Leckereien nur zum Anschauen – shokuhin sampuru
Eine Besonderheit japanischer Restaurants: Nachbildungen von Speisen
Ob Curry-Gerichte, Hamburger oder Sushi: Restaurants in Japan präsentieren in ihren Auslagen oft appetitlich anzuschauende Gerichte. Aber auch, wenn sie noch so lecker aussehen, sind diese Speisen nicht zum Verzehr gedacht. Es handelt sind vielmehr um Nachbildungen, und die Restaurants bieten damit ihren Kunden die Möglichkeit, ihr Speisenangebot wie auf einer plastischen Speisekarte mit einem Blick zu erfassen. Diese shokuhin sampuru genannten Nachbildungen sind typisch japanisch. Gefertigt werden diese kleinen Kunstwerke mit ihrem ausgesprochen realistischen Aussehen mittels ausgetüftelter Techniken von ausgewiesenen Experten.
Japanische Handwerkskunst in höchster Perfektion
Die ersten Nachbildungen von Speisen wurden in Japan vor rund neunzig Jahren für ein Kaufhaus-Restaurant in Tokyo angefertigt. Seitdem haben sie sich im ganzen Land verbreitet. Zuvor hatten Restaurants noch richtige Speisen ausgestellt, deren Form und Farbe sich aber im Laufe des Tages immer mehr veränderte. Gerade die Kaufhausrestaurants mit ihrem hohen Kundenaufkommen während des ganzen Tages suchten daher nach einem Weg, um Speisen über einen längeren Zeitraum ausstellen zu können, ohne dass diese unansehnlich werden. Dies führte zu der Idee, Nachbildungen von Speisen – shokuhin sampuru – zu verwenden.
Die Nachbildungen sehen genauso aus wie die echten Speisen und haben dieselbe Größe, Form und Farbe wie das tatsächlich servierte Gericht. Auch der für manche Gerichte typische Glanz oder die Grillspuren werden realistisch nachgebildet.
Shokuhin sampuru wurden zunächst aus Wachs gefertigt, heute jedoch wird wegen der besseren Haltbarkeit meistens Kunststoff verwendet. Von den Speisen wird eine Silikon-Form hergestellt, die dann mit flüssigem Kunststoff gefüllt wird. Das Ganze wird auf ca. 150°C erhitzt und auf diese Weise entsteht ein Gussmodell.
Der nächste Schritt besteht dann im Bemalen dieser Modelle. Es erfordert hohe Kunstfertigkeit, um die Farben der Speisen in all ihren Schattierungen exakt nachzubilden. Der Maler prüft zunächst jedes Detail des wirklichen Gerichts und trägt dann mittels feiner Pinsel Ölfarben auf die Plastikmodelle auf. Zum Schluss wird das Ganze mit einer Glasur überzogen, um es vor Staub zu schützen.
Nachbildungen von Speisen geben jedes Detail des echten Gerichts wieder, beispielsweise die gebräunten Stellen von Schinken und Eiern oder auch den Unterschied zwischen einem blutig oder medium gebratenen Steak. Fast alle Nachbildungen werden auf Bestellung angefertigt, da auch identische Gerichte sich je nach Restaurant in Form, Farbe und der Art und Weise ihres Arrangements unterscheiden können.
Nachbildungen von Speisen selbstgemacht
Kappabashi oder auf Englisch „Kitchen Town“ ist ein Bezirk in Tokyo, in dem sich zahlreiche Geschäfte rund ums Kochen und Essen finden lassen – nur einen Steinwurf von Asakusa mit seinen bekannten touristischen Attraktionen entfernt. In den Läden findet man alles von Geschirr und Töpfen bis hin zu Nachbildungen von Speisen. In den Showrooms der Betriebe, die diese Nachbildungen herstellen, werden fast täglich Kurse angeboten, in denen interessierte Besucher ihre eigenen Nachbildungen anfertigen können. Diese Workshops erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit, insbesondere bei Frauen und Kindern.
In den Kursen lernen die Teilnehmer die Herstellung von Nachbildungen aus Wachs als traditionelles Material. Für sie besteht die Herausforderung darin, unter Anleitung Nachbildungen typisch japanischer Gerichte wie tempura oder Gemüse wie etwa Blattsalat herzustellen.
Um echte tempura herzustellen, werden Garnelen, Gemüse und andere Zutaten in einen Teig aus Mehl und Ei getaucht und dann frittiert. Um z.B. ein tempura mit Garnelen nachzubilden, wird flüssiges Wachs in Streifen von einer Papierschüssel in etwa 60 cm Höhe aus in 40°C warmes Wasser gegossen. Das Entscheidende ist hierbei, das Wachs genau aus der richtigen Höhe zu gießen, um den Teig für das tempura nachzubilden. Das Wachs verläuft auf der Wasseroberfläche und bildet dann eine Art unebenes Blatt. Wenn es dann in die richtige Form um die Garnelen-Nachbildung gebracht wird, sieht das Gericht richtig knusprig und zum Anbeißen aus.
Natürlich ist es nicht einfach, Nachbildungen von Speisen herzustellen, die so exakt und detailliert aussehen wie die Nachbildungen von Expertenhand. Aber die Teilnehmer in den Kursen haben viel Spaß bei ihren Versuchen, ihre eigenen Nachbildungen so aussehen zu lassen wie in den Auslagen der Restaurants.
Es werden auch eigens Sets angeboten, mit denen man shokuhin sampuru zuhause selbst anfertigen kann. Diese beinhalten alle erforderlichen Materialien für die Herstellung etwa von Pizza, Parfait oder Spagetti, die auf eine Gabel gedreht werden und in der Luft zu schweben scheinen.
Nachbildungen von Speisen als Accessoires
In jüngster Zeit erfreuen sich auch Miniatur-Nachbildungen echter Speisen in Form von Schlüsselanhängern, Handy-Anhängern oder Lesezeichen großer Beliebtheit. Man kann fast alle Gerichte als Nachbildung finden: von Sushi oder gebratenem Reis bis hin zu Kuchen, Früchten und Keksen. Auch wenn es sich hier um Miniatur-Nachbildungen handelt, sind die einzelnen Accessoires doch von großer Detailtreue bis hin zum Fett bei einem Lesezeichen in Schinkenform oder zur tropfenden Sahne bei einem Handy-Anhänger in Form eines Kuchens. Alles sieht einfach zum Anbeißen aus. Diese kleinen und preiswerten Nachbildungen haben sich bei den japanischen und ausländischen Touristen, die die Geschäfte für Nachbildungen von Speisen in Kappabashi besuchen, zu beliebten Souvenirs entwickelt.
Shokuhin sampuru wurden in Japan erfunden, wo die Herstellung aller möglichen Dinge zu einer hohen Kunst entwickelt wurde. Heute sind diese Nachbildungen ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der japanischen Esskultur. Ein Aspekt des Vergnügens, in Japan essen zu gehen, besteht eben auch in der Auswahl des Gerichts anhand der Nachbildungen in den Auslagen. Alle Gerichte sehen so appetitanregend aus, dass die Wahl wirklich schwer fällt.
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