Stellenwert beizumessen. Um als Ergebnis dessen eine Steigerung der Nachfrage innerhalb der APEC-Region sowie ein ausgewogenes Wachstum zu erreichen, wurde vereinbart, eine umfassende Wachstumsstrategie einschließlich des „umfassenden Wachstums“ sowie des „nachhaltigen Wachstums“ zu erstellen. Die konkreten Inhalte dieser Strategie sollen beim APEC-Gipfel 2010 in Japan festgelegt werden. In Bezug auf die Förderung des gemeinsamen Wohlstands wurden u.a. der rasche Abschluss der WTO-Verhandlungen der Doha-Runde, der entschlossene Kampf gegen Protektionismus sowie die regionale Integration diskutiert.
Wichtigste Übereinkünfte des APEC-Gipfels in Singapur
- Beibehaltung der wirtschaftlichen Impulse sowie Erstellen neuer Wachstumsparadigmen
- Erstellen eines Programms in 2010 zur Schaffung von Arbeitsplätzen und sozialen Sicherheitssystemen
- Anstreben ambitionierter Resultate beim Klimagipfel in Kopenhagen (COP15)
- Erreichen eines ambitionierten und ausgewogenen Abschlusses der WTO-
Verhandlungen der Doha-Runde - Bewertung des Stands des Erreichens der Bogor-Ziele der fortschrittlichen Länder und Regionen
- Suche nach dem einzuschlagenden Kurs für die Realisierung der „Asien-Pazifik-Freihandelszone“ (FTAAP)
- Reduzierung der so genannten Businesskosten bis 2011 um 5% und bis 2015 um 15%
APEC als weltweit größtes Wirtschaftsforum
Welchen wirtschaftlichen Rahmen stellt die APEC eigentlich dar? Die APEC ist das weltweit größte Wirtschaftsforum, an dem sich fast alle führenden Staaten und Regionen der Region Asien-Pazifik beteiligen. Fasst man die Mitglieder dieses Forums, die sich über vier Kontinente erstrecken, einmal zusammen, dann beläuft sich ihr Anteil an der Weltbevölkerung auf rund 40% und ihr Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf mehr als die Hälfte. Die wichtigsten Aktivitäten umfassen die Liberalisierung von Handel und Investitionen, die reibungslose Gestaltung von Handel und Investitionen sowie die wirtschaftliche und technologische Kooperation. Als weitere Aktivitäten von Bedeutung kommt noch das Konzept von „Human Security“, etwa der Kampf gegen Terrorismus und Infektionskrankheiten, hinzu. Innerhalb der vielfältigen Aktivitäten des Forums bildet das jährliche Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im November eine wichtige Gelegenheit für den unmittelbaren Gedankenaustausch zwischen den führenden Vertretern dieser Region.
Ende des Kalten Krieges und Gründung der APEC
Die APEC wurde 1989 auf Vorschlag des damaligen australischen Premierministers Hawke ins Leben gerufen. Damals befand sich die internationale Gemeinschaft an einem wichtigen Wendepunkt. So fiel im selben Jahr die Berliner Mauer, und der Ost-West-Konflikt, der als „Kalter Krieg“ die Welt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in zwei Lager geteilt hatte, ging zu Ende. Während des Kalten Krieges war die Staatengemeinschaft in zwei ideologisch definierte Lager, nämlich ein „kommunistisches“ Lager („Ost“) und ein „kapitalistisches“ Lager („West“) geteilt, und beide Seiten unterhielten nur innerhalb des jeweiligen Lagers kooperative Beziehungen. Nach dem Ende des Kalten Krieges nun ergab sich für die Welt die Notwendigkeit, neue kooperative Beziehungen auf internationaler Ebene zu gestalten. Dabei kam es rasch zu einer Diskussion dahingehend, dass sich die Staaten und Regionen, die in großer geografischer Nähe zueinander liegen, zusammenschließen und im Rahmen einer „regionalen Integration“ als eine Gruppe ihr Potential zur Geltung bringen sollten. In Europa gab es damals bereits die Europäische Gemeinschaft, die Vorgängerin der Europäischen Union (EU), während auf dem amerikanischen Kontinent das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) bestand. Im Rahmen dieser Entwicklung wurde die APEC als Forum für die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der Region Asien-Pazifik ins Leben gerufen. Zunächst gehörten der APEC zwölf Staaten an, heute zählt sie insgesamt 21 Mitglieder, darunter auch Taiwan (als „Chinese Taipei“) und Hongkong als Sonderverwaltungszone Chinas sowie Staaten aus Mittel- und Südamerika.
Die APEC misst der Eigenständigkeit ihrer Mitglieder sowie dem kooperativen Charakter einen hohen Stellenwert bei. Aus diesem Grund werden die Mitglieder nicht rechtsverbindlich gebunden, vielmehr wird der Charakter „eines Rahmens lockerer Kooperation zwischen den Regierungen“ gewahrt. Werden bei Zusammenkünften der APEC Entscheidungen über den Kurs dieser Organisation getroffen, so geschieht dies keineswegs durch Mehrheitsbeschlüsse, vielmehr gilt das Konsensprinzip, bei dem alle Beteiligten eine Übereinkunft einstimmig beschließen. Zugleich hält das Forum am Grundsatz einer „offenen regionalen Kooperation“ fest, bei der die Früchte der Liberalisierung im Bereich Handel und Investitionen nicht nur der Region Asien-Pazifik, sondern auch Ländern außerhalb dieser Region zuteil werden sollen. Diese Besonderheit unterscheidet die APEC von anderen Formen regionaler Integration wie z.B. die EU oder die NAFTA.
Zusammenarbeit zwischen APEC und Vertretern der Wirtschaft
Eine weitere Besonderheit der APEC besteht darin, dass auch den Wirtschaftsvertretern Gelegenheit geboten wird, ihre Ansichten zu äußern. Innerhalb der APEC besteht das APEC-Business-Beratungsgremium (ABAC), das aus Vertretern der Wirtschaft (bis zu drei Mitglieder je Land bzw. Region) besteht. Diese legen den Staats- und Regierungschefs Vorschläge dahingehend vor, wie die Liberalisierung von Handel und Investitionen weiter vorangetrieben werden kann. Laut einer Untersuchung des Außenministeriums von Japan in Bezug auf die im Ausland lebenden japanischen Staatsangehörigen aus dem Jahr 2008 sind mehr als 70% der 1,1 Mio. aus beruflichen Gründen im Ausland lebenden Japaner innerhalb der APEC-Region tätig. Auch diese Zahl macht deutlich, dass die Beziehungen im Bereich Handel und Investitionen, die Japan mit den Mitgliedern der APEC unterhält, sowie das APEC-Business-Beratungsgremium für die japanische Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen.
Ausgesprochen nützlich: die APEC Business Travel Card
Um Aktivitäten im Bereich Handel und Investitionen möglichst reibungslos nachgehen zu können, ist es unerlässlich, dass Vertreter der Wirtschaft ohne größere Hindernisse über Ländergrenzen hinweg reisen und tätig werden können. Hierfür hat die APEC ein eigenständiges System, die APEC Business Travel Card (ABTC) eingeführt. Diese Karte erlaubt es Wirtschaftsvertretern, die entsprechenden Aktivitäten nachgehen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen, in die Länder, die sich am ABTC-System beteiligen, visafrei einzureisen sowie bei der Einreise spezielle Einreiseschalter zu nutzen, um die Zeitdauer der Einreiseprozedur zu verkürzen (Japan beteiligt sich seit April 2003 am ABTC-System). Den Vorschlag für diese Travel Card unterbreitete übrigens das APEC-Business-Beratungsgremium (ABAC)
Für freien Handel und freie Investitionen
Die APEC verfolgt bei der Förderung von Handel und Investitionen in der Region zwei Ansätze. Nämlich einmal nicht allein mittels der Beseitigung von tariflichen und außertariflichen Hindernissen, sondern auch durch die Überwindung von Hemmnissen in Bereichen wie Dienstleistungen oder Investitionen. Und zweitens durch eine Vereinfachung der Verfahren in Bezug auf Handel und Investitionen, durch Harmonisierung der Vorschriften sowie durch eine reibungslose Gestaltung des Transfers von Menschen, Gütern und Kapital. Um diese Ansätze zuverlässig und stetig weiter voranzutreiben, wurde beim APEC-Gipfel 1994 im indonesischen Bogor beschlossen, dass die Industriestaaten die Realisierung von freiem Handel und freien Investitionen bis 2010 und die Entwicklungsländer diese so genannten „Bogor-Ziele“ bis 2020 erreichen sollen. Beim folgenden APEC-Gipfel 1995, der in Osaka stattfand, wurde als „Roadmap“ für die konkrete Gestaltung der Bogor-Ziele die „Osaka Action Agenda“ (OAA) beschlossen, welche die allgemeinen Regeln und Rahmenbedingungen etwa für die Zollprozeduren sowie für die Deregulierungen vorgibt. Später wurden auch verschiedene Aktionspläne aufgestellt.
Weiterentwicklung der APEC im Laufe der Zeit
In den 20 Jahren seit ihrer Gründung im Jahr 1989 haben sich auch die Aufgaben der APEC mit Blick auf die Veränderungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft allmählich verändert. Bestand das ursprüngliche Ziel in einer umfassenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit, so bekam der zunächst vernachlässigte politische Charakter der APEC mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten, die die ganze Welt erschütterten, neues Gewicht. Die APEC entwickelte sich zu einem Forum, auf dem nun auch über die Art und Weise der regionalen Zusammenarbeit unter dem Aspekt von „Human Security“ nachgedacht wird. Konkret wurde 2003 eine „Anti-Terror Task Force“ ins Leben gerufen, und es wurden Gespräche über die Förderung und Koordinierung von Anti-Terrormaßnahmen sowie über die Prüfung der Verbesserung der Fähigkeiten für den Kampf gegen den Terrorismus geführt. Aber auch in Bezug auf Infektionskrankheiten wie z.B. die Neue Influenza, in Bezug auf den Klimawandel oder in Bezug auf die Nahrungsmittelsicherheit hat die APEC Vorschläge unterbreitet und sich auf diese Weise zu einem Forum gewandelt, das der veränderten Situation in der Region gerecht wird.
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Mit dem „Lehman-Schock“ gewinnt das Konzept einer Freihandelszone an Fahrt
Mit der jüngsten Finanzkrise, die durch den Bankrott der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ausgelöst wurde, begann auch die eigentliche Prüfung für die Realisierung einer „Asien-Pazifik Freihandelszone“ (FTAAP), die das wirtschaftliche Zusammenwirken in der Region weiter vertiefen wird. Dies bedeutet die Realisierung eines einheitlichen Ansatzes innerhalb der Region Asien-Pazifik in Bezug auf Handel, Investitionen sowie Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie in Bezug auf eine stabile regionale Wirtschaft. Beim APEC-Gipfel 2009 in Singapur kam man mit Blick auf die Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds sowie des wirtschaftlichen Zusammenwirkens überein, die wirtschaftliche Integration innerhalb der Region mittels eines umfassenden Ansatzes beschleunigt voranzutreiben. Wie dieses Konzept einer FTAAP verwirklicht werden kann, wird den Inhalt der künftigen Diskussionen bestimmen, die auch die bereits bestehenden Wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen (EPA) sowie Freihandelsabkommen (FTA) mit einschließen.
Reform der APEC: Beginn der Ausschreibung für den Posten eines Generalsekretärs
Angesichts der zunehmenden Aufgaben, die die APEC aufgrund der Veränderungen im Lauf der Zeiten zu erfüllen hat, wird eine Reform angestrebt, mit der die Professionalität der APEC weiter verbessert werden soll. So wurde bislang der Generalsekretär der APEC von dem Land gestellt, das für ein Jahr den Vorsitz innehatte. Somit endete auch die Amtszeit des Generalsekretärs nach einem Jahr. Um die Aktivitäten der APEC in einer effizienteren und kontinuierlicheren Weise weiterführen zu können, wird es ab Januar 2010 den Posten eines Generalsekretärs mit einer dreijährigen Amtszeit geben, der öffentlich ausgeschrieben wird. Darüber hinaus werden verschiedene Schritte unternommen, um die Professionalität weiter auszuweiten, etwa die Gründung eines „Politischen Unterstützungsgremiums“, mit welchem dem Generalsekretariat Personal mit ausgewiesener Expertise im Bereich der regionalen Wirtschaft zur Seite gestellt wird.
„Change and Action“: APEC-Gipfeltreffen 2010 in Japan
Die APEC, deren Aufgabenspektrum im Lauf der Jahre immer weiter angewachsen ist, steht 2010, dem Zieljahr mit Blick auf die Erreichung der „Bogor-Ziele“ durch die Industriestaaten, vor einer wichtigen Wegmarke. In diesem für das Forum so entscheidenden Jahr wird Japan als Vorsitz der APEC fungieren. In diesem einen Jahr finden überall im Land eine ganze Reihe von Zusammenkünften und Konferenzen mit Bezug auf die APEC statt. Japan wird als Gastgeber Führungsstärke beweisen, eine in hohem Maße transparente und vertrauenswürdige Bewertung des Stands der Erreichung der Bogor-Ziele durchführen sowie die Diskussion in Bezug auf die konkrete Gestaltung der Wachstumsstrategie zusammenfassen. 2010 lautet das Motto der APEC „Change and Action“. Zusammen mit den Vereinigten Staaten, die 2011 den Vorsitz übernehmen werden, wird sich Japan mit ganzer Kraft für den Umbau der APEC sowie für das Aufstellen neuer Werte einsetzen.
Anmerkung: Der vorliegende Beitrag erschien am 08. 12. 2009 als 50. Folge der Informationsserie „Die internationale Situation verstehen!“ auf der Webseite des Außenministeriums von Japan.