Eine Datenbank für Geister und Gespenster
- Japans Dämonen und Kobolde werden katalogisiert
Die Kultur Japans ist reich an Geschichten über Monster, Geister, Gespenster und andere übernatürliche Wesen. Aber wie groß ist dieser Reichtum konkret? Im Juni 2010 veröffentlichte der International Research Center for Japanese Studies in Kyoto im Internet eine „Datenbank der Bilder seltsamer Phänomene und yokai (Geisterwesen)“, die sich bereits bei zahlreichen Besuchern großer Beliebtheit erfreut. Auch im Ausland hat das Interesse an yokai in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zu verdanken ist dies vor allem dem häufigen Auftreten von Geistern in Klassikern der Popkultur wie Chihiros Reise ins Zauberland, Prinzessin Mononoke oder anderen Meisterwerken des Anime von Regisseur Hayao Miyazaki. Aber auch die Anime-Serie Pokemon und Computerspiele haben ihren Anteil an diesem Boom. Um die zahlreichen Monster, Geister und anderen seltsamen Wesen, die Anime, Manga und Spiele bevölkern, einmal näher und sozusagen persönlich kennenzulernen, klicken Sie für einen Besuch dieser Datenbank bitte hier.
Eine lange Tradition
Die “Datenbank der Bilder seltsamer Phänomene und yokai (Geisterwesen)“ wurde von einem Forscherteam unter der Leitung von Prof. Kazuhiko Komatsu erstellt. Als Kind war er ein großer Fan von Filmen mit yokai und heute ist Prof. Komatsu die führende Autorität in Japan auf diesem Gebiet, der die Erforschung übernatürlicher Wesen zu seinem Lebenswerk gemacht hat. Über viele Jahre hinweg hat er Unterlagen über die reiche Folklore zu yokai zusammengetragen, die in den verschiedenen Regionen Japans über Generationen hinweg weitergegeben wurden. Schließlich entschloss er sich, sein Material der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Idee bildete den Hintergrund für die Datenbank „Daten zu Volkserzählungen über seltsame Phänomene und yokai (Geisterwesen)“, die 2002 veröffentlicht wurde und Angaben zu rund 35.000 übernatürlichen Phänomenen in der Folklore ganz Japans enthält. Seit ihrem Start verzeichnete diese Datenbank über eine Million Zugriffe von Nutzern aus der ganzen Welt.
Die Arbeit an einer Datenbank mit Bildern begann 2007 als Antwort auf Nachfragen von Forschern und anderen yokai-Fans, die Bilder von Japans mystischen Wesen zu sehen wünschten. Das Projektteam verbrachte drei Jahre damit, 1.826 Bilder von Monstern, Geistern, Gespenstern und anderen übernatürlichen Wesen aus rund 100 Bildbänden im Besitz des Center, darunter Wandschirme und Hängerollen aus den unterschiedlichen Perioden zusammenzustellen.
Neben Japans kulturellem Reichtum an Legenden, in denen yokai und andere seltsame Phänomene auftreten, besteht auch eine lange Tradition, diese Wesen in der Kunst darzustellen. Die Bildrollen Kitano Tenjin Engi Emaki („Illustrierte Legende des Kitano-Schreins“) zum Beispiel bestehen aus mehreren Rollen aus der Kamakura-Zeit (1192-1333), in denen die Hölle und zahllose Dämonen dargestellt sind. Während der Namboku-cho-Zeit (1336-1392) entstanden viele Bildrollen, die Wesen wie tengu (koboldartige Wesen mit langer Nase, die sowohl menschliche als auch vogelartige Eigenschaften besitzen), tsuchigumo (spinnenartige Dämonen) oder shuten-doji (riesige rote Ungeheuer) zeigen. Zu den späteren Bildrollen gehört auch das Werk Hyakki Yagyo Emaki (Illustrierter nächtlicher Aufmarsch von hundert Dämonen), das eine lange Prozession der unterschiedlichsten yokai zeigt, die durch eine Stadt marschieren.
Während der Edo-Zeit (1603-1868) entwickelte sich diese Tradition des Darstellens von yokai in Bildrollen zu einer Art Unterhaltungskunst für die Massen in Bildform. Monster, Geister und Ungeheuer spielten damals in den unterschiedlichsten Gestalten eine zentrale Rolle in der japanischen Kultur. Die yokai, die heutzutage in großer Zahl in Anime, Manga und Computerspielen auftauchen, sind direkte Abkömmlinge dieser langen und reichen Tradition.
Auf der Suche nach Geistern
Eine Besonderheit der Bilderdatenbank besteht darin, dass die Nutzer die verschiedenen Wesen nicht nur mittels Namen wie etwa oni (ein in den Bergen lebendes Ungeheuer) oder kappa (ein Wasserkobold), sondern auch anhand von Suchbegriffen in Bezug auf Gestalt, Verhalten, Farbe oder Gegenstände, die mitgeführt werden, finden können.
Die Suchfunktion unterstützt derzeit nur Eingaben in japanischer Sprache, was aber auch viele Nutzer von außerhalb Japans nicht davon abhält, auf die Webseite des Center zuzugreifen. Das Center empfiehlt Nutzern aus dem Ausland, dass sie ihre Suchbegriffe mittels eines Online-Übersetzungsdienstes ins Japanische übersetzen lassen und dann die japanischen Schriftzeichen direkt in das Suchfeld kopieren. Wenn man z.B. nach roten yokai sucht, sollte man den englischen Begriff „red“ durch eine englisch-japanische Online-Übersetzung in das japanische Wort „aka“ übersetzen lassen. Das Schriftzeichen kann man dann in das Suchfeld hinein kopieren, das nach dem Drücken auf das blaue Feld in der Ecke links unten der Datenbank-Hauptseite erscheint. Nachdem man Enter gedrückt hat, erscheinen dann eine Reihe von Bildern mit yokai in roter Farbe auf dem Bildschirm.
Professor Komatsu erläutert: „Während der Edo-Zeit war das Betrachten von Bildern mit yokai eine Form des Vergnügens für die einfachen Leute. Diese Bilder wurden so beliebt, dass sie sogar als Muster für Kimono verwendet wurden. […] Dämonen und Geister gibt es in den verschiedensten Kulturen überall auf der Welt, aber es gibt nur wenige Länder, wo sich diese Kreaturen zu einem integralen Bestandteil der Unterhaltung und Kultur entwickelt haben, wie in Japan. In der heutigen Zeit der Globalisierung ist die Kultur der yokai ein Ausdruck der japanischen Folklore, den Japan voller Stolz mit dem Rest der Welt teilen sollte.“
© Web Japan, 2010