
Deutschlandbesuch Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen von Japan
Von Dienstag, dem 21. Juni bis Freitag, dem 24. Juni hielt sich Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz von Japan zu einem Besuch in Berlin auf. Als Schirmherr der Veranstaltungsreihe „150 Jahre Japan-Deutschland“ auf japanischer Seite folgte er einer Einladung von Bundespräsident Christian Wulff, der als deutscher Schirmherr dieses 150-jährigen Jubiläums der Unterzeichnung des Freundschafts- und Handelsvertrages zwischen Japan und dem damaligen Preußen am 24. Januar 1861 in Edo (heute Tokyo) fungiert. In Würdigung der traditionell engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland hatte das Kabinett unter Premierminister Naoto Kan zugestimmt, die Einladung von Seiten des Bundespräsidenten anzunehmen und den Kronprinzen zu bitten, Deutschland einen Besuch abzustatten. (Anmerkung: Laut Artikel 1 der japanischen Verfassung ist der Kaiser das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes. Seine Stellung leitet sich vom Willen des Volkes ab, bei dem die souveräne Macht ruht. Artikel 3 führt aus, dass für alle Handlungen des Kaisers in Staatsangelegenheiten die Empfehlung und Zustimmung des Kabinetts erforderlich ist, bei dem die Verantwortung liegt. Dies gilt auch für offizielle Reisen der Mitglieder des Kaiserhauses.)
Ursprünglich war ein noch längerer Aufenthalt Seiner Kaiserlichen Hoheit in Deutschland geplant gewesen, aber nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans wurde das Besuchsprogramm auf Wunsch der japanischen Seite noch einmal überarbeitet und umfasste nun einen Besuch der deutschen Hauptstadt.
Anlässlich eines Interviews wenige Tage vor seiner Abreise nach Berlin hatte der Kronprinz u.a. ausgeführt, er empfinde seit seiner Kindheit eine besondere Zuneigung für Deutschland, die insbesondere durch Musik und Literatur zustande gekommen sei. Er wünsche sich, dass sein Besuch den Menschen in beiden Ländern Anlass biete, sich der langjährigen Geschichte des gegenseitigen Austausches erneut bewusst zu werden und dass seine Reise zugleich eine Gelegenheit darstelle, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland auch künftig weiter auszubauen und zu festigen.
Nachdem der Kronprinz am Vorabend in Tegel gelandet war, bestand der erste Programmpunkt am Mittwoch, dem 22. Juni aus einem ca. einstündigen Gespräch mit Bundespräsident Wulff im Schloss Bellevue. Dabei bezeichnete der Bundespräsident es als eine besondere Wertschätzung, dass der Kronprinz trotz der Erdbebenkatastrophe in Japan seiner Einladung nach Deutschland gefolgt sei. Er bekundete die große Anteilnahme in Deutschland am Schicksal der Menschen in Japan nach dem Erdbeben. Im Anschluss an das Gespräch pflanzten der Bundespräsident und der Kronprinz symbolisch einen japanischen Kirschbaum im Park von Schloss Bellevue als Ausdruck der engen Verbundenheit und tiefen Freundschaft beider Länder.
Am Nachmittag fand in der Staatsbibliothek eine Zusammenkunft des Kronprinzen u.a. mit jungen deutschen Studierenden der Freien Universität sowie der Humboldt-Universität statt. Dabei beeindruckte der Kronprinz seine jungen Gesprächspartner durch sein aufrichtiges Interesse an einem persönlichen Gedankenaustausch mit ihnen. Dies kam auch darin zum Ausdruck, dass er sich mehr Zeit für das Gespräch mit jedem Einzelnen nahm als laut Zeitplanung ursprünglich vorgesehen war. Zuvor hatte der Kronprinz in der Staatsbibliothek auch das Original des Japanisch-Preußischen Freundschafts- und Handelsvertrages aus dem Jahr 1861 besichtigt, der ansonsten im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt wird, sowie auch Erinnerungsstücke an den ersten preußischen Konsul in Japan, Max von Brandt.
Ein besonderes Erlebnis stellte für den Kronprinzen wohl die Besichtigung der Originalpartitur von Beethovens 9. Sinfonie dar, die sich im Besitz der Musikabteilung der Staatsbibliothek befindet. In seiner Ansprache anlässlich des von Bundespräsident Wulff gegebenen Abendessens am selben Abend ging der Kronprinz auch auf seinen allerersten Kontakt mit Deutschland und der deutschen Kultur ein: Es war dies der Besuch einer Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie, die ein deutsches Orchester und ein Chor anlässlich einer Japantournee in Tokyo aufführten, und die bei dem damals 8-jährigen Prinzen einen tiefen Eindruck hinterlassen hatte.
Es folgte ein Besuch der Mori-Ôgai-Gedenkstätte der Humboldt-Universität im Bezirk Mitte, die an den berühmten Schriftsteller Mori Ôgai erinnert, der Ende des 19. Jahrhunderts als junger Arzt in Deutschland Medizin studiert hatte. In seiner Heimat ist Mori Ôgai vor allem als Schriftsteller bekannt, dessen Werke zu den bekanntesten der frühen modernen Literatur Japans zählen und der zugleich einer der ersten war, der Goethes Schriften ins Japanische übersetzt und ihn in seiner Heimat bekannt gemacht hat.
Am Abend schließlich gab Bundespräsident Wulff zu Ehren des japanischen Kronprinzen ein Abendessen im Schloss Bellevue. Es waren rund 100 Gäste geladen, die sich für die japanisch-deutsche Freundschaft engagieren und u.a. aus den Bereichen Wirtschaft, Musik und auch Sport kommen. In seiner Ansprache verlieh der Bundespräsident u.a. seiner Überzeugung Ausdruck, dass Japan und Deutschland mit ihrer Kreativität bei zahlreichen großen Zukunftsthemen zusammenwirken und Fortschritte erzielen können. Als Beispiele nannte er u.a. Energieerzeugung und –effizienz, die Reform der Vereinten Nationen, Abrüstung und ein offenes Welthandelssystem. Japan sei für Deutschland dabei der Wertepartner in Asien.
In seiner Erwiderung führte der Kronprinz aus, es sei ihm ein besonderes Anliegen, seinem tief empfundenen Dank Ausdruck zu verleihen für die Anteilnahme, die der Bundespräsident und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aufgebracht haben sowie auch für die vielfältige Hilfe der Bundesregierung und der deutschen Zivilgesellschaft für Japan anlässlich des schweren Erdbebens im Osten des Landes am 11. März.
Am folgenden Besuchstag, dem 23. Juni, traf der Kronprinz zunächst mit dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Lammert, sowie im Anschluss daran auch mit Bundeskanzlerin Merkel zusammen. Bei seinem Gespräch mit dem Bundestagspräsidenten würdigte er insbesondere den Beschluss des Deutschen Bundestags anlässlich des 150-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Am Mittag wurde der Kronprinz von Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit am Brandenburger Tor empfangen. Beide durchschritten sodann gemeinsam dieses Symbol der deutschen Einheit, das zur Zeit des Kalten Krieges wie kein anderes Bauwerk für die Teilung Berlins und Deutschlands stand. In seiner Ansprache während des Mittagessens in Schloss Friedrichsfelde ging der Kronprinz auch auf seinen ersten Besuch in Berlin ein, der ihn 1987 in die noch geteilte Stadt geführt habe. Er zeigte sich tief bewegt, dass er bei diesem Besuch nun die Gelegenheit hatte, durch das Brandenburger Tor zu schreiten, das damals hinter einer hohen Mauer stand. Zugleich dankte er den Berlinerinnen und Berlinern für Ihr großes Engagement seit der Wiedervereinigung, das zur Entwicklung Berlins zu einer beeindruckenden Metropole beigetragen habe.
Der nächste Programmpunkt war ein Abstecher in den Japanischen Garten in Marzahn, der seit 2003 ein Teil des Gartenensembles „Gärten der Welt“ ist. Dort kam der Kronprinz auch in den Genuss eines Ständchens, das eine Gruppe älterer Damen ihm spontan gab. Der Kronprinz zeigte sich auch über diese nicht im offiziellen Programm vorgesehene musikalische Einlage erfreut. Am Abend folgte eine weitere Zusammenkunft mit Bürgerinnen und Bürgern, diesmal aus Japan und Deutschland, die sich z.T. bereits viele Jahre lang für die Vertiefung der Beziehungen zwischen beiden Ländern einsetzen.
Den Abschluss dieses Tages bildete der Besuch eines Konzerts in der Philharmonie, ein Programmpunkt, der dem Kronprinzen, der ein großer Liebhaber der klassischen Musik ist und selbst ausgezeichnet die Bratsche spielt, eine besondere Freude bereitete.
Der letzte Tag des Besuches Seiner Kaiserlichen Hoheit in Berlin, der 24. Juni, begann mit der Teilnahme an einem Symposium zum Thema Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland auf dem Gebiet des Ressourcen- und Umweltschutzes sowie des Katastrophenschutzes im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin, das im vergangenen Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiern konnte. In seinem Grußwort zur Eröffnung dieser Veranstaltung vor Experten beider Länder und der Vereinten Nationen würdigte der Kronprinz die langjährige Tätigkeit des Zentrums als Ort der wissenschaftlichen Begegnung zwischen Japan und Deutschland sowie zwischen Japan und Europa. Dank der Unterstützung von Seiten der Regierungen und des Zivilsektors in beiden Ländern komme dem Zentrum eine große Rolle beim Ausbau des geistigen, kulturellen und personellen Austausches zu. Zugleich erinnerte er daran, dass er vor 24 Jahren anlässlich der feierlichen Eröffnung des JDZB erstmals nach Berlin gekommen sei. Es habe ihn tief bewegt, den nun prächtig gedeihenden Kirschbaum wiederzusehen, den er damals gepflanzt habe. Auch widme er dem vielfältigen Engagement des Zentrums seit seiner Gründung große Aufmerksamkeit.
Der Besuch der Japanischen Schule und ihrer Partnerschule, der Conrad-Grundschule, in Berlin-Wannsee, bildete den nächsten Punkt auf dem Besuchsprogramm. Neben einer Zusammenkunft mit dem Lehrerkollegium stand natürlich auch eine Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern an, wobei die jungen Menschen aus beiden Ländern dem hohem Besuch aus Japan einen herzlichen Empfang, gemischt mit gespannter Erwartung und Neugierde bereiteten. Den Abschluss des Besuches bildeten am Nachmittag ein Besuch des Pergamonmuseums, und hier insbesondere des Pergamonaltars, des Markttors von Milet und des Ischtar-Tores, sowie des Nikolaiviertels, wo der Kronprinz neben der Nikolaikirche auch das Knoblauch-Haus besichtigte. Vom Flughafen Tegel aus erfolgte sodann abends der Rückflug nach Japan.
Der jetzige Besuch Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen in Berlin darf als ein Zeichen der besonderen Wertschätzung verstanden werden, die beide Länder seit langem füreinander hegen. Es steht zu hoffen, dass – wie der Kronprinz in seiner Ansprache beim Abendessen im Schloss Bellevue zum Ausdruck brachte – „dieser Besuch in Deutschland Anlass dafür bietet, dass noch mehr Menschen in beiden Ländern ihr Interesse am jeweils anderen entdecken und dass das Netzwerk des Austausches noch feiner gesponnen wird.“
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