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Neues aus Japan Nr.91 Juni 2012

Persönlichkeiten des Austausches zwischen
Japan und Deutschland (3):

Jiro ENJOJI (1907 - 1994)

Jiro Enjoji wurde 1907 in der Präfektur Chiba geboren. Nach dem Studienabschluss an der Fakultät für Politik- und Wirtschaftswissenschaften der Waseda Universität trat er 1933 in den Zeitungsverlag „Chugai Shogyo Shimposha“ ein. Bereits 1938 wurde Enjoji stellvertretender Leiter der Wirtschaftsredaktion, und 1940 bereiste er als Korrespondent der Zeitung die Vereinigten Staaten. Als die Zeitung 1942 mit zwei weiteren Wirtschaftszeitungen zur „Nihon Sangyo Keizai Shimbun“ fusionierte, wurde er Leiter der Redaktion Politik und Wirtschaft. Nach dem Krieg änderte die Zeitung ihren Namen in „Nihon Keizai Shimbun“. Unter diesem Namen ist die „Nikkei“ noch heute als eines der führenden Medienunternehmen Japans bekannt. Neben dem Posten des Chefredakteurs, den er seit 1946 bekleidete, war Enjoji auch im Direktorium des Verlages vertreten. Nach weiteren Posten auf der Führungsebene wurde er im Februar 1968 schließlich Präsident der Nikkei.

Neben seiner journalistischen Tätigkeit widmete sich Enjoji mit großem Nachdruck dem Ausbau des Zeitungsverlages zu einer großen Unternehmensgruppe, die auf vielfältige Weise Informationen vermittelt. Neben der Nikkei als führende Wirtschaftstageszeitung des Landes gehören heute weitere Zeitschriften und Magazine sowie Informationsdienste zum Unternehmen.

Darüber hinaus war Enjoji aber auch in hohem Maße von der klassischen bildenden Kunst Europas begeistert. So organisierte er über die ideologischen Grenzen der damaligen Zeit hinweg mit großem persönlichen Engagement umfangreiche Ausstellungen mit Kunst aus der damaligen Sowjetunion in Japan, die dort große Beachtung fanden. So mag es nicht verwundern, dass er 1966 auch erste Kontakte zur DDR knüpfte, zu der Japan damals noch keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Denn bis zum Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten im Jahr 1972 folgte auch die Regierung von Japan der Politik der Nichtanerkennung der DDR durch die alte Bundesrepublik, so dass von japanischer Seite aus offizielle Kontakte zur DDR-Regierung vermieden wurden.

Enjoji gelang es über die „Liga für Völkerfreundschaft“ Kontakte zum DDR-Kulturministerium anzuknüpfen und Leihgaben aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für eine Rembrandt-Ausstellung in Tokyo zu erhalten. Von nun an besuchte er fast jedes Jahr Museen in der DDR. Dabei beeindruckte ihn immer wieder das große Engagement, mit dem trotz schwieriger Bedingungen die Kunstschätze in der DDR als kulturelles Erbe der ganzen Menschheit bewahrt und gepflegt wurden.

1972 gelang es Enjoji, den Menschen in Japan erstmals eine umfassende Ausstellung mit originalen Gemälden, Zeichnungen und Kupferstichen von Albrecht Dürer zugänglich zu machen. Präsentiert wurde die von der Nikkei organisierte Ausstellung „Deutsche Kunst der Dürer-Zeit“ in den Nationalmuseen in Tokyo und Kyoto. Diese Ausstellung rief in Japan ein großes Echo beim Publikum und in den Medien hervor. Neben dem großen künstlerischen Ereignis stellte sie aber auch ein Politikum dar. Denn die Räumlichkeiten der Nationalmuseen sind staatliche Einrichtungen, so dass der Name „DDR“ als Staatsbezeichnung dort nicht offen gezeigt werden durfte. Schließlich einigten sich Enjoji und die japanische Regierung darauf, dass der Name „DDR“ in den Broschüren und Katalogen angeführt werden durfte, die von der Nikkei als privatwirtschaftliches Unternehmen herausgegeben wurden. Im Rahmen dieser Ausstellung besuchte auch eine Delegation aus der DDR unter der Leitung des Kulturministers Klaus Gysi Japan, wobei es auch – aufgrund der fehlenden diplomatischen Beziehungen – allerdings lediglich zu inoffiziellen Kontakten mit Persönlichkeiten in Japan kam.

Aber auch den Menschen in der DDR eröffnete Enjoji mit seinem Engagement die Möglichkeit, japanische Kunstwerke im Original kennen und schätzen zu lernen. So wurde bereits 1970 die Ausstellung „Die Fließende Welt – Ukiyo-e aus Japan“ in Berlin und Dresden gezeigt. Mit den hier gezeigten etwa 400 Blättern japanischer Holzschnittmeister aus dem 18. und 19. Jh. erfüllte sich für die Liebhaber dieser Kunst in der DDR ein lang gehegter Wunsch.

Im Mai 1973 schließlich nahmen Japan und die DDR im Rahmen eines Notenwechsels ihre gegenseitige offizielle Anerkennung vor. Im darauffolgenden Jahr nahmen auch die Botschaften beider Länder ihre Arbeit auf. Zwischen beiden Partnern entwickelte sich nun ein stetig zunehmender Austausch, der neben dem kulturellen Bereich zunehmend auch die Wirtschaft erfasste.

Es bleibt das Verdienst von Jiro Enjoji, dass er, geleitet durch seine große persönliche Wertschätzung für die Kunst Europas – und sicherlich auch gefördert durch wirtschaftliche Interessen – bereits früh die Grundlagen für einen vertrauensvollen Austausch zwischen Japan und der DDR legte. Seinem Beispiel folgend stellten immer mehr private Sammler und Museen in Japan ihre Exponate für Ausstellungen in der DDR zur Verfügung, die den Menschen dort die Möglichkeit gaben, Kunst aus Japan im Original zu erleben.

Jiro Enjoji, der von 1976 bis 1980 als Aufsichtsratsvorsitzender der Unternehmensgruppe „Nihon Keizai Shimbun“ fungierte, war auch Mitglied bzw. Vorsitzender zahlreicher Beratergremien der Regierung sowie Präsident des Japan Center for Economic Research (JCER). Er starb 86-jährig im März 1994. Seit 2006 erinnert das JCER mit dem von ihm verliehenen Jiro Enjoji Memorial Prize an seinen Gründungspräsidenten, der unter schwierigen Umständen einen Beitrag zur Entwicklung des kulturellen Austausches zwischen den Menschen in Japan und dem Osten Deutschlands leistete.

 

Verwendete Literatur:
„Die DDR und Japan“, Berlin (1983) u.a.

 

 


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